August Klughardt
(geb. Köthen/Anhalt, 30. November 1847 – gest. Dessau, 3. August 1902)

Konzertstück für Oboe op. 18

Vorwort
Der aus dem Anhaltischen stammende August Friedrich Martin Klughardt und seine Werke scheinen sich seit jüngstem wieder einer vorsichtigen Popularisierung zu erfreuen. Neben dem nie aus der Bläserliteratur verschwundenem Quintett op. 79 sind verstärkt auch andere Stücke auf Konzertbühnen oder Aufnahmen zu hören. Ein gewisser Trend zur Wiederentdeckung der Romantik scheint dem zugute zu kommen. Nicht nur, weil es zu wenig Oboenliteratur gäbe, ist Klughardts Opus 18, über dessen Entstehen leider nur sehr wenig bekannt ist, wert, wieder häufiger zu erklingen. Das hier im Mittelpunkt stehende Stück gehört zu immerhin ca. 100 von August Klughardt geschaffenen großen und kleineren Werken. Allein sein Biograf Leopold Gerlach verliert über Opus 18 kein einziges Wort …

Gemeinhin wird für das Konzertstück, das 1874 (?) bei E. W. Fritzsch in Leipzig erschien, eine Entstehungszeit um 1870 angenommen. Der noch sehr junge Komponist hatte nach musikalischer Ausbildung in Dessau und Dresden bereits mehrere Stationen seiner Kapellmeisterlaufbahn hinter sich gebracht. Nach ersten Engagements in Posen, Neustrelitz und Lübeck war er 1869 als Grossherzoglicher Musikdirektor nach Weimar gegangen, wo er mit Liszt arbeitet und zweifellos zu dessen und Wagners Anhänger wird.

Aus der Dresdner Zeit waren seine Feldrosen, op. 5, acht charakteristische Stücke für Klavier, sein größeres Werk für gemischten Chor, Soli und Orchester, Dornröschen, und die Oper Mirjam, eine Musik zu Calderons Leben ein Traum, eine Waldleben betitelte Symphonie in Es-dur und vieles mehr hervorgegangen. In Weimar entstanden die dem Herzog von Anhalt zugeeignete Huldigungsouvertüre, op. 24, die dem Kaiser gewidmete Siegesouvertüre («Die Wacht am Rhein»), op. 26, der Festmarsch, op. 33, eine Reihe von Liederheften und auch op. 18, das Oboekonzert. In weitere Kreise trugen den Namen des Komponisten während dieser Zeit vor allem drei Werke, die Wagner gewidmete symphonische Dichtung Lenore nach Bürgers Ballade, op. 27, die Ouvertüre Im Frühling, op. 30, und die Liszt gewidmeten Schilflieder für Klavier, Oboe und Viola, op. 28. Klughardt ist in dieser Zeit noch auf der Suche. Seinen eigenen Stil wird er erst nach und nach in Neustrelitz (ab 1873) und Dessau (ab 1882) finden, wird sich auch verstärkt an größere Werke, an Sinfonien, Opern und Oratorien wagen und dennoch nicht von Kammermusik, Liedern und Chören lassen.

