Lili Boulanger

(b. Paris, 21 August 1893 - d. Mézy, 15 March 1918)

Pie Jesu

Lili Boulanger, Nadia Boulanger younger sister, is one of the greatest illustrations in the history of music and arts that a living spirit transcends all barriers and goes far beyond time. Her artistic legacy both testifies of the presence of a genius and a visionary artist. In spite of the tragic fact that she passed away at the age of twenty four years, Lili Boulanger has given the world a rare artistic treasure through her outstanding music and singular voice.
The masterpieces that are left of Lili’s remarkable production were created within a period of seven years between
1911 and 1918. Just seven years… She almost entirely destroyed the rest of her works that she had composed between 1905 and 1910.
In such short period of activity, Lili has achieved an amazing catalogue of diverse works while being awarded the « Premier Prix de Rome » in 1913 for her Cantata « Faust et Hélène » which gave her instant international recognition in the music world. Ricordi, the music publishing house, signed her immediately and provided the guarantee that her music would soon be published apart of the financial support she would get for her work as a composer. Being the first woman to obtain such price undoubtedly was a significant indication that times had changed with her presence in a so called « man world ». But further to that turning point in the history of music, Lili Boulanger, in spite of her dramatic health issue, continued to create further other masterpieces that I invite you to discover on the various links given below.

Pie Jesu for vocal, string quartet, harp and organ is the last piece Lili composed in 1918. Too weak to be able to write down this piece, she dictated the entire score to her beloved sister, Nadia.

Nadia Boulanger, the world renowned pedagogue who lived until the age of ninety three years, described in her Mémoires that Lili was incredibly clear about how her music should sound in spite of the last moments of hers. Without any sign of hesitation, Lili dictated to Nadia what would be her testimony. This last composition is all about hope, love and compassion, which makes it so heart-rending. In a feeling of absolute tranquility and effortless expressive effect it condenses the state of Lili’s own soul…
In this contemplative and religious piece, the three tempi are like the sound of her heart beats and suggest somehow the three steps of her surrendering to God.
The first part, written in 6/4, comprises the first four pages and expresses in chromatic and tense ascendant / descendant lines of the organ the feeling of abandon and ineluctable issue. Above, the strings quartet accompanies the organ in subtle, soft chromatic intervals through a pulse of two beats (given on the first and fourth beat) while the voice stands out in a magnificent melody articulating the Pie Jesu strophes in Latin.
The few silent moments given to the voice at the beginning of each sequence, are making it more intense as well, as if the song expresses the last breath taken each time before surrendering to the Ultimate…
In the first section the climax is exposed by an amazingly elaborated sequence in harmony and polyphony played on the organ during seventeen bars while the voice expresses forte on the first eight bars, and only at that time, a feeling of immense despair.
After this intense effect and progression a sudden change follows, once again astonishing both by dynamics and the use of harmony (listen to the repetitive bass of the organ played on Ab and on 6 measures, then played on D, for the next 6 measures). Above, the singer all in a sudden softly changef the feelings as if she prepares herself to enter into another world.
The second section in 2/2 happens there precisely…
Written as « très expressif », it brings back only within seven measures an atmosphere of quietness and tenderness. At the end of that short second section, both mentions « Ritenuto Molto » with « très calme et clair » are suggesting very clearly and softly that Lili, who sings her last Pie Jesu in her heart, is going to leave that world to enter another one. How touching she abandons herself in that moment goes beyond words…
What comes next, the third section in 4/4, is a message of great love and absolute surrender to the Almighty. The
tempo is beautifully calm while the tonal structure changes and goes to a C major scale mixed with enharmonies. The Harp starts there and gives a very delicate, harmonious accompaniment to the last two phrases sung by the vocalist.
It’s an angel’s voice which sings in absolute tranquility of peace and transfiguration of death. Lili Boulanger, un météore dans le Ciel…
Ariane Gray Hubert, Concert pianist, Singer & Composer, 2015 www.arianegrayhubert.com

Reprint of a copy from the Vera Oeri-Bibliothek der Musik Akademie Basel, Basel.

Lili Boulanger

(geb. Paris, 21. August 1893 - gest. Mézy, 15. März 1918)

Pie Jesu

Lili Boulanger, Nadia Boulangers jüngere Schwester, ist eines der überragenden Beispiele in der Musik- und
Kunstgeschichte, wie ein lebendiger Geist alle Hindernisse überwindet und selbst die Zeit transzendiert.
Ihr künstlerisches Vermächtnis zeugt von einer geistvollen und visionären Künstlerin. Trotz des tragischen Umstands, dass sie bereits im Alter von 24 Jahren starb, hinterliess Lili Boulanger der Welt einen außergewöhnlichen künstlerischen Schatz in Form ihrer hervorragenden Musik und ihrer einzigartigen künstlerischen Manifestationen.
Die Meisterwerke, die von Lili Boulanger erhalten sind, stammen aus einer Periode von sieben Jahren zwischen den Jahren 1911 und 1918. Gerade einmal sieben Jahren ... die Werke, die sie zwischen 1905 und 1910 komponierte, hat sie fast vollständig vernichtet.
In dieser kurzen aktiven Phase, während der sie 1913 den Premier Prix de Rome für die Kantate Faust et Hélène gewann, entstand ein erstaunlicher Katalog unterschiedlicher Werke, die ihr umgehend internationale Anerkennung einbrachte. Der Verleger Ricordi sicherte sich sofort die Rechte an ihrem Werk, nachdem er ihr versprochen hatte, ihre Musik unabhängig von der finanziellen Unterstützung, die sie als Komponistin erhalten würde, zu veröffentlichen. Dass sie als erste Frau einen solchen Preis erhielt war zweifellos ein wichtiges Zeichen dafür, dass sich durch ihre Präsenz die Zeiten in einer sogenannten „Männerwelt“ geändert hatten. Trotz ihrer schweren gesundheitlichen Probleme schuf Lili Boulanger weitere Meisterwerke, zu deren Entdeckung ich Sie in den unten angegebenen Links einlade.

