Charles Gounod
(geb. Paris, 17. Juni 1818 – gest. Saint-Cloud, 18. Oktober 1893)
Roméo et Juliette (1865-67, rev. 1873 und 1888)
Oper in einem Prolog und fünf Akten
Libretto nach Shakespeare von Jules Barbier und Michel Carré

Vorwort

In der Vorrede zu seinen Lettres intimes (S. vii-ix) erinnert sich Charles Gounod daran, wie er als 1839 21jähriger Musikstudent am Pariser Conservatoire gleich nach dem Kompositionsunterricht zum Konzertsaal eilte, um „sich in einer Ecke des Saales zu verstecken und diese seltsame, gewalttätige, leidenschaftliche Musik zu belauschen, die solch neue und exotische Dimensionen eröffnete“. Bei dieser Musik handelte es sich um die dramatische Symphonie Roméo et Juliette von Hector Berlioz, der auch die Proben leitete. Der Eindruck auf den jungen Gounod war unauslöschlich: Als er einige Zeit später Berlioz persönlich kennenlernte, versetzte er den älteren Kollegen in Erstaunen, indem er sich ans Klavier setzte und lange Strecken aus dem Finale des damals noch nicht aufgeführten oder veröffentlichten Werkes auswendig vorspielte. Es besteht kaum Zweifel daran, dass Gounod auch das große und zugleich tragische Beispiel Berlioz’ als Inspiration sowie als mahnendes Beispiel vor Augen hatte, als er 25 Jahre danach dazu kam, seine eigene Vertonung des Shakespeareschen Dramas in Angriff zu nehmen.

Kaum zwei Jahre nach seiner Begegnung mit Berlioz brachte Gounod während seines Studienaufenthalts an der Villa Medici in Rom bereits erste Entwürfe zu einer Opernvertonung von Romeo and Juliet nach dem für Bellini verfassten Libretto Felice Romanis ungeduldig hervor. Es war jedoch erst viel später, nämlich Ende 1864, dass der nunmehr 46jährige Komponist, der bereits den großen Opernerfolg Faust hinter sich hatte und bald in die Académie des Beaux Arts aufgenommen werden sollte, eine Opernfassung des Sujets wieder ernsthaft in Erwägung zog. Er wandte sich diesbezüglich an seine getreuen Librettisten Jules Barbier und Michel Carré, die im Frühjahr 1865 eine brauchbare Opernadaption bereits vorlegen konnten. Gounod fand am neuen Text sofort Gefallen, da er einen Großteil der literarischen Vorlage beibehielt, ohne das Drama zu Vermarktungszwecken grob zu verballhornen. Er verließ alsbald Paris und begab sich im April 1865 an die Côte d'Azur, wo er sich sofort an die Vertonungsarbeiten machte. Die Partitur entstand in einem atemberaubend schnellen Tempo, das selbst für diesen schreibgeschwindigen Künstler ungewöhnlich erscheint. Ein Großteil der Oper wurde innerhalb eines Monats zu Papier gebracht, worauf Gounod einen nervlichen Zusammenbruch erlitt, der den weiteren Fluss der Musik zum Erliegen brachte. Zwei Wochen später saß er jedoch wieder am Schreibtisch, und bereits im August 1866 konnte er die fertige Partitur dem Theaterleiter des Théâtre Lyrique, Léon Carvalho, zukommen lassen. Mit dem musikalischen Ergebnis war der Komponist vollends zufrieden: „Der erste Akt schließt brillant, der zweite Akt verläuft zärtlich-verträumt, der dritten kühn und bewegt mit den Duetten und der Verbannung Roméos, der vierte dramatisch und der fünfte tragisch. Es ist ein fein ausgewogener Aufbau.“ Nachdem er sozusagen alle Gefühlslagen musiktheatralisch abgedeckt hatte und sich zugleich von der Flickwerktechnik seines Vorgängers Berlioz dramaturgisch distanziert hatte, wartete Gounod freudig-aufgeregt auf die Uraufführung eines Werke, dessen unweigerlichen Erfolg er instinktiv vorausahnte.

