Friedrich Gernsheim
(geb. Worms, 17. Juli 1839 — gest. Berlin, 11. September 1916)

3. Symphonie in C moll für großes Orchester, Op. 54 (1888)

I Allegro ma non troppo
II Molto adagio
III Molto vivace
IV Allegro con brio

Elohenu
Hebräischer Gesang für Violoncello mit Begleitung von kleinem Orchester oder Pianoforte (1881)

Vorwort
Liest man den Namen Friedrich Gernsheim — und das geschieht immer noch recht selten — so meist in Verbindung mit dem von Johannes Brahms: Jener gehöre zum Brahms-Kreis und sei von Brahms beeinflusst. Das stimmt zum Teil, unterschlägt jedoch manches. Tatsächlich war Gernsheim ein konservativer Komponist, von der Programm-Musik wenig und allem Anschein nach von der Oper noch weniger angezogen als Brahms; zwar blieb er mit Brahms seit ihrer ersten Begegnung im Jahre 1862 bis zum Tod des Meisters in freundschaftlichem Kontakt. Doch der Vorwurf, er sei bloß ein Brahms-Epigone, beruht auf Unkenntnis seiner Werke, oft auch auf latentem (oder gar nicht latenten) Antisemitismus. Bei näherer Betrachtung erkennt man in Gernsheim einen Komponisten, der in seiner Musik — sei es dank seiner rheinländischen Herkunft, sei es dank seiner dirigentischen Tätigkeit — Nachklänge von Beethoven, Mendelssohn, Spohr, Schubert und selbstverständlich Brahms in einen überzeugenden Eigenstil verschmilzt. Vor allem erkennt man einen Komponisten, der einen fast unbeirrbaren Sinn für formale Vollendung entwickelte und dem jegliche leere Geste abhold war.

Friedrich Gernsheim stammte aus einer aufgeklärten, weitgehend assimilierten, jedoch tief gläubigen jüdischen Familie in Worms. In seinem 1928 veröffentlichten und bis heute unübertroffenen Standardwerk über den Komponisten (Friedrich Gernsheim, Leben, Erscheinung und Werk) erzählt Karl Holl eine Geschichte, die für die geistige Haltung der Familie kennzeichnend ist: Seit altersher stand an einem Wormser Stadttor ein mit «Judengefängnis» betafeltes Gebäude, wo Juden, die sich dem Judenzoll zu entziehen versuchten, eingesperrt wurden. Als 1793 die französische Armee die Stadt eroberte und «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit» als gesetzliches Prinzip einführten, stieg der Großvater des Komponisten auf eine Leiter und zerschlug die «Judengefängnis»-Tafel mit einem Beil. Auf demselben Platz sollte Jahre später sein Sohn Abraham, der Vater des Komponisten, das Haus bauen, in dem Friedrich am 17. Juli 1839 geboren wurde. Abraham Gernsheim war von Beruf Arzt, und in seinen wenigen freien Stunden auch begeisterter Flötist; seine Frau, eine ungemein begabte Klavierspielerin, gab dem jungen Fritz — übrigens das einzige Kind des Ehepaars — den ersten Musikunterricht. Er zeigte bald sowohl im Klavierspiel wie auch in der Komposition von Liedern außerordentliche musikalische Fähigkeiten, und schon als Siebenjähriger bekam er Unterricht in Klavierspiel und Theorie vom Spohr-Schüler Louis Liebe, mit dem er lebenslänglich befreundet blieb. 1848 entschloss sich die Familie, Mutter und Kind nach der von den Wirren der Revolution wenig berührten Festung Mainz zu schicken. Eigentlich sollte es sich um eine vorübergehende Sicherheitsmaßnahme handeln, aber trotz aller Zuneigung zur Familie und zur Vaterstadt Worms sollte das Kind nur noch als Gast zurückkehren. Kaum war Friedrich ein Jahr in Mainz, als der Frankfurter Klavierpädagoge Aloys Schmitt Mutter und Kind nach Frankfurt brachte. Dort hinterliess der junge Musiker einen so starken Eindruck bei seinen Lehrern, dass sie alsbald zur öffentlichen Vorführung seiner Fähigkeiten ein Konzert veranstalteten: Am 5. Mai 1850 erschien er im Frankfurter Stadttheater als Pianist (mit dem A-moll-Konzert von Hummel), als Geiger (mit den G-dur-Variationen von Rode) und schließlich als Komponist (mit einer Orchesterouvertüre aus seiner Wormser Zeit). Der junge Fritz wurde als Wunderkind gefeiert, und bald folgten weitere Konzerte und eine Konzertreise rheinaufwärts bis Karlsruhe.

