Frank Martin
(geb. Genf, 15. September 1890 — gest. Naarden [Niederlande], 21. November 1974)

Concerto pour Clavecin et Petit Orchestre (1951-52)

I Allegro comodo p. 1
II Adagio - (3x) Un pocchissimo meno lento - (4x) Un pocchiss. più mosso - Cadence - Tempo di Valsa p. 50

Vorwort
Frank Martin war einer der eminentesten Schweizer Komponisten aller Zeiten, und zusammen mit Arthur Honegger der wohl bedeutendste Vertreter seiner Zunft in der französischen Schweiz. Insbesondere auf dem Gebiet der großformatigen Vokalkomposition zählt er zu den bemerkenswertesten Tonschöpfern des 20. Jahrhunderts. Unter anderem schuf er die Opern Der Sturm (nach Shakespeares The Tempest, komp. 1952-54; UA: Wien, 17. Juni 1956) und Monsieur de Pourceaugnac (nach Molière, komp. 1960-62; UA: Genf, 23. April 1963); »Der Cornet« (1942-43) für Alt-(oder Bariton-)Solo und Kammerorchester nach Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke von Rainer Maria Rilke (Repertoire Explorer Studienpartitur 325); Ein Totentanz zu Basel im Jahre 1943 (Getanzte Freilichtaufführung für Knabenchor, Streichorchester, Jazzensemble und Basler Trommler); die Oratorien Le Vin herbé (nach der Tristan-Legende, komp. 1938-41), In terra pax (komp. 2944-45), Golgotha (komp. 1945-48) und Le Mystère de la Nativité (1957-59) sowie ein Requiem (komp. 1971-72). Einige dieser Werke erfreuen sich schon lange außergewöhnlicher Popularität, und die Tendenz der Aufführungen, insbesondere von Golgotha, ist dreißig Jahre nach seinem Tode weiterhin steigend. Aber auch als Instrumentalkomponist muss er zu den herausragenden Erscheinungen seiner Zeit gerechnet werden, und eine Vielzahl seiner Werke ist lebendiger Bestandteil des internationalen Konzertrepertoires. Einige seiner Kompositionen, darunter auch die hier vorliegende, werden in der Serie Repertoire Explorer erstmals im Studienpartitur-Format veröffentlicht.

