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Felix Weingartner, Edler von Münzberg

(geb. Zadar, 2. Juni 1863 - gest. Winterthur, 7. Mai 1942)

VI. Symphonie h-moll op. 74 ‚La Tragica’ (1927-28)

I Andante moderato, alla marcia (p. 3)

Più mosso, molto deciso (p. 11)

Tempo del principio (p. 17)

II Allegro un poco grave (p. 19)

Trio. Poco meno (p. 25)

III Adagio (p. 27)

IV Finale. Vivace (p. 33)

Meno mosso, tranquillo (p. 63)

Andante – Vivace (p. 64)

Presto (p. 66)

Vorwort

Dafür, dass er einer der fähigsten und angesehensten Dirigenten seiner Zeit war, dass er als Komponist in letzter Makellosigkeit das Handwerk in allen Facetten – mit besonders glänzender Ausprägung hinsichtlich feinabgestimmter Orchestration und Balance der großen Form – beherrschte, dafür ist Felix Weingartner mit sieben substanziellen Beiträgen zur Gattung als Symphoniker schon zu Lebzeiten erstaunlich marginal beachtet worden. Danach interessierte sich für ihn, den unglücklich streitbaren Schöngeist, gar niemand mehr außer denen, die ihn als idiomsicheren Dirigenten der Klassiker Beethoven, Brahms und Liszt verehrten. Die beiden Letzteren hatte er ja noch gekannt, war von Liszt in jungen Jahren gar erheblich gefördert worden. Weingartner war als Komponist das ziemliche Gegenteil eines revolutionären Neuerers. Er hielt eindeutig klassizistische Werte hoch, und zugleich lag ihm das allzu grobstofflich Direkte fern. Also musste man Feingeist ohne konsequenten Originalitätsanspruch sein, um sich wirklich für ihn zu interessieren, und derlei Interessenten bilden eine verschwindende Minderheit.

Nach ein paar Jugendwerken der 1870er Jahre wie einer Goethe-Idylle mit Soli, Chor und Orchester (1874) einer Ouvertüre für Streichorchester (1878), einem Fest-Marsch oder der Bühnenmusik zu ‚Der Verführer von Sevilla’ war 1882 die Serenade für Streicher op. 6 das erste Orchesterwerk, mit dem Weingartner seine Stimme in der Öffentlichkeit geltend machte. Schon in ihr zeigt sich jene Mendelssohn vergleichbare Gewandtheit und Eleganz, jener sichere Geschmack und untrügliche Sinn für stimmige formale Proportionen, der Weingartner künftighin vor vielen anderen auszeichnen sollte. Als Nächstes entstand die symphonische Dichtung ‚Das Wunder des Asokabaumes’ (1884-85), die er später in überarbeiteter Fassung autorisierte. Mit ‚König Lear’ op. 20 (1896) und ‚Das Gefilde der Seligen’ op. 21 folgten mehr als ein Jahrzehnt später zwei symphonische Dichtungen, denen allerdings drei umfangreiche Opern vorangegangen waren, bevor der nunmehr 35jährige Komponist es 1898 wagte, mit seiner Ersten Symphonie G-Dur op. 23 sozusagen in den ‚Kreis der Erlauchten’ einzutreten – denn, auch wenn er es nicht zugegeben hätte, damit begab er sich geradewegs in die Gesellschaft Beethovens und seiner Nachfolger. Die Zweite Symphonie Es-Dur op 29, entstanden 1897-99, folgte im Jahr darauf. Erst ein Jahrzehnt später, nunmehr um die monumentale Erfahrung der Opern-Trilogie ‚Orestes’ op. 30 nach Aischylos (1900-01) und vieles andere reicher, schrieb er 1909-10 seine Dritte Symphonie E-Dur op. 49 mit Orgel ad libitum. Nun kamen das bezaubernde Violinkonzert op. 52 (1911), die Lustige Ouvertüre op. 53 (1911-12, sein meistgespieltes Stück), die Konzert-Ouvertüre ‚Aus ernster Zeit’ op. 56 (1914) und das Cellokonzert op. 60 (ca. 1916), bevor er 1916-17 seine Vierte Symphonie F-Dur op. 61 komponierte. Sechs Jahre später entstand die Fünfte Symphonie c-moll op. 71 (1923) mit ihrem gewaltig fugierten Finale. Sie sollte gefolgt werden von der Sechsten Symphonie (1927-28), den sechs heiteren kleinen Orchesterstücken ‚La Burla’ op. 78 (1929-30), der herrlichen symphonischen Dichtung in Variationsform ‚Frühling’ op. 80 (1930-31), der Sinfonietta für Streichtrio und kleines Orchester op. 83 (1934), der sein orchestrales Schaffen imposant krönenden Siebten Symphonie C-Dur für Orchester, Orgel, Soli und Chor (1935-39) op. 88 und den fünf Orchesterstücken ‚Bilder aus Japan’ op. 91 (1938).