Schon als Dreizehnjähriger ging er auf das Leipziger Konservatorium, wo er 1852 bis 1854 bei einigen der renommiertesten Lehrer der Zeit Unterricht bekam: bei Ignaz Moscheles und Louis Plaidy (Klavier), Ferdinand David und Raimund Dreyschock (Violine), Moritz Hauptmann und Ernst Friedrich Richter (Kontrapunkt), Julius Rietz (Komposition) und Franz Brendel (Musikgeschichte). Von 1855 bis 1861 lebte er in Paris, wo er bei Antoine François Marmontel Klavier studierte und eine Reihe von Komponisten kennenlernte: Rossini, Liszt, Rubinstein, Lalo, Heller und Saint-Saëns. Dort schloss er auch eine lebenslange Freundschaft mit dem Dirigenten Hermann Levi, dem er 1861 als Leiter des Saarbrücker Gesang- und Instrumentalvereins nachfolgte. 1865 erhielt er eine Stellung als Lehrer für Klavier und Komposition am Kölner Konservatorium sowie als Leiter der Musikalischen Gesellschaft und des Städtischen Gesangsvereins. Unter seinen Schülern war Engelbert Humperdinck; unter seinen engen Freunden und künstlerischen Mitstreitern waren Max Bruch und Ferdinand Hiller, bei dessen Soirées Clara Schumann, Johannes Brahms und Joachim Raff häufig zu Gast waren. Die Jahren in Köln gefielen ihm sehr, aber sein Wunsch nach mehr Selbstständigkeit brachte ihn 1874 nach Rotterdam, wo er bis 1890 als Direktor der Maatschappij tot bevordering van toonkunst (Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst) tätig war. Er wurde somit praktisch zum «Generalmusikdirektor» der ganzen Stadt: Die großen Reihen von Chor- und Orchesterkonzerten gehörten ihm sowie die Führung einer Musikschule; darüber hinaus erschien er regelmäßig als Gastdirigent der Deutschen Oper in Rotterdam. Er fühlte sich in Rotterdam wohl, und seine Tätigkeiten — als Komponist, als Dirigent, als Pädagoge — wurden dort hoch geschätzt, jedoch sehnte er sich gelegentlich nach Deutschland. Als 1880 die Stellung als Leiter des Berliner Stern’schen Gesangvereins frei wurde, überlegte sich er lange, ob er sich darum bewerben sollte; schließlich entschied er sich dagegen, wohl weil es damals in Berlin, wie Holl aufgrund eines Briefs von Hiller an Gernsheim argumentiert, kein anspruchsvolles Orchester gab. Vier Jahre später wurde die Stellung als Leiter des Kölner Konservatoriums frei, und Gernsheim hoffte sehr auf eine dauerhafte Rückkehr in die Stadt, die er so sehr geliebt hatte. Jedoch, wie Holl schreibt: «Die Frage der künstlerischen Befähigung war von einigen Leuten zu einer Frage des Glaubensbekenntnisses degradiert worden.»