Das 1933-34 komponierte Erste Klavierkonzert (UA Genf, 22. Januar 1936; Walter Gieseking [Pf.], Orchestre de la Suisse Romande, Ernest Ansermet) ist Frank Martins erstes gültiges Werk für Instrumentalsolist und Orchester. Aus seinem mannigfaltigen und reichhaltigen Œuvre für Soloinstrument(e) mit Orchesterbegleitung sind die Balladen als Gattung am bekanntesten geworden, welche in folgender Reihenfolge entstanden: 1938 die Ballade für Altsaxophon und Streichorchester, Pauken, Schlagzeug und Klavier (gewidmet Sigurd Raschèr, der sie im Herbst 1938 in Sydney uraufführte); 1939 die Ballade für Flöte und Klavier, im selben Jahr von Ernest Ansermet für großes Orchester bearbeitet (UA Lausanne, 27. November 1939; André Pépin [Fl.], Orch. de la Suisse Romande, E. Ansermet) und 1941 von Martin als Ballade für Flöte, Streichorchester und Klavier gesetzt (UA Basel, 28. November 1941; Joseph Bopp [Fl.], Basler Kammerorchester, Paul Sacher); 1940 die Ballade für Posaune und Klavier, 1941 instrumentiert als Ballade für Posaune und kleines Orchester (UA Genf, 26. Januar 1942; Thomas Morley [Pos.], Orch. de la Suisse Romande, E. Ansermet); 1949 die Ballade für Cello und Klavier oder kleines Orchester (UA Zürich, 17. November 1950; August Wenzinger [Vc.], Collegium Musicum Zürich, P. Sacher); und schließlich als später Nachtrag 1972 die Ballade für Bratsche und Blasorchester (UA Salzburg, 20. Januar 1973; Ron Golan [Va.], Helmut Eder [Dir.]. 1935 schrieb Martin die umfangreiche Musik zum Ballett Die blaue Blume, die er nie instrumentiert hat. Jedoch extrahierte er daraus die Danse de la peur für zwei Klaviere und kleines Orchester, die in Genf am 28. Juni 1944 durch Madeleine und Dinu Lipatti (Dir. Edmond Appia) erstmals zu Gehör kam. Die 1938 entstandene Sonata da chiesa für Viola d’amore und Orgel arrangierte er 1952 für Viola d’amore und Streichorchester (UA Turin, 29. April 1953; Aurelio Arcidiacono (Va.d’a.], Virgilio Brun [Dir.]; eine Übertragung von Martins alternativer Fassung für Flöte und Orgel [1941] als Sonata da chiesa für Flöte und Streichorchester erstellte 1958 Victor Desarzens). Eines seiner nachhaltig erfolgreichsten Werke ist die 1944-45 erstellte Petite Symphonie concertante für Harfe, Cembalo, Klavier und zwei Streichorchester (UA Zürich, 17. Mai 1946; Corina Blaser [Hf.], Hans Andreae [Cem.], Rudolf am Bach [Pf.], Collegium Musicum Zürich, P. Sacher), die er 1946 auch für großes Orchester als Symphonie concertante arrangierte (UA Luzern, 16. August 1947; Orch. de la Suisse Romande, E. Ansermet). Auch das Concerto für sieben Bläser, Pauken, Schlagzeug und Streichorchester (UA Bern, 25. Oktober 1949 in der Bernischen Musikgesellschaft unter Luc Balmer) hat recht weite Verbreitung gefunden. 1950-51 entstand das nicht weniger erfolgreiche Violinkonzert (UA Basel, 24. Januar 1952; Hansheinz Schneeberger [Vl.], Basler Kammerorch., P. Sacher), 1951-52 das vorliegende Konzert für Cembalo und kleines Orchester. Erst 1965-66 schrieb Martin für prominente Besetzung mit dem Cellokonzert (UA Basel, 26. Januar 1967; Pierre Fournier, Basler Kammerorch., P. Sacher) ein weiteres Werk für Soloinstrument und Orchester, dem er 1968-69 das Zweite Klavierkonzert für Paul Badura-Skoda (UA Paris, 24. Juni 1970; P. Badura-Skoda [Pf.], V. Desarzens [Dir.] folgen ließ. Zudem komponierte er 1968 das nach wie vor beliebte Maria-Triptychon für Sopran, Violine solo und Orchester (UA Rotterdam, 13. November 1969; Irmgard Seefried [Sopr.], Wolfgang Schneiderhan [Vl.], Jean Fournet [Dir.], 1970 die Trois Danses für Oboe, Harfe, Streichquintett solo und Streichorchester (UA Zürich, 9. Oktober 1970; Heinz und Ursula Holliger [Ob. & Hf.], Collegium Musicum Zürich, P. Sacher), und 1973, im Jahr vor seinem Tode, Polyptyque. Sechs Bilder aus der Leidensgeschichte Christi für Violine solo und zwei Streichorchester (UA Lausanne, 9. September 1973 anlässlich der 25-Jahr-Feier des Internationalen Musikrats; Yehudi Menuhin [Vl.], Zürcher Kammerorchester, Edmond de Stoutz).

Das Konzert für Cembalo und kleines Orchester entstand 1951-52 in Amsterdam im Auftrag der Widmungsträgerin Isabelle Nef (1898-1976), nach den Cinq Chants d’Ariel nach Shakespeare’s The Tempest für gemischten Chor a cappella (1950) und dem von Joseph Szigeti (1892-1973) oft gespielten Konzert für Violine und Orchester (1950-51) und vor Beginn der Arbeit an der großen dreiaktigen Oper Der Sturm nach Shakespeare (1952-55). Frank Martin erzählt (postum veröffentlicht in A propos de…, commentaires de Frank Martin sur ses œuvres, hrsg. von Maria Martin, Neuenburg 1984):
"Ich hielt mich an der Nordsee auf, als ich damit anfing, und die Wellenbewegung der sechs Achtelnoten, die den ganzen ersten Teil beherrscht, wurde mir vom gleichmäßigen Wogen der Wellen eingegeben." Und an Peter Mieg (1906-90), der auch ein Cembalokonzert schreiben wollte, schrieb er: "Ich habe es getan, weil es gewissermaßen in der Luft liegt. Ich habe in Köln Schüler, die es vor mir getan haben; und ich bin sicher, dass eine neue Literatur für dieses Instrument entstehen wird, das unserem Empfinden in mancher Hinsicht sehr nahe steht. Ich bin sogar erstaunt, dass diese Bewegung so lange gebraucht hat, um sich kundzutun, nachdem das Cembalo zur Wiedergabe von Barockmusik schon lange auferstanden ist."
Zur Uraufführung gelangte das Concerto pour clavecin et petit orchestre anlässlich des Festivals der IGNM am 14. September 1952 in Venedig durch Isabelle Nef (Cembalo) unter der Leitung von Fernando Previtali (1907-85). Die Partitur des Cembalokonzerts erschien 1954 als Facsimiledruck beim Verlag Universal Edition.
Christoph Schlüren, 2004.

