Pantcho Vladigerov
(geb. Zürich, 13. März 1899 — gest. Sofia, 8. September 1978)
I. Violinkonzert f-moll op. 11 (1920-21)
I Heftig – Agitato (molto rubato) (attacca:) p. 1
II Andante cantabile (attacca:) p. 57
III Allegro ma non troppo p. 91
Vorwort
Pantcho Vladigerov war der große bulgarische Nationalkomponist. Er wuchs im bulgarischen Schumen auf, trat fünfjährig erstmals öffentlich auf, zeigte außergewöhnliche Begabung als Improvisator und studierte 1910-12 an der privaten Musikschule zu Sofia Musiktheorie bei Dobri Christov (1875-1941) und Klavier bei H. Vizner. Zu jener Zeit komponierte er auch bereits. Auf Empfehlung des großen Geigers Henri Marteau (1874-1934), der 1911 in Bulgarien auf Konzertreise war, erhielt er 1912 ein Staatsstipendium und ging nach Berlin. Dort nahm er zunächst Privatstunden in Komposition bei Paul Juon (1872-1940) und in Klavier bei dem Bülow-Schüler Heinrich Barth (1847-1922). 1914 konnte er sich an der Berlin Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik einschreiben, wo er bis 1918 bei Friedrich Gernsheim (1839-1916) und Georg Schumann (1866-1952) studierte. Ab 1917 studierte er überdies Klavier bei dem russischen Virtuosen Leonid Kreutzer (1884-1953). 1918 erhielt er für sein Kreutzer gewidmetes Erstes Klavierkonzert op. 6 den Mendelssohn-Preis der Preußischen Akademie der Künste.Er ging zurück nach Bulgarien, wo er als Pianist und Komposition gefeiert wurde, kehrte jedoch knapp zwei Jahre später nach Berlin zurück. 1920 wurde er ein zweites Mal mit dem Mendelssohn-Preis ausgezeichnet, und 1921 war der 22-jährige eine umjubelte Größe im Berliner Musikleben: Die Berliner Philharmoniker begleiteten unter Fritz Reiner (1888-1963) am 5. März Gustav Havemann (1882-1960, Schüler Joseph Joachims) in der Uraufführung von Vladigerovs Erstem Violinkonzert f-moll op. 11, und sie gaben am 17. März mit dem Komponisten am Klavier unter der Leitung von Arthur Loewenstein (1890-1939) die deutsche Erstaufführung seines Ersten Klavierkonzerts op. 6. Nach diesen Erfolgen nahm ihn der Wiener Verlag Universal Edition für zehn Jahre unter Vertrag. 1920-32 wirkte Vladigerov als Komponist von Schauspielmusik am Berliner Deutschen Theater in Zusammenarbeit mit dem Meisterregisseur Max Reinhardt (1873-1943). Er war ein äußerst gefragter Pianist, der auch in vielen prominenten Schallplattenproduktionen mitwirkte. 1928 wirkte Vladigerov als tragende Kraft beim Ersten Internationalen Festival Bulgarischer Musik in Prag mit, bei welchem am 23. März erstmals die Orchesterfassung seines bis heute mit Abstand populärsten Werks, der Bulgarischen Rhapsodie 'Vardar' op. 16 (1922/28), erklang. Seine Kompositionen erschienen auf Schallplatten und wurden auch in Übersee gespielt. Er stand in regem künstlerischen Austausch sowohl mit Kollegen wie Richard Strauss (1864-1949), Ferruccio Busoni (1866-1924), Paul Hindemith (1895-1963), Sergey Rachmaninov (1873-1943), Karol Szymanowski (1882-1937) oder Joseph Marx (1882-1964) als auch mit Schriftstellern wie Stefan Zweig (1881-1942), Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) oder Franz Werfel (1890-1945).
Mit der Machtübernahme Adolf Hitlers riß die deutsche Karriere des aus einer jüdischen Familie stammenden Pancho Vladigerov ab. Er ging nach Sofia, wo er 1940 als Professor für Klavier, Kammermusik und Komposition an die Staatliche Musikakademie (die seit 1995 seinen Namen trägt) berufen wurde. Als repräsentativer Künstler des Landes konnte er nach dem Kriege viel reisen (auch in den Westen) und war weltweit gefragt als Jurymitglied der großen Klavierwettbewerbe, doch stand die Isolation seiner Heimat gegen das westliche Europa der weiteren Verbreitung seiner Musik ebenso entgegen wie der von Intoleranz gegen Tonalität und Traditionsbindung jeglicher Couleur begleitete Aufstieg der Fortschrittsästhetik in den Zirkeln der Neuen Musik in der westlichen Welt. Zu seinen zahlreichen Schülern zählte auch sein Sohn Alexander Vladigerov (1933-94), der sich als Komponist, Dirigent und Pianist einen Namen machte und sich zu Zeiten, als dies noch offiziell unerwünscht war, in seiner Heimat nachhaltig für die Musik George Gershwins und des amerikanischen Jazz einsetzte.
