Rudi Stephan

(geb. Worms, 29. Juli 1887 — gest. bei Tarnopol in Ostgalizien [heute Ternopil, West-Ukraine], 29. September 1915)

»Die ersten Menschen«

Oper in zwei Aufzügen (1909-14)
nach Otto Borngräber (1874-1916)

Erster Aufzug

Sehr ruhig (p. 1) – I. Auftritt (p. 2) – Fließend. „Was schaffst du, Chawa?“ (p. 4) – Lebhaft. „Dann quillt das Blut der
Erde“ (p. 9) – Ruhig. „Was will deine rauschende Lust?“ (p. 21) – Lebhaft. „Es rauschen viel lebendigere Brunnen“ (p.
32) – Langsam. „Aus meinem Innersten grab ich mein Glück!“ (p. 42) – Lebhaft. „Schau ein Kleid“ (p. 45) – Langsam.
„Ach, es war schön!“ (p. 49) – Belebter. „Zarte kleine Händchen hingen an meinem Hals“ (p. 52) – Lebhaft. „Ich sehne mich nach etwas!“ (p. 54) – II. Auftritt. Sehr ruhig. „Wo warst, Kajin?“ (p. 71) – Fließender. „Lern erst den Sinn der Arbeit versteh’n“ (p. 76) – Lebhaft. „Ich selbst bin eine Wildnis“ (p. 79) – Langsam. „…unbegreiflich fernen grenzenlosen Glück!“ (p. 90) – Lebhaft (p. 91) – Etwas ruhiger. „Mein Sohn, zum Ackermann macht’ ich dich“ (p. 93) – Wieder lebhaft.
„Lass mich schlafen!“ (p. 98) – Langsam (p. 99) – Sehr ruhig. „Wie sie vor mir stand“ (p. 100) – Etwas belebter. „Da war
Eins die weite Natur!“ (p. 105) – Sehr ruhig (p. 107) – Lebhaft. „Eis! Eis! Berstende Blöcke!“ (p. 108) – Sehr ruhig (p.
110) – Lebhaft. „Wohliges Wehn über nackende Brust“ (p. 111) – Äußerst langsam. „So über alle meine Glieder mehr!“ (p. 116) – III. Auftritt. Ruhig. „Doch dann kam die Zeit“ (p. 118) – Lebhaft. „Wohl dann ward ein Biss durch das was ich ward“ (p. 120) – Langsam. „Es bleibt ein Bruch in der Welt“ (p. 125) – IV. Auftritt. Sehr ruhig. „Chabel, mein Sohn was bringst uns du!“ (p. 127) – Fließender. „Heilig hieß ich die Stunde“ (p. 133) – Lebhaft. „Kommt ihr Menschen! Kommt!“ (p. 134) – V. Auftritt. „Kajin was schläfst?“ (p. 140) – Lebhaft. „Was starrst Kajin?“ (p. 142) – Langsam. „Ich fasse dich, Leben!“ (p. 148) – Lebhaft (p. 149) – VI. Auftritt. „Du riefst?“ (p. 150) – Langsam (p. 154) – Lebhaft. „Sie ist deine Mutter“ (p. 155) – Langsam. „Ich liebe dich, Chawa!“ (p. 159) – Lebhaft (p. 161) – VII. Auftritt. Langsam. „Er liebt mich, den ich hasse“ – Lebhaft. „Schweig von der Liebe!“ – Etwas breit. „Ich fluche der Stunde“ (p. 163-64) – VIII. Auftritt. Lebhaft. „Leb wohl, Vater“ (p. 168) – Langsam. „Mein Sohn! Bleib!“ (p. 175) – IX. Auftritt. „Was ist’s, das Chabel sah?“ (p. 177) – Sehr ruhig. „In hehrer Nacht ich sah einen Geist“ (p. 179) – Fließender. „Alles was ist“ (p. 183) – Wieder sehr ruhig. „und er liebt’s?“ „Wie sein Kind“ (p. 185) – Lebhaft. „Der Allmächtige liebt mich!“ (p. 187) – Langsam. „Kajin, du schweigst?“ (p. 189) – Ruhig fließend. „Ich fühl ihn in mir wie mein Herz“ (p. 192) – Lebhaft. „Ihr wollt’s, dass er ist Gott“ (p. 194) – Sehr ruhig. „Was gibt Gott“ (p. 205) – Lebhaft. „Was stehlt ihr den Bergen die eigene Kraft!“ (p. 210) – Langsam. „Heilig ist Gott!“ (p. 219) – Lebhaft. „Gott befiehlt es uns!“ (p. 223) – Sehr langsam. „Wo willst du hin?“ (p.
230) – Schnell (p. 232) – Sehr langsam. „Heilig ist Gott!“ (p. 234)

