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Louis Spohr
(geb. Braunschweig, 5. April 1784 - gest. Kassel, 22. Oktober 1859)

Symphonie Nr. 9 h-Moll («Die Jahreszeiten») für großes Orchester, op. 143 (1850)

Vorwort
Im Jahre 1850 stand Louis Spohr am Gipfel seines Ruhms. In England galt er als «der größte Dirigent des europäischen Kontinents», als ein Geigenvirtuose, der «noch mit dem Feuer und Elan eines junges Mannes spielt» und vielerorts als der größte noch lebende Komponist und der «wiedergeborene Mozart». Dennoch wurde er zunehmend von einem Gefühl der Enttäuschung geplagt. Als liberal-aufgeklärter Demokrat litt er unter den andauernden Schikanen seines aristokratischen Dienstherrn, des Kurfürsten von Kassel, den er sogar zur Wahrnehmung seiner verbrieften Urlaubszeit vor Gericht ziehen mußte. Die Unterdrückung der 1848er Revolutionen versetzte ihn in ein Stimmungstief (wäre er nur jünger – so ein Brief an einen Gleichgesinnten – so würde er nach Amerika auswandern), und der Aufstieg Wagners und Berlioz’ führte ihm die Rückständigkeit des eigenen Kompositionsstils immer deutlicher vor Augen. Am 22. Januar 1850 rutschte der betagte Komponist auf dem Glatteis aus und erlitt dabei eine ernsthafte Gehirnerschütterung, die ihn einige Wochen lang ans Bett fesselte. Während seiner Erholung nützte er die Gelegenheit, ein Projekt zu Ende zu bringen, das er kurz vor Weihnachten 1849 begonnen hatte: seine Neunte und letzte (vollendete) Symphonie. Wie die frühere Vierte («Die Weihe der Töne»), Fünfte («Historische Symphonie») und Siebte Symphonie («Irdisches und Göttliches im Menschenleben») sollte das neue Werk einen Beinamen und zugleich ein unmißverständliches Programm erhalten: «Die Jahreszeiten».

Die Neunte Symphonie gliedert sich in zwei große Teile: eine musikalische Darstellung von Winter und Frühling mit verbindender musikalischer Überleitung, und eine Darstellung von Sommer und Herbst, ebenfalls mit musikalischer Überleitung. Hinter dieser ungewöhnlichen zweiteiligen formalen Anlage ist jedoch die Viersätzigkeit der klassischen Symphonie unschwer zu erkennen. Trotz des relativ langsamen Tempos funktioniert der Satz “Winter” als herkömmlicher Kopfsatz in Sonatenhauptsatzform, während der «Frühling» sich als dreiertaktiges Scherzo mit tänzerischem Trio-Teil im Zweiertakt entpuppt. Gibt sich der “Sommer”-Satz als reich instrumentiertes Adagio, in dem die Streicher in bis zu neun einzelne Stimmen unterteilt sind, so wird der «Herbst» in der von Mozart bevorzugten Rondo-Finale-Form gehalten, wobei Jagdrufe der Hörner und das bekannte «Rheinweinlied» aus den Liedern im Volkston (1782) von J. A. P. Schulz zwischendurch zu hören sind. Das Werk als Ganzes verrät die gekonnte musikalische Faktur und gediegene Orchestrierung, die die Musik Spohrs insgesamt auszeichnen.

Kurz nach Vollendung der Komposition erschien die Neunte Symphonie als Partitur in Druck (op. 143, Hamburg 1853) und wurde bald in ganz Europa aufgeführt. Kurz nach der Uraufführung am 24. Oktober 1850 im Leipziger Gewandhaus wurde sie am 25. November in den Londoner Grand National Concerts unter der Leitung des irischen Dirigenten und Komponisten Michael William Balfe und am 17. Januar 1851 im Kasseler Abonnementskonzert unter der Leitung des Komponisten selber aufgeführt. Die Reaktionen der Kritiker waren zwar durch eine gewisse Ehrfurcht vor dem großen Renomee des Komponisten und eine Wertschätzung der besonderen Tugenden des Werks («üppige chromatische Harmonik», «exquisite Orchestrierungskunst») gekennzeichnet, bemängelten jedoch einen Hang zur schöpferischen Bequemlichkeit. Kaum drei Jahrzehnte später konnte Hermann Kretzschmar in seinem Führer durch den Concert-Saal (1887) klagen: «Die Sinfonien von Louis Spohr sind in ihrer Mehrheit der heutigen Generation bereits wieder fremd geworden.» Dennoch: Die Renaissance der Spohrschen Symphonik im ausgehenden 20. Jahrhundert – vor allem dank des energischen Einsatzes der Louis-Spohr-Gesellschaft in Kassel – hat bisher viele Konzertaufführungen sowie einige CD-Einspielungen der Neunten zur Folge, zu denen – so steht es zu hoffen – die vorliegende Studienpartitur auch beitragen wird.

