Paul Juon
II. Symphonie A-Dur op. 23 (1902)
I Come Passacaglia. Moderato (p. 3) – Poco più mosso (p. 9) – Tempo I (p. 14) – Più mosso (Allegro moderato, p. 24) – Più mosso (p. 33) – Adagio molto (p. 36) – Andante (p. 38) – Quasi valse lente (p. 41) – Allegro energico (p. 44)
II Scherzo. Presto (p. 53) – Trio (p. 59) – Scherzo II (p. 67)
III Romanze. Adagio (p. 74)
IV Finale. Allegro con fuoco (p. 89) – Poco meno mosso (p. 99) – Tempo I (p. 101) – Tranquillo (p. 114) –
Tempo I (p. 118) – Poco meno mosso (p. 131) – Tempo I (p. 133) – Poco più tranquillo (p. 139) – Tempo I (p. 141)
(geb. Moskau, 6. März [22. Februar] 1872 – gest. Vevey, 21. August 1940)
Vorwort
Paul Juon war zwar kein Meister der Eigenwerbung, jedoch durchaus ein Humorist, wie das folgende Dokument, das Juon laut dem führenden Juon-Forscher Thomas Badrutt mutmaßlich am 1. April 1907 auf Bitten seines Verlegers Robert Lienau um eine ausführliche Selbstbeschreibung verfasste, bezeugt:
Paul Juon: Große Selbstbiographie in 7 Bänden.
Band I.
Geboren am 8. März 1872 in Moskau
Band II.
Mein Vater war Beamter einer Feuerversicherungsgesellschaft (gegenwärtig ist er Direktor einer solchen), meine Mutter beschäftigte sich gern mit Kunst, sie sang und spielte ein wenig. Aus dem Umstand, dass ich mich als Knabe gern unter dem Flügel aufhielt (vermutlich um Pedalstudien zu machen!), folgerte man, dass ich ein großes Talent für die Musik habe und engagierte für mich eine Klavierlehrerin. Bei dieser Dame lernte ich J. Ascher’s sämtliche Werke u. ähnliche Stücke mit Gefühl spielen. Zu meinem Glück starb die Dame bald, und ich erhielt einen Lehrer in der Person L. Samson’s, bei dem ich ernstere Dinge lernte. Später erhielt ich auch Geigenunterricht, denn mein Vater wollte einen Geiger aus mir machen.
Band III.
Meine erste Komposition schrieb ich etwa 12-13 Jahre alt, auf Veranlassung meines Vaters nieder, welcher gemerkt hatte, dass ich gern am Klavier saß und improvisierte. Es war ein Klavierstück und hieß „Trennung und Wiedersehen“. Weiter weiß ich nichts mehr davon. Ich weiß nur, dass ich seit der Zeit eine unzählige Menge verschiedener Stücke (vornehmlich Klavier- Violinsonaten) „komponierte“, was mir furchtbar viel Spaß machte, besonders wenn die Schnörkel und Verzierungen auf dem Titelblatt gut und zahlreich gelangen. Das Titelblatt war die Hauptsache. Ich machte es immer zu allererst, bevor auch nur eine Note des Stückes komponiert war (manchmal blieb es auch unkomponiert und ich begnügte mich mit dem Titelblatt). Von der Theorie der Musik habe ich damals noch gar nichts gewusst, denn ich habe das Studium derselben erst auf dem Konservatorium begonnen.
Band IV.
Auf das Konservatorium kam ich im Jahre 1888 und studierte dort auf Wunsch meines Vaters hauptsächlich Geige. Doch interessierten mich die Theoriestunden bei Arensky und Tanejew bei weitem mehr. Noch mehr aber – Mädchenaugen, Mädchenherzen; darum studierte ich sie auch am eifrigsten; ich bereue es aber nicht, obwohl dadurch meine anderen Studien zeitweise nur sehr bedenkliche Fortschritte machten.
Im Jahre 1894 kam ich nach Berlin, um unter Prof. Woldemar Bargiel weiter zu arbeiten.
Band V.
Im Jahre 1896 erntete ich auf allen von mir durchstudierten Gebieten meine ersten Erfolge: ich erhielt einen Ruf an die Musikschule zu Baku als Violinlehrer, das Mendelssohnstipendium für Komposition wurde mir verliehen, und – die schönsten Mädchenaugen, das beste Mädchenherz durfte ich mein nennen.