Jedoch äußerte der erfahrene und von sich selbst überzeugte Bühnenmensch Carvalho sofort Änderungswünsche. Ursprünglich hatte Gounod für gesprochene Dialoge viel Raum vorgesehen, da er die Ansicht vertrat, Rezitativ wurde den Handlungsverlauf nur verlangsamen. Carvalho war jedoch anderer Meinung, und es wurden Rezitative pflichtgemäß dazu komponiert, zusammen mit ergänzendem Material zum 2. Bild des IV. Akts sowie einer später berühmten Walzer-Arie für Carvalhos Ehefrau Marie Caroline ("Je veux vivre dans le rêve"). Weitere Teile wurden gestrichen: eine Arie des Frère Laurent, ein Chor der Mönche zur Begleitung der Hochzeitsszene, die Szene der beiden Ordensbrüder am Anfang des V. Akts. Im Laufe der Probenarbeiten wurde Gounod um das Heil seines Werkes immer weniger zuversichtlich: Die Pariser Weltausstellung war bereits im Gange, und ein großer Staatsball mit anschließendem Empfang wurde zum gleichen Termin als die geplante Uraufführung angesetzt. Gounod bat inbrünstig um eine Verschiebung der Premiere. Umsonst: Carvalho erkannte scharfsinnig, dass sich die Opernbesucher nach einer gelungenen Uraufführung stracks in den Staatsball begeben und über nichts anderes reden würden, was die Oper über Nacht zu einer internationalen Ereignis erheben würde. Und genau das ist passiert, als die Premiere am 27. April 1867 termingerecht stattfand.

Nie zuvor und nie wieder in seiner langen Laufbahn sollte Gounod ein Theatererfolg vom gleichen Ausmaß zuteil werden, als er ihn bei Roméo et Juliette erlebte. Nicht weniger als 90 aufeinanderfolgende Aufführung am Théâtre Lyrique wurden ausverkauft, wobei viele Opernkarten an ausländische Ausstellungsbesucher gingen. Noch vor Ablauf des Jahres 1867 fanden Inszenierungen in London (seltsamerweise in italienischer Sprache), Mailand, Brüssel und Dresden statt. Nicht weniger beeindruckend waren die Auswirkungen auf das Ansehen und die Berühmtheit Gounods in der allgemeinen Musikwelt. Um mit seinem Biographen Charles Osborne zu reden:

            „Diejenigen, die sich über Roméo et Juliette im Theater erfreuten, wollte auch im Gesellschaftszimmer seine Lieder hören. Die Gesangsvereine wandten sich mit erneutem Interesse seinen Kirchenmusiken zu. Auszüge aus seinen Opern erklangen im Konzertsaal. Anlässlich eines Festivals leitete ein inspirierter Musiker den Soldatenchor aus Faust mit einem Riesenchor, der von sage und schreibe 340 Streichern, 40 Holzbläsern, 56 Blechinstrumenten, 25 Harfenisten und Schlagzeugern sowie einer 60-Mann starken Blechkapelle begleitet wurde. In der Blätterwelt wurde der Komponist zum Klatschthema: All seine (größtenteils freierfundenen) Tätigkeiten waren ‚berichtenswert’. [...] Roméo et Juliette stellte einen Gipfel des Erfolgs dar, den Gounod nie wieder erreichen sollte.“

Der Erfolg war auch verdient. Auch wenn Roméo et Juliette nicht zum Inbegriff der romantischen Opernkunst Frankreichs wurde, zu dem es die zunächst weniger erfolgreiche Gounod-Oper Faust schließlich bringen sollte, handelt es sich bei dem späteren Werk um eine abgerundete Meisterleistung, die von ihren vier glänzenden Liebesduetten der beiden Titelfiguren hauptsächlich getragen wird. Aber auch die anderen handelnden Personen, obwohl stark auf ihre dramaturgische Funktion im Handlungsverlauf reduziert, haben ihre kurzen Glanzaugenblicke, wie etwa die Arie Dieu qui fit l'homme à ton image des Frère Laurent, Mercutios Lied der Queen Mab oder Stéphanos Chanson. Nicht weniger bemerkenswert ist der Prolog, in dem ein Chor den kurz bevorstehenden Handlungsablauf knapp zusammenfasst – eine musikalische Verwirklichung des wunderschönen Sonetts, das der Vorlage Shakespeares vorangestellt wird. Diese Merkmale – und noch mehr die stilistische Einheitlichkeit und die unschuldige, tiefempfundene Überzeugungskraft, die Gounod seiner Partitur angedeihen ließ („Das Werk feuerte mich an! Das tut’s immer noch! Es entstand aus Ehrlichkeit. Kurzum: Ich glaube fest daran!“), sorgten dafür, dass Roméo et Juliette einen festen Platz im international Opernrepertoire jahrzehntelang behaupten konnte. Allein in Paris erlebte das Werk mehr als eintausend Aufführungen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die Beliebtheit von Roméo et Juliette nach, obwohl selbst heute großartige Sänger und Sängerinnen vom Kaliber einer Anna Netrebko oder eines Rolando Villazón auf den großen Bühnen der internationalen Opernwelt die „vom Unglück verfolgten Liebenden“ immer wieder neu zum Leben wecken.