Zweiter Aufzug

Lebhaft. I. Auftritt (p. 236) – „Allmächtiger! Warum schickst du die Nacht?“ (p. 238) – Lebhaft. „Allmächtiger hör: Du gabst mir das Leben“ (p. 252) – Sehr ruhig. „Einmal zeigst du mir Adahm, wie er jung war!“ (p. 270) – II. Auftritt. Ruhe in der Natur. „Wie groß bist du, Gott!“ (p. 273) – Lebhaft. „Chawa sieht Chawas Antlitz jung!“ (p. 287) – Ruhig.
„Bist du es Chawa?“ (p. 288) – Lebhaft. „Hörst du nichts?“ (p. 294) – III. Auftritt. Zerrissenheit in der Natur. „Finden will ich das wilde, wilde Weib“ (p. 304) – Langsam. „Ich spür’ hier atmet Leben!“ (p. 313) – Lebhaft. „Hier ist etwas. Ich finde das Weib!“ (p. 314) – IV. Auftritt. Stimmen hinter der Szene. „Flieh ins Dickicht!“ (p. 321) – V. Auftritt. Sehr langsam. „Ich habe die ganze Welt durchstürmt“ (p. 322) – Lebhaft. „Sprich, was treibst du mit Chawa zu Nacht?“ (p.
324) – Langsam. „Mir sprach mein Geist“ (p. 325) – Lebhaft. „Alles machen sie gut mit Gott“ (p. 327) – Langsam. „Und oft schon selbst, in schweigender Nacht“ (p. 331) – Lebhaft. „Wohlan, Bruder! So such’ auch du das Höhere in dir!“ (p.
332) – Sehr langsam. „Und über der stürmenden Luft“ (p. 334) – Äußerst langsam. „All die tausend Sterne“ (p. 335) – Lebhaft. „Chawa seh ich in tausend Leibern“ (p. 339) – Ruhig. „Kajin du bist gut“ (p. 351) – Lebhaft. „Schmerzen sie denn dich nicht?“ (p. 352) – Ruhiger. „Wohlan denn, Bruder, sieht dich jetzt mein Blick“ (p. 357) – Sehr ruhig. „Bruder! Wir waren uns nie so nah“ (p. 358) – Äußerst langsam. „In fernen Fernen schaut mein Ahnen“ (p. 359) – Sehr ruhig.
„Die Frühlingsnacht begann dein Knospen“ (p. 360) – Lebhaft. „Sprich nicht von ihr! Nicht weiter!“ (p. 362) – VI. Auftritt. „Chabel, Geliebter!“ (p. 368) – Langsam. „Bist du da!“ (p. 369) – Lebhaft. „Im Dickicht hockt’ und horcht’ ich“ (p. 370) – Ruhig. „Chawa hab’ ich dir etwas getan?“ (p. 371) – Lebhaft. „Alles! Alles!“ (p. 373) – Ruhig. „Mir ist als wüchse aus meines Lebens letzten Gründen“ (p. 374) – Lebhaft. „und sie lodert über mich, über dich“ (p. 375) – VII. Auftritt. Lebhaft (p. 382) – Tötung Chabels. „Das Leben mir gabst du heut Nacht mein Gott“ (p. 384-88) – Sehr breit (p.
389) – Lebhaft. „Bleib doch stürzendes Blut!“ (p. 391) – Langsam. „Alles seh’ ich“ (p. 400) – Lebhaft. „Kajin, was hast du getan?“ (p. 402) – Sehr ruhig. „Adahm, warum warst du mir nicht treu?“ (p. 404) – Lebhaft. „Kajin! Sohn! Schichte starke Stämme über Gottes Stein!“ (p. 406) – Ruhig. „Einen Sohn schenkt Gott uns wieder“ (p. 410) – Wuchtig bewegt (p. 411) – Langsam – Lebhaft. „Chabel, mein geliebtes Kind!“ (p. 413/14) – Sehr langsam. „Etwas glüht in meinem Hirn“ (p. 416) – Ruhig schreitend. „Es nagt und wächst und zehrt“ (p. 417) – Lebhaft. „Ah! Da kommt mir’s entgegen!“ (p.
428) – Langsam. „sterben! An dem wilden, wilden Weib“ (p. 438) – Sehr langsam. „Wehe! Der Stern der Erde sank“ (p.
439) – Lebhaft. „Auf in den Tag!“ (p. 444) – Langsam (p. 445) – Schnell (p. 447)