Endlich hatte Gernsheim Erfolg, als 1890 die Berliner Stellung wieder frei wurde. Dank der tatkräftigen Fürsürache von Kollegen wie Brahms, Bruch, Joachim und Bülow wurde er mit großer Mehrheit für den Posten gewählt. Diesen hielt er bis 1904 inne, und er verstand es trotz anhaltender Sympathie für den Konkurrenten Julius Stockhausen den guten Willen des Chors zu gewinnen und ihn zur weiteren künstlerischen Entfaltung zu bringen. Trotz seiner konservativen Haltung entwickelte er ein väterlich-freundliches Verhältnis zu Gustav Mahler, deren Zweite Symphonie ihre Berliner Erstaufführung 1895 unter Mitwirkung von Gernsheims Chor erlebte. Seine Tätigkeit als Lehrer am Stern’schen Konservatorium legte er 1897 nieder, als er zum Senat der Königliche Akademie der Künste berufen wurde. In seinen letzten Jahren unterrichtete er nur gelegentlich, um seine schwindenden Kräfte der Komposition zu widmen; als Dirigent und Pianist trat er noch gelegentlich auf, u.a. im Winter 1907-08 als Leiter der Meininger Hofkapelle (als Gastdirigent anstelle des erkrankten Freunds Wilhelm Berger), und 1914, als die Stadt Dortmund seinen 75. Geburtstag mit einem zweitägigen Fest zu seinem Ehren veranstaltete.

*

Der vorliegende Band bringt die zwei vom jüdischen Kulturgut inspirierten Werke Friedrich Gernsheims wieder ans Tageslicht. Man mag diese Werke mit einigem Recht als Bekenntnis zur eigenen jüdischen Identität werten, aber die relativ kleine Anzahl solcher Werke deutet wohl noch stärker darauf hin, wie stark er kulturell assimiliert war, hat er doch auch eine Anzahl von zumeist kleineren Werken auf katholische Texte (eine Salve Regina, ein Te Deum, und zumindest zweimal die Ave Maria) und eine stattliche Menge von grösseren Werken auf germanische Themen (Germania, Odins Meeresritt, Der Nornen Wiegenlied, Der Nibelungen Überfahrt) geschrieben.
Über seine Dritte Symphonie schrieb Gernsheim in der Allgemeinen Zeitung des Judentums (73. Jahrgang, Nr. 48, 26. November 1909) wie folgt (zitiert nach Karl Holl):

«. . . Es war während meiner Studienzeit am Leipziger Konservatorium — ich mochte etwa vierzehn Jahre alt gewesen sein, als ich zum erstenmal Händel’s gewaltigstes Oratorium Israel in Ägypten hörte. Noch kann ich mich genau des Eindruckes erinnern, den ich damals empfing. Von Nummer zu Nummer ward ich immer mehr in den Bann dieser großartigen Tonschöpfung gezogen, und als das letzte Rezitativ erklang: ‘und Mirjam, die Prophetin, die Schwester Aarons, nahm eine Cymbel in ihre Hand’ und ein mächtiger Sopran den Hymnus in C-Dur ohne jede harmonische Unterlage frei in die Lüfte anstimmte, auf den sich der herrliche Schlußchor aufbaut, da stand die Gestalt der Mirjam vor mir, so deutlich wie etwa einer der Engel von Melozzo da Forli in der Sakristei der Peterskirche in Rom. Und die Gestalt verließ mich nicht mehr. Jahrzehnte hindurch sah ich sie neben mir mit der Cymbel in der Hand und hörte den Siegesgesang, der ihrem Munde entquoll, als ihr Volk aus der Knechtschaft erlöst war. Und ‘Mirjams Siegesgesang’ bildete den Ausgangspunkt meiner c moll-Symphonie . . . Aber auch Mirjams bzw. ihres Volkes Leiden bewegte mich bei der Konzeption des Werkes und so entstand der erste Satz — keine Programm-Musik, wie ich ausdrücklich betonte — aber ein Stimmungsbild der Bedrückung, der Knechtschaft mit einzelnen Licht- und Hoffnungsblicken. In seiner Gesamthaltung düster, leidenschaftlich. ‘Das Volk bäumt sich auf in seiner Wut’(!) las ich einmal in einer Besprechung des Werkes. Der zweite Satz (Adagio) ist Mirjam selbst. In herrlicher Sommernacht an den Ufern des Nils etwa, bekümmert vom Leiden ihres Volkes, vertraut sie ihren Schmerz, aber auch ihr Hoffen den Sternen an. Der dritte Satz: die Flucht. In aller Stille und Eile folgen sich die Massen in dunkler Nacht, um dem Morgen der Befreiung entgegenzueilen. Im vierten Satz endlich die Freiheit. Sieges- und Freudengesänge durchbrausen die Luft. Wohl tauchen für Augenblicke Erinnerungen auf an die schwere Zeit, doch rasch werden sie verscheucht durch die Freuden der Gegenwart, und mit jubelnden Klängen endet die Symphonie . . .»