Die Geltung der Oboe hatte sich im 19. Jahrhundert grundlegend verändert. Eduard Hanslick drückt es 1866 – also nur wenige Jahre bevor Klughardt sein Konzertstück schreibt – so aus: «Über die Zeit, wo diese Künstler [reisende Oboevirtuosen] scharenweise gereist kamen und Concerte auf ihrem langweiligen Einzelrohr bliesen, sind wir hinüber.» Und doch werden der Oboe gerade im romantischen Orchester vielfältige Aufgaben zugewiesen, wie man es auch an Klughardts Schaffen ablesen kann. Ihre Bedeutung in der Konzertliteratur aber bleibt gering. Stücke für Oboe und Orchester sind im ausgehenden 19. Jahrhundert ausgesprochen selten. Mancher reduziert ihre Klangwirkung zudem auf das Wecken angeblich ländlicher Assoziationen. Opus 18 hebt sich davon angenehm ab. Der Klang der Oboe und das romantische Orchester erweisen sich als gleichberechtigt. Ziemlich lebhaft beginnt das Orchester geradezu jubelnd, die Oboe erwidert in höchster Lage «und mit virtuosem Passagenwerk». Für Christopher Fifield «offenkundig der einzige Weg», den Klughardt sah, «um das Instrument seiner Tage in die Lage zu versetzen, den gegen es aufgebotenen Orchestersatz zu durchdringen». Fifield weiter: «Während man die Orchesterritornelle mit einigem Recht als etwas schematisch und primär funktional beschreiben könnte (sie verschaffen dem Solisten eine wohlverdiente Ruhepause), ist es die Solo-Oboe, die phantasievoll neue Gedanken einbringt und Phrasierungen konturiert, wie etwa den Übergang in den Mittelteil dieses dreiteiligen Werks, ein Adagio, das unstreitig Musik mit Herzblut ist. Das Finale des Werks greift die robust-vergnügte Stimmung des Anfangs wieder auf und enthält eine quasi-Kadenz, in die eine Vielzahl von Orchesterakkorden eingestreut ist.» Und Gunther Joppig, nicht weniger als anerkannter Oboepapst, sieht in Klughardts Konzertstück «ein leichtes und wirkungsvolles Originalwerk für Oboe aus dem Zeitalter der Romantik».

Zwar bedürfen Aussagen über Entstehung und Annahme der Komposition, Ort und Zeit der Uraufführung usw. noch umfangreicher Forschungsarbeit, ein paar Belege seien hier trotzdem angeführt. Einer der großen Oboer des 19. Jahrhunderts (Berlioz auf ihn Bezug nehmend: «In Dresden gibt’s ein sehr gutes Englischhorn»), Kammermusikus Rudolf Hiebendahl († 1890), 1837-1883 Mitglied der Dresdner Hofkapelle, Mitbegründer des Dresdner Tonkünstlervereins und Lehrer am dortigen Königlichen Conservatorium für Musik, sandte dem Komponisten einen Konzertzettel der Prüfungs-Aufführungen 1885/86. Das Concertstück für Oboe stand am Montag, dem 28. Juni 1886, im Schluss-Concert im Saale des Gewerbehauses auf dem Programm. Auf dem Zettel vermerkte Hiebendahl handschriftlich: «Herzlichen Gruß und Dank als alter Oboevater für das herrliche Musikstück, wodurch unsere, sonst so magere und oft triviale Oboeliteratur endlich durch etwas gutes beglückt worden ist.» Weiter vermerkt er, die Komposition sei «nicht blos von der hiesigen Presse, sondern von der musikalischen Welt als geistreich und hochinteressant anerkannt worden und vom Schüler [ein Herr Schröter aus Eisenberg: Oboeclasse des Herrn Kammermusikus Hiebendahl] mit großer Liebe gut geblasen worden». Ganz gewiß wird Klughardt Hiebendahl schon seit seiner Dresdner Studienzeit gekannt haben, zumal er 1866 Mitglied des Tonkünstlervereins der Elbestadt wurde.

Wie Klughardts op. 79 noch heute als anspruchsvolles und dankbares Unterrichtsmaterial geschätzt wird, so scheint op. 18 schon bei Lebzeiten des Schöpfers besonders zu Ausbildungszwecken Anklang gefunden zu haben.

An der Königlichen Musikschule Würzburg, steht es 1881 in einem Konzert «unter gefälliger Mitwirkung des Capellmeisters Carl Reinecke aus Leipzig» auf dem Programm, fünf Jahre später – siehe oben – in Dresden. Beim Fürstlichen Conservatorium der Musik in Sondershausen ist es 1893 für eine Schüler-Vortragsübung unter dem Dirigenten Renger-Patsch ausgewiesen.