Vorwort

Als der 28-jährige Soldat Rudi Stephan nach nur zwei Wochen an der Front am 29. September 1915 im heute ukrainischen Galizien im Felde fiel, verlor die deutsche Musik einen ihrer eminentesten Hoffnungsträger. Seine musikalische Grund- ausbildung erhielt Stephan vom Wormser Musikdirektor Karl Kiebitz (1843-1927), der so Stephan, „mich als Erster in die Musik und besonders in die Geisteswelt Beethovens so ernsthaft einführte.“ Am Gymnasium war er, da an anderen Dingen interessiert, ein schlechter Schüler. 1905-06 studierte er privat in Frankfurt am Main bei dem fortschrittlichen Lehrer und Komponisten Bernhard Sekles (1872-1934), zu dessen Schülern weiterhin Paul Hindemith (1895-1963), Ottmar Gerster (1897-1969), Hans Rosbaud (1895-1962) und Theodor Wiesengrund-Adorno (1903-69) zählten. Stephan hielt hohe Stücke auf Sekles, zog aber 1906 nach München, wo der Theoretiker, Kritiker, Strauss- und Pfitzner-Freund — und sprachmächtige Vorkämpfer der ‚Münchner Schule‘ um Ludwig Thuille (1861-1907) — Rudolf Louis (1870-1914) sein Lehrer wurde. Als Komponist blieb Louis eine blasse Erscheinung. Sein bekanntester Kompositionsschüler außer Stephan war Ernst Boehe (1880-1938). Wobei hier zu differenzieren ist, dass — so Juliane Brand in ihrer Standard-Monographie Rudi Stephan (in der Serie Komponisten in Bayern, Tutzing 1983), aus der der Großteil der Informationen zu diesem Vorwort entnommen ist — Stephan in seiner autobiographischen Skizze insistiert, er habe bei Sekles Harmonielehre und Klavier, bei Louis hingegen Kontrapunkt und Fuge studiert — mithin nicht Komposition, und der Nachlass, der 1945 am Tag nach dem schweren Bombenangriff auf Worms durch die zufällige Explosion einer Brandbombe zerstört wurde, soll keinerlei wirkliche Kompositionsübungen enthalten haben.
Unter den Komponistenkollegen seiner Generation hatte Stephan den engsten Kontakt mit Heinz Tiessen (1887-1971), dem er das Lied Im Einschlafen widmete. Tiessen, selbst einer der führenden Tonschöpfer des deutschen Expressionismus, schreibt dazu in Wege eines Komponisten (Berlin 1962): „Aus meiner Mitarbeit an der Allgemeinen Musik-Zeitung habe ich noch eine andere Erinnerung festzuhalten: Nach der Uraufführung der »Musik für Orchester« [der zweiten und definitiven Komposition Stephans mit diesem Titel, die seit damals die 2003 bei Repertoire Explorer als Studienpartitur Nr. 162 erstmals wiederveröffentlichte erste ersetzte] von Rudi Stephan (Tonküstlerfest Jena 1913) setzte ich Herrn Schwers Daumenschrauben an, um das Referat des Abends zu erhalten, und schrieb eine restlos entzückte Kritik. Es ergab sich ein längerer Briefwechsel zwischen Stephan und mir; er widmete mir ein Lied, das ich für sein schönstes halte.“
In seinem wegweisenden Buch Zur Geschichte der jüngsten Musik (1913-28). Probleme und Entwicklungen (2. Veröffentlichung der Melosbücherei, Mainz 1928) stellt Tiessen unter dem Stichwort Abkehr vom Literarischen fest:
„Wie eine Fanfare des resolutesten Abrückens von der Programm-Musik wirkten auf den Musikfesten der Jahre 1912 und 1913 die Titel, die Rudi Stephan seinen Werken gab: ‚Musik für sieben Saiteninstrumente‘, ‚Musik für Orchester‘. Wichtiger aber als der Titel war — im zweiten Werk — die neue, frische, knappe Energie der Musik selbst, die (trotz Delius und Reger) das übrige Jenenser Festprogramm weit hinter sich ließ.“
Über den Menschen Rudi Stephan sind aufgrund des frühen Todes nicht allzu viele eindringliche Schilderungen
überliefert. In seinem Nachruf Erinnerungen (Frankfurter Zeitung vom 7. Oktober 1915) schrieb Kasimir Edelschmid
über Stephan: „Sein Gerechtigkeitssinn war von solch glasharter Schärfe und Durchsichtigkeit, dass es das Auskommen mit ihm erschwerte. Er war weniger impulsiv als abwägend. Kleinigkeiten, über die andere, auch vornehme Menschen, lächelnd weggingen, beschäftigten sein moralisches Bewusstsein lange […] In all seinen Handlungen, selbst in seinem Lachen, das er gern und tief lachte, war ein besonderer Ernst. Sein Urteil war gerecht und radikal wie bei Menschen, die, von innerer Berufung schlicht überzeugt, für eine Sache leben. Ich glaube nicht, dass seinem Wesen die große Güte fehlte, die die Grundlage einer großen Leistung ist. Er war ohne Aufheben von sich überzeugt mit der inneren Bescheidenheit der mittelalterlichen Meister.“
Über den Schaffenden konstatiert Karl Holl in Rudi Stephan. Studie zur Entwicklungsgeschichte der Musik am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts (Saarbrücken 1920): „Wie das Leben überhaupt, so ist ihm das Schaffen im besonderen nicht leicht geworden. Seine Skizzen weisen es aus: er produziert schwer und langsam, fast bedächtig. Jahrelang ringt er mit denselben Gedanken: manche Themen der Jenenser ‚Musik für Orchester‘ und der ‚Ersten Menschen‘ haben eine ganze Geschichte. Sie gehen von einem Werk ins andere über, wechseln Tonart, Takt, Rhythmus und Instrumentalfarbe, werden verkürzt oder erweitert, bis sie endlich in einem späteren Werk ihrer Eigenkraft entsprechend präzis gestaltet ihren endgültigen Platz finden. Aber auch dann ist Ungedrucktes noch nicht sicher vor der ewig bessernden Hand des hartnäckig vorwärts Strebenden.“
Rudi Stephans Nachlassverzeichnis weist als ersten reinen Orchesterentwurf eine Marcia eroica für großes Orchester von
1905 aus. Im Jahre 1906 kommen drei weitere Fragment gebliebene Orchesterstücke hinzu: eine Ballettszene, ein Scherzo und eine Idylle. Kurz vor dem Abschluss seines Studiums bei Rudolf Louis konnte Stephan am 1. Juli 1908 in München sein erstes vollendetes Orchesterwerk vorlegen: das seit seinem Tode verschollene, einsätzige »Opus I« für Orchester („op. I fuer Orchester.“), versehen mit dem „Motto: Vorwärts sehen, vorwärts streben — keinen Raum der Schwäche geben!“ sowie „(Aufführungsdauer: 16 Minuten)“. Glücklicherweise haben wir am 24. April 2003 die autographe Partitur mit einem kompletten Stimmensatz — alles in völlig unbenutztem Zustand — im Archiv der Münchner Philharmoniker entdeckt, wo sie unter dem falschen Titel Rudi Stephan: „Konzert für Orchester“ — dies ein weiteres Indiz für die aus seinen lakonisch-neutralen Titeln resultierende Verwirrung — lagerte. Offensichtlich hatte Stephan das Werk nach Fertigstellung beim damaligen Münchner Konzertvereins-Orchester zur Aufführung eingereicht, zu welcher es nie gekommen ist. Es passt absolut in Stephans Charakterbild, dass er sich, als er in den folgenden Orchesterwerken seinen schöpferischen
Idealen nähergekommen war, für das unreifere Opus I nicht mehr interessierte und die Noten nicht zurückforderte, was sich angesichts der Vernichtung des Nachlasses als sehr später Glücksfall herausstellen sollte. Autographe Partitur und Stimmen verblieben so knappe 95 Jahre im Dornröschenschlaf, und sind seither weiterhin unaufgeführt geblieben… Dem Opus I folgte, wohl 1909, die heute verschollene erste Fassung vom Liebeszauber für Tenor und Orchester, zunächst sein Opus II. Und im Februar 1910 vollendete Stephan das monumental angelegte Opus III (Dauer laut Komponist: 37
Minuten), welches er Musik für Orchester betitelte, jedoch 1912 durch ein anderes, wesentlich komprimierteres Werk gleichen Titels ersetzte. Im übrigen hat Stephan auch eine Musik für Geige und Orchester 1910/11 in erster Fassung (zunächst sein Opus IV, heute verschollen) beendet, um sie 1913 durch eine zweite Fassung (von der wir nicht wissen, ob sie nur eine Verbesserung der ersten Fassung oder eine völlig neue Komposition ist) zu ersetzen.
Nach Vollendung der (I.) Musik für Geige und Orchester wollte sich Stephan als Komponist dem Münchner Publikum vorstellen. Als sich niemand für ihn interessierte, mietete er mit finanzieller Unterstützung seines Vaters das Münchner Konzertvereins-Orchester. Als Geigensolisten gewann er den jungen Wolfgang Bülau, als Tenor Adolf Wallnöfer, dazu den Organisten Alfred Hempel. Dirigieren wollte er das Ganze zunächst selbst, doch wurde er leider kurz vor dem Konzert aus nicht überlieferten Gründen durch den ständigen Dirigenten Paul Prill (1860-1930) ersetzt. So kam es am
16. Januar 1911 durch das Münchner Konzertvereins-Orchester unter Prill zur Uraufführung von Stephans Liebeszauber
(I. Fassung) für Tenor und Orchester, 2. Werk, (I.) Musik für Geige und Orchester, 4. Werk, und (I.) Musik für Orchester,

3. Werk. (Bis dahin also hatte auch sein Opus I noch Gültigkeit für ihn!) Dem Konzert wurde erhebliche überregionale Aufmerksamkeit zuteil. Viele Kritiker waren anwesend, die meisten befremdet, manche von ihnen ahnten die künftige Größe. Der erste Kapellmeister des Orchesters, Ferdinand Löwe (1865-1925), hatte Karl Holl zufolge überhaupt kein Verständnis (die Partituren seien ihm „chinesisch“). Holl berichtet, die drei Werke seien „vom Konzertvereins-Orchester mit grimmigem Fatalismus bis mühsam verhaltener Heiterkeit unter Leitung des mit Todesverachtung taktschlagenden Dirigenten heruntergespielt“ worden.