In Baku blieb ich nur ein Jahr: ich fand dort gar zu wenig künstlerische Anregung und beschloss, mit Frau und Kind nach Berlin überzusiedeln, um hier mein Glück zu versuchen. So lebe ich denn seit Oktober 1897 in Berlin, gebe Unterricht, komponiere „ein bisserl“ und fühle mich recht wohl, trotzdem ich 3 Kinder und 1 Schwiegermutter habe.
Band VI.
Im Oktober 1901 erhielt ich ein Stipendium der Franz Liszt Stiftung und im April 1906 bin ich zum Lehrer für Komposition an der Kngl. Hochschule für Musik ernannt worden.
Band VII.
Seit dem 1. April 1907, 4 Uhr nachmittags, trage ich einen langen Spitzbart.
Wir ergänzen hierzu: Pawel Fedorowitsch Juon war das zweite von sieben Kindern des Graubündners Theodor Friedrich Juon (1842-1912) und der Deutsch-Russin Emilie Gottwald. Er besuchte die Deutsche Realschule in Moskau und diente als Freiwilliger im russischen Heer. Ab 1889 war er am Moskauer Konservatorium Violinstudent bei dem großen tschechischen Meister Jan Hrímaly (1844-1915). Er bewunderte ganz besonders Pjotr Tschaikowsky und Johannes Brahms, und angeblich nannte ihn sein Kommilitone Sergej Rachmaninoff den „russischen Brahms“ – ein Titel, den er sich künftig mit Nikolai Medtner, Alexander Glasunov und Sergej Tanejev teilen durfte…
Ab 1898 erschienen die meisten Werke Juons bei der Schlesinger’schen Buch- und Musikalienhandlung in Berlin, dem späteren Musikverlag Robert Lienau, im Druck. Auf Empfehlung Joseph Joachims, der bereits als Präsident des Kuratoriums der Felix Mendelssohn-Staatsstipendien 1896 entscheidenden Einfluss genommen hatte, wirkte er nach seiner Rückkehr zunächst als Hilfslehrer an der Berliner Musikhochschule, wo er 1911 zum ordentlichen Professor ernannt wurde. Ab 1912 war Juon in zweiter Ehe mit Marie Hegner-Günthert verheiratet. Ab 1917 war er Mitglied des Beirats der Genossenschaft Deutscher Tonsetzer, ab 1919 der Preußischen Akademie der Künste. 1929 teilte sich Juon mit Joseph Haas (1879-1960) den Beethoven-Preis. Zu seinen wichtigsten Schülern gehören Heinrich Kaminski (1886-1946), Philipp Jarnach (1892-1982), Pantcho Vladigerov (1899-1978), Stefan Wolpe (1902-72) und Hans Chemin-Petit (1902-81). Neben seiner kompositorische und lehrenden Tätigkeit schrieb Juon eine Harmonielehre, eine Anleitung zum Modulieren und Aufgaben zum zweifachen Kontrapunkt, und übersetzte die zweibändige Tschaikowsky-Biographie von Modest Tschaikowsky (1850-1916) aus dem Russischen. Auch war er als Lektor für den Lienau-Verlag tätig, wo er u. a. die Herausgabe des Violinkonzerts, der Tondichtung ‚Pohjolas Tochter’ und der ‚Pelléas et Mélisande’-Suite von Jean Sibelius verantwortete. 1934 übersiedelte er in die Schweiz und ließ sich in Vevey nieder.
In den 1942 abgeschlossenen unveröffentlicht gebliebenen Erinnerungen seines Freundes und treuen Verlegers Robert Lienau ‚Ich erzähle / Erinnerungen eines alten Musikverlegers’, von denen sich ein Typoskript in Juons Nachlass (heute im Fonds Paul Juon [FPJ] der Bibliothek Lausanne) fand, erzählt dieser: „Nicht nur Sibelius hat von Paul Juon viel gehalten. Jeder, der sich näher mit seinen Kompositionen beschäftigte, hat seine Bedeutung erkannt. Ich selbst habe als Verleger meine ganze Kraft für ihn und sein Schaffen eingesetzt und den größten Teil seiner Werke verlegt. Zunächst war es ein glücklicher Zufall, der uns zusammenführte. Auf einem Hausquartettabend im Winter 1897 machte mich der Geigenbauer und Cellist Otto Möckel auf seinen jungen Schwager Paul Juon aufmerksam, der Musiker sei und u. a. auch hübsche Klavierstücke geschrieben habe. Ich lud Juon ein, und er spielte uns (mein Vater war krank und hörte im Nebenzimmer zu) mit dem Geiger Franz Fink seine Violinsonate [op. 7] und die kleinen Klavierskizzen [op. 1] vor. Unser Eindruck war stark, man empfand sofort, dass hier ein junges Talent im Werden war, und ich entschloss mich kurzerhand, den Versuch zu wagen und die ersten Werke zu erwerben. Juon, der damals mit seiner jungen lieblichen Frau in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte, erzählte mir später, er sei durch das erste Honorar von RM 100.– so freudig überrascht gewesen, dass er im Sturmschritt nach Haus gelaufen sei und dort seine Katy immer wieder jubelnd geherzt und geküsst habe.