Roméo et Juliette erlebte zwei weitere Fassungen. Mit dem Zusammenbruch des Théâtre Lyrique im Jahre 1868 – ein Jahr nach der Uraufführung – wurde für eine Inszenierung am rivalisierenden Pariser Theater Opéra-Comique eine Umarbeitung nötig. Diese unternahm der Komponist Georges Bizet, da sich Gounod damals in London aufhielt, um unter anderem die Unannehmlichkeiten des Deutsch-Französischen Kriegs und der Kommune zu umgehen. Im Laufe der Umarbeiten verschwand der Auftritt des Herzogs am Ende des III. Aktes sowie ein Chorsatz aus dem dritten Finale. Diese zweite Fassung, die am 20. Januar 1873 uraufgeführt wurde, stellt das erste Mal dar, das gesungene Rezitative statt gesprochener Dialoge am Opéra-Comique erklangen, an dem das Werk jährlich bis 1887 im Spielplan blieb.

Die dritte Fassung entstand noch viel später anlässlich einer Neuinszenierung am Pariser Opéra im Jahre 1888. Diesmal fügte Gounod den Auftritt des Herzogs im III. Akt wieder hinein, strich die Szene zwischen dem Frère Laurent und Jean im V. Akt und komponierte ergänzend ein Ballett zum 2. Bild des IV. Aktes sowie ein Epithalamiom für die Hochzeitsszene. Diese dritte Fassung, die am 28. November 1888 im Salle Garnier zum erstenmal über die Bretter ging, erlebte allein am Pariser Opéra rund 600 Aufführungen, was Roméo et Juliette zum siebten Platz unter den meistaufgeführten Opern an diesem sagenumwobenen Aufführungsort erhob.

Unter den vielen Gesamtaufnahmen von Roméo et Juliette sollen vier hier besonders hervorgehoben werden: die Einspielung durch Alain Lombard mit Franco Corelli und Mirella Freni (1968), die von Michel Plasson mit Alfredo Kraus und Catherine Malfitano (1983), die von Leonard Slatkin mit Placido Domingo und Ruth Ann Swenson (1995) sowie eine zweite Einspielung durch Plasson mit Roberto Alagna und Angela Gheorghiu (1996).

 

Handelnde Personen

Juliette (Julia), Tochter des Capulet                        Sopran
Roméo, Sohn des Montague                                     Tenor
Frère Laurent (Lorenzo), Franziskanermönch          Bass
Mercutio, Freund des Roméo                                              Bariton
Stéphano, Page des Roméo                                       Mezzosopran
Graf Capulet                                                           Bass
Tybalt, Juliettes Vetter                                            Tenor
Gertrude, Juliettes Amme                                        Mezzosopran
Herzog von Verona                                                   Bass
Pâris, sein Sohn                                                        Bariton
Grégorio, Diener des Capulet                                              Bariton
Benvolio, Vetter des Roméo                                    Tenor
Frère Jean (Marcus). Franziskanermönch                Bass
Chor: Höflinge, Hofdamen und Mitglieder der Häuser Capulet und Montague; Maskierte.
Ort: Verona; Zeit: Renaissance