Eingebettet zwischen den höchst ambitionierten Symphonien Nr. 5 und 7, hat Weingartners Sechste einen bescheideneren, klassisch viel zurückhaltenderen Charakter, der auch in den äußeren Bedingungen ihres Entstehens begründet ist.

Am 26. Juni 1927 kündigte ein von der Columbia Graphophone Company finanziell getragenes und von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien flankiertes Komitee anlässlich des bevorstehenden hundertsten Todestages von Franz Schubert einen ‚Schubert Centennial Contest’ an, der zunächst dazu aufrief, Vollendungen von Schuberts Symphonie h-moll D 759, der ‚Unvollendeten’, ausgehend von den vorhandenen Skizzen der Scherzo-Einleitung, einzureichen. Es ist zu vermuten, dass Felix Weingartner davon unmittelbar angespornt wurde. Lange schon hatte er begonnen, Schubert als den großen Tragiker unter den Symphonikern neben Beethoven zu erblicken und dementsprechend auch literarisch zum Schubert-Bild beizutragen. Zunächst jedenfalls ging es darum, sozusagen das von Schubert begonnene Scherzo zu einem schlüssigen, stilgerechten Ende zu bringen und ein Finale, das der Art und dem Ton des Meisters über die Brüche der Epochen hinweg so nahe als möglich kommen sollte, anzuhängen. Doch dann hagelte es empörte Proteste in der Presse, die in Vorwürfen gipfelten wie demjenigen von Olin Downes, das Gedenkjahr werde in einem Akt des „Vandalismus“ von der Plattenindustrie kommerziell ausgebeutet. Daraufhin wurden die Teilnahmebedingungen bis zum Februar 1928 mehrfach revidiert, und im Zuge dessen wurde der Wettbewerb im Oktober 1927 in zwei Sparten unterteilt: 1) wie ursprünglich beabsichtigt als Vollendung der ‚Unvollendeten’ in der originalen Schubert’schen Orchesterbesetzung, und 2) „als Originalwerk in romantischem Geist, aus welchem Schuberts Musik, insbesondere seine unvollendete Symphonie, lebt“ (New York Times, 23. Oktober 1927). Dann wurden die Teilnahmebedingungen weiter gelockert, und es ging nun um „symphonische Werke in einem oder mehreren Sätzen, dargebracht als eine Apotheose von Schuberts lyrischem Genie und seinem Gedächtnis gewidmet anlässlich des 100. Todestages“ (New York Times, 30. Oktober 1927), wobei auch weiterhin schlichte Komplettierungsversuche der ‚Unvollendeten’ erwünscht waren. Am 28. Dezember 1927 hieß es dann über The Times, London: „Die Kompositionen müssen, abgesehen von untadeliger formaler Struktur, geprägt sein von der Vorherrschaft eines lebensvollen melodischen Gehalts, und die Anzahl der mitwirkenden Instrumente darf das vom klassischen Orchester der Schubert-Zeit vorgegebene Maß nicht signifikant überschreiten.“ Am 6. Januar 1928 schließlich ließ The Times wissen: „Jede Komposition, die teilnimmt, kann die Skizzen Schuberts zum dritten Satz seiner ‚Unvollendeten’ verwenden. Es gibt nur eine Einschränkung – alle Werke müssen für Orchester sein.“

Die Welt wurde nun in zehn Teilnahmezonen aufgeteilt, in welchen voneinander unabhängige, aus jeweils fünf repräsentativen Persönlichkeiten (z. B. Maurice Ravel, Ottorino Respighi, Manuel de Falla, Karol Szymanowski, Ture Rangström, Thomas Beecham, Frederick Stock etc.) bestehende Jurys (nach bis heute z. B. bei Schönheitswettbewerben üblicher Art) geeignete Werke auswählten und jeweils mit einem ersten (£ 150), zweiten (£ 50) und dritten Preis prämiierten. Die dreißig handverlesenen Werke wurden dann nach Wien gebracht, wo die aus je einem Vertreter der zehn Zonen-Jurys bestehende Final-Jury zusammentrat. Am 2. Mai 1928 erteilte die New York Times dazu folgende statistische Auskunft: 513 Kompositionen waren weltweit eingereicht worden, davon 71 in Amerika (USA), 62 in Österreich (+ Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien), 64 in Skandinavien (Dänemark, Schweden, Norwegen), 48 in Frankreich (+ Belgien, Schweiz), 69 in Deutschland (+ Holland), 58 in Großbritannien (UK + “the dominions“), 45 in Italien, 29 in Polen (+ Finnland, Baltikum), 38 in Spanien (+ Portugal) und 29 in Russland (+ Ukraine). Anfang Juni gaben die einzelnen Zonen ihre Gewinnertrios bekannt (unter den ausgewählten Kompositionen waren Franz Schmidts 3. Symphonie, Hans Gáls 1. Symphonie, Kurt Atterbergs 6. Symphonie, Ludvig Irgens Jensens Passacaglia, Hermann Wunschs 5. Symphonie, Kurt von Wolfurts Variationen und Charakterstücke über ein Thema von Mozart, Frank Merricks von der Final-Jury für am gelungensten erachtete Komplettierung von Schuberts ‚Unvollendeter’, Havergal Brians gigantische ‚Gothic Symphony’, Czeslaw Mareks Sinfonia, Oscar Esplás ‚Schubertiana’, Conrado del Campos Schubert-Vervollständigung, Michail Tschernovs 3. Symphonie und Vassili Kalafatis ‚Légende’.