Um ihm ein freies Schaffen zu ermöglichen, gelang es mir, einige wohlhabende Musikfreunde für ihn zu interessieren und ihm durch mehrere Jahre ein ansehnliches Stipendium zu verschaffen, so dass er das ermüdende Unterrichten zurückstellen konnte. In unermüdlicher Arbeit entwickelte er sich jetzt zum fertigen Meister und schuf zahllose Werke. Er wurde Theorielehrer an der Berliner Hochschule für Musik; ein großer Schülerkreis verehrte ihn bald. Die Erfolge seiner Kompositionen, besonders die unter nordischem Einfluss entstandene Kammermusik steigerten sich von Jahr zu Jahr, zuletzt auch bei seinen großen Orchesterwerken. Ich habe fast alle Kompositionen Juon’s verlegt, die heiteren wie die ernsten. Mein Vertrauen wurde nicht enttäuscht, wenn auch Rückschläge nicht ausblieben. Persönlich traten wir uns immer näher und wurden wahre und unzertrennliche Freunde, ein ideales Verhältnis von Autor und Verleger! Und wenn Juon auch den letzten Schritt, der ihn wohlverdient auf die Höhe großer Tonmeister bringen musste, in Folge seines all zu frühen Todes nicht selbst tun konnte, so bin ich doch fest überzeugt, dass die Zeit für die volle Anerkennung seiner hundert Werke kommen wird: denn Juon ist neue Wege gegangen!“
Juons eigenhändiges Werkverzeichnis, identisch mit dem lange vergriffenen Werkverzeichnis des Lienau-Verlags, umfasst 99 Opusnummern. Thomas Badrutt kommentierte in seinem 1998 gehaltenen, auf der Website der Internationalen Juon-Gesellschaft () verfügbaren Vortrag ‚Paul Juon, seine Musik und sein Leben’, welcher als hauptsächliche Informationsquelle dieses Vorworts diente: „Mit Klaviermusik – etwa 30 Werke in allen Schwierigkeitsgraden, und zwar meist Sammlungen von Einzelstücken, keine einzige Sonate ist darunter – und mit Kammermusik beschäftigt er sich während seines ganzen Lebens.
Die Orchesterwerke sind viel weniger zahlreich.: Zwar verwendete er schon bei seinen frühesten Kompositionsversuchen die große Besetzung mit vier Hörnern, drei Trompeten, drei Posaunen und Tuba, aber von den 18 Werken für großes Orchester, die eine Opuszahl bekommen haben, lässt er drei nicht drucken, und in den zwei Jahrzehnten zwischen 1914 und 1934 schreibt Juon keine Komposition für Orchester außer dem Dritten Violinkonzert op. 88. In dieser Periode wachsen sich aber die Kammermusikwerke oft zu richtiggehenden symphonischen Dichtungen aus.
Erst nach seiner Übersiedlung in die Schweiz, nach Vevey, im Jahre 1934 schreibt er bis zu seinem Tode am 21. August 1940 noch jedes Jahr ein großes Orchesterwerk. Den Namen ‚Symphonie’ und auch ihre Form scheint er aber zu scheuen. Juon zieht eher die lockere, suitenartige Satzfolge vor oder einsätzige Formen nach Art der symphonischen Dichtung.