Ein Blick in die veröffentlichte Partitur verrät nicht einmal die leiseste Andeutung einer aussermusikalische Inspiration, programmatische Untertitel und dergleichen fehlen gänzlich. Trotzdem müsste sich die Bezugnahme der Symphonie auf die Mirjamgeschichte zwischen der Erstveröffentlichung der Partitur im Jahre 1888 und Gernsheims Aufsatz über das Werk elf Jahre später durchs Konzertpublikum verbreitet haben, sonst hätte Gernsheim nicht auf eine programmatische Besprechung des Werks im obigen Ausschnitt hinweisen können. Hätte es also jemand versucht, diese Bezugnahme etwa zu verschweigen, so wäre es eher der Verleger und nicht der Komponist. Gerade wegen dieses nicht gerade programmatischen Inhalts wird Gernsheim von seinem sonst glühenden Verfechter Karl Holl eine Rüge erteilt: «Also nach Ansicht des Komponisten: keine Programm-Musik! Aber im Grunde eben doch wieder Programm-Musik! Denn die einzelnen Tonbilder bedürfen, wenn sie auch formal mit den vier Teilen der klassischen Symphonie übereinstimmen, der Stütze durch literarische Hinweise, um im Hörer ein nachhaltigeres Echo zu wecken.» Und zwar hält Holl diese Symphonie für die schwächste der vier Symphonien Gernsheims; mit Ausnahme des Scherzosatzes fehle dem Werk «jene Prägnanz und Dichte, die einem symphonischen Werk erst besonderes Gewicht verleihen.» Man fragt sich jedoch, ob ihm der Wert des Stücks — insbesondere die Prägnanz und Dichte des Kopfsatzes — verschlossen bleibt, weil er darauf besteht, es als ein gescheitertes Zwischending zwischen der sogennanten «absoluten Musik» und «der symphonischen Dichtung der ‘Neudeutschen’ zu betrachten. Aber wir wissen schon aus dem Beispiel Beethovens (u. a. seine «Pastoralsymphonie»), dass die aussermusikalische Inspiration die Möglichkeit der konstruktiven Dichte und formalen Vollendung gar nicht ausschliessen muss; mit seiner Beschreibung des Finalsatzes von dieser «Mirjam-Symphonie» hätte Gernsheim ebenso treffend den Finalsatz der Fünften Symphonie Beethovens beschreiben können. Ausserdem zeigen neuere musikwissenschaftliche Forschungen (besonders von Leonard Ratner und seinen Schülern), dass manch einem Werk der «absoluten Musik» tatsächlich Stimmungen und sogar Programme aus der Literatur zugrunde liegen. Jedenfalls teilte das zeitgenössische Publikum Holls Meinung nicht im geringsten: Selbst Holls Daten zeigen, dass diese Dritte Symphonie wohl die beliebteste von Gernsheims Symphonien war, und im Konzertsaal die langlebigste. Das im Frühjahr und Sommer 1887 komponierte Werk wurde von Gernsheim selbst am 13. Januar 1888 in einem Rotterdamer «Eruditio»-Konzert mit großem Erfolg uraufgeführt, zwei Monate später wurde der Erfolg in einem Bülow-Konzert in Berlin wiederholt. (Diese Berliner Erstaufführung hatte auch erfreuliche, nachhaltige Konzequenzen, denn Gernsheim konnte zum Teil auf den guten Eindruck des Werks seine Bewerbung für die Leitung des Stern’schen Gesangvereins bauen — die Stellung, die ihm 1880 verweigert wurde und die er 1890 bekam.) Auch im Jahr der Uraufführung erschienen Partitur, Stimmen, und ein vierhändiger Klavierauszug vom Komponisten beim Leipziger Verleger Rieter-Biedermann. Begeistert von Gernsheims Mitwirkung in einer Berliner Aufführung von seiner Zweiten («Auferstehungs-») Symphonie im Jahre 1895 hat sich Gustav Mahler erboten, die Dritte Symphonie des älteren Komponisten in Hamburg einzuführen—ein Plan, der wahrscheinlich nicht verwirklicht wurde. Am 21. März 1902 hat Gernsheim das Werk auf Einladung der Gräfin Béarn und durch Vermittlung von Charles Marie Widor in Paris mit dem Orchestre Colonne aufgeführt — «trotz des Protestes einer kunstchauvinistischen ‘jeunesse turbulante’», so Holl, mit dem üblichen stürmischen Beifall, das Scherzo musste wiederholt werden. Zu seinem 75. Geburtstag hat ihn kein Geringerer als Richard Strauß gehuldigt, indem er ausgerechnet diese Symphonie in einem Berliner Konzert des Königlichen Kapelle erklingen ließ.