Die Final-Jury, bestehend aus Walter Damrosch, Franz Schalk, Carl Nielsen, Alfred Bruneau, Max von Schillings, Donald Francis Tovey, Franco Alfano, Emil Mlynarski, Adolfo Salazar und Alexander Glasunov, verkündete am 23. Juni 1928 in Wien die Entscheidung, dass der mit £ 2.000 (10.000 US-Dollar) dotierte erste Preis an Kurt Atterbergs 6. Symphonie C-Dur op. 31 ging (die dann schnell mit dem Titel ‚Dollar Symphony’ bekannt wurde und unter anderem in historischen Aufnahmen unter Thomas Beecham und Arturo Toscanini dokumentiert ist), gefolgt von den Beiträgen Franz Schmidts und Czeslaw Mareks. Alle drei Werke erschienen bald darauf beim Wiener Verlag Universal Edition im Druck.

Es kann heute kein Zweifel bestehen, dass Felix Weingartners Sechste Symphonie sehr gute Chancen gehabt hätte, aus diesem Wettbewerb, der so eindeutig höchsten Wert auf traditionelle Qualitäten wie romantischen Tonfall, gediegene handwerkliche Arbeit und wohlbalancierte Form legte, siegreich hervorzugehen. Das wurde jedoch in dem Moment unmöglich, als man Weingartner einlud, Mitglied des Artists’ Advisory Committee des ‚Schubert Centennial Committee’ zu sein. Hätte er ablehnen und in der Folge noch aussichtsreicher Kandidat sein können? Wir wissen es nicht.

Arne Stollberg hat in ‚Im Maß der Moderne. Felix Weingartner – Dirigent, Komponist, Autor, Reisender’ (herausgegeben von Simon Obert und Matthias Schmidt, erschienen im Schwabe Verlag, Basel 2009) in seinem Aufsatz ‚Der «Tragiker unter den Tondichtern», Felix Weingartners Schubert-Bild im Spiegel der sechsten Symphonie’ Weingartners tragisch umflorte Schubert-Deutung, zumal in der Wechselwirkung mit dem von Weingartner zuerst entdeckten Carl Spitteler, eingehend beleuchtet, was dem hier vorliegenden Text auch als wertvolle Quelle diente.

Seiner Sechsten Symphonie hat Weingartner den Titel ‚La Tragica. Im Gedenken des 19. November 1828’ vorangestellt. Wir wissen nicht, ob Weingartner die Anregung zur Vollendung des Schubert’schen Scherzos durch die Auschreibung des ‚Schubert Centennial Committee’ empfing oder aus eigenem Impuls. Jedenfalls hat er Ende 1927 zunächst Scherzo und Finale seiner Sechsten entworfen, und es ist gut möglich, dass dem eigentlich die beiden vollendeten Sätze von Schuberts ‚Unvollendeter’ vorausgehen sollten. Es kann folglich sein, dass er dem Komitee beitrat, als im November 1927 feststand, dass die Komplettierung der Skizzen nicht mehr Gegenstand des Hauptpreises sein sollte und eine Teilnahme am Wettbewerb daher nicht mehr so attraktiv erschienen sein mag. Gleichwohl, was hätte letztlich gegen die Teilnahme sprechen sollen, hätte die Symphonie doch trotz des direkt auf Schubert referierenden Scherzos als vollgültiges eigentümliches Werk bestehen können – und welches andere hätte einen Schubert’scheren Geist verkörpern können? Nun denn, wir wissen es nicht, und Weingartner hat sich hinterher jedenfalls von derart möglichem Ansinnen distanziert, wie man durchaus auch aus einem Interview mit der National-Zeitung Basel – im „Zorn über das Wiener Schubertfest“ – zu seiner Sechsten Symphonie herauslesen kann, in welchem er 1928 kundtat: „Denken Sie aber um Gottes Willen nicht, dass ich etwa von dort eine musikalische Inspiration empfangen hätte, sei es auch nur eine ironische, wie zum Beispiel eine Tripelfuge über Dreimäderlhaus-Reminiszenzen, Fremdenverkehrsrouladen und Anschluss-Fanfaren. O ganz gewiss nicht! Aber ich sah Schubert einsam dahinschreiten und mit schmerzlichem Ausdruck auf seine geliebte Vaterstadt herniederblicken: habe ich meinen ganzen Reichtum über euch ausgeschüttet, damit ihr mich so feiert? – Und da begann es zu klingen. Zuerst wusste ich nicht, was es werden sollte. Dann formte es sich allmählich, bis es eine viersätzige Symphonie wurde.“

