Norbert Burgmüller
(geb. Düsseldorf, 8. Februar 1810 - gest. Aachen, 7. Mai 1836)
II. Symphonie D-Dur op. 11 (1834-36)
I Allegro moderato p. 3
II Andante p. 98
III Scherzo. Presto p. 147
Vorwort
August Joseph Norbert Burgmüller wurde als Sohn einer Musikerfamilie geboren. Der Vater August Burgmüller (1766-1824) war Städtischer Musikdirektor in Düsseldorf und begründete die Niederrheinischen Musikfeste. Seine Ehefrau Therese, geb. von Zandt (1771-1857), war eine begabte Sängerin und gesuchte Klavierlehrerin. Norberts älterer Bruder Friedrich (1806-1874), mit dem er meistens verwechselt wird, ließ sich in Paris nieder und kam durch leichte bis seichte Klavierwerke über beliebte Motive der Zeit zu Popularität und Vermögen. Bekannt machten ihn ferner das Ballett La Péri und seine bis heute benutzten Klavieretüden. Norbert Burgmüller wurde vom Vater musikalisch unterwiesen, nach dessen Tod ihm Graf Nesselrode-Ehreshoven ab 1826 in Kassel bei Louis Spohr (1784-1859) und Moritz Hauptmann (1792-1868) weitere Ausbildung ermöglichte. Nach deren Abschluß blieb Burgmüller in Kassel, erteilte Musikunterricht und trat als Pianist und Komponist an die Öffentlichkeit. 1830 kehrte er nach Düsseldorf zurück und wohnte bei seiner Mutter. Er verkehrte in einem Kreis aus Malern, Dichtern und Musikern. Wichtige Anregungen gab ihm Felix Mendelssohn, der 1833 als Musikdirektor nach Düsseldorf kam. 1835 schloß Burgmüller Freundschaft mit dem Dichter Christian Dietrich Grabbe (1801-36), die ihm im 19. Jahrhundert zu einiger Bekanntheit verhalf. Burgmüller, der an Epilepsie litt, starb unter ungeklärten Umständen während einer Kur in Aachen im Bade. Zur Beisetzung komponierte Mendelssohn den Trauermarsch op.103.
Burgmüllers Werk umfaßt 2 Symphonien, ein Klavierkonzert, eine Ouvertüre, 4 Entr’Actes für Orchester, 4 Streichquartette, eine Klaviersonate, 23 Lieder und einige Klavierstücke. Bekannt ist heute sein Duo für Klarinette und Klavier, während ein Opernfragment Dionys und alle Chorwerke verschollen sind. Einige, meist kleinere Stücke ließ der Verlag Hofmeister zwischen 1838 und 1844 im Druck erscheinen, aber erst von 1863 bis 1865 publizierte Friedrich Kistner in Leipzig weitere Kompositionen, darunter die erhaltenen Orchesterwerke. Dank des journalistischen Einsatzes von Robert Schumann und gelegentlicher Aufführungen gerieten Burgmüllers Werke in Kennerkreisen nie ganz in Vergessenheit. Ausführliche Informationen entnehmen Sie bitte der umfangreichen Homepage www.burgmueller.com.
Die II. Symphonie in D-Dur op.11 entstand von 1834 bis 1836. Lange Zeit galt das Werk als unvollendet, ist aber möglicherweise nur unvollständig überliefert. Burgmüller hinterließ den 1. und 2. Satz und vom Scherzo gut ein Drittel in vollständiger Partitur sowie das restliche Werk als Particell. Das Finale galt als verschollen, bis der Verfasser dieser Zeilen 1983 ein 58 Takte umfassendes Particell eines Allegro in D-Dur entdeckte, das als Fragment des Finales identifiziert werden konnte.
