Ernst Krenek
(geb. Wien, 23. August 1900 - gest. Palm Springs, 2. Dezember 1991)

Symphonie pour instruments à vent et batterie, op. 34 (1924/25)

Vorwort
Während seiner langen, abwechslungsreichen und außerordentlich produktiven Karriere durchlief Ernst Krenek viele Kompositionsstile und ästhetische Haltungen - vom ungezügelten atonalen Expressionismus seiner Jugend bis zum energischen Eintritt der Aleatorik in der Spätzeit, wobei er sich nicht einmal abhalten ließ, sein Glück mit Tin Pan Alley-Songs zu probieren. Mit ungewöhnlicher Leichtigkeit begabt, schuf er ein musikalisches Oeuvre, das allein dem Umfang nach den Vergleich mit den fruchtbarsten Komponisten des 20. Jahrhunderts - wie etwa Darius Milhaud oder Bohuslav Martinu - nicht zu scheuen braucht, diese jedoch in der Vielfalt und technischen Verwandlungsfähigkeit noch übertrifft. Seine Schriften über Musik und Literatur, aber auch über Psychologie und Soziologie, erweisen ihn als einen der schärfsten musikalischen Köpfe des 20. Jahrhunderts und führten zu literarischen Freundschaften mit so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Rilke, Adorno oder Thomas Mann.

Schon vor dem Hochschulabschluß verschafften Kreneks I. und II. Symphonie (1921-22) sowie das I. Streichquartett (1921) dem jungen Komponisten schnell einen Platz an der vordersten Front unter den deutschen Nachkriegskomponisten. Ausgerüstet mit einem Exklusivvertrag mit dem Wiener Verlag Universal Edition kehrte er umgehend dem akademischen Studium den Rücken und schlug die Laufbahn eines freischaffenden Komponisten ein, wobei er bald neben Hindemith und - etwas später - Kurt Weill zu den führenden deutschen Komponisten seiner Generation gehörte. Im Jahre 1924, mit dem Ende der Inflation in Deutschland und der Rückkehr in ruhigere wirtschaftliche Gewässer, spürte Krenek eine plötzliche Abneigung gegen den musikalischen Expressionismus, den er bis dahin so erfolgreich vertreten hatte. Es war eine Kehrtwende, die viele seiner Zeitgenossen ebenfalls durchmachten und die schließlich zur Neuen Sachlichkeit der späteren Weimarer Jahre führen sollte. Im Fall Krenek verband sich diese Abneigung mit einer plötzlichen Faszination für Frankreich, und der noch junge Komponist sah sich nunmehr mit Strawinsky als Vorbild und mit Paris als Ort der beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten konfrontiert. Im Spätherbst des gleichen Jahres brach er nach Paris auf in der Absicht, dort seinen Librettisten Oskar Kokoschka zu treffen und gemeinsam eine Inszenierung ihrer Oper Orpheus und Eurydike, op. 21 (1923) in die Wege zu leiten. Noch vor der Ankunft in Paris machte Krenek einen Zwischenstop in Genf, wo er einen Strawinsky-Abend erlebte, in dem der große Komponist unter anderem das neue Octuor dirigierte (Krenek bissig: «Er schien nicht immer zu wissen, was in dem kleinen Ensemble vorging»). Hocherfreut über das neue Werk und zudem durch eine brüderliche Umarmung des Komponisten ermutigt (Krenek später: «es hat sicherlich nichts bedeutet»), setzte er seine beabsichtigte Reise fort. Letztendlich jedoch sollte ihn Paris zutiefst enttäuschen: Aus der angestrebten Aufführung von Orpheus wurde nichts, die musikalischen Leistungen der Metropole hielten keinen Vergleich mit Deutschland stand und die neu geknüpften Kontakte mit Les Six und anderen französischen Musikern wiesen in keine besondere Richtung - außer in Richtung Heimkehr. Dennoch erlaubte es ihm die Stadt, eine neue «Lebensphilosophie» auszuprobieren, die darin bestand, «einen Augenblick nach dem anderen zu leben, statt das eigene Leben als Kontinuum zu betrachten [...], aus jedem Augenblick so viel wie möglich herauszuholen und sich bei der Verwirklichung dieser Absicht vor allem auf sich selbst zu verlassen». Es war genau dieser offen zur Schau gestellte Hedonismus, der bald in der außergewöhnlich erfolgreichen Oper Jonny spielt auf (1926) triumphal zum Ausdruck kommen sollte.

Soweit der historisch-biographische Hintergrund, vor dem Krenek 1924/25 seine Symphonie pour instruments à vent et batterie op. 34 komponierte. Schon der französische Titel weist auf den musikalischen Einfluß Frankreichs hin, vor allem aber auf Strawinskys neuartiges Orchesterwerk Symphonies pour instruments à vent (1920). In der Tat behauptete Krenek in späteren Jahren, das neue Stück sei «vermutlich so nahe an Strawinsky, wie ich in meinem Komponieren jemals gekommen bin». Anders als bei seinen drei bisherigen Symphonien (op. 7, 12 , 16) hielt sich das neue Werk trotz stark geänderter Besetzung an den klassischen viersätzigen Aufbau: Allegro, langsamer Satz, Scherzo und schnelles Finale (mit langsamer Einleitung). Damit hören jedoch die Ähnlichkeiten mit klassischen Vorbildern auf: Die vorwiegend tonal konzipierten Themen entwickeln sich völlig frei, manchmal sogar beinahe willkürlich, inmitten einer hochgradig dissonanten und rhythmisch vertrackten Begleitung, statt in gewohnter Manier der deutschen Sinfonik - auch des früheren symphonischen Schaffens Kreneks - einer thematisch-motivischen Logik unterzogen zu werden. Um mit einem Krenekforscher zu sprechen: «Das Angedeutete ist ein Hinweis auf etwas, das selbst negiert, zumindest parodiert wird». (Krenek lapidar: «eine ziemlich laute Geschichte».) Jedoch erwies sich die neue Symphonie als Vorbote jenes “hedonistischen Konstruktivismus» (Slonimsky), der in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts die Grundlage der Neuen Sachlichkeit bilden sollte, und verdient daher neben den bekannteren Schwesternwerken II. Concerto grosso op. 25 und I. Violinkonzert op. 29 einen festen Platz in der Musikgeschichte des Jahrzehnts.