Ob das nun wirklich der Ausgangspunkt des Ganzen war, bleibt der Spekulation überlassen. Im unveröffentlicht gebliebenen dritten Band seiner ‚Lebenserinnerungen’ resümierte Weingartner später: „Die musikalische Welt rüstete sich, der hundertsten Wiederkehr von Schuberts Todestag zu gedenken. Wien prägte Münzen mit Schuberts Bild. Man versah Toilette-Artikel, Zigaretten und Konditoreiwaren mit seinem Namen und wochenlang spielte, sang und tanzte man seine Musik. Welch minimaler Teil des Geldes, das da ausgegeben wurde, hätte diesen Genius von seinen Nöten und vielleicht sogar vor seinem frühzeitigen Ende bewahrt! […] Aber auch meiner schaffenden Seele war es ein Bedürfnis, Schubert, zu dem mein Wesen wie kaum zu einem andern Tondichter neigt, in meiner Art zu feiern. Ich konnte es nicht anders als durch ein seinem Gedächtnis gewidmeten Werk. Eine Symphonie entstand. Die Vorstellung des Trauerzuges, der den toten Meister zum Friedhof geleitet, gab mir den ersten Satz. Die Skizze, die Schubert zu einem dritten Satz seiner h-moll Symphonie hinterlassen hat, benützte ich für das Scherzo. […] Ein kurzes lyrisch-religiöses Adagio folgt dem Scherzo, und ein stürmisch bewegtes Finale schließt das Werk in moll ab. Kein triumphaler Dur-Schluss. Tragisch war Schuberts Erscheinung, darum musste auch mein ihm huldigendes Werk diesen Charakter tragen und ‚La Tragica’ heißen.“

Arne Stollberg, dem die Sammlung spezifischer Informationen zur ‚Tragica’ zu verdanken ist, fand heraus, dass Weingartner höchstwahrscheinlich zuerst mit den Entwürfen zum Finale begonnen hat (am 20. September 1927), dem die Vervollständigung und Orchestration der Schubert’schen Scherzo-Skizzen folgte (das Particell ist auf den 22. November 1927 datiert). Das Particell des Adagios stellte Weingartner am 15. September 1928, die Partitur-Reinschrift desselben am 2. November 1928 fertig. Der Kopfsatz, so Stollberg, „trägt weder im Particell noch in der Partitur-Reinschrift ein Datum; er dürfte vermutlich später entstanden sein als Scherzo und Finale, jedoch früher als das Adagio (in dem bereits erwähnten Interview ließ Weingartner seinen Gesprächspartner wissen, das der «fertige Entwurf» des ganzen Werkes «am 15. September» 1928 vorgelegen habe).“

Stollberg berichtet weiter bezüglich der Ausarbeitung des Scherzos: „Für seine Adaption des Scherzos benutzte Weingartner das Faksimile von Schuberts Autograph (inklusive aller Particell-Skizzen), das 1923 im Drei-Masken-Verlag, München, erschienen war. Mit Ausnahme der zweiten Partiturseite (Tt. 10-20), die erst 1968 im Archiv des Wiener Männergesang-Vereins entdeckt wurde, fand er darin, was Schubert beim Abbruch der Symphonie in Bezug auf den geplanten dritten Satz hinterlassen hatte: die bereits für Orchester ausgearbeitete Eröffnung – neun vollständig und elf andeutungsweise instrumentierte Takte – sowie das nahezu komplette Particell, allerdings mit einem nur rudimentär skizzierten Trio (16 einstimmige Melodie-Takte). Wie sein Entwurf zeigt, übertrug Weingartner zunächst die Skizze Schuberts mit schwarzer Tinte notengetreu in ein auf drei Systeme angelegtes Particell, fügte dann mit Bleistift die von ihm vorzunehmenden Ergänzungen – vor allem Mittel- und Bassstimmen – hinzu und deutete durch entsprechende Kürzel die Instrumentation an. Bei der Niederschrift der endgültigen Partitur hat er die von Schubert vorgegebenen Stimmen in kleinen rhythmischen Details zwar immer wieder modifiziert, sich ansonsten aber streng an den prädisponierten Ablauf gehalten. Was man in seiner Symphonie zu hören und zu lesen bekommt, stellt tatsächlich die nach bestem Wissen und Gewissen erarbeitete Rekonstruktion eines Satzes dar, wie ihn Schubert, legt man das erhaltene Material zugrunde, hätte komponieren können, zumal die Orchestrierung konsequent innerhalb der von den ersten neun Takten exponierten, sozusagen «authentischen» Klangwelt verbleibt – ein Umstand, auf den Weingartner so großen Wert legte, dass er, nach eigener Aussage, „Hörner und Trompeten im ganzen Werk als ventillose Instrumente“ behandelte.