Bradford Robinson, 2006

Aufführungsmaterial ist von Schuberth & Co., Eisenach zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Hochschule für Musik und Theater, München.

PREFACE IN JAPANESE > HIER ALS PDF DATEI!!!!

Louis Spohr
(b. Braunschweig, 5 April 1784 - d. Kassel, 22 October 1859)

Symphony No. 9 in B minor («The Seasons») for full orchestra, op. 143 (1850)

Preface
The year 1850 found Louis Spohr at the zenith of his fame. He was regarded in England as “the greatest conductor on the Continent,” played the violin “with the fire and energy of a young man,” and was viewed by many, both in England and elsewhere, as the greatest living composer and the reincarnation of Mozart. Yet he was increasingly beset by a sense of disappointment. As a democratic liberal he bore the constant harassment of his aristocratic employer, the Elector of Kassel, whom he even had to sue to obtain his allotted vacation time. The defeat of the Revolutions of 1848 left him greatly despondent (if he were younger, he claimed to a like-minded friend, he would immigrate to America). And as Wagner’s and Berlioz’s stars continued to rise he became keenly aware that his own music was lagging behind the times. On 22 January 1850 the aged composer slipped on ice and suffered a severe concussion that kept him bed-ridden for several weeks. He took advantage of his period of convalescence to complete a project he had conceived just before Christmas 1849: his Ninth and last completed symphony. Like the earlier Weihe der Töne («Consecration of Sounds,» Symphony No. 4), the Historische Symphonie («Historical Symphony,» Symphony No. 6), and Irdisches und Göttliches im Menschenleben («Earthly and Divine Things in Human Life,» Symphony No. 7), the new work was to have a byname and a clearly stated program: Die Jahreszeiten - the four seasons of the year.

The Ninth Symphony falls into two large sections: a depiction of winter and spring, connected by a musical transition, and a depiction of summer and autumn, again connected by a musical transition. Beneath this unusual bipartite layout, however, the four-movement design of the classical symphony is easy to descry. “Winter,” despite its fairly slow tempo, functions as a standard opening movement in sonata-allegro form. “Spring” is a triple-meter Scherzo with a Trio section in a 2/4 dance meter. “Summer” is a richly scored slow movement with strings divided into as many as nine parts. Finally, “Autumn” proves to be a rondo-finale of the sort favored by Mozart, but interspersed with hunting calls and a quotation of the well-known Rheinweinlied from J. A. P. Schulz’s Lieder im Volkston (1782). The entire piece revels in the expert craftsmanship and instrumentation that distinguishes Spohr’s music as a whole.

The Ninth Symphony quickly appeared in score as op. 143 (Hamburg, 1853) and was soon being performed throughout Europe. Shortly after receiving its première, at the at the Leipzig Gewandhaus on 24 October 1850, it was conducted by Balfe at the Grand National Concerts, London, on 25 November; and Spohr himself performed the work at a subscription concert in Kassel on 17 January 1851. The critics evinced a certain awe at Spohr’s great reputation and an appreciation of the work’s virtues (“luscious chromatic harmonies,” “exquisite orchestration”) while faulting a tendency to lapse into mannerism. A little more than thirty years later Hermann Kretzschmar, writing in 1887, could lament that “the majority of Spohr’s symphonies are already foreign to the present generation.” Their renaissance at the end of the twentieth century, energetically spearheaded by the Louis Spohr Society in Kassel, has led to many concert performances and several recordings of the Ninth. It is to be hoped that the present study score will further contribute to its rediscovery.

Bradford Robinson, 2006

For performance material please contact the publisher Schuberth & Co., Eisenach. Reprint of a copy from the Hochschule für Musik und Theater, München.