Wie war Stephans Reaktion? Holl weiß zu berichten: „Von Haus aus mit seltener Gewissenhaftigkeit begabt, schlug er das zustimmende und das ablehnende Echo aus Publikum und Presse ebenso wenig in den Wind wie die im eigenen Innern emporgetauchten Zweifel und neuen Erkenntnisse. Er hatte einen Maßstab gewonnen und vergrub sich alsbald wieder in die geliebte Einsamkeit seiner Atelierwohnung zu neuem, rastlosem Ringen um den Preis musikalischen Eigenstiles.“
Am 2. März 1915 wurde Rudi Stephan zum Kriegsdienst einberufen. Er war zunächst kurze Zeit in seiner Heimatstadt
Worms stationiert. Am 6. August schrieb er an Heinz Tiessen, den er trotz eines Berlin-Besuchs nicht aufgesucht hatte:
„[…] je näher ich nun an Berlin kam und je intensiver Erinnerungen ernstester Art an diese einzige Stadt, Zukunftsgedanken ebensolcher Art verknüpft mit ebendieser Stadt — in der ich ja nach diesem grässlichen Krieg wohnen und arbeiten will
— auftauchten und mir das Abscheuliche meiner augenblicklichen Situation in immer grellerem Lichte ins Bewusstsein brachten, desto verbitterter wurde meine Stimmung, die schon die ganze Zeit über nichts an Trübe zu wünschen übrig lässt. Wäre ich nun so, wie ich es ja wollte, erst recht zu Ihnen gegangen und wäre ich durch Sie noch mehr meinen Musik- Sehnsüchten verfallen — es wäre an sich eine schöne Stunde geworden; aber auch umso grässlicher wäre das Erwachen gewesen auf der Rückfahrt im Nachtzug im Abteil — ‚für Militärpersonen‘!“
Am 18. September 1915 kam Rudi Stephan mit 900 Kameraden im galizischen Stryi an, wo sich Deutsche und Russen im Schützengraben gegenüberlagen und er als einziger Soldat seiner Truppe gefallen ist. Über die Umstände seines Todes berichtete Kompanieführer Leutnant Rodenbeck am 2. Oktober an Stephans Eltern: „In der Nacht vom 28. auf 29. griffen uns die Russen an und waren in der Dunkelheit bis an den Draht herangekommen. Der Angriff wurde abgeschlagen, so dass wir, als wir am Abend des 29. das Kampffeld absuchten, im Raum von 100 Meter 150 Tote und 40 Schwerverwundete fanden, außerdem noch 35 unverwundete Russen, die sich vor unserem Hindernis eingegraben hatten. Einer von diesen letzteren hat nun auf Ihren Sohn — es war zwischen 9 und 10 Uhr morgens — einen Schuss abgegeben, wie dieser durchs Glas das Vorgelände beobachtete vom Schützengraben aus und ihm einen Kopfschuss beigebracht, so dass er sofort tot war. Ob nun etwas Unvorsichtigkeit dabei war, das kann ich nicht feststellen. Wir haben ihn hinter unserer Front abends unter Schutz der Dunkelheit mit allen Ehren begraben.“
Ergänzend teilt Stephans Biographin Juliane Brand den Bericht Karl Holls mit, der private Nachforschungen anstellte, von deren Ergebnis ihr der Dirigent Rudolf Alberth (1918-92) berichtete: „Offenbar hatten während der Nacht auf den
29. September die verwundeten Russen im Schmerzdelirium unablässig geschrieen, nur wenige Meter von den deutschen Stellungen entfernt. Aus Verzweiflung und vor Erschöpfung geriet Stephan so außer sich, dass er am Morgen plötzlich, ehe seine Kameraden es noch verhindern konnten, mit den Worten, ‚ich halt’s nicht mehr aus!‘ im Schützengraben aufsprang und sich weit über die Brustwehr erhob. Er war ein allzu leichtes Ziel.“
Beim Tonkünstlerfest des ADMV (Allgemeinen Deutschen Musik-Vereins) 1909 in Stuttgart lernten sich Rudi Stephan und der 1874 in Stendal geborene, 13 Jahre ältere Dramatiker und Philosoph Otto Borngräber kennen. Borngräber, befreundet mit dem umstrittenen führenden Naturphilosophen Ernst Haeckel (1834-1919), war der Prototyp des unerschrockenen Häretikers, hatte 1900 mit seinem Drama ‚Das neue Jahrhundert: Giordano Bruno’ symbolträchtig eine neue Zeit angekündigt, und sein Werk war stets skandal- und zensurumwittert. Gerade erst, 1908, hatte er sein „erotisches Mysterium“ ‚Die ersten Menschen’ geschrieben, das dann beispielsweise gleich nach der Münchner Première am 1. Juli
1912 im gesamten Bayern verboten werden sollte. Zu hemmungslos und unverstellt hatte Borngräber das unkontrollierte
sexuelle Verlangen als Tatmotiv herausgestellt, und tatsächlich ist es so, das Kajin (Kain) und Chabel (Abel) hier zwei Seiten eines Wesens darstellen, den triebhaften Kern und den kultivierten Geist. Der Kern in seiner animalischen Kraft begeht die verhängnisvolle Tat. Borngräber, Mitglied im deutschen Monistenbund, sollte bald als eindringlicher Warner vor dem drohenden Ersten Weltkrieg hervortreten, als Verfasser eines ‚Friedensappells an die Völker’ und eines
‚Weltfriedensdramas’.
Kurz nach dem ersten Aufeinandertreffen bat Stephan Borngräber, das erotische Mysterium als Opernstoff vertonen zu dürfen. Borngräber pokerte hoch und verlangte sofort 6.000 Reichsmark und ein Viertel der Aufführungstantiemen. Dank seines vermögenden Vaters konnte Rudi Stephan überhaupt in solchen Dimensionen verhandeln. Doch im Juni 1911 war man bei einer Forderung von 15.000 Reichsmark zuzüglich der Hälfte der Aufführungstantiemen von Seiten Borngräbers angelangt. Juliane Brand zufolge „ist zu vermuten, dass Borngräbers Motivierung nicht rein geschäftlicher Natur war, sondern dass er die Verhandlungen durch exorbitante Forderungen und Unschlüssigkeit bewusst in die Länge zog, in der Hoffnung, einen bekannteren Opernkomponisten für sein Werk zu gewinnen. Anscheinend glaubte er an die Möglichkeit, dass sich Richard Strauss dafür interessieren könnte.“ Schließlich unterschrieb Dr. Karl Stephan einen Vertrag, der die sofortige Zahlung von 6.000 Reichsmark und weitere 4.000 Reichsmark am Tag der Uraufführung umfasste. Außerdem sollte Borngräber ein Viertel der Aufführungstantiemen erhalten, und an Orten, an welchen sein Drama ohne Musik bis dahin noch nicht zur Aufführung gekommen war, gar die Hälfte derselben.
Rudi Stephan befand sich derweil längst mitten in der Arbeit an der Oper. Er hatte gleich nach den ersten Gesprächen mit Borngräber mit den Skizzen begonnen. Von vielen Seiten riet man ihm entschieden ab, Borngräbers Drama zu vertonen, sei es aus rein literarischen Bedenken oder aufgrund der Tatsache, dass Borngräbers Name für die Konservativen ein rotes Tuch war, und Verleger Ludwig Strecker meinte unumwunden: „…dieser Stoff zieht selbst die himmlischste Musik mit sich in den Abgrund.“ Stephan ließ sich von derlei Warnungen nicht irritieren und unterbrach die Arbeit an der Oper nur, um die ‚Musik für Geige und Orchester’ und die (II.) ‚Musik für Orchester’ zu komponieren. Vollendet hat Stephan ‚Die ersten Menschen’ mutmaßlich Anfang Juli 1914. Bereits im Mai 1914 hatte er einen Vorvertrag mit der Frankfurter Oper abgeschlossen, wo die Uraufführung unter Ludwig Rottenberg (1864-1932) für Anfang 1915 angesetzt wurde. Schott erklärte sich bereit, das Material herzustellen und die Oper im Erfolgsfall in den Verlag zu übernehmen. Der Kriegsausbruch durchkreuzte die Pläne, und am 14. November 1914 teilte Verleger Strecker Stephan mit: „Wir haben in der vergangenen Woche Gelegenheit gehabt, mit Herrn Kapellmeister Rottenberg über Ihr Werk zu sprechen und kamen dabei zu dem Resultat, dass es in der jetzigen Zeit kaum das richtige Verständnis finden und deshalb sich empfehlen dürfte, die Uraufführung nicht in dieser Saison anzusetzen.“ Zudem starb am 15. November 1914 unerwartet Stephans einstiger Lehrer Rudolf Louis über der Erstellung des Klavierauszugs. Stephan fiel ein knappes Jahr später an der galizischen Front; und Borngräber war als zutiefst überzeugter Pazifist mit Kriegsbeginn in die Schweiz emigriert und starb ein weiteres Jahr später am 19. Oktober 1916 in Lugano.
Am 1. Juli 1920 gelangte in der Oper Frankfurt am Main Rudi Stephans Die ersten Menschen unter dem bereits ursprünglich für die Leitung vorgesehenen Ersten Kapellmeisters Ludwig Rottenberg postum zur Uraufführung, in der Regie von Richard Weichert (1880-1961) und mit Bühnenbild von Ludwig Sievert (1887-1966). Die Partie der Chawa sang Beatrice Sutter-Kottlar (1883-1935).
1922-23 bearbeitete Stephans Wormser Freund Karl Holl (1892-1972) ‚Die ersten Menschen’, was umfangreiche Kürzungen und Beseitigung für unmöglich befundener Textabschnitte umfasste. In dieser revidierten Fassung erklang die Oper erstmals 1924 in Münster, und es kam zu ca. dreißig weiteren Produktionen bis zu den frühen fünfziger Jahren. Nahezu ungekürzt sollten ‚Die ersten Menschen’ erst 78 Jahre nach der Uraufführung wieder in einer konzertanten Aufführung 1998 im Berliner Konzerthaus erklingen.
Mit seiner einzigen Oper trat Stephan sozusagen die Nachfolge von Richard Strauss’ radikalstem Werk ‚Elektra’ an, und wie auch zum Beispiel in seiner berühmten (II.) ‚Musik für Orchester’ ist der fortwährende Wechsel extrem unterschiedlicher wiederkehrender Charaktere eine hervorstechende Eigenschaft, die sich besonders in den schroffen Tempogegensätzen ruhiger und lebhafter Natur niederschlägt.
Wir wünschen, dass die erstmalige Veröffentlichung der ungekürzten und optisch bereinigten Partitur von Stephans einziger Oper Die ersten Menschen nachhaltig zur weiteren Verbreitung dieses singulären Werks und zur Beliebtheit seines Schöpfers beiträgt.

