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Paul Dukas

(geb. Paris, 1. Oktober 1865 — gest. Paris, 17. Mai 1935)

L’Apprenti sorcier (1897)

(Der Zauberlehrling, nach der Ballade von Goethe)

Assez lent (p. 1) – Vif (p. 2) – Assez lent – Vif (p. 3) – Vif (p. 5) – Plus animé (p. 41)

Très vif (p. 48) – Retenu (p. 49) – Vif (p. 51) – Plus animé (p. 68) – Assez lent (p. 72) – Vif (p. 74)

Vorwort

Unter den großen Meistern seiner Generation kommt Paul Dukas eine Sonderstellung zu. Weit mehr als sein enger Freund Claude Debussy, den er noch an seinem Todestag besuchte, betätigte er sich als Kritiker, und ganz selten hat jemand in diesem Fach solche epochenübergreifende, selbständig verknüpfende Fachkenntnis und Offenheit gegenüber anderen Haltungen mit solcher Tiefe der Betrachtungen und hochkultivierter Ernsthaftigkeit zu verbinden verstanden. Außerdem wirkte er als hochgeschätzter Lehrer einer ganzen Generation von Komponisten, die später zu Frankreichs bedeutendsten zählen sollten (darunter Jehan Alain, Maurice Duruflé, Claude Arrieu, Jean Langlais, Olivier Messiaen, Elsa Barraine, der Spanier Joaquín Rodrigo und der Mexikaner Manuel Ponce). Und als Komponist war er zwar einer der technisch höchstrangigen, und überdies ein Künstler von originärer Inspiration, doch hat er nur ganz wenige Werke hinterlassen, die seiner Selbstkritik standhielten, und nur eines dieser Werke ist weltweit ins Standardrepertoire eingegangen und hat seinen Namen wirklich berühmt gemacht: «L’Apprenti Sorcier», der ‚Zauberlehrling’, die kompakte symphonische Dichtung nach Goethes gleichnamiger Ballade. Dabei gibt es durchaus weitere Werke, die in der Fachwelt hohes Ansehen genießen, sei es die Maeterlinck-Oper «Ariane et Barbe-bleu» (1907), das Tanzpoem «La Péri» von 1911 (sein letztes, trotz erheblicher Zweifel auf Zureden seiner Freunde veröffentlichtes, 1912 uraufgeführtes Hauptwerk), die monumentale Klaviersonate (1900) und «Variations, interlude et finale sur un thème de Beethoven» (1899-1902), auch die dem ‚Zauberlehrling’ unmittelbar vorausgegangene Symphonie in C von 1896. Andere Werke, insbesondere alle nach «La Péri» entstandenen, hat er niemals jemandem zugänglich gemacht und kurz vor seinem Tode sämtlich verbrannt, darunter eine Zweite Symphonie, mehrere Ballette und eine Sonate für Violine und Klavier (es gibt heute außer dem Konzertstück «Villanelle» für Horn und Klavier von 1905 nicht ein einziges weiteres Kammermusikwerk aus seiner Feder).

«L’Apprenti sorcier», 1897 komponiert, war Dukas’ vierte symphonische Dichtung. Er war sich bewusst, dass ihm dieses Werk rundum gelungen war, und sah danach auch keine Veranlassung mehr, noch eine weitere symphonische Dichtung zu schreiben, um etwa an den großen Erfolg, der sich bald einstellen sollte, anzuknüpfen. Wie er so gut wie nichts über sein Privatleben an die Öffentlichkeit dringen ließ, es lange Zeit nicht einmal zuließ, dass auch nur ein Foto gemacht wurde (weswegen nur Photographien aus fortgeschrittenem Alter vorhanden sind), verabscheute er auch jede Motivation um des bloßen Publikumserfolgs willen. Nur das Beste konnte gelegentlich gut genug sein, und da maß er sein Schaffen beständig an den großen Meisterwerken, mit denen er als unbestechlicher Kritiker kontinuierlichen Umgang pflegte.

Seine erste symphonische Dichtung, die Shakespeare-Konzertouvertüre «Le Roi Lear», komponierte Dukas 1882. Sie zeugt stilistisch noch deutlich von seiner Berlioz-, Liszt- und Wagner-Faszination, neigt zu durchaus fesselnder Weitschweifigkeit und besitzt noch nicht jene außergewöhnliche Fähigkeit der substanziellen Verdichtung der Aussage, die dann bald typisch für ihn werden sollte. Ganz anders 1883 die brillant ausgeführte Goethe-Konzertouvertüre «Goetz de Berlichingen», die mit erstaunlicher Clarté und Stringenz besticht. 1891 folgte die freier komponierte symphonische Dichtung «Polyeucte. Ouverture pour la tragédie de Corneille», das erste Werk, dem Dukas volle Gültigkeit zugestand und das dann bei Durand im Druck erschien und heute noch gelegentlich, wenn auch selten, zu hören ist.