Zusammenfassung der Handlung

Nach einer stürmischen Orchestereinleitung, die die Feindseligkeiten zwischen den Familien Capulet und Montague musikalisch darstellt, geht der Vorhang für einen Prolog auf, in dem ein Chor das Geschehen der Tragödie deklamierend zusammenfasst.
I. Akt, ein Maskenball im Schloss der Capulets: Die Gäste besingen die Freuden, die sie an der bevorstehenden Abendveranstaltung erwarten (“L'heure s'envole”). Der junge Adelige Pâris staunt über die Herrlichkeit des Balls, ihm wird aber von Tybalt versichert, dass all diese Herrlichkeiten beim Anblick der berauschend schönen Juliette in Vergessenheit geraten werden. Als Capulet seine Tochter in den Saal hineinführt, wird sie in der Tat zum Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Er fordert die Gäste freundlich auf, sich in die Nachbarräume zu begeben und dem Tanz zu widmen, wobei es ihm eine besondere Freude bereitet, Juliette in der Obhut des Pâris zu überlassen. Nachdem die Bühne leer wird, schlüpfen Roméo und seine Freunde Mercutio und Benvolio aus ihrem Versteck. Da sie alle maskiert sind, ist es ihnen gelungen, unerkannt ins Schloss ihrer Feinde hineinzuschleichen. Roméo hegt Bedenken gegen das Abenteuer und will weggehen, da er neulich einen Traum erlebte, der ihn mit dunklen Vorahnungen füllte. Mercutio setzt sich leichtfertig über die Ängste seines Freundes hinweg, indem er behauptet, sie seien alle das Werk der Elfenkönigin Mab (“Mab, la reine des mensonges”). Roméo fühlt sich von der Ballade beruhigt, bis er plötzlich Juliette durch eine offene Tür erblickt, wobei er sich auf der Stelle in sie verliebt. Der entrückte Roméo wird von seinen Freunden hinausmanövriert, während Juliette zusammen mit der Amme Gertrude eintritt. Diese lobt die Vorzüge des Pâris als künftiger Bräutigam, worauf Juliette ihr völliges Desinteresse an einer Heirat kundtut (“Je veux vivre”). Gertrude verlässt daraufhin die Bühne. Während sich Juliette vorbereitet, zum Tanzvergnügen zurückzukehren, tritt Roméo aus einer Ecke des Zimmers hervor. Nachdem die beiden einige Worte austauschen, stellen sie bald fest, dass das Schicksal sie füreinander bestimmt hat (“Ange adorable!”). Im darauffolgenden Liebesgespräch entdeckt Roméo, dass er sich in ein Mitglied des Hauses Capulet verliebt hat. Obwohl er wieder seine Maske aufsetzt, wird er von Tybalt erkannt, woraufhin Roméo rasch den Saal verlässt. Tybalt eröffnet Juliette, dass sie sich gerade mit einem verhassten Montague unterhalten hat. Nun kehren die Gäste wieder auf die Bühne zurück, darunter auch Roméo und seine Freunde. Mercutio äußert die Befürchtung, ihre wahre Identität sei bereits aufgeflogen, woraufhin die drei jungen Männer die Flucht ergreifen. Capulet verbietet Tybalt, ihnen zu folgen, und fordert seine Gäste auf, mit den Feierlichkeiten fortzufahren.
II. Akt, der Garten der Capulets bei Nacht, auf der linken Seite das Fenster und der Balkon Juliettes: Roméo hat seine Freunde verlassen und kehrt wie ein Dieb in der Nacht in den Garten der Capulets wieder zurück. Er vergleicht Juliette mit der aufgehenden Sonne (“Ah! Lève-toi, soleil”). Kurz darauf erscheint diese am Balkon, woraufhin auch Roméo hervortritt. Sie bittet ihn darum, seine Liebe und seine Treue zu gestehen, was er nur allzu bereitwillig tut. Ihre Liebesbeteuerungen werden durch Grégorio und andere Diener der Capulets kurz unterbrochen, die auf der Suche nach einem kürzlich gesichteten Pagen der Montagues den Garten durchsuchen (“Personne! Le page aura fui”). Die Ruhe kehrt wieder ein, und Roméo springt aus seinem Versteck hervor, um ein Duett mit Juliette anzustimmen (“O nuit divine”). Sie verspricht, ihn nach Belieben zu heiraten, Roméo bekräftigt seinen Eid. Sie werden erneut unterbrochen, diesmal durch Gertrude, die Juliette ins Haus ruft. Nur zögerlich können sich die beiden Liebenden voneinander trennen.