Christoph Schlüren, Februar 2015

Aufführungsmaterial ist vom Verlag Schott Musik International, Mainz (www.schott-music.com), zu beziehen.

Rudi Stephan

(b. Worms, 29 July 1887 — d. near Tarnopol in Eastern Galicia [today Ternopil, Western Ukraine], 29 September 1915)

Die ersten Menschen (The First Human Beings) Opera in two acts (1909-14)

after Otto Borngräber (1874-1916)

Act I

Sehr ruhig (p. 1) – I. Auftritt (p. 2) – Fließend. „Was schaffst du, Chawa?“ (p. 4) – Lebhaft. „Dann quillt das Blut der
Erde“ (p. 9) – Ruhig. „Was will deine rauschende Lust?“ (p. 21) – Lebhaft. „Es rauschen viel lebendigere Brunnen“ (p.
32) – Langsam. „Aus meinem Innersten grab ich mein Glück!“ (p. 42) – Lebhaft. „Schau ein Kleid“ (p. 45) – Langsam.
„Ach, es war schön!“ (p. 49) – Belebter. „Zarte kleine Händchen hingen an meinem Hals“ (p. 52) – Lebhaft. „Ich sehne mich nach etwas!“ (p. 54) – II. Auftritt. Sehr ruhig. „Wo warst, Kajin?“ (p. 71) – Fließender. „Lern erst den Sinn der Arbeit versteh’n“ (p. 76) – Lebhaft. „Ich selbst bin eine Wildnis“ (p. 79) – Langsam. „…unbegreiflich fernen grenzenlosen Glück!“ (p. 90) – Lebhaft (p. 91) – Etwas ruhiger. „Mein Sohn, zum Ackermann macht’ ich dich“ (p. 93) – Wieder lebhaft.
„Lass mich schlafen!“ (p. 98) – Langsam (p. 99) – Sehr ruhig. „Wie sie vor mir stand“ (p. 100) – Etwas belebter. „Da war
Eins die weite Natur!“ (p. 105) – Sehr ruhig (p. 107) – Lebhaft. „Eis! Eis! Berstende Blöcke!“ (p. 108) – Sehr ruhig (p.
110) – Lebhaft. „Wohliges Wehn über nackende Brust“ (p. 111) – Äußerst langsam. „So über alle meine Glieder mehr!“ (p. 116) – III. Auftritt. Ruhig. „Doch dann kam die Zeit“ (p. 118) – Lebhaft. „Wohl dann ward ein Biss durch das was ich ward“ (p. 120) – Langsam. „Es bleibt ein Bruch in der Welt“ (p. 125) – IV. Auftritt. Sehr ruhig. „Chabel, mein Sohn was bringst uns du!“ (p. 127) – Fließender. „Heilig hieß ich die Stunde“ (p. 133) – Lebhaft. „Kommt ihr Menschen! Kommt!“ (p. 134) – V. Auftritt. „Kajin was schläfst?“ (p. 140) – Lebhaft. „Was starrst Kajin?“ (p. 142) – Langsam. „Ich fasse dich, Leben!“ (p. 148) – Lebhaft (p. 149) – VI. Auftritt. „Du riefst?“ (p. 150) – Langsam (p. 154) – Lebhaft. „Sie ist deine Mutter“ (p. 155) – Langsam. „Ich liebe dich, Chawa!“ (p. 159) – Lebhaft (p. 161) – VII. Auftritt. Langsam. „Er liebt mich, den ich hasse“ – Lebhaft. „Schweig von der Liebe!“ – Etwas breit. „Ich fluche der Stunde“ (p. 163-64) – VIII. Auftritt. Lebhaft. „Leb wohl, Vater“ (p. 168) – Langsam. „Mein Sohn! Bleib!“ (p. 175) – IX. Auftritt. „Was ist’s, das Chabel sah?“ (p. 177) – Sehr ruhig. „In hehrer Nacht ich sah einen Geist“ (p. 179) – Fließender. „Alles was ist“ (p. 183) – Wieder sehr ruhig. „und er liebt’s?“ „Wie sein Kind“ (p. 185) – Lebhaft. „Der Allmächtige liebt mich!“ (p. 187) – Langsam. „Kajin, du schweigst?“ (p. 189) – Ruhig fließend. „Ich fühl ihn in mir wie mein Herz“ (p. 192) – Lebhaft. „Ihr wollt’s, dass er ist Gott“ (p. 194) – Sehr ruhig. „Was gibt Gott“ (p. 205) – Lebhaft. „Was stehlt ihr den Bergen die eigene Kraft!“ (p. 210) – Langsam. „Heilig ist Gott!“ (p. 219) – Lebhaft. „Gott befiehlt es uns!“ (p. 223) – Sehr langsam. „Wo willst du hin?“ (p.
230) – Schnell (p. 232) – Sehr langsam. „Heilig ist Gott!“ (p. 234)

