Gustav Holst
(geb. Cheltenham, 21. September 1874 - gest. London, 25. Mai 1934)

Zwei Lieder ohne Worte
op. 20 für Kammerorchester (1906)
St. Paul’s Suite
op. 29 Nr. 2 für Streichorchester (1912/13)
Brook Green Suite
für Streichorchester (1933)

Vorwort
«Ich habe etwas in meinem Wesen, das mich dazu ermutigt, dann und wann leichte Musik zu schreiben. Zum Beispiele meine [...] Zwei Lieder ohne Worte für kleines Orchester. [...] Die Frage nach ihrem endgültigen Wert bleibt beim Kritiker – also bei Dir. Sie sind jedoch keineswegs Brotarbeit und ich werde auch in Zukunft genauso weitermachen.»

Mit diesen Worten schrieb Gustav Theodore von Holst (so der Taufname des englischen Komponisten russisch-schwedischer Abstammung) an seinen Kritikerfreund Edwin Evans im Jahr 1911. Wir können dafür nur dankbar sein, daß er seiner lebenslangen Vorliebe für die weniger anspruchsvollen Einflüsterungen seiner Muse nachgab, denn sie schenkte uns die drei leichteren, jedoch dankbaren Werke des vorliegenden Bandes, von denen zwei ausdrücklich zur Ausbildung von Schülern entstanden und alle drei von Amateurorchestern leicht zu bewältigen sind.
Die beiden Lieder ohne Worte („Two Songs without Words“ op. 20) sind im Jahre 1906 entstanden, nachdem Holst kurz davor den Reichtum und die emotionale Tiefe des englischen Volksliedguts für sich entdeckt hatte. Statt jedoch – wie etwa in der gleichzeitig entstandenen Somerset Rhapsody - bestehende Volkslieder als kompositorisches Material zu verarbeiten, schuf Holst zwei volksliedähnliche Melodien aus eigener Feder als Grundlagen eines «Country Song» und eines «Marching Song«. Beide Stücke erlebten bald nach ihrer Fertigstellung am 19. Juli 1906 am Royal College of Music/London unter der Leitung des Komponisten ihre Uraufführung und fanden ebenfalls bald einen Verleger – Novello –, der sie 1907 als Partitur, Stimmensatz und eine von Holst selbst verfaßte Klavierbearbeitung veröffentlichte. Daraufhin gingen die Lieder eigene Wege: Sie wurden 1913 als Zwischenaktmusiken bei Inszenierungen von Richard II., den Lustigen Weibern von Windsor und Heinrich IV. , 2. Teil am Shakespeare-Festival Stratford eingesetzt (und von Holsts engem Freund Ralph Vaughan Williams dirigiert), der «Country Song» stand 1918 auf dem ersten Holst-Programm des großen Bewunderers Adrian Boult, und die beiden Lieder waren bald auf der ganzen Welt zu hören (die indische Erstaufführung fand 1925 in Bombay statt). 1922 gab der Verlag Novello beide Stücke erneut als Partitur heraus, diesmal jedoch in einzelnen Heften, was deutlich zeigt, daß sie nach Bedarf auch separat aufgeführt werden dürfen.

Im Jahre 1911 wurde Holst mit der Leitung des Schulorchesters der St. Paul’s Girls’ School beauftragt. Er war ein beliebter, wenn auch unsystematischer Lehrer, der sich ernsthaft für die praktische Ausbildung der Schülerinnen interessierte, obwohl die allerwenigsten die Musik als Beruf aufgreifen sollten. Als frühes Ergebnis dieses Interesses schrieb er 1912/13 eines seiner beliebtesten Werke überhaupt: die St. Paul’s Suite für Streichorchester. Angelegt ist das kleine Werk in vier Sätzen - Jig, Ostinato, Intermezzo und Finale -, wobei im dritten Satz eine 1908 von Holst selbst aufgeschriebene algerische Volksweise eingesetzt wird und der vierte Satz sich als erweiterte Transkription aus der Suite Nr. 2 für Militärkapelle (1911) entpuppt. Berühmt wurde letzterer Satz auch für die raffinierte polyphone Verschränkung zweier altbekannter englischer Volkslieder, Dargason (6/8-Takt) und Greensleeves (3/4-Takt). Durch das ganze Werk hindurch werden Doppel-, Tripel-, sogar Quadrupelgriffe geschickt eingesetzt, um einen reichen Streicherklang zu erzeugen, ohne jedoch die Fähigkeiten eines Schulorchesters zu überfordern. Bei einigen Wiedergaben haben die jungen Orchestermitglieder nachweislich die Greensleeves-Melodie samt Text nachgesungen, was eher auf ein moderates statt ein schnelles Tempos hinweist. Später hat Holst auch eine Reihe von Bläserstimmen hinzugeschrieben, die nach den jeweiligen Umständen der Aufführung geändert oder erweitert werden können. Diese Instrumentalstimmen sind jedoch bisher noch nicht in Druck erschienen..