III. Akt, die Zelle des Frère Laurent beim Sonnenaufgang: Hinter der Bühne ertönt ein Chor der Mönche. Frère Laurent betritt die Bühne mit einem Korb voller Kräuter und Blumen, mit denen er geheime Elixiere zu mischen weiß. Er besingt die Wunder der Natur (“Berceau de tous les êtres”). Roméo erscheint und erzählt dem Ordensbruder von seiner Liebe zu Juliette. Bald tritt diese in Begleitung von Gertrude ein. Die Liebenden bitten Laurent, sie im Bund der Ehe zu vereinen. Überzeugt von der Kraft ihrer Liebe, führt er das Sakrament der Vermählung durch (“Dieu qui fis l'homme à ton image”). Eine Straße vor dem Schloss der Capulets: Roméos Page Stephano macht sich über die Capulets mit einem Lied lustig, das von einer weißen Taube handelt, die in einem Nest voller Geier gefangengehalten wird (“Que fais-tu, blanche tourterelle?”). Das Lied lockt Grégorio sowie andere Bedienstete der Capulets aus dem Haus (“Ah! Voici nos gens!”). Stephano setzt sein Lied weiter fort und fordert Grégorio auf, sich mit ihm zu duellieren. Mercutio empört sich darüber, dass sich Grégorio auf einen Zweikampf mit einem halben Kind einlässt. Tybalt warnt Mercutio, seine Zunge zu mäßigen, woraufhin sich auch diese miteinander duellieren. Als Roméo eintritt, wendet sich Tybalt ihm sofort zu und fordert ihn zum Kampf heraus. Roméo behält jedoch den Kopf und bittet Tybalt, die Feindseligkeiten zwischen den beiden Familien beizulegen. Mercutio, der aber die Ehre Roméos verteidigen will, setzt den Zweikampf weiter fort und wird verwundet, als sich Roméo zwischen die beiden Streitenden stellt. Von Wut gepackt dürstet Roméo nach Rache und verletzt Tybalt tödlich. Eine Blaskapelle und ein militärisches Geleit kündigen die Ankunft des Herzogs an. Die Streitenden der beiden Häuser schreien nach Gerechtigkeit. Nachdem sich der Herzog über das Vorgefallene informiert hat, verbannt er Roméo aus Verona. Die Mitglieder der beiden streitenden Häuser setzen ihre Schimpftiraden weiter fort, während der Vorhang fällt.
IV. Akt, das Zimmer Juliettes in früher Morgenstunde: Juliette vergibt Roméo dafür, dass er einen ihrer Verwandten erschlug (“Va! Je t'ai pardonné”). Während der Hochzeitsnacht besingen sie ihre Liebe. Als Roméo den Gesang der Lerche beim Anbruch des Tages vernimmt, entlässt er sie abrupt aus der Umarmung. Zunächst will Juliette nicht glauben, dass der Tag anbricht, langsam wird sie jedoch der Realität ihrer Situation gewahr. Sie sind sich bewusst, dass sie sich trennen müssen, noch bevor sie entdeckt werden. Nachdem Roméo weggegangen ist, betreten Capulet, Gertrude und Frère Laurent das Zimmer (“Juliet! Ah, le ciel soit loué!”). Capulet erzählt Juliette von den letzten Worten Tybalts: Er wollte sie unbedingt mit Pâris verheiratet sehen. Nun ist die Heirat bereits eine abgeschlossene Sache. Juliette ist außer sich vor Verzweiflung. Als ihr Vater das Zimmer verlässt, erzählt sie Frère Laurent, sie möchte lieber sterben als eine Ehe mit Pâris eingehen. Er schlägt ihr einen trickreichen Plan vor, damit sie mit Roméo entkommen kann: Er will ihr einen Schlaftrunk verabreichen, der sie in einen todesähnlichen Zustand versetzen wird. Capulet wird dann die Scheintote in die Familiengruft tragen, wo Roméo sie finden kann. Juliette willigt ein und fasst neuen Mut (“Dieu! Quel frisson court dans les veines!”). Eine Vision des blutüberströmten Tybalt hält sie kurz zurück, dann jedoch leert sie das Fläschchen. Ein repräsentativer Saal im Schloss der Capulets: Zu den Klängen eines Hochzeitsmarsches betritt Juliette den Saal. Die Hochzeitsgäste gratulieren und überreichen Geschenke. Als Capulet Juliette jedoch in die Kapelle führen will, bricht sie ohnmächtig zusammen. Zum Entsetzen aller erklärt Capulet, seine Tochter sei tot.
V. Akt, eine unterirdische Gruft im Schloss der Capulets, Juliette auf einer Bahre liegend: Von einem anderen Ordensbruder, Frère Jean, erfährt Frère Laurent, dass Roméo den Brief mit der Erklärung der List nie erhielt, da sein Page überfallen wurde. Laurent bittet Jean, einen weiteren Boten loszuschicken. Nach einem instrumentalen Zwischenspiel, das den Zustand der Juliette musikalisch darstellt, erscheint Roméo. Fest davon überzeugt, dass Juliette gestorben sei, trinkt er das mitgebrachte Gift. Just in diesem Augenblick erwacht Juliette, und die beiden jungen Menschen besingen ihre Liebe. Roméo gesteht ihr, dass er gerade Gift genommen hatte. Während er immer schwächer wird, holt Juliette einen versteckten Dolch aus ihrem Gewand und ersticht sich. Mit übermenschlicher letzter Anstrengung bitten die beiden Liebenden um Gottes Vergebung, bevor sie scheiden.