Aufführungsmaterial ist vom Verlag Universal Edition, Wien (www.universaledition.com) zu beziehen.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Universal Edition AG, Wien, 2004.

Frank Martin
(b. Geneva, 15 September 1890 — d. Naarden [the Netherlands], 21 November 1974)

Concerto pour Clavecin et Petit Orchestre (1951-52)

I Allegro comodo p. 1
II Adagio - (3x) Un pocchissimo meno lento - (4x) Un pocchiss. più mosso - Cadence - Tempo di Valsa p. 50

Preface
Frank Martin is one of the most eminent Swiss composers of all time, and along with Arthur Honegger probably the most important practitioner of his craft in French-speaking Switzerland. He ranks among the most notable composers of the twentieth century in particular for his large-scale vocal works. These include the operas Der Sturm (after Shakespeare’s Tempest; 1952-54, premiered in Vienna, 18 June 1956) and Monsieur de Pourceaugnac (after Molière; 1960-62, premiered in Geneva, 23 April 1963); Der Cornet (1942-43) for alto (or baritone) solo and chamber orchestra, after Rainer Maria Rilke’s Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (Repertoire Explorer Study Score 325); Ein Totentanz zu Basel im Jahre 1943 (a "danced open-air performance" for boys’ choir, string orchestra, jazz ensemble and Basle drummers); the oratorios Le Vin herbé (after the Tristan legend, 1938-41), Et in terra pax (1944-45), Golgotha (1945-48), and Le Mystère de la Nativité (1957-59); and a Requiem (1971-72). Some of these works have enjoyed extraordinary popularity for quite a long time, and thirty years after his death the rate of performances, especially of Golgotha, continues to trend upwards. But Martin the composer of instrumental works should also be considered one of the most prominent figures of his time as well, and a goodly number of his works comprise a lively portion of international concert repertoire. A few of his compositions, the present one among them, are being published in the Repertoire Explorer series for the first time in study score format.