Die Symphonie pour instruments à vent et batterie erschien bereits 1925 als op. 34 bei Universal/Wien und erlebte am 8. März 1926 in Frankfurt unter der Leitung von Ernst Wendel ihre Uraufführung.

Aufführungsmaterial ist von der Universal Edition, Wien zu beziehen.
Nachdruck eines Exemplars der Universal Edition, Wien.

Ernst Krenek
(b. Vienna, August 23, 1900 - d. Palm Springs, December 22, 1991)

Symphonie pour instruments à vent et batterie, op. 34 (1924-5)

Preface
In his long, diverse, and extraordinarily productive, career Ernst Krenek passed through many compositional styles and aesthetics, from the unbridled atonal Expressionism of his youth to an energetic espousal of indeterminacy in his old age, and was not even averse to trying his hand at Tin Pan Alley songs. Gifted with unusual facility, he turned out a body of music that in sheer bulk brooks comparison with the most prolific composers of the century - Darius Milhaud, say, or Bohuslav Martinu - while surpassing them in the variety and versatility of his technique. His essays on music, literature, even psychology and sociology place him among the most incisive musical minds of the twentieth century and brought him literary friendships with figures as diverse as Rilke, Adorno, and Thomas Mann. His early First and Second Symphonies (1921-2) and First String Quartet (1921) quickly placed the young man at the forefront of post-war German composers before he had even completed his music degree. He immediately abandoned his studies and, armed with an exclusive publishing contract from Universal Edition in Vienna, advanced upon a career as a freelance composer, where he stood alongside Hindemith and, later, Kurt Weill, as the three most gifted German composers of his generation.

In 1924, with the post-war Hyperinflation now stabilized and Germany on the road to economic recovery, Krenek suddenly felt disenchanted with the Expressionist ethos he had until then so signally cultivated. It was a volte-face which many contemporary artists underwent at the same time, and which would eventually lead to the Neue Sachlichkeit of the later Weimar period. In Krenek’s case it was accompanied by a sudden fascination for France, and the young composer found himself looking toward Stravinsky as a potential role-model and toward Paris for professional opportunities. In the late autumn of 1924 he set out for Paris, ostensibly to meet up with his librettist Oskar Kokoschka to arrange a Parisian performance of their opera Orpheus und Eurydike, op. 21 (1923). Before then Krenek made a stopover in Geneva to hear an all-Stravinsky concert at which the great composer conducted, among other things, his own Octuor («not always seeming to know what was going on in the little ensemble,» Krenek later acidly remarked). Delighted in the new work and encouraged by a friendly hug from the composer («it surely meant nothing»), Krenek proceeded with his plan and his journey. Eventually he was to be deeply disappointed in Paris: the production of Orpheus came to naught, the musical attainments fell far short of Germany’s, and his contacts with Les Six and other musicians seemed to point in no particular direction but home. But the city gave him a chance to savor his new «life-philosophy,» which he described as «living from one moment to the next» instead of «viewing one’s life as a continuum in which each moment is full of ties to the past and responsibilities toward the future.» It was this thinly-disguised hedonism that would soon find triumphant expression in his extraordinarily successful opera Jonny spielt auf (1926).

It was against this historical and biographical backdrop that Krenek wrote his Symphonie pour instruments à vent et batterie, op. 34, in 1924-5. The choice of title alone points to a French influence on the music and a nod toward Stravinsky’s Symphonies pour instruments à vent of 1920; indeed, as Krenek later confided, the work «was probably as close as I ever came to Stravinsky in my music.» Unlike his previous three symphonies (opp. 7, 12 , and 16), and despite its unusual scoring, the new work adhered to the classical four-movement structure of allegro, slow movement, scherzo, and fast finale (in this case preceded by a slow introduction). But there the similarity with classical forebears ends: the themes, though primarily tonal in conception, were allowed to evolve freely, and sometimes almost randomly, against a highly dissonant and rhythmically bruitist accompaniment rather than developing a logical argument in the time-honored German tradition, or indeed in Krenek’s own previous manner. As one commentator has aptly remarked: «Things only hinted at are references to other things that negate themselves or are, at best, parodied.» (Krenek himself was more laconic: «a fairly noisy business.») Nevertheless, op. 34 proved to be a harbinger of the «hedonistic constructivism”»(Slonimsky) that was to form the basis of Germany’s Neue Sachlichkeit later in the decade, and as such stands alongside Krenek’s better-known Second Concerto grosso, op. 25, and First Violin Concerto, op. 29, as a landmark in the music history of its decade.

Symphonie pour instruments à vent et batterie was published in score as op. 34 by Universal in 1925 and premièred in Frankfurt, by Ernst Wendel, on March 8, 1926.

For performance material please contact the publisher Universal Edition, Vienna.
Reprint of a copy from the Universal Edition, Vienna.