Act II

Lebhaft. I. Auftritt (p. 236) – „Allmächtiger! Warum schickst du die Nacht?“ (p. 238) – Lebhaft. „Allmächtiger hör: Du gabst mir das Leben“ (p. 252) – Sehr ruhig. „Einmal zeigst du mir Adahm, wie er jung war!“ (p. 270) – II. Auftritt. Ruhe in der Natur. „Wie groß bist du, Gott!“ (p. 273) – Lebhaft. „Chawa sieht Chawas Antlitz jung!“ (p. 287) – Ruhig. „Bist du es Chawa?“ (p. 288) – Lebhaft. „Hörst du nichts?“ (p. 294) – III. Auftritt. Zerrissenheit in der Natur. „Finden will ich das wilde, wilde Weib“ (p. 304) – Langsam. „Ich spür’ hier atmet Leben!“ (p. 313) – Lebhaft. „Hier ist etwas. Ich finde das Weib!“ (p. 314) – IV. Auftritt. Stimmen hinter der Szene. „Flieh ins Dickicht!“ (p. 321) – V. Auftritt. Sehr langsam. „Ich habe die ganze Welt durchstürmt“ (p. 322) – Lebhaft. „Sprich, was treibst du mit Chawa zu Nacht?“ (p. 324) – Langsam.
„Mir sprach mein Geist“ (p. 325) – Lebhaft. „Alles machen sie gut mit Gott“ (p. 327) – Langsam. „Und oft schon selbst, in schweigender Nacht“ (p. 331) – Lebhaft. „Wohlan, Bruder! So such’ auch du das Höhere in dir!“ (p. 332) – Sehr langsam.
„Und über der stürmenden Luft“ (p. 334) – Äußerst langsam. „All die tausend Sterne“ (p. 335) – Lebhaft. „Chawa seh ich in tausend Leibern“ (p. 339) – Ruhig. „Kajin du bist gut“ (p. 351) – Lebhaft. „Schmerzen sie denn dich nicht?“ (p. 352)
– Ruhiger. „Wohlan denn, Bruder, sieht dich jetzt mein Blick“ (p. 357) – Sehr ruhig. „Bruder! Wir waren uns nie so nah“ (p. 358) – Äußerst langsam. „In fernen Fernen schaut mein Ahnen“ (p. 359) – Sehr ruhig. „Die Frühlingsnacht begann dein Knospen“ (p. 360) – Lebhaft. „Sprich nicht von ihr! Nicht weiter!“ (p. 362) – VI. Auftritt. „Chabel, Geliebter!“ (p.
368) – Langsam. „Bist du da!“ (p. 369) – Lebhaft. „Im Dickicht hockt’ und horcht’ ich“ (p. 370) – Ruhig. „Chawa hab’ ich dir etwas getan?“ (p. 371) – Lebhaft. „Alles! Alles!“ (p. 373) – Ruhig. „Mir ist als wüchse aus meines Lebens letzten Gründen“ (p. 374) – Lebhaft. „und sie lodert über mich, über dich“ (p. 375) – VII. Auftritt. Lebhaft (p. 382) – Tötung Chabels. „Das Leben mir gabst du heut Nacht mein Gott“ (p. 384-88) – Sehr breit (p. 389) – Lebhaft. „Bleib doch stürzendes Blut!“ (p. 391) – Langsam. „Alles seh’ ich“ (p. 400) – Lebhaft. „Kajin, was hast du getan?“ (p. 402) – Sehr ruhig. „Adahm, warum warst du mir nicht treu?“ (p. 404) – Lebhaft. „Kajin! Sohn! Schichte starke Stämme über Gottes Stein!“ (p. 406) – Ruhig. „Einen Sohn schenkt Gott uns wieder“ (p. 410) – Wuchtig bewegt (p. 411) – Langsam – Lebhaft.
„Chabel, mein geliebtes Kind!“ (p. 413/14) – Sehr langsam. „Etwas glüht in meinem Hirn“ (p. 416) – Ruhig schreitend.
„Es nagt und wächst und zehrt“ (p. 417) – Lebhaft. „Ah! Da kommt mir’s entgegen!“ (p. 428) – Langsam. „sterben! An dem wilden, wilden Weib“ (p. 438) – Sehr langsam. „Wehe! Der Stern der Erde sank“ (p. 439) – Lebhaft. „Auf in den Tag!“ (p. 444) – Langsam (p. 445) – Schnell (p. 447)

