Hidemaro Konoye
(geb. Tokio 18.11.1898 – gest. Tokio 2.06.1973)

"Etenraku"
(Orchestrierung: 1931)
Uraufführung: 1. April 1931, New Symphony Orchestra unter der Leitung von Hidemaro Konoye

Vorwort
Innerhalb der japanischen Hofmusik ist „Gagaku“ eine der beliebtesten musikalischen Formen, und „Etenraku“ ist der wohl berühmteste Vertreter dieses Genre. Es gibt viele „Etenraku“, die sich durch ihreunterschiedlich strukturierten Tonsysteme unterscheiden. Die vorliegende Musik wurde im Tonsystem „Hyou Chou“ geschrieben, ist ausserordentlich beliebt und war vor allem bei shintoistischen Hochzeitszeremonien zu hören. Hidemaro Konoye bearbeitete diese traditionelle japanische Musik für Orchester und ersetzte die alten, speziell für „Gagaku“ entwickelten Holzblasinstrumente durch modernes Instrumetarium: Ryouteki durch Flöte, Shichiriki durch Oboe und Shou durch Violine. Den beständig fliessenden Charakter des „Gagaku“ übertrug er geschickt in moderne Orchesterklänge.

„Gagaku“
„Anmutige Musik“ – so die lautet die Übersetzung von „Gagaku“ – war ürsprünglich auf dem chinesischen Kontinent beheimatet und hielt in der Nara – Ära ( 710-794 v. Chr.) oder bereits früher Einzug auf die japanischen Inseln. Heute wird diese Musik mit Originalinstrumenten am Kaiserlichen Hof oder in Shinto-Tempeln aufgeführt. Anders als heute spielte man „Gagaku“ in alten Zeiten wesentlich rhythmischer, als eine prachtvolle Musik für den zeremoniellen Tanz. Man nimmt an, dass sie stark der chinesischen Oper ähnelte.

Die Konoye-Familie
Der Premier-und Innenminister Motomichi Fujiwara (1160 –1233), ältester Sohn der Fujiwara-Familie und von prominentem Adel, bewohnte einen Palast nördlich des Ortes Konoye, der östlich von Muromachi in Kyoto lag. Wie damals üblich, gab man der Familie den Namen ihres Wohnorts, Konoye. Dieser grosse Clans bestand aus mehreren Familien, Takatsukasa, Kujou, Nijou und Ichijou. Sie alle waren mit dem Kaiser verwandt und nannten sich „Go – Sekke“, die „fünf wichtigen Adelsfamilien“. Funimaro Konoye, der erste Premierminister Japans nach dem zweiten Weltkrieg, war ein Halbbruder von Hidemaro Konoye.