Über Elohenu. Hebräischer Gesang für Violoncello mit Begleitung von kleinem Orchester oder Pianoforte ist nur wenig bekannt. Das Werk wurde 1882 bei Rieter-Biedermann in Leipzig veröffentlicht, Widmungsträger ist der 1846 geborene Rotterdamer Cellist Jacques Rensberg, der schon Mitte der 1870er Jahre wegen eines neurasthenischen Leidens ins Privatleben zurückziehen musste. Das Werk trägt keine Opuszahl, aber dieser Tatsache sollte man keine besondere Bedeutung beimessen: Unter Komponisten vom Rang ging nur Carl Nielsen so schlampig mit seinen Opuszahlen um wie Friedrich Gernsheim. Holl beschreibt das Werk als «Seitenstück zum Kol nidrei seines Freundes [Max] Bruch», eine Bezugnahme, die wohl vom Komponisten selbst (oder zumindest von seiner Witwe, die Hauptquelle für Holls biografische Informationen) stammt. Auch hier kann man einen beträchtlichen Grad von kultureller Assimiliertheit bemerken, und schon im Titel: Kein Orthodoxer hätte den hebräischen Namen Gottes (der Titel bedeutet: «Unser Gott») voll ausgeschrieben. Ausser dem Titel ist gar nichts Jüdisches im Werk vorhanden, die edel-traurige Stimmung und die gesangliche Faktur der Solostimme zeigen keine spezifischen Merkmale des jüdisches Volkslieds oder des Synagogengesangs — was allerdings den Wert dieses sowohl melodisch wie auch formal gelungenes Werk nicht beeinträchtigen soll.

Eine CD-Aufnahme aller vier Symphonien (Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz; Dirigent: Siegfried Köhler) erschien 1999 bei der Münchener Firma Arte Nova und gilt als erster Schritt in der Wiederentdeckung dieser zu Unrecht vergessenen Werke. Elohenu hingegen wartet immer noch auf eine Erstaufnahme.

Stephen Luttmann, 2006

Aufführungsmaterial für die beiden Werke ist von N. Simrock, Hamburg zu beziehen. Vorlage für den Nachdruck der Dritten Symphonie ist ein Exemplar der Musikbibliothek des Vassar College, Poughkeepsie, New York, USA.

Stephen Luttmann, 2006

 

 

Friedrich Gernsheim
(b. Worms, 17 Juli 1839 — d. Berlin, 11 September 1916)

3. Symphonie in C moll für großes Orchester, Op. 54 (1888)
I Allegro ma non troppo
II Molto adagio
III Molto vivace
IV Allegro con brio

Elohenu
Hebräischer Gesang für Violoncello mit Begleitung von kleinem Orchester oder Pianoforte (1881)

Preface
When one sees the name Friedrich Gernsheim — and this still happens all too rarely — then usually in connection with that of Johannes Brahms: Gernsheim belonged to the Brahms Circle; Gernsheim was influenced by Brahms. This is partly true, but overlooks a lot. Granted, Gernsheim was a conservative composer, little drawn to program music and by all accounts less drawn to opera than Brahms; he was also a friend of Brahms’s from their first encounter in 1862 until the death of the great master. But the charge that he was merely a Brahms epigone rests upon unfamiliarity with his works, and often upon latent (or not at all latent) anti-Semitism as well. When one takes a closer look at his works, one recognizes in Gernsheim a composer who in his music — whether thanks to his origins in the Rhineland, or whether because of his activity as conductor — melds together echoes of Beethoven, Mendelssohn, Spohr, Schubert and (of course) Brahms into a convincing style of his own. Above all one recognizes in Gernsheim a composer who developed an almost unflinching sense of formal perfection and who was averse to any kind of empty gesture.