Als stilistisch sehr vielseitiger Komponist hat Pantcho Vladigerov das populäre Element in seinem Schaffen nicht nur nicht gescheut, sondern sehr geliebt. Instrumentale Virtuosität und musikantisches Temperament sind Grundzüge seiner Musik. Stets von hoher handwerklicher Qualität, stehen seine Stücke oft in bewußter Nähe der 'Leichten Musik' im besten Sinne. Dies hielt ihn nicht davon ab, auch anspruchsvolle symphonische Werke zu schreiben. Er hinterließ u. a. eine Oper (Zar Kaloyan op. 30, 1936), ein großes Ballett (Legende vom See op. 40, 1946), viel Schauspielmusik, Klavierlieder und Chorgesänge, wertvolle Kammermusik (überwiegend für Geige und Klavier, außerdem ein Klaviertrio und ein Streichquartett) und ein umfangreiches Klaviermusik-Œuvre (meist Miniaturen-Zyklen). Im Zentrum steht sein außerhalb Bulgariens noch immer weitgehend unbekanntes Orchesterschaffen. Dieses umfaßt u. a. 2 Symphonien, 5 Klavierkonzerte, 2 Violinkonzerte, 2 Orchestersuiten, 2 Konzert-Ouvertüren, 2 symphonische Poeme, die Symphonische Legende op. 8, eine Skandinavische und eine Bulgarische Suite, Bulgarische und Rumänische Symphonische Tänze, die Konzert-Fantasie für Cello und Orchester op. 35, Improvisationen und Toccata op. 36, Zwei Rumänische Skizzen op. 39, ein Divertimento für Kammerorchester (1943), die Lyulinischen Impressionen op. 63 und natürlich sein populärstes Werk, die Bulgarische Rhapsodie »Vardar« op. 16, die für die bulgarische Musik ähnliche Bedeutung hat wie für die rumänische die Zwei Rumänischen Rhapsodien op. 11 von George Enescu (1881-1955).
Das Erste Violinkonzert bescherte Vladigerov bei der hochkarätigen Berliner Uraufführung (s. o.) den ersten durchschlagenden Erfolg seines Lebens als Komponist. Im Druck erschienen Partitur, Stimmen und des Komponisten Fassung für Violine und Klavier von Pantcho Vladigerovs Erstem Violinkonzert f-moll op. 11 im Jahre 1922 bei der Universal Edition. 47 Jahre nach diesem Werk vollendete er 1968 in Sofia noch sein Zweites Violinkonzert op. 61. Im Führer durch die Violinliteratur von Albert Tottmann, fortgeführt von Wilhelm Altmann (4. Auflage, Leipzig 1935) heißt es über das Erste Violinkonzert lakonisch: "Eigenartig; eine Musterkarte von Schwierigkeiten." Ins Repertoire ist das Werk außerhalb Bulgariens nicht eingegangen. Möge die erstmalige Ausgabe der Partitur im Studienformat dazu dienen, dass mancher heutige Virtuose den Anreiz verspüre, diese vom Komponisten idiomsicher angelegten, geigerisch höchst wirkungsvollen Schwierigkeiten zu meistern.
Christoph Schlüren, 2004.
Aufführungsmaterial ist vom Originalverlag Universal Edition, Wien (www.universaledition.com) zu beziehen.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Universal Edition AG, Wien, 2004.