Für Dresdner Musici ist das Stück im November 1891 gleich zweimal nachweisbar, jeweils mit Pianofortebegleitung: am 2.11. beim Kaufmännischen Verein zu Freiberg im Künstler-Konzert im Saale des Gewerbehauses «unter gütiger Mitwirkung von Fräulein Margarethe Stein, Dresden, der Königl. Kammermusiker Herrn Adolf Elsmann (Violine) und Herrn Ritter Schmidt (Oboe und Englisch Horn), Dresden» und am 27.11. in der Dresdner Musikalischen Gesellschaft, im Concertsaale der «Philharmonie», im I. Grossen Concert, «zu Ehren der Vermählung Ihrer Königlichen Hoheiten Prinz und Prinzessin Friedrich August», des späteren letzten sächsischen Königs und seiner berühmt gewordenen Frau Luise von Toskana, vorgetragen von den «Herren Kgl. Kammermusikus Ritter Schmidt und Musikdirector G. Schadewitz».
Auch für München gibt es einen Beleg. Am 6. Mai 1893 kam das Konzertstück mit Orchesterbegleitung [Leitung: Prof. Thulle (?)], vorgetragen von Kammermusiker Ernst Reichenbächer dort zur Aufführung.

Anlässe für Aufführungen des Concertinos boten auch mehrere Klughardtfeiern im Anhalt-Land, so in Zerbst oder die Dessauer von 1920, «auf der zwei Konzertstücke des Komponisten erklangen, das eine für Oboe (Hofmusikus Reichmuth, am Flügel begleitet von Musikdirektor Preitz) und das für Violoncello [s. Repertoire Explorer, Study Score 244]».

Marco Zabel, 2005

Aufführungsmaterial ist erhältlich bei Gunter Joppig, Müllerstr. 50, 80469 München.
Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München

August Klughardt  
(b. Köthen, November 30, 1847 –  d. Dessau, August 3, 1902)

Konzertstück for Oboe
Opus 18  

Preface
The compositions of German composer August Friedrich Martin Klughardt have become increasingly popular in recent years. In addition to the Wind Quintet (Opus 79) which has long been part of the standard wind repertoire, a number of other pieces have recently been appearing on concert stages and recordings as part of the current re-discovery of lesser- known music of the romantic period.

The Konzertstück for Oboe (Opus 18) is one of the roughly one-hundred works that make up Klughardt’s over all output. The relatively small quantity of oboe literature makes the piece a particularly worthwhile addition to the repertoire, though its origins are not well documented. Even Klughardt’s biographer, Leopold Gerlach, does not mention the piece at all. Klughardt’s time in Dresden, starting 1866, saw the composition of Feldrosen (Opus 5), Eight Characteristic Pieces for Piano, Dornröschen (a large work for mixed choir, soli and orchestra), the opera Mirjam (based on Calderon’s Leben ein Traum), his Symphony in E-flat major, subtitled Waldleben, and numerous other pieces. 

Klughardt was still rather young at the time of the composition of the Konzertstück. After finishing his musical education in Dessau and Dresden, Klughardt held several positions as a conductor. The first engagements in Posen, Neustrelitz, and Lübeck were followed by his appointment to the position of Music Director to the Duke of Weimar in 1869. In Weimar, Klughardt collaborated with Franz Liszt and became a strong advocate of both Liszt and Richard Wagner.  

In Weimar, Klughardt composed the Huldigungsouvertüre (Opus 24), dedicated to the Duke of Anhalt, the Siegesouvertüre (Die Wacht am Rhein, Opus 26, dedicated to the emperor), the Festmarsch (Opus 33), numerous art song collections, and the Konzertstück for Oboe. It is generally assumed that the Konzertstück, published in 1874 by E. W. Tritsch in Leipzig, was composed in 1870. In addition, his symphonic poem Lenore (Opus 27), the overture Im Frühling (Opus 30), and a set of pieces for piano, oboe and viola entitled Schilflieder (Opus 28) greatly promoted his name and reputation as a composer. During this time, Klughardt was still searching for his own compositional language. His stylistic identity further developed and matured in Neustrelitz beginning in 1873 and Dessau beginning in 1882. In Neustrelitz and Dessau, Klughardt began to show increasing interest in larger scale works, such as symphonies, operas and oratorios, without ignoring chamber music, art songs and pieces for choir.  

The recognition and use of the oboe had greatly changed during the 19th century. Eduard Hanslick stated in 1866 (just four years before Klughardt composed his Konzertstück): «The time in which this type of artist [oboists] used to travel and appear in great numbers by performing concerts on their boring single tubes has passed.»  