Bradford Robinson, 2011

 

Charles Gounod
(b. Paris, 17 June 1818 – d. Saint-Cloud, 18 October 1893)
Roméo et Juliette (1865-67, rev. 1873 and 1888)
Opera in a Prologue and Five Acts
on a libretto after Shakespeare by Jules Barbier and Michel Carré

Preface

 

In the preface to his Lettres intimes (pp. vii-ix), Charles Gounod recounts how in 1839, as a twenty-one-year-old student at the Conservatoire, he would rush out of his composition class to "hide himself in a corner of the hall and listen intoxicated to this strange, violent, impassioned music which opened up such new and exotic horizons." The music in question was Berlioz's dramatic symphony Roméo et Juliette, rehearsed by the composer himself, and the impact it left on Gounod was indelible. When he finally met Berlioz a short while later, he amazed the composer by rushing to the piano and playing large swaths of the finale from memory although the work was at that time still unpublished and unperformed. There can be little doubt that he had Berlioz's great and tragic example in mind, both as an inspiration and as a cautionary tale, when he came to write his own opera on Shakespeare's play twenty-five years later.

Hardly two years after his encounter with Berlioz, Gounod, while studying at the Villa Medici in Rome, already impatiently began to sketch an opera on Romeo and Juliet, using the libretto that Felice Romani had prepared for Bellini. But it was only much later, in late 1864, that Gounod, now the forty-six-year-old composer of Faust and soon to be indicted into the Académie des Beaux Arts, turned his thoughts seriously to an operatic setting of Romeo and Juliet. He applied to his seasoned librettists Jules Barbier and Michel Carré, who produced a suitable text in the early part of 1865. Gounod found it immediately to his liking, as it preserved much of the original play and made no hamhanded attempt to bowdlerize it for popular consumption. He promptly left Paris for the Côte d'Azur in April 1865 and set to work on the score, which he wrote at a breathtaking pace unusual even for this remarkably fecund composer. Most of the opera was completed within the space of a month, after which Gounod entered a state of nervous exhaustion and was forced to interrupt his flow of music. But two weeks later he was back at work, and in August 1866 he could present the finished score to the director of the Théâtre Lyrique, Léon Carvalho. The results left him fully satisfied: "The first act ends brilliantly; the second is tender and dreamy, the third bold and animated with the duets and Romeo sentenced to exile: the fourth is dramatic, and fifth tragic. It's a fine progression." Having thus covered all the operatic bases, and having distanced himself from the patchwork technique of his predecessor Berlioz, he eagerly awaited the première of a work which he instinctively felt could only be a success.

But Carvalho, a man of firm opinions and theatrical savvy, immediately demanded changes. Gounod had originally allowed for much spoken dialogue, feeling that recitative would slow down the action on stage. Carvalho disagreed, and recitatives were duly added, along with extra material for Act IV, Scene 2, and an aria for Carvalho's wife Marie Caroline ("Je veux vivre dans le rêve"). Other sections were eliminated: an aria for Frère Laurent, a chorus of monks to accompany the wedding scene, and the scene of the two friars at the beginning of Act V. But Gounod's confidence in the new work began to evaporate as soon as it entered rehearsal. The Paris Exposition was taking place at the time, and a grand state ball and reception had been scheduled for the exact same date as the première. Gounod pleaded for a postponement. Carvalho, however, shrewdly recognized that if the performance were successful, the opera-goers would flock afterwards to the official ball and talk of nothing else, making it an overnight sensation. In the end, when the opera was premièred at the Théâtre Lyrique on 27 April 1867, that is exactly what happened.

Never before and never again in his career did Gounod witness a theatrical triumph on the scale of Roméo et Juliette. Ninety consecutive performances at the Théâtre Lyrique were sold out, with many tickets going to foreign visitors to the Exposition. Before the year was over, the opera had been performed in London (curiously, in Italian), Milan, Brussels, and Dresden. The benefit to Gounod's career and his other works was enormous. To quote his biographer Charles Osborne:

            "People who enjoyed Roméo et Juliette in the theatre asked to hear his songs in the drawing-room. Choral societies turned with a new interest to the religious music. Extracts from earlier operas were given at concerts. One inspired musician conducted at a festival the soldiers' chorus from Faust sung by a monster choir to an accompaniment of three hundred and forty strings, sixty woodwind, fifty-six brass, twenty-five performers on harp and percussion, and a brass band of sixty. The composer became a subject for newspaper gossip. His activities, chiefly mythical, were 'news'. [...] Roméo et Juliette represents a peak of success that Gounod was never to reach again."