Die „Etenraku“-Bearbeitung für Orchester
Es gibt keine verbindlichen Quellen darüber, warum sich Hidemaro Konoye für eine Bearbeitung von „Etenraku“ entschied. Aber man kann sich vorstellen, dass er als Adliger häufig die Gelegenheit hatte, Hofmusik zu erleben. In späteren Jahren hielt er sich in Europa auf, um die westliche klassische Musik zu studieren. Diese Erfahrungen mögen ihn inspiriert haben, sich auf seine musikalischen Wurzeln zu besinnen und sich an eine „moderne“ Orchestrierung des „Etenraku“ zu wagen.
Neben Hidemaro Konoye gab es einen weiteren japanischen Komponisten, Yoritsune Matsudaira (1907 – 2001), der sich der traditionellen kaiserlichen Musik widmete, aber - anders als Konoye – mit deutlich fanatischem Unteron auf dem „Gagaku“-Stil für seine Werke bestand. Auch er war von adligem Geblüt, ein Mitglied der Matsudaira-Familie, die mit der Shogun-Clan Tokugawa verwandt war.
Das Orchesterarrangement von „Etenraku“ entstand 1931, dem Jahr der japanischen Invasion in China, die der Auslöser für die Ausweitung des zweiten Weltkrieg in den pazifischen Raum war. Die Gründung von Manchu Kou (1932) durch die japanische Regierung auf dem chinesischen Festland liess den japanischen Nationalismus erstarken. Aber ob mit oder ohne Nationalismus, die Japaner dieser Epoche waren sehr bemüht sich auf allen Gebieten europäischen Standards anzupassen. Auf diesem Hintergrund kann man das Interesse Konoyes gut verstehen, moderne westliche Orchestertechniken auf die traditionelle Musik seiner Heimat anzuwenden. So ist sein „Etenraku“ ein anschauliches Dokument der Geschichte seines Landes.
Hidemaro Konoyes musikalischer Werdegang
Hidemaro Konoye studierte nach seiner Ausbildung am Gakushuin College Künste (Musik, Malerei, Poesie, Literatur) an der Tokio Imperial Universität, brach sein Studium allerdings auf halbem Wege ab. 1923 begab er sich nach Berlin, um unter Erich Kleiber (1882-1954), dem damaligen Generaldirektor der Berliner National Oper, das Dirigieren zu studieren. 1924 leitete er erstmals das Berliner Philharmonische Orchester. Diese Gelegenheit macht ihn unter seinen Kollegen (Wilhelm Furtwängler, Leopold Stokowski, Richard Strauss) schnell bekannt, zwischen ihm und Josef Szigeti (1882-1973) sollte sich später eine enge Freundschaft entwickeln. In einigen Zeitzeugnissen kann man nachlesen, dass Konoye damals als „Prinz Konoye“, einem Mitglied der kaiserlichen Familie, in die europäische Gesellschaft eingeführt wurde. Im gleichen Jahr kehrte er nach Japan zurück.
Im Jahre 1925 gründeten Konoye und Kosaku Yamada (1886-1965) die Japanische Symphonische Gesellschaft, das erste private Orchester in Japan. Aber schnell zerstritten sich die beiden Musiker, und das Orchester brach in zwei neue Ensembles auseinander. Konoye baute sein neues Orchester unter dem Namen Neues Symphonieorchester ( das spätere NHK Symphonieorchester) wieder auf, vergrösserte es und verbesserte den musikalischen Standard in Orientierung am westlichen Musizierniveau.
1935 zog er sich aus der aktiven Tätigkeit im Neuen Symphonieorchester zurück und arbeitete als Gastdirigent mit europäischen Orchestern. 1945 – nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – musste er aus Berlin fliehen, da er als Japaner als ein Verbündeter der Nazis galt.
1946 gründete er ein neues Orchester, das Toho Symphonieorchester, das er gemeinsam mit Jin Ueda (1904-1966) leitete. Vier Jahre später entstand unter seiner Initiative sein eigenes privates Orchester, das Konoye Orchester. Darüberhinaus war er in allen Bereichen der Musik sehr aktiv und arbeitete eng mit dem Yomiuri Nippon Symphonie Orchester zusammen. Hidemaro Konoye starb 1973 in Tokio.
Konoye war nicht nur bekannt als Dirigent, sondern auch als Komponist und Bearbeiter. Vor allem mit seinen Bearbeitungen der Beethoven-Symphonien machte er sich einen guten Namen. Gerade für Dirigenten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war diese Arrangiertätigkeit nicht unüblich. Wegen der Entwicklung der Musikinstrumente und der immer grösser werdenden Konzertssäle hielten sie eine Anpassung der Orchestrierung für notwendig. Felix Weingartner (1863 –1942) und Leopold Stokowski waren typische Vertreter dieser Auffassung, die sich an der Bearbeitung alter Musik versuchten. Sie waren Vorbilder für den „Arrangeur“ Konoye.
Auch im 21. Jahrhundert entwickelt sich die Kunst der Orchestrierung fortwährend weiter. Bleibt das Orchester nur ein Instrument für die Reproduktion alter, originaler Partituren, oder wird es gelingen, neue Aspekte musikalischer Interpretation zu entwickeln? Eine gründliche Erforschung der Arbeiten von Hidemaro Konoye wäre eine lohnende Aufgabe, um tiefer in diese Frage einzudringen.

Hisato Higuchi, 2005

Hidemaro Konoye
(b. Tokyo, 18 November 1898; d. Tokyo, 2 June 1973)

Etenraku
Arrangement for orchestra (1931)

Preface

Gagaku is one of the most popular forms of court music in Japan, and Etenraku is perhaps the most famous representative of this genre. There are many Etenrakus that differ in the contrasting structures of their tonal systems. The piece in our volume, written in the hyou chou tonal system, is extraordinarily popular and was heard most of all at Shinto wedding ceremonies. Hidemaro Konoye arranged this traditional Japanese music for a western orchestra, replacing the ancient woodwind instruments specially developed for gagaku with modern equivalents: the ryouteki by a flute, the shichiriki by an oboe, and the shou by a violin. The steadily flowing character of gagaku was deftly translated into modern orchestral sonorities.

Gagaku

"Graceful music" – thus the English translation of gagaku – originally came from mainland China. By the time of the Nara Period (710-794 AD) it had already been introduced in the islands of Japan. Today this music is performed with original instruments at the imperial court or in Shinto temples. Unlike today, however, the original gagaku was much more rhythmic, forming a splendid backdrop for ceremonial dance. It is generally assumed that gagaku bore a strong resemblance to Chinese opera.