Friedrich Gernsheim came from an enlightened, largely assimilated, and yet deeply religious Jewish family in Worms. Karl Holl, the author of a 1928 study that remains the standard work on the composer (Friedrich Gernsheim, Leben, Erscheinung und Werk) relates a story that is representative of the family’s spiritual-intellectual attitude: There had long been in Worms a building at one of the city gates that bore the sign «Jewish Prison»; Jews who had sought to evade the Jew tax were incarcerated there. After the French army conquered the city and introduced the legal principle of «liberty, equality, fraternity», the composer’s grandfather mounted a ladder and smashed down the sign with a club. Years later at that very location his son Abraham, the composer’s father, would erect the house in which Friedrich was born on 17 July 1839. Abraham Gernsheim was a physician by trade, and in his few spare hours an enthusiastic flute player; his wife, an uncommonly talented pianist, gave the young Fritz — the couple’s only child — his first music instruction. He quickly demonstrated extraordinary talent both as a pianist and as a composer of songs, and at the tender age of seven he began to receive instruction in piano and theory from Louis Liebe, who had once been a student of Louis Spohr’s. The two would remain lifelong friends. In 1848 the family decided that mother and son should move to Mainz, which was little touched by the revolutionary disturbances of the time. This was intended as only a temporary measure, but despite his love for his family and his home town, from then on the child would return to Worms only as a guest. He had been in Mainz hardly a year when Aloys Schmitt, a Frankfurt piano teacher, brought mother and child to Frankfurt. There he impressed his teachers so quickly and deeply that they put together a concert to showcase his talents: On 5 May 1850 he appeared on stage at the Frankfurt Stadttheater as a pianist (in the A-minor Concerto by Hummel), as a violinist (in the G-major variations by Rode), and finally as a composer (with an orchestral overture written during his years in Worms). The young Fritz was celebrated as a child prodigy, and further concerts and a concert tour up the Rhine as far as Karlsruhe soon followed.

At the age of thirteen he entered the Leipzig Conservatory, where he was taught by some of the most renowned teachers of the day: Ignaz Moscheles and Louis Plaidy (piano), Moritz Hauptmann and Ernst Friedrich Richter (counterpoint), Julius Rietz (composition), and Franz Brendel (music history). From 1855 to 1861 he lived in Paris, where he studied piano under Antoine François Marmontel and made the acquaintance of several composers: Rossini, Liszt, Rubinstein, Lalo, Heller, and Saint-Saëns. There he also cemented a lifelong friendship with the conductor Hermann Levi, whom he followed as director of the Gesang- und Instrumentalverein (Singing and Instrumental Society) of Saarbrücken in 1861. In 1865 he was appointed teacher of piano and composition at the Cologne Conservatory as well as director of the city’s Musical Society and Singing Society. Among his pupils was Engelbert Humperdinck; among his close friends and musical allies were Max Bruch and Ferdinand Hiller, at whose soirées Clara Schumann, Johannes Brahms, and Joachim Raff were frequent guests. He was happy during his years in Cologne, but his desire for greater artistic independence brought him to Rotterdam in 1874, where he was director of the Maatschappij tot bevordering van toonkunst (Society for the Promotion of Music). In this position he was practically the «general music director» of the entire city: The big series of choral and orchestral concerts belonged to him, as did the direction of a music school; on top of all that he also appeared regularly as guest conductor of the city’s German Opera. He liked Rotterdam, and his activities — as composer, conductor, and teacher — were highly appreciated, and yet he occasionally longed for Germany. When the position of director of the Stern Singing Society in Berlin came open in 1880, he debated with himself for quite some time as to whether he should apply. Eventually he decided against doing so, probably because Berlin lacked a decent orchestra at the time, as Holl argues on the basis of a letter from Hiller to Gernsheim. Four years later the directorship of the Cologne Conservatory came open, and Gernsheim hoped very much to return permanently to the city he had loved so much. However, in Holl’s words: «The question of artistic capability degraded in the minds of some people to a question of religious confession.»