The success was deserved. Roméo et Juliette, though not the byword in French romantic opera that the initially less successful Faust would eventually become, is a fully-rounded masterpiece that thrives on the four glorious duets between its two title figures. Though the other characters are reduced to wheels in the dramaturgical machinery, they too have their brief moments of glory, such as Frère Laurent's aria Dieu qui fit l'homme à ton image, Mercutio's Queen Mab song, and Stéphano's chanson. Perhaps more remarkable still is the Prologue, in which a chorus summarizes the action that is about to unfold on stage – a musical rendering of the beautiful sonnet that opens Shakespeare's original. These features, and especially the stylistic unity and the innocent, heartfelt conviction that Gounod lavished on his score (“It fired me! It still does! It was born of sincerity. In short, I believe in it!”), kept the work in the world's operatic repertoire for decades. In Paris alone it has been performed more than one-thousand times. Only after World War Two did its popularity begin to wane, though even now singers of the stature of Anna Netrebko and Rolando Villazón continue to bring the "star-crossed lovers" to life in the world's leading opera houses.

Roméo et Juliette underwent two further versions. With the collapse of the Théâtre Lyrique in 1868, one year after the première, a new adaptation was required for performances at the rival Parisian opera house, the Opéra-Comique. The adaptation was carried out by Bizet, as Gounod was living in London at the time to avoid the unpleasantness of the Franco-Prussian War and the Paris Commune. In the course of this revision the appearance of the Duke was cut from the end of Act III and a chorus vanished from the third finale. This second version, which was premièred on 20 January 1873, marks the first time that sung recitative was heard instead of spoken dialogue at the Opéra-Comique, where it held the stage annually until 1887.

The third version arose much later for a production at the Paris Opéra in 1888. Now Gounod reinstated the Duke in Act III, cut the scene between Frère Laurent and Jean in Act V, and added a ballet to Act IV, Scene 2, as well as the epithalamium to the wedding scene. This version, premièred in the Salle Garnier on 28 November 1888, was given at the Opéra some six-hundred times, making Roméo et Juliette the seventh most frequently performed work at that august institution.

Of the many full recordings of this opera, special mention should be made of Alain Lombard's reading with Franco Corelli and Mirella Freni (1968), Michel Plasson's with Alfredo Kraus and Catherine Malfitano (1983), Leonard Slatkin's with Placido Domingo and Ruth Ann Swenson (1995), and a second Plasson recording with Roberto Alagna and Angela Gheorghiu (1996).

Cast of Characters

Juliette (Juliet), Capulet’s daughter                         Soprano
Roméo (Romeo), Montague’s son,                          Tenor
Frère Laurent (Friar Laurence), monk                                  Bass
Mercutio, Romeo's friend                                         Baritone
Stéphano, Romeo's page                                           Mezzo-soprano
Count Capulet                                                          Bass
Tybalt, Capulet's nephew                                        Tenor
Gertrude (Nurse), Juliet's nanny                              Mezzo-soprano
The Duke                                                                  Bass
Paris, a young count                                                 Baritone
Grégorio (Gregory), Capulet's servant                     Baritone
Benvolio, Montague's nephew                                 Tenor
Frère Jean (Friar John)                                             Bass
Chorus: male and female retainers and kinsfolk of the houses of Capulet and Mantague; maskers.
Setting: Renaissance Verona