Am auffallendsten ist die Verteilung der Vokalwerke. In seiner Jugend fühlte er sich zweifellos von der Vokalmusik angezogen: 1902, also im Alter von 30 Jahren, ist er bereits der Autor von zwei Opern und etwa 20 Liedern. Publiziert wurden aber bis zu jenem Jahr nur die fünf Lieder von Op. 13, und die meisten von diesen Werken haben keine Opuszahl bekommen. Von den beiden Opern wusste man bei uns überhaupt nichts, bis wir die autographen Partituren in Juons Nachlass entdeckten. Juon scheint jedoch alle diese Vokalwerke eher als Jugendsünden betrachtet zu haben, und in den späteren Jahren hat er nur noch ganz wenige Auftrags- oder Gelegenheitswerke geschrieben, nur für den Hausgebrauch, wie er selber in einem Brief versichert. Juons Tochter Aja Erguine hat mir denn auch erzählt, ihr Vater habe oft gesagt, dass ‚die Worte ihn an der Musik störten’.“
Juons orchestrales Œuvre beginnt mit zwei vor der Jahrhundertwende geschriebenen Frühwerken, die beide ungedruckt blieben (bei den gedruckten Werken ist im Folgenden das Jahr der Drucklegung, nicht der Entstehung angegeben): ‚Ingeborgs Klage’ op. 3a (1894) und der (1.) Sinfonie in fis-moll op. 10 (1895). Darauf folgen die Fünf Stücke für Streichorchester op. 16 von 1901, die (2.) Sinfonie in A-Dur op. 23 (1903), die Kammersinfonie op. 27 (1905), ‚Wächterweise. Fantasie nach dänischen Volksliedern’ op. 31 (1906), die symphonischen Skizzen ‚Aus einem Tagebuch’ op. 35 (1906, das einzige weitere Orchesterwerk, das nicht gedruckt wurde), ‚Eine Serenadenmusik’ op. 40 und das (1.) Violinkonzert in h-moll op. 42 (beide 1909), die Ballettsuite aus dem Tanzpoem ‚Psyche’ op. 32a (veröffentlicht 1910), das Tripelkonzertstück ‚Episodes concertants’ op. 45 und das (2.) Violinkonzert in A-Dur op. 49 (beide 1912). Nun trat jene lange Pause in seinem Orchesterschaffen ein, die schließlich nicht nur von der Tondichtung ‚Mysterien’ für Cello und Orchester op. 59 (1928) und dem (3.) Violinkonzert in a-moll op. 88 (1931) unterbrochen wurde, sondern auch von drei kleinen Werken für Schülerorchester: der Kleinen Serenade op. 85 (1928), der Kleinen Sinfonie op. 87 (1929) und dem Divertimento op. 92 (1933). Ab 1935 erschienen dann Juons späte Orchesterwerke im Druck: die Suite in fünf Sätzen für großes Orchester op. 93 (1935), die Suite ‚Anmut und Würde’ op. 94 (1938), die ‚Rhapsodische Sinfonie’ op. 95 und die Sinfonietta capricciosa op. 98 (beide 1939), die Burletta für Violine und Orchester op. 97 (1940) und die ‚Tanz-Capricen’ op. 96 (1941) – wie sich aus den Opusnummern ablesen lässt, schrieb Juon gegen Ende seines Lebens fast nur noch Orchestermusik.
Im Alter von 24 Jahren, als er nach Berlin kam, hatte Juon seine noch unvollendete Erste Symphonie fis-moll op. 10 im Gepäck, die von seiner Ausbildung in der russischen Schule geprägt war. Er vollendete sie 1895, und sie kam später im russischen Kislowodsk zur Uraufführung. Danach galt sie als verschollen, und erst 1997 entdeckte ein Enkel des Komponisten das Manuskript. 2011 besorgte der Dirigent Christof Escher den Erstdruck des Werkes und leitete im selben Jahr das Moskau Symphonie-Orchester in der Ersteinspielung für das schwedische Label Sterling.
Sieben Jahre nach Vollendung der Symphonie op. 10 konnte Juon in Berlin seine Zweite Symphonie A-Dur op. 23 abschließen. Sie gelangte am 24. Januar 1903 im Saal der Singakademie Berlin im letzten Abonnementkonzert der Meininger Hofkapelle unter deren Generalmusikdirektor Fritz Steinbach, dem großen Brahmsianer, aus dem Manuskript zur Uraufführung und etablierte sich schnell als Juons erfolgreichstes großsymphonisches Werk. Hier ist es weitgehend der Einfluss von Brahms, der dominant wahrnehmbar ist. Die Musik ist in jeder Hinsicht mit grandioser Meisterschaft gesetzt, von der Verarbeitung der motivischen Details über die glanzvolle Orchestration bis hin zur souveränen Beherrschung der teils durchaus unorthodox durchbildeten großen Form.