Die einzige von Weingartner vorgenommene – und im Entwurf mit Bleistift separat notierte – Erweiterung betrifft jene Stelle, an der Schuberts Particell eine offensichtliche Lücke aufweist, nämlich die nur in ihrem finalen Verlauf angedeutete Wiederholung des zweiten Scherzo-Teils ab Takt 98b, die vermutlich mit Takt 41 (bzw. dem vorhergehenden Auftakt) einzusetzen hätte. Anstatt hier eine Rekapitulation anzubringen, komponierte Weingartner sieben überleitende Takte, die am Ende kadenzierend nach D-Dur einmünden (Tt. 99-105), so dass die bei Schubert vorgesehenen 15 Schlusstakte des Scherzos nahtlos anschließen können. Diese Hinzufügung hat also lediglich den Zweck, einen zweifellos intendierten Formzusammenhang herzustellen, und ist nicht vergleichbar mit jenen Freiheiten, die sich Weingartner später [1934, Repertoire Explorer Study Score 210] bei der Ausführung von Schuberts Particellskizze zur Fragment gebliebenen E-Dur-Symphonie (D 729) nehmen sollte – dort ging er mit dem Material derart flexibel um, dass [so Paul-Gilbert Langevin 1978]«sa partition ne mérite plus d’être qualifié de ‚Symphonie de Schubert restituée par Weingartner’, mais presque de ‚Symphonie de Weingartner sur des thèmes de Schubert’».

Noch entscheidender ist jedoch, dass Weingartner die gesamte Symphonie – genauer gesagt: das Finale und den ersten Satz, weniger das stilistisch an Bruckner gemahnende und mit seiner chromatisierten Tonsprache merkwürdig aus dem Rahmen fallende «lyrisch-religiöse Adagio» - strukturell von Schuberts Scherzo ableitete, indem er eine dort präformierte Idee zum Grundstein des Formgebäudes erhob: den Konflikt oder zumindest die im Verlauf des Klanggeschehens höchst planvoll entfaltete Gegenüberstellung von h-Moll und G-Dur. Bei Schubert sind diese beiden Tonarten schon dadurch in ihrer spezifischen Konstellation determiniert, dass sie im ersten Satz der ‚Unvollendeten’ nicht nur die tonalen Bereiche des Haupt- und Seitenthemas abstecken, sondern auch denkbar schroff gegeneinander gestellt werden (Tt. 38-42). Der lakonische, durch eine viertaktige ‚Brücke’ in Fagotten und Hörnern vermittelte Übergang von der h-Moll-Kadenz, die den ersten Teil der Exposition beschließt, zum G-Dur des berühmten Seitenthemas wird im Finale von Weingartners Symphonie in leicht verfremdeter, aber deutlich wahrnehmbarer Gestalt zitiert (T. 107-111) – eine von zahlreichen subtilen Allusionen, die die Partitur von ‚La Tragica’ insgesamt prägen.“

Arne Stollberg hat auch entdeckt, dass das Hauptthema des Kopfsatzes von Weingartners ‚Tragica’ frappierende Verwandtschaft mit dem Seitenthema des Kopfsatzes von Schuberts ‚Unvollendeter’ aufweist – lediglich die zwei ersten Töne sind umgedreht! Das ist gewiss kein Zufall, doch nicht weniger frappierend kann einem die Wirkung erscheinen, die von vollkommen anderer Art ist und eben in dieser einmaligen Weise den herrlich verfeinerten Kondukt-Charakter von Weingartners Eröffnungssatz prägt.