|
Pantcho Vladigerov
(b. Zurich, 13 March 1899 — d. Sofia, 8 September 1978)
Violin Concerto No. 1 in F minor op. 11 (1920-21)
Preface
Pantcho Vladigerov was the great national composer of Bulgaria. He grew up in the Bulgarian town of Shumen and gave his first recital at the age of five, revealing a remarkable gift for improvisation. From 1910 to 1912 he attended a private music school in Sofia where he studied theory with Dobri Khristov (1875-1941) and piano with H. Vizner. By this time he was already composing. At the recommendation of the great violinist Henri Marteau (1874-1934), who toured Bulgaria in 1911, he received a state scholarship in 1912 and moved to Berlin. There he first took private lessons in composition from Paul Juon (1872-1940) and in piano from a pupil of Bülow, Heinrich Barth (1847-1922). By 1914 he was ready to enroll at the Berlin Musikhochschule, where he studied until 1918 with Friedrich Gernsheim (1839-1916) and Georg Schumann (1866-1952) and also took lessons from the Russian piano virtuoso Leonid Kreutzer (1884-1953) from 1917. His First Piano Concerto, op. 6, dedicated to Kreutzer, was awarded the Mendelssohn Prize by the Prussian Academy of Arts (1918). Vladigerov then returned to Bulgaria, where he was lionized as a pianist and composer. Hardly two years later he was back in Berlin, where in 1920 he again won the Mendelssohn Prize. In 1921 the twenty-two-year-old Bulgarian advanced to become a brilliant figure in the Berlin music scene: on 5 March Gustav Havemann (1882-1960), a pupil of Joseph Joachim, gave the première of his First Violin Concerto in F minor, op. 11, accompanied by the Berlin Philharmonic Orchestra under Fritz Reiner (1888-1963), and on 17 March Arthur Loewenstein (1890-1939) conducted the same orchestra in the German première of his First Piano Concerto, op. 6, with the composer at the piano. In the wake of these successes, Universal Edition in Vienna placed him under a ten-year contract. From 1920 to 1932 Vladigerov wrote incidental music at the Deutsches Theater in Berlin, where he worked with the masterly stage director Max Reinhardt. He was a much sought-after pianist and made a large number of distinguished recordings. In 1928 Vladigerov was a driving force at the First International Festival of Bulgarian Music in Prague. There, on 23 March, the orchestral version of what is today by far his most popular work, the Bulgarian Rhapsody ‘Vardar’ op. 16 (1922-8), was given its first hearing. His compositions began to appear on phonograph recordings and were performed overseas. He maintained regular artistic contacts with such fellow musicians as Richard Strauss (1864-1949), Ferruccio Busoni (1866-1924), Paul Hindemith (1895-1963), Sergey Rachmaninov (1873-1943), Karol Szymanowski (1882-1937) and Joseph Marx (1882-1964) and with such literary figures as Stefan Zweig (1881-1942), Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) and Franz Werfel (1890-1945).
Owing to his Jewish extraction, Vladigerov’s German career came to an end with Adolf Hitler’s accession to power. He returned to Sofia, where in 1940 he was appointed professor of piano, chamber music and composition at the State Academy of Music (the institution has borne his name since 1995). Being an outstanding artist in his native country, he was able to travel widely after the war (even to the West) and was much sought-after as a jury member at international piano competitions. Yet the isolation of his native country from western Europe hindered the dissemination of his music, as did the ascent of the aesthetic of progress among western avant-garde circles, with their animus toward the merest inkling of tonality and tradition. Among his many pupils was his son Alexander Vladigerov (1933-1994), who made a name for himself as a composer, conductor and pianist and who championed the music of George Gershwin and American jazz at a time when they were officially proscribed in Bulgaria.
A composer with a very wide range of styles at his command, Vladigerov favored rather than shunned the popular element in his compositions. Instrumental virtuosity and high-spirited musicianship are basic traits of his music, which never reveals anything less than impeccable workmanship. His pieces are often deliberately close to "light music" in the best sense of the term. This did not prevent him, however, from producing demanding symphonic works. Among other things, he left behind an opera (Tsar Kaloyan, op. 30, 1936), a full-length ballet (The Legend of the Lake, op. 40, 1946), a large amount of incidental music, many lieder and choruses, valuable chamber music (primarily for violin and piano but also including a piano trio and a string quartet) and a large body of piano music, mostly cycles of miniatures. But the heart of his oeuvre is his orchestral music, which is still largely unknown outside of Bulgaria: two symphonies, five piano concertos, two violin concertos, two orchestral suites, two concert overtures, two symphonic poems, the Symphonic Legend (op. 8), a Scandinavian and a Bulgarian Suite, Bulgarian and Romanian Symphonic Dances, a Concert-Fantasy for cello and orchestra (op. 35), Improvisations and Toccata (op. 36), Two Romanian Sketches (op. 39), a Divertimento for chamber orchestra (1943), Lyulin Impressions (op. 63), and of course his most popular work, the Bulgarian Rhapsody ‘Vardar’ (op. 16), which has much the same significance for Bulgarian music as do the Two Romanian Rhapsodies op. 11 by George Enescu (1881-1955) for its Romanian counterpart.
The sterling première of the First Violin Concerto in Berlin (see above) gave Vladigerov the first resounding success of his career. In 1922 the work was published by Universal Edition in a full score, a set of instrumental parts, and the composer’s own version for violin and piano. Forty-seven years later, in 1968, Vladigerov completed his Second Violin Concerto, op. 61, in Sofia. Albert Tottmann’s Führer durch die Violinliteratur, in its greatly enlarged fourth edition by Wilhelm Altmann (Leipzig, 1935), contains only a few terse words on First Concerto: "odd, a pattern-card of difficulties." The work has not entered the repertoire outside Bulgaria. It is the editor’s hope that our first study edition of the full score will give many a virtuoso of today an incentive to master the concerto’s idiomatic and highly effective difficulties.
Translation: Bradford Robinson, 2004.
For performance materials please contact the original publisher, Universal Edition, Vienna (www.universaledition.com).
Reprint with kind permission of Universal Edition AG, Vienna, 2004.
|