Aus dem Kreis um Burgmüller wurde Robert Schumann in Düsseldorf mit den Fragmenten der Symphonie bekannt gemacht. Im Dezember 1851 ergänzte er nach Burgmüllers Vorlage die Instrumentation des Scherzo ab Takt 169. Schumann hat sich jedoch auch an der Komposition eines neuen Finales zu dieser Symphonie versucht. 1988 wurde eine Skizze zu einem Orchestersatz in D-Dur (121 Takte) unter Schumanns Manuskript zur Messe op.147 entdeckt, die eindeutig auf Burgmüllers Final-Fragment Bezug nimmt. Warum es auch seitens Schumanns nur bei einem Entwurf für das Finale blieb, soll dieser selbst so begründet haben: "Er könne es nicht, wenn er sich niedersetze zum Schreiben, so wäre es ihm, als stelle sich Norbert Burgmüller hinter ihn und ergreife seine Feder". Die Uraufführung der vollständigen ersten zwei Sätze Allegro und Andante erfolgte in einem Gedenkkonzert für Burgmüller am 22. April 1837 in Düsseldorf unter Julius Rietz. Seit Schumanns pietätvoller Ergänzung verging abermals gut ein Dutzend Jahre, ehe es zum Erstdruck bei Kistner in Leipzig kam (Juni 1864). Noch im selben Monat dirigierte in Düsseldorf Julius Tausch (in einem Benefizkonzert für ein Burgmüller-Grabmal) erstmals die dreisätzige Fassung, wie sie bis heute benutzt wird. Ein Rezensent bemerkte dazu: "Die Symphonie, von der leider nur die drei ersten Sätze vollendet sind, stempelt Burgmüller, so übertrieben dies auch klingen mag, zu einem Ebenbürtigen unseres musikalischen Titanen: Beethoven hätte ohne Scheu seinen vollen Namen unter dieses Meisterwerk setzen können." Bis 1875 kam es zu weiteren Aufführungen in Leipzig, Köln, Boston, Rotterdam, Schwerin usw. Dann verlor sich die Spur des Werkes, ehe seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wiederholte Konzerte und Einspielungen zu verzeichnen sind. Das Wissen um die wahre Bedeutung dieses Werkes, das anders als die I. Symphonie einen pastoralen Charakter und eines der eigenwilligsten Scherzi der gesamten sinfonischen Literatur aufweist, ist noch nicht weit verbreitet, doch von aktueller Wertschätzung zeugt die Beurteilung der neuen MGG (2000): "Aus einer lyrischen Grundhaltung heraus, die dramatische Zuspitzungen und interessante harmonische und rhythmische Experimente nicht ausschließt, und mittels einer Technik, die Schönberg später bei Brahms als die der 'entwickelnden Variation' bezeichnete, gelang es Burgmüller, die bedeutendste Symphonie nach Beethoven und Schubert, neben Mendelssohn und vor Schumann zu schreiben."
Klaus Zehnder-Tischendorf, 2003.
Aufführungsmaterial ist vom Verlag Kistner & Siegel, Leipzig, erhältlich.
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Norbert Burgmüller
(b. Düsseldorf, 8 February 1810 - d. Aachen, 7 May 1836)
Symphony No. 2 in D op. 11 (1834-36)
I Allegro moderato p. 3
II Andante p. 98
III Scherzo. Presto p. 147
Preface
August Joseph Norbert Burgmüller was the son of a family of musicians. His father, August Burgmüller (1766–1824), was Municipal Music Director in Düsseldorf and founder of the Lower Rhine Music Festivals. His mother Therese, née von Zandt (1771–1857), was a gifted singer and a sought-after piano teacher. Norbert’s elder brother Friedrich (1806–74), with whom he is occasionally confused, settled in Paris and made his fame and a fortune with light and easy piano works on favourite melodies of the time; he was further known for his ballet La Péri and for his piano studies, which are still in use today. Norbert Burgmüller was taught music by his father, after whose death Count Nesselrode-Ehreshoven enabled him to take further studies with Louis Spohr (1784–1859) and Moritz Hauptmann (1792–1868) in Kassel, from 1826 onwards. Burgmüller remained in Kassel after his studies were over, giving music lessons and performing as a pianist and composer. In 1830 he went back to Düsseldorf, where he lived with his mother. His social circle included painters, poets and musicians. The encouragement of Felix Mendelssohn, who had come to Düsseldorf in 1833 as music director, was important. In 1835 Burgmüller made friends with the poet Christian Dietrich Grabbe (1801-36), a friendship which helped keep his name before the public in the nineteenth century. Burgmüller, who suffered from epilepsy, died in unspecified circumstances while taking a bath during a cure in Aachen; Mendelssohn composed his Funeral March, Op. 103, for the burial.
