Johann Michael Haydn
(geb. Rohrau, 14 September 1737 – d. Salzburg, 10 August 1806)
Serenade in D
Perger 87
Vorwort
Johann Michael Haydn, besser bekannt als Michael Haydn, war ein erfolgreicher Komponist im späten 18. Jahrhundert. Geboren am 17. September 1737 im österreichischen Rohrau war er der jüngere Bruder des bekannteren Franz Joseph Haydn. Obwohl weniger anerkannt als Joseph war Michael ein erfahrener Musiker, zuerst als Chorknabe an der Kathedrale St. Stephan, später mit seinen Symphonien, Concertos, Serenaden, Ballette, Märsche, Solosonaten und mehr. Auch schuf er ein beachtliches Oeuvre an sakraler Musik, Antiphone, Kantaten, Lobgesänge, Graduale, Hymnen, Offertorien, Messen, darunter am bedeutendsten seine Missa a due cori. Erst nach Michael Haydns Tod am 10. August 1806 begann seine Kirchenmusik, die Chöre für Männerstimmen und seine zahlreichen Instrumentalwerke jene Anerkennung zu finden, die mit der Würdigung der Werke seines Bruders vergleichbar ist.
Erstmals aufgeführt in Salzburg im Jahre 1767, als Michael Haydn gerade einmal 27 Jahre alt war, bleibt seine Serenade in D ein wenig bekanntes Werk, das bis in die jüngste Zeit kaum eingespielt wurde.
Der Einfluss zahlreicher musikalischer Gattungen aus dem 18. Jahrhundert können in diesem Werk wiedergefunden werden. Die für das 18. Jahrhundert typische Serenade stellte zahlreiche Solisten oder Instrumentengruppen in den Vordergrund des Geschehens. Haydns Serenade folgt diesem Vorbild, concerto-artige Sätze stellen nicht nur das Horn und die Posaune vor, sondern auch Flöte, Geige und das Cello haben solistische Auftritte. Das Stück selbst beginnt nicht solistisch, nur das Orchester aus Streichern und Bläsern erklingt, aber im weiteren Verlauf entwickelt sich das Werk, indem die Farben und Strukturen des Orchesters von hochkalibrigen Solisten ausgelotet werden. Am Ende der Serenade schliesst sich der Kreis, das Stück endet mit einem Tuttisatz, in dem keine Einzelstimme dominiert. Der Einfluss von Techniken aus der Welt der Oper ist unüberhörbar. Insbesondere wird dies sichtbar durch den Einsatz eines „Rezitativs“, in dem eine Violine sich der Soloinstrumente des vorhergehenden Satzes bedient. Nach dem Rezitativ lenkt Haydn die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf eine Aria, die man vielleicht als das instrumentale Gegenstück zur Rolle einer Opera seria - Heldin in der Oper des 18. Jahrhunderts betrachten kann.
Den Solisten wird äusserste Virtuosität abverlangt, ein bemerkenswertes Duo von Horn und Altposaune bildet ein Concertino inmitten der Serenade. Wahrscheinlich wurden die instrumentaltechnisch äusserst anspruchsvollen Sätze für die profiliertesten Blechbläsersolisten jener Zeit geschrieben, Thomas Gschladt (Altposaune) und Joseph Leutgeb (Französisichhorn), die das Werk auch aufführten. Gschladt war ein geschätzter Kollege des berühmten Hornvirtuosen Joseph Leutgeb, für den Mozart seine Hornkonzerte geschrieben hatte. Nach Aussage des Tänzers und Chronisten Philipp Tobias Gumpenhuber (1708-1770) führte Leutgeb am 2. Juli 1762 ein Hornkonzert von Michael Haydn auf, das verschollen ist. Joseph Haydn schrieb sein berühmtes Hornkonzert für Leutgeb anlässlich seiner Konzertreihe am Burgtheater im Jahre 1762. Ausserdem war Leutgeb der favorisierte Hornspieler der Haydnfamilie. Diese enge persönliche Beziehung, die erstaunliche Posaunentechnik und das musikalische Können von Gschladt lassen es als naheliegend erscheinen, dass die Serenade geschrieben wurde mit den beiden Musikern im Sinn.
Die beiden längsten Sätze des Stückes, der vierte und fünfte, wenn man das Menuett und Trio als einen Satz zählt, bieten Horn - und Posaunensoli. Die technischen Anforderungen, die diese beiden Sätze an die Aufführenden stellen, sind ein Zeugnis für ein kurzes „Goldenes Zeitalter“ herausragender Blechblastechnik von 1756 bis 1780, insbesondere was die Altposaune betrifft. Einige Musikologen nehmen an, dass im Salzburg des 18. Jahrhunderts insbesondere die Serenade den Komponisten eine einzigartige Gelegenheit bot, ausgebildete Musiker - vor allem Holz - und Blechbläser - in Hoforchestern, zivilen Ensembles und Militärkapellen unterzubringen, die neben den eher amateurhaften Musikern in den lokalen Orchestern spielten.