Preface

When the 28-year-old soldier Rudi Stephan was killed in action in present-day Ukrainian Galicia on 29 September 1915, after only two weeks on the front, German music lost one of its great white hopes. Stephan received his basic musical training from Karl Kiebitz (1843-1927), music director in Worms, who, to quote the composer, “was the first seriously to introduce me to music and particularly to Beethoven’s spiritual universe.” Being interested in other things, he was a poor student at high school. In 1905-6 he studied privately in Frankfurt am Main with the progressive teacher and composer Bernhard Sekles (1872-1934), whose pupils would later include Paul Hindemith (1895-1963), Ottmar Gerster (1897-
1969), Hans Rosbaud (1895-1962) and Theodor Wiesengrund-Adorno (1903-69). Although Stephan put great store in Sekles, he moved to Munich in 1906 to study with the theorist and critic Rudolf Louis (1870-1914), a friend of Strauss and Pfitzner and an eloquent champion of the “Munich School” associated with Ludwig Thuille (1861-1907). Louis cut a poor figure as a composer, and his best-known pupil apart from Stephan was Ernst Boehe (1880-1938). However, as Juliane Brand points out in her standard study Rudi Stephan (in the series Komponisten in Bayern, Tutzing, 1983), from which most of the information in this preface has been taken, Stephan insisted in his autobiographical sketch that he learned harmony and piano from Sekles, but counterpoint and fugue from Louis. In short, from neither did he learn composition; and his posthumous estate, which was destroyed by the accidental detonation of a firebomb in 1945, one day after the devastating air raid on Worms, is said to have had no compositional exercises of any significance.
Among the fellow-composers of his generation Stephan maintained closest contact with Heinz Tiessen (1887-1971), to whom he dedicated his lied Im Einschlafen. Tiessen, one of the most distinguished of German expressionist composers, recalled their friendship in his Wege eines Komponisten (Berlin, 1962): “I must record yet another memory from my days on the Allgemeine Musik-Zeitung. After the première of Rudi Stephan’s Music for Orchestra [Stephan’s second and definitive composition by this title, which superseded the first version that has been reprinted in 2003 as Study Score No. 162 in the Repertoire Explorer series] at the Jena Music Festival in 1913, I put the thumbscrews on Herr Schwers to hold the evening’s lecture and wrote a perfectly elated review. A lengthy exchange of letters ensued between Stephan and myself, and he made me the dedicatee of a lied that I consider the most beautiful he ever wrote.” In his ground- breaking study on modern music, Zur Geschichte der jüngsten Musik (1913-28): Probleme und Entwicklungen (vol. 2 in Melosbücherei, Mainz, 1928), Tiessen wrote the following words under the heading of “Rejection of the Literary” (Abkehr vom Literarischen): “The titles that Rudi Stephan gave to his works at the festivals of 1912 and 1913 — Music for Seven String Instruments and Music for Orchestra — had about them the ring of an adamant volte-face from program music. But more important than the title was the new, fresh, taught energy of the music itself in the latter piece, which, pace Delius and Reger, far outstripped all the other works in the festival’s program.”
Because of his untimely death, few revealing accounts of Stephan the man have come down to us. Kasimir Edelschmid, in his obituary for the Frankfurter Zeitung (7 October 1915), said of him that “his sense of justice was of such diamond-like sharpness and transparency that it made him difficult to get along with. He was not so much impulsive as equilibrating. Trivialities that would be passed over with a smile by other men, even those of good breeding, exercised his moral sensibilities for a long time. […] A certain earnestness pervaded everything about him — even his laughter, which was frequent and deep. His judgments were just and radical, as they are in all persons who live for a cause, perfectly convinced of their inner vocation. I do not believe that his nature lacked that great kindness which is the cornerstone of great achievement. He was convinced of his worth without making a fuss about it, with all the innate modesty of a medieval master.”
Karl Holl, writing in Rudi Stephan: Studie zur Entwicklungsgeschichte der Musik am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts (Saarbrücken, 1920), had this to say: “Creation, like life as a whole, did not come particularly easily to him. The proof can be seen in his sketches: he produced his music slowly and with difficulty, almost warily. He wrestled with the same ideas for years: many of the themes from his Jena Music for Orchestra and his Die ersten Menschen [“The First Men,” Stephan’s opera] have entire histories of their own. They migrate from one work to another, changing key, time signature, rhythm and instrumental timbre, expanding or being truncated, until they finally find their place in a later work, precisely fashioned to accommodate their indwelling energy. But until they reached publication, not even they were safe from the relentlessly tinkering hand of this obstinate and forward-striving composer.”
The earliest purely orchestral draft in the catalogue of Stephan’s posthumous estate is a Marcia eroica for large orchestra
(1905). One year later it was joined by three unfinished orchestral pieces: a Ballet Scene, a Scherzo and an Idyll. On 1 July
1908, shortly before completing his studies with Louis, he presented his first complete orchestral work in Munich, a single- movement Opus I for orchestra (“op. I fuer Orchester.”)that bore the motto “Vorwärts sehen, vorwärts streben — keinen Raum der Schwäche geben!” (Look to the fore, strive to the fore, leave no room for frailty) and the duration “16 minutes.” After his death this work was thought to be lost, but on 24 April 2003 we were fortunate to discover, in the archive of the Munich Philharmonic Orchestra, the autograph score along with a complete set of instrumental parts, none of which had ever been used. It had been stored under the incorrect title of “Rudi Stephan: Concerto for Orchestra” — yet another indication of the confusion resulting from his terse and nondescript titles. Apparently Stephan had submitted his Opus I after its completion to what was then the Munich Konzertverein Orchestra for a performance that never materialized. It is
perfectly in keeping with Stephan’s character that, having come closer to his creative ideals in the orchestral works that followed, he lost interest in the less mature Opus I and did not ask to have the music returned. In view of the destruction of his posthumous papers, this has turned out to be a much-belated blessing in disguise. The autograph score and parts thus spent nearly 95 years in a state of limbo from which they may now soon expect their baptism by fire …

Opus I was followed, probably in 1909, by the now lost first version of Liebeszauber for tenor and orchestra, to which he assigned the opus number 2 (the final version of 1914 is scored for baritone and orchestra). Finally, in February 1920, Stephan completed the monumental Music for Orchestra, op. 3 (the composer states that it should last about 37 minutes), only to replace it in 1912 by another much more concise work of the same title. Stephan went on in 1910-11 to finish the first version of his Music for Violin and Orchestra (op. 4, now lost), only to replace it once again with a second version of which we do not know whether it was a revision of the first or an entirely new composition.