Was den harmonischen Gesamtplan angeht, bilanziert Stollberg: „Die Dreieckskonstellation von h-Moll, G-Dur und E-Dur, wie sie in Schuberts ‚Unvollendeter’ vorgeprägt ist, bildet nicht nur das Gravitationszentrum aller in ‚La Tragica’ vor sich gehenden Formverläufe (wobei allerdings der langsame Satz mit seinem einfachen Aufbau – dem Alternieren zweier Themen zunächst im Wechsel von D-Dur und d-Moll, später durchgehend in D-Dur – als Enklave für sich allein steht und nicht am planvoll gestalteten Beziehungsgeflecht zwischen den übrigen drei Sätzen partizipiert). Sie dient zugleich als Rückgrat einer Tonartendramaturgie, die der Idee des ‚Tragischen’ auf rein musikalische Weise Gestalt verleiht. […] Folgt man Weingartners Charakterisierung des ‚Tragikers’ Schubert, so scheint die Idee, dass er «in zwei Welten» lebe und schaffe – einer diesseitig-irdischen und einer höheren, «jenseitigen» -, aber in keiner der beiden Welten wirklich zu Hause sei, das strukturelle Gefüge der Sechsten Symphonie zu bestimmen; nicht im Sinne eines konkreten Programms, sondern als Semantisierung von absolut-musikalischen Formprozessen […]

Die semantische Prägung der Sechsten Symphonie enthüllt sich überhaupt erst, wenn man der Art und Weise nachspürt, in der Weingartner bestimmte strukturelle Momente und thematische Gestalten der als Vorlage dienenden Schubert-Partituren kompositorisch weiterdachte und über sie im Medium einer selbstreferentiellen musikalischen Formensprache reflektierte – im Medium ‚absoluter Musik’, die allerdings nicht tönendes Spiel bleibt, sondern Bedeutung erzeugt, ohne auf ein ‚Programm’ verweisen zu müssen. Insofern ist der Komponist vom Dirigenten, dem Schuberts Symphonien besonders am Herzen lagen, tatsächlich nicht zu trennen, und seine ‚La Tragica’ «Kapellmeistermusik» im besten Sinne des Wortes.“

Es kann wirklich kaum überschätzt werden, welchen Grad könnenden Einfühlens (oder einfühlenden Könnens) Felix Weingartner für den Umgang mit Schuberts Entwürfen wie mit dem Schubert’schen Wesen überhaupt mitbrachte. Nicht nur, dass seine Ratschläge zur Aufführung der Symphonien Beethovens, Schuberts oder Mozarts nach wie vor von allen Dirigenten mit größtem Gewinn studiert und mit Augenmaß subtil umgesetzt werden können. Seine Orchestration von Ludwig van Beethovens ‚Sonate für das Hammer-Klavier’ op. 106, veröffentlicht 1926 bei Breitkopf & Härtel, zeugt eindringlich von seiner Befähigung zu maximal möglicher idiomatischer Umsetzung, auch wenn die Faktur der Vorlage, wie im Fall von Beethovens Opus 106, im Finale für eine Orchestration höchst sperrig und nicht adäquat vom Klavier übertragbar ist und selbst der herrlich gelungene langsame Satz niemals so klingen kann, wie wenn Beethoven ihn für Orchester komponiert hätte – denn für Orchester hätte er ihn schlicht anders komponiert. In ‚La Tragica’ jedenfalls gibt es derlei Probleme nicht. Sie ist ganz einfach ein rundum gelungenes, in sich ausgewogenes, aus dem Klang des Orchesters natürlich erwachsenes Werk, und darin keine eigentliche Beschwörung des Geistes von Schubert, sondern eben, wie Weingartner sagte, eine „Huldigung“ und ganz einfach – bis auf das Scherzo natürlich – bester Weingartner.

Zur Uraufführung kam Felix Weingartners Sechste Symphonie ‚La Tragica’ op. 74 am 30. November 1929 in Basel durch das Sinfonie-Orchester Basel unter Leitung des Komponisten. Am 3. Dezember 1933 in Wien dirigierte Weingartner die Wiener Philharmoniker in der österreichischen Première seiner Sechsten Symphonie. Die Kritiker, von ihm nicht grundlos als „Reminiszenzenjäger“ bezeichnet, reagierten hämsch bis ablehnend wie gewohnt. Das ist, wie auch Eckhard van den Hoogen treffend bemerkte, irgendwie „unbegreiflich“. Und so verschwand dieses vortreffliche, feine Meisterwerk fast komplett in der Versenkung, bis es vom 29. Mai bis 2. Juni 2007 im Rahmen der Gesamtaufnahme von Felix Weingartners Symphonien für das Osnabrücker Label cpo im Casino Basel durch das Sinfonieorchester Basel unter Marko Letonja erstmals auf Tonträger eingespielt wurde (veröffentlicht 2009, cpo 777102-2). Diese Symphonie ist es wert, weit öfter und auf höchstem Niveau dargeboten zu werden. Möge diese Partiturveröffentlichung, die ein unveränderter Nachdruck des Erstdrucks von 1929 im damals in Berlin ansässigen Verlag Richard Birnbach ist, der weiteren Verbreitung von Weingartners ‚La Tragica’ nachhaltig dienen.