Der Kopfsatz ist in der Art einer Passacaglia geschrieben, also als nicht streng durchgeführtes Ostinato, sondern im Verlauf im Wechsel der abgeleiteten Charaktere mit Anklängen an eine Variationsform durchsetzt, aber doch in der Wirkung davon inspiriert. Das Thema ist im Charakter eher von russischer Anmutung und wird anfangs unbegleitet im Unisono vorgestellt (wie auch das Finale mit einem Unisono beginnt). Zunächst sind die Tempoveränderungen beschleunigend angelegt, dann tritt ein äußerst chromatisches Adagio molto dazwischen, und ein Andante schließt sich an, das in eine Quasi valse lente überführt, welche mit eigentümlichen Taktwechseln (2/4-Einschübe) aufwartet, um von dem abschließenden Allegro energico abgelöst zu werden. Als Ganzes eine wahrhaft ungewöhnliche Form, in welcher insbesondere die zentrale Adagio-Insel fast schon fremdartig erscheinen kann.
Das folgende Presto-Scherzo zeigt am ehesten Verwandtschaft mit der russischen Schule und erinnert ein wenig an Tschaikowsky; das Trio mit seinen gebrochenen Bordun-Anklängen ist im selben Tempo gehalten.
Der langsame Satz, ‚Romanze’ überschrieben, verzaubert mit einem mehrfach wiederkehrenden, berückenden Englischhorn-Thema, das sozusagen in einer Tradition mit den berühmten Themen aus Dvoráks Symphonie aus der Neuen Welt und Francks d-moll-Symphonie steht.
Das Finale knüpft von vornherein an die Einleitung des Kopfsatzes, also an das Passacaglia-Thema ein; die zyklische Formung wirkt freilich innerlich überzeugend, es gelingt ein organisch zusammenhängendes Ganzes, das in einen affirmativ strahlenden Schluss ausmündet.
Seinerzeit höchst erfolgreich, wurde die Symphonie in A-Dur schon zu Lebzeiten Juons allmählich vergessen und versank nach dem Zweiten Weltkrieg in einen Dornröschenschlaf, aus welchem sie anlässlich der Ersteinspielung im September 2011 durch das Moskau Symphonie-Orchester unter Christof Escher für Sterling geweckt wurde. Sie hat es verdient, wieder öfter in Konzerten gehört zu werden.
Im Oktober 1997 schrieb Paul Juons damals einzige noch lebende Tochter Aja Erguine an Thomas Badrutt: „Im Ersten Weltkrieg stand der Vater seinen Brüdern in Russland gegenüber. Nur ein gütiges Schicksal befreite ihn vom Kampfe an der Front, aber nicht vom Dienst als Dolmetscher in Ostpreußen. Im Zweiten Weltkrieg standen sich seine beiden Söhne gegenüber, Ralf als Offizier der Reichswehr, und Remi, als naturalisierter Franzose in die D. C. A. [Défense contre Avions] eingeteilt, kämpften im Elsaß während der „Drôle de guerre“ gegeneinander. Nur 7 Kilometer trennten sie voneinander. Nur der Vater wusste es. Wir erfuhren es erst später, aber der Vater war schon krank.“
Christoph Schlüren, Dezember 2015
Aufführungsmaterial ist erhältlich vom Musikverlag Robert Lienau, Erzhausen (www.musikverlag-zimmermann.de). Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.
Paul Juon
Symphony No. 2 in A major, op. 23 (1902)
I Come Passacaglia. Moderato (p. 3) – Poco più mosso (p. 9) – Tempo I (p. 14) – Più mosso (Allegro moderato, p. 24) – Più mosso (p. 33) – Adagio molto (p. 36) – Andante (p. 38) – Quasi valse lente (p. 41) – Allegro energico (p. 44)
II Scherzo. Presto (p. 53) – Trio (p. 59) – Scherzo II (p. 67)
III Romanze. Adagio (p. 74)
IV Finale. Allegro con fuoco (p. 89) – Poco meno mosso (p. 99) – Tempo I (p. 101) – Tranquillo (p. 114) –
Tempo I (p. 118) – Poco meno mosso (p. 131) – Tempo I (p. 133) – Poco più tranquillo (p. 139) – Tempo I (p. 141)
(b. Moscow, 6 March [22 February] 1872 – d. Vevey, 21 August 1940)
Preface
Though not a master of self-promotion, Paul Juon was definitely a humorist, as can be seen in the following document, which Thomas Badrutt, the leading authority in Juon, assumes was written on 1 April 1907 to satisfy a request from his publisher Robert Lienau for a detailed self-portrait:
Paul Juon: Grand Self-Biography in Seven Volumes.
Volume I.
Born in Moscow on 8 March 1872.
Volume II.