After completing his First Music for Violin and Orchestra, he decided to introduce himself as a composer to the Munich public. Since no one showed any interest in him, he hired the Munich Konzertverein Orchestra with financial support from his father, retaining the young Wolfgang Bülau as solo violinist, Adolf Wallnöfer as tenor, and the organist Alfred Hempel. At first he wanted to conduct the concert himself, but for unknown reasons he was replaced by Paul Prill (1860-1930). It was thus under Prill’s baton that the Munich Konzertverein Orchestra gave the première performances of Stephan’s Liebeszauber for tenor and orchestra (first version, op. 2), the [First] Music for Violin and Orchestra (op. 4) and the [First] Music for Orchestra, op. 3. (In other words, at that time Stephan had not yet renounced his Opus I!) The concert was the object of considerable supra-regional attention. Many critics were present; most were puzzled, but several felt premonitions of his future greatness. According to Karl Holl the orchestra’s principal conductor, Ferdinand Löwe (1865-1925), was entirely out of sympathy, calling the scores “Chinese to me.” Holl recounts that the “Konzertverein Orchestra ran through the three works with feelings ranging from grim determination to barely concealed merriment under a conductor who beat time with death-defying rigidity.”
What was Stephan’s reaction? Holl informs us: “Gifted by nature with a rare conscientiousness, he was no less able to cast aside the approving or disapproving reactions from audience and press than he could dispel the doubts and new insights welling up within him. He had gained a yardstick and soon buried himself once again in the beloved solitude of his studio apartment in a renewed and ceaseless struggle for the prize of a distinctive musical style.”
On 2 March 1915 Stephan was drafted for war duty. At first he was briefly stationed in his home town of Worms. On 6
August, after failing to pay a visit to Heinz Tiessen during a trip to Berlin, he wrote the following lines to the composer: “The closer I came to Berlin, and the more vividly my most earnest memories of this unique city came to my mind - memories combined with equally earnest future plans for the same city - the more garishly the horror of my present predicament arose before me, and my mood, which had been gloomy to a degree the entire time, became even more bitter. If I had gone to visit you as I had planned, and if I had succumbed all the more to my musical longings through your presence, it would have been a nice time in and of itself, but all the more harrowing when I came to my senses during my return trip on the night train - in the compartment marked ‘For military personnel’!”
On 18 September 1915 Stephan arrived with 900 comrades in the Galician town of Stryy, where German and Russian troops were squared off in the trenches, and where he became the only casualty in his unit. His company commander, Lieutenant Rodenbeck, reported the circumstances of his death to his parents on 2 October: “The Russians attacked us in the night from the 28th to the 29th and advanced in the dark as far as the wire. The attack was repulsed, and when we scoured the field of battle on the evening of the 29th we found 150 dead and 40 severely wounded Russians within the space of 100 yards, as well as thirty-five unwounded soldiers who had dug down on the other side of our barrier. At some point between 9 and 10 o’clock in the morning one of those soldiers fired a shot at your son as he was looking through his field-glasses at the approaches from the trench. He was struck in the head and died on the spot. Whether there was anything imprudent in his behavior is beyond my knowledge. We buried him behind our lines with all honors in the evening, protected by the darkness.”
Stephan’s biographer, Juliane Brand, completes the picture with an account from Karl Holl, who conducted inquiries on his own behalf. Holl’s findings were reported to her by the conductor Rudolf Albert (1918-92): “Apparently, during the night of the 29th September, the wounded Russians screamed ceaselessly in pain and delirium just a few yards from the German positions. In his despair and exhaustion, Stephan lost control of himself to such an extent that, in the morning, he cried ‘I can’t stand it any longer,’ and before his comrades could stop him, he stood up in the trench far above the breastwork. He was an all-too easy target.”
At the 1909 festival of the General Association of German Musicians, held in Stuttgart, Stephan made the acquaintance of Otto Borngräber (b. Stendhal, 1874), a dramatist and philosopher thirteen years his senior. Borngräber, a friend of the eminent but controversial naturalist Ernst Haeckel (1834-1919), was a prototypically fearless heretic who had portentously
proclaimed the dawn of a new age in 1900 with his play The New Century: Giordano Bruno, and whose writings were invariably accompanied by scandal and censorship. He had just written his “erotic mystery play” Die ersten Menschen (The First Human Beings) in 1908, which, typically, would be banned in Bavaria immediately upon its Munich première on 1 July 1912. His emphasis on the uncontrolled sex drive as a motivation for crime was too free and uninhibited. Indeed, the figures of Kajin (Cain) and Chabel (Abel) represent two sides of a single being: the libidinous core and the cultivated mind. It is the core, in its animal force, that commits the fateful deed. Borngräber, a member of the German Federation of Monists, would soon emerge as an urgent doomsayer against the impending Great War, as the author of an Appeal to the Nations for Peace and a Drama of World Peace.
Shortly after their first meeting, Stephan asked Borngräber to allow him to turn the erotic mystery play into an opera. Borngräber played for high stakes, immediately asking for 6,000 reichsmarks and a quarter of the performance royalties. It was only thanks to his wealthy father that Stephan was able to negotiate on this scale at all. But in June 1911 Borngräber’s demands had reached the level of 15,000 reichsmarks plus half of the performance royalties. According to Juliane Brand, “it is safe to assume that Borngräber’s motives were not entirely of a business nature, and that he deliberately drew out the negotiations with his exorbitant demands and indecision, hoping to gain a better-known opera composer for his work. Evidently he believed that Richard Strauss might develop an interest in the play.” Finally Dr. Karl Stephan signed a contract that included the immediate payment of 6,000 reichsmarks and another 4,000 on the day of the première. Moreover, Borngräber was to receive one quarter of the performance royalties, and even one half for those locations where his play, without music, had not yet been performed.
By then Stephan had long been immersed in his work on the opera, having made the first sketches directly after his initial conservations with Borngräber. He was sternly advised from many quarters not to set the play at all, whether because of reservations about its literary qualities or because Borngräber’s name was anathema in conservative circles. The publisher Ludwig Strecker wasted no words: “This subject will drag even the most heavenly music into the abyss.” Undeterred by such warnings, Stephan interrupted his work on the opera only to compose his Music for Violin and Orchestra and the (Second) Music for Orchestra. He presumably completed Die ersten Menschen in early July 1914. The previous May he had signed a preliminary contract with the Frankfurt Opera for a première in early 1915, to be conducted by Ludwig Rottenberg (1864-1932). Schott declared its willingness to produce the performance material and to accept the opera into its catalogue if it should prove a success.
These plans were thwarted by the outbreak of war. On 14 November 1914 Stephan was informed by his publisher Strecker: “In the past week we have had occasion to speak with Kapellmeister Rottenberg about your work, and have arrived at the conclusion that it is hardly likely to receive a sympathetic hearing at present, and that a première this season would therefore be unadvisable.” Moreover, Stephan’s former teacher Rudolf Louis died unexpectedly on 15 November 1914 while preparing the piano-vocal score. Hardly a year later Stephan himself fell on the Galician front, and at the beginning of the war Borngräber, a deeply convinced pacifist, had emigrated to Switzerland, where he died one year later in Lugano on 19 October 1916.
On 1 July 1920 Stephan’s opera Die ersten Menschen was posthumously premièred in Frankfurt am Main under the baton of the conductor originally foreseen for the première, Ludwig Rottenberg. The stage director was Richard Weichert (1880-
1961), the set designer Ludwig Sievert (1887-1966), and the role of Chawa was taken by Beatrice Sutter-Kottlar (1883-
1935). In 1922-23 Stephan’s friend from Worms, Karl Holl (1892-1972), produced an adaptation that involved sizable cuts and the removal of textual passages considered salacious. In its resultant revised form, Die ersten Menschen was heard for the first time in Münster in 1924, followed by some thirty further productions until well into the early 1950s. It was only seventy-eight years after the première, in a 1998 concert performance at the Berlin Konzerthaus, that the opera was again heard almost intact.
With his only opera, Stephan followed so to speak in the footsteps of Richard Strauss’s most radical creation, Elektra. One of its salient features, as in the famous (Second) Music for Orchestra, is the constant alternation of extremely contrasting recurrent moods, most notably in the sharp conflicts of tempo between tranquility and impetuosity. It is our hope that this premier publication of the unabridged, visually rectified full score of Stephan’s only opera, Die ersten Menschen, will contribute lastingly to the broader dissemination of this unique work and the popularity of its creator.

Translation: Bradford Robinson

For performance materials please contact the publisher Schott Music International, Mainz (www.schott-music.com).