Christoph Schlüren, Juni 2013

Aufführungsmaterial ist vom Verlag Richard Birnbach (www.birnbach-musikverlag.de), Lochham bei München, zu beziehen.

Felix Weingartner

(b. Zadar, 2 June 1863 - d. Winterthur, 7 May 1942)

Symphony No. 6 in B minor (“La Tragica”), op. 74 (1927-28)

I Andante moderato, alla marcia (p. 3)

Più mosso, molto deciso (p. 11)

Tempo del principio (p. 17)

II Allegro un poco grave (p. 19)

Trio. Poco meno (p. 25)

III Adagio (p. 27)

IV Finale. Vivace (p. 33)

Meno mosso, tranquillo (p. 63)

Andante – Vivace (p. 64)

Presto (p. 66)

Preface

Considering that he was one of the most capable and highly esteemed conductors of his age, and that he had a flawless command of every facet the composer’s craft (with special brilliance in finely gradated orchestration and delicately balanced large-scale form), Felix Weingartner, a symphonic composer with seven contributions to the genre, was marginalized to an amazing degree even during his lifetime. Thereafter no one took an interest in this unhappily bellicose aesthete, except for those who venerated him as a solid conductor of Beethoven, Brahms, and Liszt. He had even been personally acquainted with the latter two composers and considerably promoted by Liszt in his youth. As a composer, Weingartner was pretty much the opposite of a revolutionary innovator; he clearly upheld the values of classicism and kept everything coarse and gross at arm’s length. One needs to have a cultivated palate and abandon any thought of originality to take a true interest in him, and those who do are a rapidly vanishing minority.

Following a few youthful efforts in the 1870s – a Goethe Idyll for solo voices, chorus, and orchestra (1874), an Overture for String Orchestra (1878), a Festive March, incidental music for Der Verführer von Sevilla – Weingartner’s Serenade for Strings of 1882 (op. 16) was his first orchestral work to make a mark on the public. It already has the Mendelssohnian facility and elegance, sureness of taste, and unfailing sense for balanced proportions that would set him apart from many others in the future. His next orchestral piece was the symphonic poem Das Wunder des Asokabaumes (1884-85), which he later revised and acknowledged. More than a decade was to pass before he then produced King Lear, op. 20 (1896), and Das Gefilde der Seligen (op. 21), which, however, were preceded by three lengthy operas. Only then did the now thirty-five-year-old composer venture so to speak “into the circle of the elect” with his First Symphony in G major (op. 23), thereby straightaway linking arms with Beethoven and his successors, though he would not have admitted it. One year later came the Second Symphony in E-flat major (op. 29), composed from 1897 to 1899. But yet another decade had to pass – a decade that witnessed the monumental effort of his operatic trilogy Orestes after Aeschylus, op. 30 (1900-01) and many other works – before he wrote his Third Symphony in E major with organ ad libitum, op. 49 (1909-10). Then came the magical Violin Concerto, op. 52 (1911), the Merry Overture, op. 53 (1911-12, his most frequently played piece), the concert overture Aus ernster Zeit, op. 56 (1914), and the Cello Concerto, op. 60 (ca. 1916), before he composed his Fourth Symphony in F major, op. 61 (1916-17). It was followed six years later by the Fifth Symphony in C minor, op. 71 (1923), with its mighty fugal finale, the Sixth Symphony (1927-28), the six short and light-hearted orchestral pieces called La Burla, op. 78 (1929-30), the splendid symphonic poem in a set of variations entitled Spring, op. 80 (1930-31), the Sinfonietta for string trio and small orchestra, op. 83 (1934), the Seventh Symphony for orchestra, organ, solo voices, and chorus, op. 88 (1935-39, the impressive crown of his orchestral output), and the five Pieces from Japan, op. 91 (1938).

Nestled between the highly ambitious Fifth and Seventh Symphonies, Weingartner’s Sixth is more modest, classical, and far more restrained in character. It owes these qualities to the circumstances of its origins.