Faszinierend an «L’Apprenti sorcier» ist, wie Dukas einerseits eine streng organisierte Sonatenform durchführt und andererseits zugleich eine bildhaft schildernde Programmmusik inszeniert, die hinsichtlich ihrer gegenständlichen Plastizität nicht im mindesten hinter Musterbeispielen der Gattung wie Richard Strauss’ ‚Till Eulenspiegels lustige Streiche’ zurücksteht. Technisch ist eine souveränere, makellosere Handhabung, ein höherer Grad an Präzision nicht vorzustellen, was die Faktur des Satzes, das dramaturgische Geschick, den Aufbau der Steigerungswellen mit ihren agogischen Wellenbewegungen, die psychologische Verwendung kurzer charakteristischer Motive wie des fallenden Kleinterz-Hilferufs (den Sergiu Celibidache ein Dreivierteljahrhundert später im Überflutungsinferno von ‚Es regnet in die Gieskanne’ seiner Orchester-Suite ‚Der Taschengarten’ ungeheuer wirkungsvoll paraphrasieren sollte), die Einprägsamkeit der Themen und ganz allgemein die Orchestration betrifft. Humor und Überzeichnungen sind stets unmissverständlich, doch niemals billig. Die Proportionen sind, man kann es nicht anders sagen, perfekt abgestimmt, auch am Schluss, wo die gespenstisch kühle langsame Einleitung wiederkehrt, um abrupt und unwiderruflich von vier Vivace-Tönen vom Tisch gewischt zu werden: „Nun hat der Spuk ein End’!“ «L’Apprenti sorcier» ist vor allem unter dem englischen Titel «The Sorcerer’s Apprentice» weltberühmt geworden, als Walt Disney 1940 Leopold Stokowski eine gekürzte Version des Stücks einspielen ließ als Illustrationsmusik zu seiner hinreißenden Mickey Mouse-Version des ‚Zauberlehrlings’ in dem legendären Zeichentrickfilm ‚Fantasia’. Dukas’ Tochter Adrienne-Thérèse, 1919 aus der 1916 mit Suzanne Pereyra geschlossenen Ehe hervorgegangen, flog 1958 in die USA, um Disney in Hollywood zur Rede zu stellen, kam jedoch bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Miami ums Leben.

Paul Dukas vollendete «L’Apprenti sorcier» 1897 und dirigierte selbst am 15. Mai 1897 in einem Konzert der Société National de Musique in Paris die Uraufführung. Danach erschienen noch im selben Jahr bei Durand & Cie, Editeurs, Paris, Partitur und Stimmen im Druck. Seither haben sich die großen Dirigenten und Orchester unablässig dieses vollendet wirkungsvollen Meisterwerks angenommen, und falls der Studierende eine Aufnahme anzuhören wünscht, so sei ihm zu Sergiu Celibidache oder auch Leopold Stokowski, Dimitri Mitropoulos oder Charles Münch geraten.

Christoph Schlüren, August 2013

Aufführungsmaterial ist vom Verlag Durand, Paris (www.durand-salabert-eschig.com), zu beziehen.

Paul Dukas

(b. Paris, 1 October 1865 — d. Paris, 17 May 1935)

L’Apprenti sorcier (1897)

(The Sorcerer’s Apprentice, after Goethe’s ballad)

Assez lent (p. 1) – Vif (p. 2) – Assez lent – Vif (p. 3) – Vif (p. 5) – Plus animé (p. 41)

Très vif (p. 48) – Retenu (p. 49) – Vif (p. 51) – Plus animé (p. 68) – Assez lent (p. 72) – Vif (p. 74)