In 1890 Gernsheim finally succeeded in returning to Germany. The position in Berlin became available again, and this time, enjoying the powerful support of colleagues such as Brahms, Bruch, Joachim, and Bülow, he was elected to the position by a great majority of votes. He remained in the position until 1904 and, despite persistent sympathy for Julius Stockhausen, who had also applied for the position, he was able to win for himself the good will of the Singing Society and spur it to further artistic perfection. Despite his conservative attitudes he developed a fatherly friendship with Gustav Mahler, whose Second («Resurrection») Symphony received its first Berlin performance in 1895; Gernsheim’s Singing Socity took part in the performance. His activity as teacher at the Stern Conservatory lasted only until 1897, at which time he was appointed to the Royal Academy of Arts. In his last years Gernsheim taught only intermittently, the better to devote his aging powers to composition. He continued to make appearances as conductor and pianist as well, most notably in the winter of 1907-08 (as guest conductor of the Meiningen Court Orchestra, substituting for his sick friend Wilhelm Berger), and in 1914 when the city of Dortmund celebrated his seventy-fifth birthday with a two-day festival.

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Gernsheim wrote the following about his Third Symphony in an essay that appeared in the Allgemeine Zeitung des Judentums (vol. 73, no. 48, 26 November 1909; as cited by Karl Holl):

«It was during my student years at the Leipzig Conservatory — I must have been perhaps fourteen years old when I first heard Handel’s most powerful oratorio, Israel in Egypt. I can still precisely recall the impression it had on me. With each succeeding number I was drawn ever more under the spell of this magnificent musical work, and as I heard the final recitative ‘And Miriam the prophetess, the sister of Aaron, took a timbrel in her hand’ and a mighty soprano began to sing freely into the air, without any harmonic underpinning, the hymn in C major upon which the glorious final chorus is built, there stood before me the figure of Miriam so clearly as one of the angels of Melozzo da Forli in the sacristy of St. Peters in Rome. And this figure has since never left me. For decades I saw it next to me, timbrel in hand, and I heard the song of victory that issued forth from her mouth once her people were free from slavery. And ‘Miriam’s Song of Victory’ formed the point of departure for my C-minor symphony. . . . But also the suffering of Miriam and her people moved me as I conceived the work, and thus arose the first movement — not a work of program music, as I explicitly pointed out — but a mood-depiction of oppression, of slavery, with occasional flashes of light and hope. In the totality of its attitude gloomy, passionate. ‘The people rise up in their rage’ (!) — so I once read in a discussion of the work. The second movement (Adagio) is Miriam herself. On a glorious summer night on the banks of the Nile perhaps, distressed by the suffering of her people, she confides her grief, but also her hope, in the stars. The third movement: the flight. Silently, hastily, the masses follow each other in the dark of night, in order to rush toward the morning of liberation. In the fourth movement, finally: freedom. Songs of victory and joy thunder through the air. Yes, memories of the difficult times appear suddenly and briefly, but they are quickly dispelled by the joys of the present, and the symphony ends with sounds of rejoicing . . .»

