Franz Xaver Richter
Adagio and Fugue in G minor for Strings
(b. Holleschau, Noravia, 1 December 1709 - gest. Straßburg, 12 September 1789 )
Preface
Franz Xaver Richter was a German composer of Moravian descent who was most prominent at the Mannheim court for chamber works, symphonies, and other orchestral works. Hugo Riemann regards Franz Richter as a “senior of the Mannheim School,” who exploits the “Mannheim symphonic style with his own differentiated dynamics and instrumentation.” Although Holleschau in Moravia is traditionally considered to be his hometown, no entry in the Holleschau church records confirm this assertion. Despite this lack of evidence, according to musicologist Jochen Reutter, it is likely that Richter spent his childhood in Moravia.
Richter traveled frequently: in 1746, he joined the Hofkapelle of the Elector Palatine Carl Theodor in Mannheim as a vocal bass, during the 1750s he travelled to France, England, and the Netherlands, and in 1760 he spent time in Bonn, where he applied for the post of Hofkapellmeister. Later on, he also composed some church music. Between 1760 and 1767 he wrote his treatise Harmonische Belehrungen, dedicated to the Elector Carl Theodor. This treatise is in fact a course in counterpoint on the models of Fux and Meinrad Spiess, but it also refers to more modern genres such as the solo concerto and the symphony. Little source material exists on the Six Sinfonie, Op. 3. The Sinfonia in G minor was published in 1760, according to Reutter. It is known that it was published in Paris (including this G minor Sinfonia) as a collection of works, so it is possible that it was composed during the 1750s when he traveled in France.
This symphony could be regarded as a precursor to the late eighteenth-century symphony because of Richter’s employment of the Baroque learned style (stile antico). Jochen Reutter claims that Richter‘s compositional idiom “changed from a late Baroque sound to a tonal language which reached the threshold of the Classical style.” According to Reutter, fugue, Baroque sequences, and minor tonalities are common to Richter’s compositions during his early period. Musicologist Bertil Van Boer suggests that the first movement, an Adagio and Fugue in G minor (1760) almost entirely based on various sequences and fugato passages (imitative texture), was perhaps influenced by Richter’s experience with the sophisticated contrapuntal style both in church compositions as well as in the writing of his treatise.
The Adagio can be seen as an introduction to the fugue—very different from the first movement sonata-allegro form that would become typical of later symphonies. The instrumentation is small, rather resembling a string quartet: two violins, a viola and a cello. The movement begins with the tonic key, G minor, entitled Adagio and Fugue. Unlike the primary theme in symphonies by Mozart and Haydn, Richter’s opening material does not offer an immediately recognizable melody. One could call the opening instead a primary key area rather than theme. The harmonic progressions, especially the 4-3 and 9-8 suspensions in the opening measures recall the learned style and the opening movement of Pergolesi’s Stabat Mater. The music remains in the tonic key area, G minor, when the fugue begins. The G minor fugue subject is answered in D minor, the minor dominant of the home key and the secondary tonal center of this movement. Most fugues in the Bach Well-Tempered Klavier similarly exploit tonal rather than real answers. It is rather rare, however, for a composer to use a real answer during the Baroque and Classical era, transposing up a perfect fifth. The harmony arrives at B-flat major for the first time in m. 60, and the B-flat major passage initiates yet another sequence. The third expanded tonal area in this piece is C major, starting after a French augmented sixth chord resolving to a dominant chord (G-B-D) in m. 120. A cadence on C major is elided in m. 217, and instead the bass progresses to a D-G motion, to arrive back on the tonic key G minor. Overall, this movement employs the baroque learned style in a remarkable way. Compared to the symphonies by Haydn and Mozart, the lack of thematic statements and dynamic markings, thin instrumentation, and unity between the upper voice and bass line align this work with other early symphonies.
The original manuscript for the overture can be found in Fürst Thurn und Taxis Hofbibliothek in Regensburg, Germany.
Yiyi Gao, 2016
For performance material please contact Peters, Leipzig.
Franz Xaver Richter
Adagio und Fuge g - Moll für Streicher
(geb. Holleschau, Mähren, 1. Dezember 1709 - gest. Straßburg, 12. September 1789 )
Vorwort
Franz Xaver Richter war ein deutscher Komponist von mährischer Abstammung, einer der überragenden musikalischen Köpfe am Mannheimer Hof, bekannt für seine Kammermusik, Symphonien und andere Werke für Orchester. Hugo Riemann bezeichnet Richter als den „Senior der Mannheimer Schule“, der den symphonischen Stil der Mannheimer mit seiner ureigenen differenzierten Dynamik und Instrumentation ausleuchtet. Obwohl man allgemein annimmt, dass Holleschau in Mähren Richters Heimatstadt ist, wird diese Annahme durch keinen Eintrag im Kirchenregister bestätigt. Trotz der unsicheren Beweislage ist es nach dem Musikologen Jochen Reuther jedoch sehr wahrscheinlich, dass der Komponist seine Jugend in Mähren verbrachte.