My father was an official in a fire insurance company (today he is the director of one). My mother was fond of dabbling in art; she sang and played a bit. From the circumstance that, as a boy, I liked to stay beneath the grand piano (presumably to study the pedals), it was concluded that I had a great talent for music, and a piano teacher was retained on my behalf. From this lady I learned to play with feeling the complete works of J. Ascher and similar pieces. To my good fortune, the lady soon passed away, and I was given a teacher in the form of L. Samson, from whom I learned more serious things. Later I also received violin lessons, for my father wanted to make a violinist out of me.
Volume III.
I wrote my first composition at the age of twelve or thirteen at the instigation of my father, who had noticed that I liked to sit at the piano and improvise. It was a piano piece called Separation and Reunion. Other than that I know nothing more about it. I only know that from that moment on I “composed” a multitude of miscellaneous pieces (mainly sonatas for violin and piano), which gave me a frightful amount of pleasure, especially when the curlicues and embellishments on the title page were good and plentiful. The title page was my main object. I always drew it first before composing a note of music (sometimes the music was even left uncomposed and I was content with the title page). At that time I knew nothing whatever about the theory of music, which I did not begin to study until I reached conservatory.
Volume IV.
In 1888 I entered the conservatory, where, at my father’s request, I mainly studied the violin. But I was far more interested in the theory lessons with Arensky and Taneyev – and even more so in maidenly eyes and hearts. These I studied with the greatest diligence. Nor do I regret doing so, although at times I made very dubious progress in my other studies.
In 1894 I moved to Berlin in order to work with Professor Woldemar Bargiel.
Volume V.
In 1896, I harvested my initial successes in every field of endeavor: I received an appointment to the Baku School of Music as a violin teacher, was awarded the Mendelssohn Bursary for composition, and – was able to call the most beautiful of all maidenly eyes and hearts my own.
I remained in Baku for only a year: finding too little artistic stimulation, I resolved to move to Berlin with my wife and child in order to seek my fortune there. Thus it happens that since October 1897 I have lived in Berlin, giving lessons, composing “a wee bit,” and feeling quite content, despite having three children and a mother-in-law.
Volume VI.
In October 1901 I received a scholarship from the Franz Liszt Foundation, and in April 1906 I was made a teacher of composition at the Royal School of Music.
Volume VII.
Since four o’clock in the afternoon of 1 April 1907 I have sported a long goatee.
Let us flesh out this sketch: Pavel Fedorovich Juon was the second of seven children born to Theodor Friedrich Juon (1842-1912), from the Swiss canton of Grisons, and his Russo-German wife, Emilie Gottwald. He attended the German Middle School in Moscow and volunteered for service in the Russian army. From 1889 he attended Moscow Conservatory, where he studied violin with the great Czech master Jan Hrímaly (1844-1915). He particularly admired Peter Tchaikovsky and Johannes Brahms, and allegedly earned the title of “The Russian Brahms” from his classmate Sergey Rachmaninov – a title that he would in future share with Nikolai Medtner, Alexander Glazunov, and Sergey Taneyev….
From 1898 most of Juon’s works were published by Schlesinger in Berlin, later to become the publishing house of Robert Lienau. After his return, he was employed at the Berlin Musikhochschule at the recommendation of Joseph Joachim (who had wielded decisive influence in 1896 as chairman of the board of the Felix Mendelssohn State Bursaries), first as an auxiliary teacher and from 1911 as a full professor. In 1912 he married Marie Hegner-Günthert – his second marriage. Before long he became a member of the governing board of the Union of German Composers (1917) and of the Prussian Academy of Arts (1919). In 1929 he shared the Beethoven Prize with Joseph Haas (1879-1960). Among his most important students were Heinrich Kaminski (1886-1946), Philipp Jarnach (1892-1982), Pantcho Vladigerov (1899-1978), Stefan Wolpe (1902-1972), and Hans Chemin-Petit (1902-1981). In addition to composing and teaching, Juon also wrote a treatise on harmony, a textbook on modulation, exercises in two-voice counterpoint, and translated a two-volume biography of Tchaikovsky from the Russian by the composer’s brother, Modeste Tchaikovsky (1850-1916). He was also a reader for the firm of Lienau, where among other things he supervised the publication of Jean Sibelius’s Violin Concerto, the symphonic poem Pohjola’s Daughter, and the orchestral suite Pelléas et Mélisande. In 1934 he moved to Switzerland, where he settled in Vevey.