Die St. Paul’s Suite wurde sicherlich mehrfach an der gleichnamigen Mädchenschule aufgeführt, bevor sie am 19. September 1920 mit dem City of Birmingham Orchestra unter der Leitung des Komponisten öffentlich erklang. Sie wurde auch rasch zu einem Publikumsliebling: 1924 wurde die Suite vom BBC live ausgestrahlt und auf zwei 12-Zoll-Platten für Columbia eingespielt (eine Aufnahme des «Country Song« bestritt die sonst leere vierte Plattenseite); 1932 wurde sie unter Holsts Leitung – und zu seiner vollen Befriedigung – mit dem Boston Symphony Orchestra und später auch in Sanders Theater der Harvard University aufgeführt; zwei Jahre darauf erschien eine weitere Platteneinspielung von der Firma Decca. Einzelne Motive aus der Suite fanden sich in den Ballettmusiken der Oper The Perfect Fool (1918-1922) wieder. Als Partitur erschien die St. Paul’s Suite in Druckausgaben bei Goodwin & Tabb (1922), Curwen (1935) und nochmals Curwen (1972) sowie in einem Faksimile des Komponistenautographs (1974). Eine von Holsts energischer Mitstreiterin Vally Lasker erstellte Klavierfassung wurde 1923 bei Goodwin verlegt.

Die Brook Green Suite entstand ebenfalls für die St. Paul’s School, diesmal jedoch für das Juniororchester (der Titel stammt vom gleichnamigen Platz, auf dem das Schul-gebäude steht). Die ersten Kompositionsentwürfe tragen das Datum 8. September 1933, das ganze Werk erlebte im März 1934 vom Schulorchester einen Probelauf. Ursprünglich war die Suite in vier Sätzen angelegt - Prelude, Gavotte, Air und Jig -, die Gavotte wurde jedoch bald vom Komponisten verworfen und der Schlußsatz in Dance umbenannt. Die Melodie des letzten Satzes hatte Holst 1929 während der Aufführung eines Puppentheaters in Taormina/Sizilien aufgeschrieben. Das anziehende kleine Stückchen erschien 1934 bei Curwen als Partitur und Stimmensatz und 1935 in einer ebenfalls von Vally Lasker erstellten Klavierfassung in Druck. 1974 wurde das Komponistenautograph als Faksimile im zweiten Band der Gesamt-Faksimileausgabe der gedruckten Werke Holsts aufgenommen.

Die Brook Green Suite besticht durch einen schlichten Streichersatz, in dem praktisch keine Oktavverdoppelungen vorkommen, und setzt sich durch die daraus resultierende Durchsichtigkeit des Orchesterklangs von der St. Paul’s Suite deutlich ab, ohne jedoch als Probestück an Wert zu verlieren. Eine amüsante und zugleich aufschlußreiche Anekdote betrifft eine Aufführung an der St. Paul’s School, als sich eine junge Kontrabassistin nach einer Reihe von C-Dur-Tonleitern plötzlich einer Passage voller Vorzeichen gegenübersah:

«Als ich auf diese Passage stieß, hielt ich an. Er fragte mich sehr unschuldig nach meinem Grund, und als ich gestand, ich könne sie nicht bewältigen, sagte er im lauten Bühnenflüstern: ‚Spiel doch einfach die gleiche C-Dur-Tonleiter mit vielen Fehlern.‘ Also folgte ich diesem Rat, und am Schluß sagte er: ‚Weißt Du, das war gar nicht das, was ich schrieb, ich bin mir jedoch fast sicher, daß Deine Fassung mir besser gefällt als meine eigene.‘ Daraufhin nahm er seinen Bleistift zur Hand und trug einige Änderungen in die Partitur ein. Wenn ich die Suite heute bei Rundfunkausstrahlungen erlebe, frage ich mich oft, welche Töne von mir stammen.«

Bradford Robinson, 2006

Aufführungsmaterial ist von Chester Novello and Curwen, London zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars aus der Sammlung Philipp Brookes, Market Drayton.

Gustav Holst
(b. Cheltenham, 21 September 1874 - d. London, 25 May 1934)

Two Songs without Words
for chamber orchestra, op. 20 (1906)

St. Paul’s Suite
for string orchestra, op. 29, no. 2 (1912-13)

Brook Green Suite
for string orchestra (1933)

Preface
«I have something within me that prompts me to write quite light music now and then. For instance my [...] Two Songs Without Words for small orchestra. [...] The question of their ultimate value rests with the critic – with you. But they are not pot-boilers and I shall continue to do this sort of thing.»

Thus Gustav Theodore von Holst (to quote his baptismal name), the English composer of Russo-Swedish extraction, writing to his friend Edwin Evans in 1911. We can be thankful that he indulged his lifetime fondness for the less demanding whisperings of his Muse, for it bequeathed to us the three light but rewarding works of the present volume, of which two were specifically written for the training of school musicians, and all three are within the easy reach of amateur orchestras.