Richter war ständig auf Reisen: 1746 schloss er sich der Hofkapelle des pfälzischen Kurfürsten Carl Theodor in Mannheim als Basssänger an, während der 1750er Jahre bereiste er Frankreich, England und die Niederlande, in den 1760er Jahren verbrachte er einige Zeit in Bonn, wo er sich für den Posten des Hofkapellmeisters bewarb. Seine Abhandlung Harmonische Belehrungen entstand zwischen 1760 und 1767 und war dem Kurfürsten Carl Theodor gewidmet. Eigentlich handelt es sich bei dieser Schrift um einen Kurs in Kontrapunkt nach dem Vorbild von Fux und Meinrad Spiess, aber sie befasst sich auch mit moderneren Gattungen wie den Soloconcertos und der Symphonie. Die Quellenlage zu seinen Sechs Symphonien op.3 ist dünn. Die Sinfonia in G Moll erschien nach Reutter im Jahre 1760. Es ist bekannt, dass die Symphonien (darunter auch die vorliegende) im Rahmen einer Werksammlung in Paris veröffentlicht wurden, und so ist es denkbar, das die Sinfonia während seiner Reisen durch Frankreich in den 1750er Jahren entstand.
Die Symphonie kann wegen ihrer Verwendung des barocken stile antico als Vorbote der Symphonien des späten 18. Jahrhunderts aufgefasst werden. Jochen Reuther beschreibt, dass sich Richters kompositorischer Idiom vom spätbarocken Klang zu einer Klangsprache entwickelte, die bis an die Türschwelle des klassischen Stils reichte. Nach Reutter gehörten Fuge, barocke Sequenzen und Molltonarten zum frühen Formenrepertoire des Komponisten. Der Musikwissenschaftler Bertil Van Boer gibt zu bedenken, dass der erste Satz, das Adagio und Fuge in G- Moll (1760), fast vollständig auf zahlreichen Sequenzen und Fugato-Passagen (imitative Struktur) beruht, die möglicherweise von Richters Erfahrungen mit dem komplexen kontrapunktischen Stil der sakralen Kompositionen und der Abfassung seiner Abhandlung herrühren.
Das Adagio kann als Einleitung zur Fuge gesehen werden - ein grosser Unterschied zur ersten Sonaten-Allegro-Form, die für spätere Symphonien typisch werden sollte. Die Instrumentation ist übersichtlich, sie erinnert fast an ein Streichquartett: zwei Violinen, eine Bratsche, ein Cello. Der Satz beginnt in der Tonika g - Moll, bezeichnet als Adagio und Fuge. Im Gegensatz zu den Anfangsthemen der Symphonien von Mozart und Haydn lässt Richters Eröffnungsmaterial eine unmittelbar erkennbare Melodie vermissen - man könnte die Eröffnung eher als Präsentation der Haupttonart denn als Thema bezeichnen. Der harmonische Verlauf, insbesondere die Bewegungen IV - III und IX - VIII in den Eröffnungstakten erinnern an den überlieferten Stil und den Anfangssatz von Pergolesis Stabat Mater. Die Musik verweilt auf der Tonika g - Moll, als die Fuge beginnt. Auf das Fugenthema wird in d-Moll geantwortet, der Molldominate der Grundtonart, die gleichzeitig das zweite tonale Zentrum des Satzes ist. Die meisten Fugen in Bachs Wohltemperiertem Klavier verwenden ähnlich dem vorliegenden Beispiel eher tonale als tatsächliche Antworten. Allemal kommt es in der barocken und klassischen Ära äusserst selten vor, dass ein Komponist eine tatsächliche Antwort kreiert, die um eine reine Quinte transponiert ist. Bei Takt 60 kommt die Harmonie zum ersten Mal in B-Dur an, und der nun folgende Abschnitt initiiert eine weitere Sequenz. Das dritte ausgedehnte tonale Zentrum dieses Stückes ist C-Dur, es beginnt nach einem übermässigen französischen Sextakkord, der sich in eine Dominante (GHD) bei Takt 120 auflöst. Auf eine Kadenz auf C-Dur in Takt 217 wird verzichtet, stattdessen begibt sich der Bass in eine D-G-Bewegung, um schliesslich auf der Tonika g-Moll zu enden. Insgesamt wird dieser Satz in bemerkenswerter Weise vom barocken Stil dominiert. Im Vergleich mit den Symphonien Haydns und Mozarts ordnen das Fehlen von thematischen Statements und dynamischen Markierungen, dünne Instrumentation und die Einheit von hohen Stimmen mit der Basslinie das vorliegende Werk in die Gattung der frühen Symphonien ein.
Das Originalmanuskript dieser Ouvertüre liegt in der Fürst Thurn-und-Taxis-Hofbibliothek in Regensburg.
Yiyi Gao, 2016
Aufführungsmaterial ist von Peters, Leipzig, zu beziehen.