In 1942 Juon’s friend and loyal publisher Robert Lienau completed his unpublished memoirs, a typescript of which was found among Juon’s posthumous papers (located today in the Fonds Paul Juon in Lausanne Library). Here we can read the following:
“It was not only Sibelius who had a high opinion of Paul Juon. Everyone who looked more closely at his compositions recognized his significance. I myself, as a publisher, exerted myself wholeheartedly for him and his music and published the bulk of his works. It was a stroke of luck that first brought us together. In the winter of 1897, during a domestic quartet recital, the violin maker and cellist Otto Möckel drew my attention to his young brother-in-law Paul Juon, who, he said, was a musician and had written pretty pieces for the piano, among other things. I invited Juon to visit me, and he played for us (my father was ill and listened in an adjoining room) his Violin Sonata [op. 7] and the short Piano Sketches [op. 1] with the violinist Franz Fink. They left a strong impression on us; we immediately sensed that here was a young talent in embryo. I decided on the spot to run the risk of acquiring his first compositions. At that time Juon was living in very modest circumstances with his lovely young wife, and he told me later that his first fee of 100 Reichsmarks left him so overjoyed that he rushed home in a mad dash and hugged and kissed his Katy over and over again.
“To grant him freedom to compose, I managed to attract the interest of several affluent music-lovers and to arrange for a handsome scholarship to be awarded him for a number of years, thereby allowing him to put aside his wearisome teaching load. In tireless application he then developed into a finished master and created a great many works of music. He became a theory teacher at the Berlin Musikhochschule and was soon honored by a large circle of students. The success of his compositions, especially the chamber music written under Nordic influence, grew from year to year, as has that of his recent large-scale orchestral works. I published almost all of Juon’s compositions, merry and serious alike. My trust in him was never disappointed, though there were the usual setbacks. Personally, we grew ever-closer and became true and inseparable friends – an ideal relation between author and publisher! And though Juon was prevented by his untimely death from taking the final well-deserved step to the heights of the great masters, I am firmly convinced that the time will come when his one-hundred works will receive full recognition: for Juon struck out on new paths!”
Juon’s autograph catalogue of works, virtually identical to the long out-of-print catalogue issued by Lienau, contains ninety-nine opus numbers. Thomas Badrutt, in his lecture “Paul Juon, his music and life,” delivered in 1998 and now available at the web site of the International Juon Society (ww.juon.org the main source of information for the present preface), has this to say about Juon’s music:
“Throughout his entire life he busied himself with piano music (some thirty works at every level of difficulty, usually in collections of isolated pieces, but not a single sonata) and with chamber music. The orchestral works are far less plentiful. True, his earliest essays in composition called for large forces with four horns, three trumpets, three trombones, and tuba. But of the eighteen works for full orchestra that bear an opus number, only three failed to reach publication, and in the two decades between 1914 and 1934 he wrote nothing at all for orchestra apart from the Third Violin Concerto, op. 88, though his chamber music of the same period often expanded into fully-fledged symphonic poems. It was only after moving to Switzerland, to Vevey, in 1934 that he wrote a large orchestral work every year until his death on 21 August 1940. Still, he seemed to avoid both the name ‘symphony’ and the form itself. He preferred loose-limbed suite-like series of numbers or single-movement forms in the manner of the symphonic poem.
“The distribution of his vocal works is most striking. He was unquestionably attracted to vocal music in his youth: by 1902, at the age of thirty, he had already written two operas and some twenty lieder. But all he had published up to that point were the five lieder of op. 13, and most of these works were left without opus numbers. We knew nothing at all about the two operas until we discovered the autograph scores lying among Juon’s posthumous papers. However, he seems to have regarded all these vocal pieces as sins of his youth, and in later years he wrote very few works on commission or for particular occasions, but only for domestic use, as he assures us in a letter. Juon’s daughter Aja Erguine told me that her father often said that ‘the words distracted him from the music.’”