A glance in the published score betrays not the slightest hint of extramusical inspiration; programmatic subtitles or anything of the sort are absent. However, the symphony’s reference to the Miriam story must have made itself known to the concertgoing public between the first publication of the score in 1888 and Gernsheim’s essay about the work eleven years later, otherwise Gernsheim could not have referred to a programmatic discussion of the work in the excerpt above. If anyone had therefore attempted to suppress this reference, it is more likely the publisher than the composer who would have done so. Precisely because of this not entirely programmatic content, Karl Holl — otherwise an ardent supporter of the composer — reprimands him: «And thus in the opinion of the composer: not a work of program music! But in its essence program music after all! For the individual tone paintings, even though they correspond formally with the four parts of a classical symphony, need the support of literary references in order to awaken a lasting echo in the listener.» And indeed Holl considers this to be the weakest of Gernsheim’s four symphonies; with the exception of the Scherzo the work lacks «the degree of terseness and density that confer upon a symphonic work especial weight.» One must however ask whether the value of the work — and in particular the terseness and density of the first movement, for example — is a mystery to Holl because he insists on regarding it as a failed cross between so-called «absolute music» and «the symphonic poem of the New German School». But we already know from Beethoven’s example — his «Pastoral» Symphony, for example — that extramusical inspiration does not preclude in the least the possibility of constructive density and formal perfection; for that matter, Gernsheim’s description of the finale of his «Miriam Symphony» could just as well have been written about the corresponding movement in Beethoven’s Fifth Symphony. Besides that, recent musicological research (in particular by Leonard Ratner and his pupils) shows that at the foundation of many a work of «absolute music» are moods and even programs derived from literature as well. In any event, the concertgoing public of Gernsheim’s time didn’t share Holl’s opinion in the least: Even Holl’s data show that this Third Symphony may well have been the most beloved of his four symphonies, as well as the longest-lived one in the concert hall. The work, composed in the spring and summer of 1887, was premiered with great success by Gernsheim himself in a Rotterdam «Eruditio» concert of 13 January 1888. Two months later, the success was repeated in a concert of Hans von Bülow’s in Berlin. (This first Berlin performance had fortunate and protracted consequences as well, for Gernsheim could rely in part on the work’s favorable impression when applying for the directorship of the Stern Singing Society — a position that was denied him in 1880, and which he received in 1890.) Score, parts, and Gernsheim’s own four-handed piano arrangement were published the same year by Rieter-Biedermann in Leipzig. Responding enthusiastically to Gernsheim’s participation in a Berlin performance of his Second («Resurrection») Symphony in 1895, Gustav Mahler offered to perform the older composer’s Third Symphony in Hamburg — a plan that was probably never realized. Invited to Paris by the Comtesse de Béarn, Gernsheim conducted the work on 21 March 1902; the Charles Marie Widor had arranged to put the Orchestre Colonne at his service. «Despite the protest of an artistically chauvinistic jeunesse turbulante», Holl writes, the work was greeted with the usual stormy applause; the Scherzo had to be repeated. No less a figure than Richard Strauss honored the composer on his seventy-fifth birthday by performing this symphony in a Berlin concert of the Royal Orchestra.

Little is known about Elohenu: Hebrew Song for Violoncello and Small Orchestra or Piano. It was published in 1882 by Rieter-Biedermann in Leipzig, and is dedicated to the Rotterdam cellist Jacques Rensberg (born 1846), who had already retreated into private life in the middle of the 1870s because of a nervous affliction. The work bears no opus number, but one should not read any special significance out of this fact: Besides Gernsheim, no other composer of significance except for Carl Nielsen was so careless about assigning opus numbers to his works. Holl describes the work as a «counterpart to the Kol Nidrei of his friend [Max] Bruch» — a relationship that may well have originated in a comment by the composer himself (or at least by his widow, who was the primary source of Holl’s biographical information). One can observe a considerable degree of cultural assimilation in the case of this work as well, starting with its title: No Orthodox Jew would have written out in full the Hebrew name of God (the title means «Our God»). Besides the title there is nothing specifically Jewish present in the work; the noble sadness of its mood and the songlike construction of the solo line betray no specific characteristics of Jewish folksong or cantorial music. This in no way detracts from the value of a work that is both melodically and formally accomplished.

A CD recording of all four symphonies (Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, conducted by Siegfried Köhler) was released by the Munich firm Arte Nova in 1999; it represents the first step in the rediscovery of these unjustifiably forgotten works. Elohenu still awaits its first recording.

Stephen Luttmann, 2006

For performance material for both works please contact the publisher N. Simrock, Hamburg. The Third Symphony is reprinted from a copy graciously provided by the Music Library of Vassar College, Poughkeepsie, New York, USA.