The Two Songs without Words, op. 20, were composed in 1906 shortly after Holst had discovered the richness and emotional depth of English folk song. But rather than using existing folk songs as compositional material, as in the exactly contemporary Somerset Rhapsody, he created two folk-like original tunes: a «Country Song» and a «Marching Song.» The two pieces were immediately premièred at the Royal College of Music under his baton on 19 July 1906 and quickly found a publisher, being issued by Novello in full score, instrumental parts, and Holst’s own piano reduction in 1907. Thereafter the two pieces took on a life of their own: they were used as entr’acte music in productions of Richard II, The Merry Wives of Windsor, and Henry IV Part 2 at the Stratford Shakespeare Festival, conducted by Holst’s good friend Ralph Vaughan Williams (1913); «Country Song» stood on the first Holst program conducted by his lifelong champion Adrian Boult (1918); and both pieces were soon heard all over the world, receiving for example their Indian première in Bombay in 1925. In 1922 Novello reissued the pieces in full score but in separate volumes, clearly indicating that, if desired, they may also be played separately.

In 1911 Holst took charge of the orchestra of St. Paul’s Girl’s School. He was a much beloved if unsystematic teacher who took a serious interest in the practical training of his pupils although very few of them would take up music as a profession. One early product of this interest was the St. Paul’s Suite for string orchestra (1912-13), which would later number among his most popular works. It is laid out in four movements - Jig, Ostinato, Intermezzo, and Finale - with the third incorporating an Algerian folk melody he had collected in 1908, and the fourth being an enlarged transcription from the Suite No. 2 for military band (1911). The latter movement is famous for its clever contrapuntal combination of two familiar English folk tunes, Dargason (in 6/8 time) and Greensleeves (in 3/4). The entire work makes effective use of double-, triple-, and even quadruple-stops to produce a rich string texture while never exceeding the abilities of a school orchestra. In some performances the young orchestra members are known to have sung the words of Greensleeves to the melody, an indication that the preferred tempo should be moderate rather than fast. Holst also produced a number of wind parts which could be altered or expanded to suit the instrumentalists available. These parts have remained in manuscript.

The St. Paul’s Suite was obviously performed many times at the school from which it takes its name before it was given a public hearing with the City of Birmingham Orchestra on 19 September 1920, conducted by Holst himself. It quickly became highly popular with the public at large. It was broadcast live by the BBC in 1924 and recorded for Columbia on two 12-inch discs that same year («Country Song» from op. 20 served as a filler for the fourth side). In 1932 Holst conducted the Suite, to his complete satisfaction, with the Boston Symphony Orchestra and again at Sander’s Theater of Harvard University. Two years later a competing recording was issued by Decca. Motifs from the Suite found also their way into the ballet music of Holst’s opera The Perfect Fool (1918-22). The work was published in full score in 1922 (Goodwin & Tabb), 1935 (Curwen), 1972 (again Curwen), and in a facsimile of the autograph score in 1974. A version for piano solo, prepared by Holst’s energetic champion Vally Lasker, was published by Goodwin in 1923.

The Brook Green Suite was likewise composed for St. Paul’s School, this time the recipient being its junior orchestra («Brook Green» is the name of the green on which the school stands). The initial sketches date from 8 September 1933, and the entire piece was given a run-through by the school orchestra in March 1934. Originally the work was laid out in four movements - Prelude, Gavotte, Air, and Jig - but Holst quickly withdrew the Gavotte and changed the name of the final movement to Dance. The melody of the finale was jotted down by the composer during a performance at a puppet theater in Taormina, Sicily, in 1929. The attractive Suite was immediately published by Curwen in score and parts (1934) and in a piano reduction, again by Vally Lasker (1935). In 1974 a facsimile of Holst’s autograph was issued by Faber in volume 2 of the Complete Facsimile Edition of Holst’s published works.

The Brook Green Suite is simply scored, being practically without octave doublings, and is thus lighter in sonority than the St. Paul’s Suite, but equally effective as a training piece. An amusing and revealing anecdote is associated with its performance at St. Paul’s, when a young double-bass player found that after playing several descending C-major scales she faced a passage full of accidentals:

«When I met this I stopped. He asked me, very innocently, why, and when I said I couldn’t manage that, he said in a loud stage whisper, ‘Play the same old C major with lots of mistakes.’ So I obliged, and at the end he said: ‘You know, that wasn’t what I wrote but I rather think I like your version better than mine’ and he took out his pencil and made some alterations in the score. When I hear the Suite broadcast, I often wonder which were the notes I composed.”

Bradford Robinson, 2006

For performance material please contact the publishers Chester Novello and Curwen, London. Reprint of a copy from the collection Philipp Brookes, Market Drayton.