Within the context of the romantic orchestra, the oboe was assigned a great variety of responsibilities and functions, but the overall position of the oboe in the concerto repertoire remained somewhat weak. Pieces for oboe and orchestra were rather rare at the end of the 19th century. Often, people would associate the sound of the oboe with country- and peasant-like images. Klughardt’s Konzertstück, however, is pleasantly different from this stereotype.  

In this piece, the orchestra and the solo oboe are treated as equals. The orchestra’s jubilant opening bears the indication Ziemlich lebhaft (rather lively), and the solo oboe answers with a highly virtuosic passage, which, according to Christopher Fifield, is the only way for the oboe to clearly shine through the thick orchestral writing. Fifield continues: «Although the orchestral ritornellos can easily be perceived as somewhat functionally schematic (they provide a well deserved rest to the soloist), it is primarily the solo oboe part that introduces new ideas and phrases in a highly creative manner. A good example is the transition from the end of the first movement to the Adagio, which, in this three movement work, undoubtedly represents the most emotional and romantic segment. The finale re-connects with the strong and joyful atmosphere of the opening movement, and presents a semi-cadence which includes numerous orchestral chords.» Gunther Joppig, a well-respected expert of oboe literature, sees in Klughardt’s Konzertstück a «light and highly effective work of the romantic era for oboe.» The historical documentation of the creation and origin of the piece still requires a great deal of research. Some limited documentation, however, is available: one of the greatest oboists of the 19th century was Rudolf Hiebendahl, who died in 1890. Berlioz stated in reference to Hiebendahl that «in Dresden one can find an excellent English horn.» From 1837 to 1883, Hiebendahl served as a member of the Dresdner Hofkappelle. He was also one of the co-founders of the Tonkünstlerverein (Musicians’ Society) of Dresden, and taught at the Dresden Royal Conservatory. Hiebendahl forwarded to Klughardt a note that he had written in reference to a concert event that was a part of the standard conservatory exam or jury series of the year 1885/86. This concert of June 28, 1886 included the Konzertstück for Oboe and was held in the auditorium of the Dresden trade-center. Hiebendahl wrote in this note to Klughardt: «Warmest greetings and many thanks to you from an old oboe-father for the wonderful composition. Finally, our oboe repertoire, which in general is rather trivial and slim, has been greatly enriched.» Further on, he noted that the composition has «not only been positively recognized by the local press but as well by the world of music in general.» 

Klughardt must have known Hiebendahl from his student days in Dresden, since in 1866, Hiebendahl was a member of the Dresden Musician’s Society. Just as Klughardt’s demanding Woodwind Quintet (Opus 79) is still considered an excellent piece for pedagogical purposes, many considered the Konzertstück especially suitable for teaching and learning purposes.  

In 1881, the Konzertstück appeared on a program of the Royal Music School of Würzburg, conducted by Carl Reinecke. Five years later (see above) it appeared in Dresden. At the Royal Conservatory of Sondershausen, the piece was performed by an oboe student under the direction of Renger-Patsch.  

In November 1891, the piece was performed twice with piano accompaniment. On November 2, it was played for the Freiberg Society of Commerce in the auditorium of its Trading Center with the Dresden musicians Margarethe Stein (piano), and the Royal Chamber Musicians Adolf Elsmann (Violin) and Mr. Ritter Schmidt (Oboe). On November 27, the piece was performed for the Dresden Music Society in the auditorium of the Philharmonic. Its director G. Schadewitz was at the piano and Mr. Ritter Schmidt was the soloist. This was the first concert to honor the wedding of the Royal Highnesses Princess Luise of Tuscany and Prince Friedrich August, who was later to be the last King of Saxony.  

In Munich, Klughardt’s Opus 18 was performed on May 6, 1893, under the baton of Professor Thulle with Ernst Reichenbächer as soloist.  

Often, concerts that were dedicated to Klughardt and his music served as a platform for the performance of the Konzertstück. Such concerts took place in 1920 in the towns of Zerbst and later on in Dessau, where both the Konzertstück and the Concerto for Violoncello [see Repertoire Explorer - Study Score 244] were performed. The Konzertstück was performed by the oboist Reichmuth with music director Preitz at the piano.  
 
Translation: Tom Zelle, 2005

For performance material, please contact Gunter Joppig, Müllerstr. 50, 80469 München.
Reprint of a copy from the collection Gunther Joppig.