The Konoye Family

The Prime and Interior Minister Motomichi Fujiwara (1160-1233) was the eldest son of the Fujiwara family and of high-born aristocratic lineage. He lived in a palace to the north of the town Konoye, which lay in the east of Muromachi in Kyoto. As was the custom at that time, the family took its name from its place of residence, Konoye. This large clan consisted of several families: Takatsukasa, Kujou, Nijou, and Ichijou. All were related to the emperor and called themselves Go-Sekke, the "five leading noble families." Funimoro Konoye, Japan's first prime minister after the Second World War, was a half-brother of Hidemaro Konoye.

The Orchestral Arrangement of Etenraku

There is no firm evidence to explain why Hidemaro Konoye decided to arrange Etenraku. However, we can easily imagine that, being a nobleman, he frequently had an opportunity to hear music at court. These experiences may have inspired him to recall his musical roots and to attempt a "modern" orchestration of Etenraku.
Besides Hidemaro Konoye, there was another Japanese composer who devoted himself to the traditional imperial music: Yoritsune Matsudaira (1907-2001). Unlike Konoye, however, he stubbornly insisted on maintaining gagaku style in his works. He, too, was of aristocratic lineage, being a member of the Matsudaira family and related to the shogun clan of the Tokugawa.
The orchestral arrangement of Etenraku originated in 1931, the year of the Japanese invasion of China, which triggered the expansion of the Second World War into the Pacific theater. The foundation of Manchu Kou on the Chinese mainland by the Japanese government in 1932 gave further impetus to Japanese nationalism. But with or without nationalism, the Japanese were very concerned at this time to achieve European standards in every field. Viewed in this light, we can well understand Konoye's interest in applying modern western orchestral techniques to the traditional music of his native country. Thus, his Etenraku is a vivid document on the history of his country.

Hidemaro Konoye's Musical Background

After studying fine arts at Gakushuin College (music, painting, poetry, and literature), Konoye enrolled at Tokyo Imperial University, where however he broke off his studies before receiving a degree. In 1923 he traveled to Berlin to learn conducting with the general director of the Berlin State Opera, Erich Kleiber (1882-1954). He conducted the Berlin Philharmonic for the first time in 1924. This opportunity quickly made him known among his colleagues (Wilhelm Furtwängler, Leopold Stokowski, Richard Strauss); later a strong bond of friendship arose between him and Josef Szigeti (1882-1973). Several contemporary observers inform us that Konoye was introduced to European society as "Prince Konoye," a member of the imperial family. In the same year he returned to Japan.
In 1925 Konoye and Kosaku Yamada (1886-1965) founded the Japanese Symphonic Society, the first private orchestra in Japan. The two musicians soon had a falling out, however, and the orchestra split into two new ensembles. Konoye rebuilt his new orchestra with the name New Symphony Orchestra (later the NHK Symphony Orchestra), enlarging it and raising its musical standards to match the level of orchestral playing in the West.
In 1935 Konoye withdrew from his activities with the New Symphony Orchestra and worked as a visiting conductor with European orchestras. When the war came to an end in 1945, he had to flee from Berlin, since his Japanese citizenship made him an ally of the Nazis.
In 1946 Konoye founded a new orchestra - the Toho Symphony Orchestra - which he co-directed with Jin Ueda (1904-1966). Four years later he established his own private orchestra, the Konoye Orchestra. He was also highly active in all areas of music and worked closely with the Yomiuri Nippon Symphony Orchestra. He died in Tokyo in 1973.
Konoye was known not only as a conductor, but also as a composer and arranger. His arrangements of the Beethoven Symphonies in particular added to his reputation. Arrangements were nothing unusual, least of all for conductors of the first half of the twentieth century. The evolution of musical instruments and the increasing size of concert halls made it necessary to adapt the orchestration. Felix Weingartner (1863-1942) and Leopold Stokowski were typical advocates of this viewpoint, which they tried out in arrangements of earlier music. They were models for Konoye's own work as an arranger.
The art of orchestration continues to evolve even in the twenty-first century. Will the orchestra remain nothing but an instrument for reproducing old scores in their original form, or will we be able to develop new aspects of musical interpretation? A thorough study of the works of Hidemaro Konoye would be a worthwhile way to delve more deeply into this question.

Translation: Bradford Robinson, 2005

For performance material please contact Universal Edition, Vienna. Reprint of a copy from Universal Edition, Vienna.