Burgmüller’s œuvre comprises two symphonies, a piano concerto, an overture, 4 Entr’Actes for orchestra, four string quartets, a piano sonata, 23 lieder and a few piano pieces. His duo for clarinet and piano is still played today, but the operatic fragment Dionys and all his choral works are missing. A few smaller pieces were published between 1838 and 1844 by Hofmeister, with Friedrich Kistner bringing out some further compositions between 1863 and 1865, among them all the extant works for orchestra. Support for Burgmüller in Robert Schumann’s writings and occasional performances meant that his works were never completely forgotten among connoisseurs. A fuller outline of Burgmüller and his music can be found on the Internet, at www.burgmueller.com.
The Second Symphony in D Major, Op. 11, was written from 1834 to 1836. For a long time the work was thought to be unfinished, but it was probably only handed down to us incomplete. Burgmüller left behind the 1st and 2nd movements and about a third of the Scherzo in complete score and the remainder in short score. The finale was thought to be lost until in 1983 the current author discovered a substantial short score of 58 measures of an Allegro in D Major which could be identified as a fragment of the finale.
Robert Schumann was introduced to the symphony’s fragments by members of the Burgmüller circle. In December 1851 he completed the instrumentation of the Scherzo from bar 169 onwards, using Burgmüller’s model. But Schumann had also tried to compose a new finale to this symphony. In 1988 a sketch of an orchestral movement in D Major (121 bars) was found among Schumann’s manuscript of his Mass, Op. 147 - a sketch which undoubtedly refers to Burgmüller’s fragment of the finale. Why Schumann also left only a sketch for the finale is said to have been explained by him in the following manner: "He couldn’t do it, because when he sat down to write he felt as if Norbert Burgmüller stood behind him, grabbing his quill." The première of the two complete movements Allegro and Andante took place during a concert in memory of Burgmüller on 22 April 1837 in Düsseldorf under the baton of Julius Rietz. After Schumann’s reverent completion it again took a good dozen years until the first print appeared from Kistner in Leipzig (June 1864). That same month, Julius Tausch conducted in Düsseldorf for the first time the version in three movements (during a benefit concert for a Burgmüller tombstone), the way it is played up to this day. A critic remarked: "The symphony of which only the first three movements have been completed stamps Burgmüller (though it may sound like an exaggeration) as someone equal to our musical titan: Beethoven would have signed his name under this masterwork without hesitation." Up until 1875 performances took place in Leipzig, Cologne, Boston, Rotterdam, Schwerin, etc. Then the trail of the work vanished, until in the last two decades of the 20th century repeated concert performances and recordings were notched up. Although the significance of this work (which in contrast to the First Symphony is of a pastoral character, and has one of the most unusual scherzos of the whole symphonic literature) is not widely recognized today, testament to its true importance is to be found in the judgment of the new MGG encyclopedia (2000): "Being of a basically lyrical attitude, though not excluding dramatic surges and interesting harmonic and rhythmic experiments, and using a technique which Schönberg in reference to Brahms later called the 'developing variation', Burgmüller succeeded in writing the most important symphony after Beethoven and Schubert, besides Mendelssohn and before Schumann."
Translation: Ernst Lumpe & HT, 2003.
For performance materials please contact the original publisher Kistner & Siegel, Leipzig.
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