Pie Jesu für Stimme, Streichquartett, Harfe und Orgel ist das letzte Werk der Komponistin aus dem Jahr 1918. Da sie zu schwach war, um das Werk zu notieren, diktierte sie die vollständige Partitur ihrer geliebten Schwester Nadia.

Nadia Boulanger, die weltbekannte Pädagogin, die 93 Jahre alt wurde, beschrieb in ihren Mémoires, wie unglaublich klar Lilis Vorstellungen vom Klang ihrer Musik während der letzten Momente ihres Lebens waren.
Ohne jedes Zögerns diktierte die Komponistin ihrer Schwester – gleich einem Zeugnis – diese letzte, herzergreifende Komposition über Hoffnung, Liebe und Barmherzigkeit. Die Partitur fasst im Gefühl von absoluter Gelassenheit und mühelosem expressivem Effekt Lilis eigenen Seelenzustand zusammen ...
In diesem nachdenklichen und religiösen Werk erscheinen die drei verwendeten Tempi wie der Klang von
Herzschlägen und offenbaren in gewisser Hinsicht die drei Schritte ihrer eigenen Hingabe an Gott.
Der erste Teil, im 6/4-Takt geschrieben, geht über die ersten vier Seiten und drückt durch Chromatik und gespannte auf – und absteigende Linien der Orgel ein Gefühl von Hingabe und Unausweichlichkeit aus. Darüber begleitet das Streichquartett die Orgel in dezenten, weichen chromatischen Intervallen in Halben auf den
Zählzeiten 1 und 4, während die herrliche Melodie der Singstimme mit dem Text des Pie Jesu in lateinischer
Sprache hervorsticht.
Die wenigen stillen Momente der Stimme zu Beginn jeder Zeile steigern die Intensität, als drücke das Stück den letzten Atem vor dem Übergang ins Jenseits aus.
Vom ersten bis zum zweiten Abschnitt der Partitur wird der Höhepunkt durch eine erstaunlich ausgearbeitete harmonische und polyphone Sequenz erzeugt, die von der Orgel während 17 Takten gespielt wird. Nur in diesen ersten acht Takten vermittelt die Stimme mit einem einzigen forte ein Gefühl höchster Verzweiflung.
Nach diesem intensiven Effekt folgt eine plötzliche Wende, überraschend sowohl in Dynamik als auch Harmonie (hören Sie einmal die Wiederholungen im Bass der Orgel auf As in sechs folgenden Takten, danach auf D in den nächsten sechs Takten). Darüber erklingt der Gesang in einem unerwarteten, leisen Wechselbad der Gefühle, als ob sie sich für den Übergang in eine andere Welt vorbereiten würde.
Der zweite Teil des Werkes im 2/2-Takt findet genau dort statt ...
Als très expressif überschrieben, bringt er in nur sieben Takten das Gefühl von Ruhe und Zärtlichkeit zurück. Am Ende dieser kurzen Passage deuten die Vermerke ritenuto molto und très calme et clair klar und leise an, dass Lili, die ihr letztes Pie Jesu in ihrem Herzen singt, dabei ist, diese Welt in eine andere zu verlassen. Wie anrührend sie sich selbst preisgibt, ist nicht in Worte zu fassen...
Was danach kommt – der dritte Teil im 4/4-Takt – ist die Botschaft großer Liebe und absoluter Hingabe an den Allmächtigen. Das Tempo ist ruhig, während sich die tonale Struktur ändert und vermischt mit enharmonischen Klängen nach C-Dur geht. Hier setzt die Harfe ein, die unter die letzten beiden Phrasen der Singstimme eine zarte und harmonische Begleitung legt.
Es erklingt die Stimme eines Engels, der in absoluter Gelassenheit den Frieden besingt und die Überwindung des Todes.
Lili Boulanger, ein Meteor am Himmel ...
Ariane Gray Hubert, Concert pianist, Singer & Composer, 2015 www.arianegrayhubert.com

Nachdruck eines Exemplars der Vera Oeri-Bibliothek der Musik Akademie Basel, Basel.

Recordings with Lili Boulanger’s music / Aufnahmen mit Lili Boulanger’s music:

- Lili Boulanger : Du fond de l’abîme, Psaumes 24 & 129, Pie Jesus, Vieille pièce bouddhique, 3 pièces pour violon et piano

(Y. Menuhin & C. Curzon) - Orchestre Lamoureux, Dir. Igor Markevitch (1958 & 1967, Emi CDM 7 64281 2)

- Lili Boulanger : Psaume 24 – Faust et Hélène – D’un soir triste – D’un matin de printemps – Psaume 130, City of Birmingham Symphony Chorus, BBC Philharmonic (dir. Yan Pascal Tortelier), Lynne Dawson (mezzo-soprano), Ann Murray (mezzo-soprano), Bonaventura Bottone (ténor), Neil MacKenzie (ténor), Jason Howard (basse), Chandos, 1999

- Lili Boulanger : Thème et Variations, Piano Solo, by Ariane Gray Hubert, A Piano Solo Tribute : My Way, https://

itunes.apple.com/fr/artist/ariane-gray-hubert/id567115074