Preface

Paul Dukas occupies a special place among the great composers of his generation. He was an active critic – far more so than his close friend Claude Debussy, to whom he paid a visit on the day of his death; rarely has anyone in this profession combined such historically broad-based and independently minded specialist knowledge with such depth of observation and high-minded earnestness while remaining tolerant of contrary opinions. He was also the highly revered teacher of an entire generation of composers who later advanced to the forefront of French music: Jehan Alain, Maurice Duruflé, Claude Arrieu, Jean Langlais, Olivier Messiaen, and Elsa Barraine, not to mention Joaquín Rodrigo of Spain and Manuel Ponce of Mexico. Finally, he was one of the most technically accomplished composers of his day and an artist of inspired originality. Yet he left behind only a small body of works that managed to survive his self-criticism. Moreover, only one of them has entered the world’s standard repertoire and made his name truly famous: L’Apprenti Sorcier (“The Sorcerer’s Apprentice”), a compact symphonic poem based on Goethe’s like-named ballad. Other of his works enjoy high esteem in professional circles, including his Maeterlinck opera Ariane et Barbe-bleu (1907), the “danced poem” La Péri of 1911 (his final magnum opus, premièred in 1912 despite his strong reservations toward the encouragement of his friends), the monumental Piano Sonata (1900), Variations, interlude et finale sur un thème de Beethoven (1899-1902), and the piece that immediately preceded The Sorcerer’s Apprentice, the Symphony in C (1896). His other works, particularly all those written after La Péri, were kept secret and committed to the flames shortly before his death. Among them were a second symphony, several ballets, and a sonata for violin and piano (apart from a concert piece of 1905 entitled Villanelle for horn and piano, no chamber music from his pen survives at all).

The Sorcerer’s Apprentice, composed in 1897, was Dukas’ fourth symphonic poem. Perfectly aware that this work had succeeded on all fronts, he saw no further cause to write another symphonic poem in order to capitalize on the great success that soon befell it. Just as he allowed practically nothing of his private life to reach the public eye (for a long time he would not even allow his picture to be taken, so that all existing photographs of him show him at an advanced age), he shunned every attempt to curry favor with the public. Only the best was occasionally good enough for him, and he constantly measured his music against the yardstick of the great masterpieces, with which, as an incorruptible critic, he was in continual contact.

Dukas’ first symphonic poem, the concert overture Le Roi Lear after Shakespeare, dates from 1882 and still bears stylistic witness to a fascination for Berlioz, Liszt, and Wagner. It tends toward a beguiling prolixity and lacks the extraordinary capacity for compact expression that would soon typify his output. The brilliantly executed concert overture Goetz de Berlichingen after Goethe (1883) is quite another matter, being written with astonishing rigour and clarté. It was followed in 1891 by the freely composed symphonic poem Polyeucte: Ouverture pour la tragédie de Corneille, the first work that Dukas accepted without reservations. It was duly published and is still heard today, albeit rarely.

The fascinating thing about The Sorcerer’s Apprentice is the manner in which Dukas carries out a rigorously structured sonata-allegro form while staging brilliantly picturesque program music which, in its vivid representation of physical objects, is in no way inferior to such prime examples of the genre as Richard Strauss’s Till Eulenspiegel. In technical terms, more consummate and flawless craftsmanship and a greater degree of precision can hardly be imagined as regards its compositional fabric, its deft dramatic structure, the pacing of its crescendos with their irregular undulations, the memorableness of its themes, its orchestration in general, and the psychological application of such characteristic motifs as the supplicating cry of a falling minor third (three-quarters of a century later Sergiu Celibidache, in his orchestral suite Der Taschengarten, would paraphrase this motif to tremendous effect in the diabolical flood of “It’s raining in the watering can”). Its humor and caricatures, though always easy to detect, are never tawdry. The proportions are perfectly calibrated – no other word will do – even in the ending, where the slow introduction returns in ghastly pallor only to be swept brusquely and irrerievably aside by four notes of vivace, putting an end to the phantasmagoria. The Sorcerer’s Apprentice became world-famous above all in 1940, when Walt Disney had Leopold Stokowski record an abridged version of it as a musical background for his thrilling version with Mickey Mouse in the legendary animated film Fantasia. Dukas’ daughter Adrienne-Thérèse, born in 1919 to Suzanne Pereyra, his wife since 1916, flew to the United States in 1958 to accost Disney in Hollywood, only to die in a plane crash near Miami.

Dukas completed The Sorcerer’s Apprentice in 1897 and conducted the première himself in Paris during a concert of the Société National de Musique on 15 May 1897. That same year it was issued in full score and parts by the Parisian publishers Durand & Cie. Since then this superbly effective masterpiece has been taken up by the great conductors and orchestras; and if the assiduous reader wishes to listen to a recording, we heartily recommend not only Sergiu Celibidache, but also Leopold Stokowski, Dimitri Mitropoulos, and Charles Munch.

translated by J. Bradford Robinson

For performance materials please contact the publisher Durand, Paris (www.durand-salabert-eschig.com).