Plot Synopsis

After a stormy orchestral introduction depicting the hostility between the Capulet and Montague families, the curtain rises on a declaimed choral prologue summarizing the tragedy.
Act I, a masked ball in the Capulets’ palace: The guests sing of the pleasures awaiting them this evening (Introduction, “L'heure s'envole”). The young nobleman Paris is amazed at the magnificence of the ball, but Tybalt, Capulet’s nephew, assures him that he will forget this splendor when he sees Capulet’s daughter, the ravishing Juliet. When Capulet leads his daughter in the room, she indeed becomes the center of attention. He cheerfully invites the guests to dance in the adjoining rooms and is delighted to leave Paris to escort Juliet. The stage empties, and Romeo and his friends Mercutio and Benvolio come out of their hiding place, masked. Being disguised, they were able to enter the rival house without being recognized. Romeo has reservations about their adventure and wishes to leave, explaining that he recently had a dream that filled him with dark forebodings. Mercutio frivolously brushes his fears aside, saying they are the work of Queen Mab (“Mab, la reine des mensonges”). Romeo is comforted by this ballad, but suddenly sees Juliet through an open door. He falls in love with her in an instant. Enchanted, Romeo is pushed outside by his friends as Juliet enters with her nanny, Gertrude. Gertrude sings Paris's praises as a future husband, but Juliet protests her lack of interest in the marriage (“Je veux vivre”). Gertrude leaves, and as Juliet prepares to return to the dance, Romeo emerges from a corner of the room. After only a few words they realize that their destinies are bound together (“Ange adorable!”). In the exchange that follows, Romeo realizes that he has fallen in love with a Capulet. Though he is masked again, Tybalt manages to identify him. Romeo leaves hastily, and Tybalt reveals to Juliet that she has spoken with a hated Montague. The guests return center stage, Romeo and his friends among them. Mercutio thinks they were discovered, and the Montagues beat a hasty retreat. Capulet forbids Tybalt to follow them and encourages his guests to continue the festivities.
Act II, the Capulet’s garden at night; to the left, the window and Juliet's balcony: Romeo has left his friends and come back like a thief top the Capulet’s garden. He compares Juliet to the rising sun (“Ah! Lève-toi, soleil”). Shortly thereafter she appears on the balcony and Romeo reveals his presence. She asks him for a declaration of love and fidelity, which he gladly gives her. Their sweet nothings are briefly interrupted by Gregory and other Capulet servants, who roam the garden in search of a Montague page seen in the area (“Personne! Le page aura fui”). When peace returns, Romeo springs out of his hiding place and sings a duet with Juliet (“O nuit divine”). Juliet swears that she will marry him whenever he should choose, and Romeo repeats his oath. They are again interrupted, this time by Gertrude, who calls Juliet into the house. The two lovers part reluctantly.
Act III, Friar Laurence’s cell at dawn: A chorus of monks can be heard off stage. Friar Laurence enters carrying a basket filled with herbs and flowers, with which he plans to make secret potions. He sings of the miracles of nature (“Berceau de tous les êtres”). Romeo arrives and tells him about his love for Juliet. Juliet soon follows with Gertrude. The lovers ask brother Laurent to unite them. Convinced of the power of their love, he performs the ceremony (“Dieu qui fis l'homme à ton image”). A street in front of the Capulets’ palace: Romeo's page, Stephano, mocks the Capulets with a song about a white dove held prisoner in a nest of vultures (“Que fais-tu, blanche tourterelle?”). This scene draws Gregory and other Capulet servants outside (“Ah! Voici nos gens!”). Stephano resumes his song in their presence and challenges Gregory to a duel. Mercutio is indignant to see Gregory fight a duel with a simple child. Tybalt warns Mercutio to watch his words, and they too enter a duel. When Romeo arrives, Tybalt turns at once to face him. Romeo keeps his head and asks Tybalt to forget the hatred between the two families. But Mercutio, choosing to defend Romeo's honor, resumes the duel with Tybalt and is wounded when Romeo throws himself between the two combatants. Romeo, livid with rage, seeks vengeance and delivers Tybalt a mortal blow. A brass band and a marching troop announce the arrival of Duke. The partisans of both houses cry for justice. Having learnt what happened, the Duke exiles Romeo from Verona. Before the curtain descends, the members of the two houses renew their curses.
Act IV, Juliet's room in the early hours: Juliet forgives Romeo for killing one of her kinsman (“Va! Je t'ai pardonné”). They sing of their love during the wedding night. Romeo suddenly loosens his embrace when he hears the lark announcing the day. Juliet refuses at first to believe it, but she then becomes aware of reality. They know they have to part before being discovered. After Romeo has left, Capulet, Gertrude, and Friar Laurence enter the room (“Juliet! Ah, le ciel soit loué!”). Capulet tells Juliet that Tybalt’s last wish was to see her marry Paris, and that the marriage is already arranged. Juliet is in despair. When her father leaves her room, she tells Friar Laurence that she would prefer death to a marriage with Paris. He suggests a trick that will enable her to escape with Romeo: she should drink a sleeping potion that will make her seem dead. Capulet will then transport the body to the family grave, where Romeo can find her. Juliet accepts this plan. She summons up all her courage (“Dieu! Quel frisson court dans les veines!”). A vision of the bloodstained Tybalt makes her hesitate, but she finally empties the phial. A magnificent room in the Capulest palace: Juliet enters to the sound of a wedding march. The guests present their best wishes and offer presents, but as Capulet takes her arm to lead her into the chapel, she collapses. In the general horror, Capulet exclaims that his daughter has died.
Act V, a subterranean crypt at the Capulet's, Juliet lying on a sarcophagus: Friar Laurence learns from another monk, Friar John, that Romeo did not receive the letter explaining the trick because his page was attacked. He asks John to send another messenger. After an instrumental interlude depicting Juliet's state, Romeo appears. Believing her to be dead; he drinks the poison he has brought with him. At that very moment she wakes up, and they sing of their love. Romeo tells her that he has just swallowed a fatal poison. As he weakens, Juliet reveals a dagger hidden in her clothes and stabs herself. In a monumental final effort, the two lovers ask for divine clemency before dying.

Bradford Robinson, 2011