Der Fokus auf Orchesterfarben und Texturen belebt den statischen harmonischen Charakter des Werks - Haydns Serenade bleibt in D - Dur während der Mehrzahl der Sätze. Die Menuett - und - Trio Sätze sind in harmonischer Hinsicht die wagemutigsten. Das erste Menuett setzt den vorhergehenden Satz in A-Dur fort und moduliert gemäss der Konvention zur Dominante E-Dur zur Trio - Sektion. Bis zu diesem Zeitpunkt ist dieser Satz der einzige vollständige, der nicht in der Tonika oder Dominante von D-Dur steht. Das zweite Menuett - und Trio bietet in harmonischer Hinsicht die meisten Überraschungen. Haydn beginnt vorhersagbar in D-Dur, aber statt bei der Trio - Sektion zur Dominante zu wechseln, erkundet er die Subdominante G-Dur. Hier hat sich Haydn am weitesten von der Basistonalität D-Dur entfernt. Er gewährt dem Zuhörer eine kleine Verschnaufpause und verhindert, dass er der harmonischen Eindimensionalität überdrüssig wird. Indem er diese Modulation in die Mitte des Stücks platziert, erzeugt der Komponist eine Spannung, die er anschliessend mit der Rückkehr in den Bereich von D-Dur auflösen kann .
Die originalen Quellen der Serenade befinden sich als Serenata, a piu Stromenti, tutti obbligati. di G. Mich: Haydn ppia. (WM: fig. 52 & 53), in Magyarország, Budapest, Ungarn, in der Országos Széchényi Könyvtár (Nationalbibliothek Széchényi).
Hong Liu, 2016
Aufführungsmaterial ist von Katzbichler, München, zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.
George Henschel
(geb. Breslau, 18. Februar 1850 - gest. Aviemore, 10. September 1934)
Serenade für Streich-Orchester in Canonform, Op. 23
Marcia p.3
Andante p.10
Scherzo p.15
Finale p.26
Vorwort
George Henschel war ein Musiker von vielen Talenten. Geboren als Isidor Georg Henschel in Breslau (heute Wroclaw, Polen) mit jüdischen Eltern polnischer Abstammung studierte er am Leipziger Konservatorium bei Moscheles, Reinecke, Richter und Goetze. Er war ursprünglich Pianist, entwickelte sich aber später zu einem grossem Liedsänger, der das Konzept der Liedkonzerte in England und den USA einführte. Mit 18 Jahren sang er die Rolle des Hans Sachs anlässlich einer konzertanten Aufführung von Wagner’s Die Meistersinger in München. Brahms war einer seiner Bewunderer, und die beiden Männer wurden Freunde, nachdem der grosse Komponist Henschel auserwählt hatte, die Rolle des Christus in Bachs Matthäuspassion in seinem letzten Konzert als Direktor der Gesellschaft der Musikfreunde zu singen. Tatsächlich war der Komponist die einzige Person, die Brahms je einlud, mit ihm gemeinsam die Ferien auf Rügen zu verbringen. Auch war Henschel für sein Wirken am Dirigierpult bekannt, und so berief man ihn 1881 zum Chefdirigenten des Boston Symphony Orchestra. Im gleichen Jahr heiratete er eine amerikanische Sängerin, Lilian Bailey, mit der er in Amerika und Europa gemeinsame Konzertreisen unternahm (er selbst war ein ausgezeichneter Begleiter).
Nach seiner Anstellung in Boston zog es Henschel und seine Frau nach London, wo er ganz in das Musikleben der Stadt eintauchte und schliesslich die britische Staatsbürgerschaft annahm. 1886 hob er die Konzertreihe „London Symphony Concerts” aus der Taufe, im gleichen Jahr übernahm er die Aufgaben von Jenny Lind als Professor für Gesang am Royal College of Music, und 1893 wurde er zum Dirigenten des Scottish Orchestra (heute Royal Scottish National Orchestra) ernannt. Aus dem Konzertleben zog er sich im Jahr 1914 zurück, im gleichen Jahr schlug man ihn zum Ritter. Henschel liess sich in Schottland nahe Inverness nieder, wo er 1934 starb. Er hinterliess einige wenige Tonaufnahmen, darunter Beethovens Erste Symphonie, die sein Beitrag zur ersten Gesamteinspielung der Symphonien des Komponisten war. Ausserdem nahm er für Columbia im Jahre 1928 (er war bereits 78 Jahre alt) zahlreiche Lieder von Schumann und Schubert auf, bei denen er sich selbst am Klavier begleitete.
Henschels Serenade für Streich-Orchester in Canonform, Op. 23 stammt aus dem Jahr 1873 oder 1874. Zu jener Zeit lebte der Komponist in Berlin und hatte gerade begonnen, sich einen Namen als Sänger zu machen. Die Umstände der Entstehung des Werks sind unklar, aber es geschah zu jener Zeit, als Henschel seine Studien an der Akademischen Hochschule für Musik in Berlin vollendete und regelmässiger Gast beim Abendessen von Clara Schumann und Josef Joachim war, der Direktor der Hochschule. 1874 war ein sehr wichtiges Jahr für Henschel, denn man hatte ihn zum ersten Mal als Solist zu einem grossen Festival eingeladen (das Niederrheinische Musikfest in Köln). Wichtiger jedoch war, dass er dort in Max Bruch einen Komponisten kennenlernte, der ein enger Freund werden sollte. Es ist nicht bekannt, ob die Serenade bereits an anderem Ort vor ihrer Aufführung durch Henschel am 19. Januar 1884 mit den Bostoner Symphonikern erklang. Das Werk besteht aus vier Sätzen, von denen ein jeder dazu dient, Henschels kontrapunktisches Geschick unter Beweis zu stellen, denn jeder Abschnitt baut auf einem umfänglichen Kanon auf, der fast durchweg zweiteilig sind.
Phillip Brookes, 2016
Aufführungsmaterial ist von Breitkopf & Härtel, Wiesbaden, zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.