Martin’s first work for instrumental soloist and orchestra is his First Piano Concerto. Of his multifaceted and plentiful œuvre for solo instrument and orchestra, the group of Ballades have become best known. They were composed in the following order: the Ballade for Alto Saxophone and String Orchestra, Timpani, Percussion, and Piano, 1938 (dedicated to Sigurd Raschèr, who premiered it in Sydney in fall 1938); the Ballade for Flute and Piano, 1939, which Ernest Ansermet arranged that same year for full orchestra (premiered in Lausanne, 27 November 1939; André Pépin, flute; the Orchestre de la Suisse Romande/Ernest Ansermet) and which Martin himself recast as Ballade for Flute, String Orchestra, and Piano (premiered in Basel, 28 November 1941; Joseph Bopp, flute; Basel Chamber Orchestra/Paul Sacher); the Ballade for Trombone and Piano, 1940, arranged as Ballade for Trombone and Small Orchestra (premiered in Geneva, 26 January 1942; Thomas Morley, trombone; Orchestre de la Suisse Romande/Ernest Ansermet); the Ballade for Cello and Piano or Small Orchestra, 1949 (premiered in Zurich, 17 November 1950; August Wenzinger, cello; Collegium Musicum Zurich/Paul Sacher); and finally, as a late addendum, the Ballade for Viola and Wind Orchestra, 1972 (premiered in Salzburg, 20 January 1973; Ron Golan, viola; Helmut Eder, conductor). In 1935 Martin wrote extensive music for a ballet titled Die blaue Blume, but never orchestrated it. He did, however, extract from it the Danse de la peur for two pianos and small orchestra, which was first performed in Geneva on 28 June 1944 by Madeleine and Dinu Lipatti; the conductor was Edmond Appia. He arranged his Sonata da chiesa for viola d’amore and organ, a product of the year 1938, for viola d’amore and string orchestra in 1952 (premiered in Turin, 29 April 1953; Aurelio Arcidiacono, viola d’amore; Virgilio Brun, conductor). Martin prepared an alternate version of the work for flute and organ in 1941; Victor Desarzens arranged this in 1958 for flute and string orchestra. One of his consistently most popular works is the 1944-45 Petite Symphonie concertante for harp, harpsichord, piano, and double string orchestra (premiered in Zurich on 17 May 1946; Corina Blaser, harp; Hans Andreae, harpsichord; Rudolf am Bach, piano; Collegium Musicum Zurich/Paul Sacher), which he arranged in 1946 for full orchestra as Symphonie concertante (premiered in Lucerne on 16 August 1947; Orchestra de la Suisse Romande, Ernest Ansermet, conductor). The Concerto for Seven Wind Instruments, Timpani, Percussion, and String Orchestra (premiered in Bern on 25 October 1949 in the Bernische Musikgesellschaft under the direction of Luc Balmer) has also achieved broad propagation. Martin’s no less successful Violin Concerto was a product of 1950-51 (premiered in Basel on 24 January 1952; Hansheinz Schneeberger, violin; Basel Chamber Orchestra/Paul Sacher), followed in 1951-52 by the Concerto for Harpsichord and Small Orchestra (premiered at the ISCM Festival in Venice, 14 September 1952; Isabelle Nef, harpsichord; Fernando Previtali, conductor). It was not until 1965-66 that Martin again wrote a prominent work for solo instrument and orchestra, this time a Cello Concerto (premiered in Basel on 26 January 1967; Pierre Fournier, cello; Basel Chamber Orchestra/Paul Sacher), which he followed in 1968-69 with his Second Piano Concerto for Paul Badura-Skoda (who played the solo part in the work’s premiere in Paris, 24 June 1970; Victor Desarzens conducted). Rounding out his production in these genres are the ever popular Maria-Triptychon of 1968 for soprano, solo violin and orchestra (first performed in Rotterdam, 13 November 1969; Irmgard Seefried, soprano; Wolfgang Schneiderhan, violin; Jean Fournet, conductor); the Three Dances for Oboe, Harp, Solo String Quintet, and String Orchestra of 1970 (premiered in Zurich on 9 October 1970; Heinz and Ursula Holliger, oboe and harp; Collegium Musicum Zurich/Paul Sacher); and in 1973, his penultimate year, Polyptyque. Six images de la Passion du Christ for solo violin and double string orchestra (premiered in Lausanne on 9 September 1973 on the occasion of the twenty-fifth anniversary of the International Music Council; Yehudi Menuhin, violin; Zurich Chamber Orchestra/Edmond de Stoutz).

The Concerto for Harpsichord and Small Orchestra was composed in Amsterdam in 1951-52 as a commission for Isabelle Nef (1898-1976), to whom the work is dedicated. It follows the Cinq Chants d'Ariel for mixed choris a cappella after Shakespeare’s Tempest (1950) and the Concerto for Violin and Orchestra (1950-51), which was often performed by Joseph Szigeti (1892-1973); it precedes work on the great three-act opera Der Sturm (1952-55), also based on Shakespeare’s Tempest. About the concerto Martin writes (in the posthumously published A propops de…, commentaires de Frank Martin sur ses œuvres, edited by Maria Martin, Neuenburg 1984): "I was staying at the North Sea when I began it, and the even rolling of the waves suggested to me the wavelike motion of the six eighth-notes that dominates the entire first section." And to Peter Mieg (1906-90), who was also considering writing a harpsichord concerto, he wrote: "I did it because it was to a certain degree 'in the air'. I have pupils in Cologne who did so before me, and I am sure that there will be a new literature for this instrument, a literature that will in many respects be close to our experience. I am even surprised that this movement has taken so long to make itself known, since the harpsichord was resurrected quite a while ago for the rendering of Baroque music."
The Concerto for Harpsichord and Small Orchestra was first performed at the ISCM Festival in Venice on 14 September 1952; Isabelle Nef performed the solo part under the direction of Fernando Previtali (1907-85). The score of the Harpsichord Concerto was published in facsimile by Universal Edition in 1954.
Translation: Stephen Luttmann, 2004.

For performance materials please contact the publisher Universal Edition, Vienna (www.universaledition.com).

Reprint with kind permission of Universal Edition AG, Vienna, 2004.