Juon’s orchestral oeuvre begins with two unpublished early works written before the turn of the century: Ingeborgs Klage, op. 3a (1894), and the Symphony [no. 1] in F-sharp minor, op. 10 (1895). (Dates for the published works listed below refer to year of publication rather than composition.) These were followed by Five Pieces for String Orchestra, op. 16 (1901), the Symphony [no. 2] in A major, op. 23 (1903), the Chamber Symphony, op. 27 (1905), Wächterweise: Fantasy on Danish Folk Songs, op. 31 (1906), the symphonic sketches Aus einem Tagebuch, op. 35 (1906, the only other orchestral work left unpublished), Eine Serenadenmusik, op. 40, and the Violin Concerto [no. 1] in B minor, op. 42 (both 1909), a ballet suite from the poème dansé Psyche, op. 32a (1910), and the triple concerto Episodes concertants, op. 45, and the Violin Concerto [no. 2] in A major, op. 49 (both 1912). Then a long hiatus entered his orchestral output. It was broken not only by the tone-poem Mysterien for cello and orchestra, op. 59 (1928), and the Violin Concerto [no. 3] in A minor, op. 88 (1931), but also by three little pieces for school orchestra: Little Serenade, op. 85 (1928), Little Symphony, op. 87 (1929), and Divertimento, op. 92 (1933). Then, beginning in 1935, his late orchestral works appeared in print: Suite in Five Movements for full orchestra, op. 93 (1935), the suite Anmut und Würde, op. 94 (1938), Rhapsodic Symphony, op. 95, and Sinfonietta capricciosa, op. 98 (both 1939), Burletta for violin and orchestra, op. 97 (1940), and Dance Caprices, op. 96 (1941). As the opus numbers reveal, toward the end of his life Juon wrote practically nothing but orchestral music.
When Juon arrived in Berlin at the age of twenty-four, among the items in his luggage was his unfinished First Symphony in F-sharp minor (op. 10), which still bore the hallmarks of his training in the Russian school. He completed the work in 1895, and it was later premièred in the Russian resort town of Kislovodsk. Thereafter it was considered lost until the manuscript was unearthed by a grandson of the composer. In 2011 the conductor Christof Escher arranged for the work’s publication and directed its first recording with the Moscow Symphony Orchestra for the Sterling label.
Seven years after completing his op. 10, Juon, now in Berlin, finished his Second Symphony in A major (op. 23). Its première, given in the auditorium of the Berlin Singakademie on 24 January 1903, was performed from manuscript during the final subscription concert of the Meiningen Court Orchestra, conducted by its general music director, the eminent Brahmsian Fritz Steinbach. It quickly became Juon’s most successful large-scale symphonic work. Though the influence of Brahms is everywhere apparent, the music reveals superb mastery in every respect, from the manipulation of its motivic details to its brilliant orchestration and its consummate command of the slightly unorthodox large-scale form.
The opening movement is a sort of passacaglia in which the ostinato, rather than being strictly maintained, changes character as the piece progresses and is pervaded by echoes of variation form, to inspired effect. The theme, with its Russian tinge, is stated in unaccompanied unison at the opening (just as the finale opens with an unisono). At first the tempo changes constantly accelerate, only to give way to an extremely chromatic Adagio followed by an Andante. This in turn leads to a Quasi valse lente with odd changes of meter (2/4 interpolations) and a concluding Allegro energico. On the whole, it is a truly unusual form in which the central Adagio island in particular can seem almost out of place.
The Presto-Scherzo that follows reveals the closest ties to the Russian school, being slightly reminiscent of Tchaikovsky. The trio section, with its fractured echoes of bordun, remains in the same tempo.
The slow movement, headed Romanze, captivates with the multiple recurrence of its entrancing theme for cor anglais, a nod to a tradition that gave us the famous themes from Dvořák’s New World Symphony and Franck’s Symphony in D minor.
The finale draws from the very outset on the introduction to the opening movement, and thus on the passacaglia theme. The cyclic form seems inherently convincing, producing a coherent organic whole that ends in a radiant statement of affirmation.
Though highly successful in its day, the Symphony in A major was gradually forgotten even during Juon’s lifetime. At the end of the Second World War it fell into a limbo from which it was rescued in September 2011 by Christof Escher’s première recording with the Moscow Symphony Orchestra for Sterling. It fully deserves to be heard more frequently in concert.
In October 1997 Juon’s sole surviving daughter, Aja Erguine, wrote to Thomas Badrutt:
“In the First World War, my father faced his brothers in Russia. Only a benevolent fate spared him from having to fight at the front, but not from having to serve as an interpreter in East Prussia. In the Second World War, his two sons faced each other, Ralf as an officer in the Reichswehr, and Remi, being a naturalized Frenchman, as a member of the air defense. They stood opposite each other in Alsace during the drôle de guerre, only seven kilometers apart. Only father was aware of it. We did not learn of it until much later, by which time father was already very ill.”
Translation: Bradford Robinson
Aufführungsmaterial ist erhältlich vom Musikverlag Robert Lienau, Erzhausen (www.musikverlag-zimmermann.de).
For performance material please contact Robert Lienau, Erzhausen (www.musikverlag-zimmermann.de). Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.