On 26 June 1927 a committee funded by the Columbia Graphophone Company, and bolstered by the Gesellschaft der Musikfreunde in Vienna, announced a “Schubert Centennial Contest” to celebrate the impending one-hundredth anniversary of the composer’s birth. Its first act was to invite composers to submit a completion of Schubert’s “Unfinished” Symphony in B minor (D 759) on the basis of his existing sketches for the introduction of the scherzo. It is safe to assume that Weingartner’s appetite was immediately whetted; he had long begun to view Schubert on a par with Beethoven as the great tragedian among symphonists, and he had even begun to publish writings along these lines. Whatever the case, his first task was to bring Schubert’s abandoned scherzo to a rigorous and stylistically sound conclusion and, across the intervening eras, to append a finale as close as possible in style and inflection to the master himself. But soon there came outranged protests from the press, culminating in a pronouncement from Olin Downes that the commemorative year was being commercially exploited by the record industry in an act of “vandalism.” As a result, by February 1928 the terms of the competition had been revised several times, and in October it was divided into two categories: 1) as before, a completion of the “Unfinished” in a Schubert-like orchestration, and 2) “an original work in two movements, composed in the romantic spirit that animates Schubert’s music, and especially his Unfinished Symphony” (New York Times, 23 October 1927). Then the terms of participation were relaxed yet again, the object now being to submit “symphonic works in one or more movements, presented as an apotheosis of the lyrical genius of Schubert and dedicated to his memory on the occasion of the centennial” (New York Times, 30 October 1927), though straightforward attempts to complete the “Unfinished” continued to be sought. On 28 December 1927 the London Times announced that “[t]he compositions, apart from faultless formal structure, must be marked by the predominance of a vigorous melodic content, and the number of instruments employed must not substantially exceed the measure established by the classical orchestras of Schubert‘s time.” On 6 January the same newspaper reported, “Any composition submitted may use the Schubert sketches for the third movement of the ‘Unfinished’ Symphony. There is only one restriction – all works must be for orchestra.”

The world was then divided into ten zones of participation, each headed by a separate jury of five leading figures (e.g. Maurice Ravel, Ottorino Respighi, Manuel de Falla, Karol Szymanowski, Ture Rangström, Thomas Beechem, or Frederick Stock) entrusted with the task of choosing suitable works and awarding them the first (£150), second (£50), or third prize. (The same geographical system is still used today, e.g. in beauty contests.) The thirty hand-picked works were then taken to Vienna, where the final jury, consisting of one representative from each of the ten subjuries, convened. On 2 May 1928 the New York Times carried the resultant statistics: 513 compositions had been submitted from all over the world, including 71 in the United States, 62 in Austria (plus Czechoslovakia, Hungary, Yugoslavia, and Rumania), 64 in Scandinavia (Denmark, Sweden, Norway), 48 in France (plus Belgium and Switzerland), 69 in Germany (plus Holland), 58 in the United Kingdom (and “the dominions”), 45 in Italy, 29 in Poland (plus Finland and the Baltic countries), 38 in Spain (plus Portugal), and 29 in Russia (plus the Ukraine). First, each zone announced its trio of prizewinning works, among which were Franz Schmidt’s Third Symphony, Hans Gál’s First Symphony, Kurt Atterberg’s Sixth Symphony, Ludvig Irgens Jensen’s Passacaglia, Hermann Wunsch’s Fifth Symphony, Kurt von Wolfurt’s Variations and Character Pieces on a Theme by Mozart, Frank Merrick’s completion of Schubert’s Unfinished (judged by the final jury to be the best), Havergal Brian’s gigantic “Gothic” Symphony, Czeslaw Marek’s Sinfonia, Óscar Esplá’s Schubertiana, Conrado del Campo’s Schubert completion, Michail Tschernov’s Third Symphony, and Vassili Kalafati’s Légende.

The final jury, consisting of Walter Damrosch, Franz Schalk, Carl Nielsen, Alfred Bruneau, Max von Schillings, Donald Francis Tovey, Franco Alfano, Emil Mlynarski, Adolfo Salazar, and Alexander Glasunov, announced its decision in Vienna on 23 June 1928: the prize of £2,000 (US$ 10,000) would go to Kurt Atterberg for his Sixth Symphony in C major, op. 31, which quickly acquired the nickname “Dollar Symphony” and has come down to us in historic recordings by Thomas Beecham and Arturo Toscanini (among others). The next two prizes went to Franz Schmidt and Czeslaw Marek. All three works appeared in print a short while later from Universal Edition in Vienna.

Today there can be no doubt that Weingartner’s Sixth Symphony had very good chances of emerging victorious from this competition, which obviously placed great stock in such traditional qualities as romantic inflection, polished craftsmanship, and balanced form. But his chances sank to nil when he was invited to serve on the Artists’ Advisory Committee of the Schubert Centennial Committee. Could he have turned down the invitation and remained a promising candidate? Today we can only guess.

Arne Stollberg, in an article published in Im Mass der Moderne: Felix Weingartner – Dirigent, Komponist, Autor, Reisender, edited by Simon Obert and Matthias Schmidt (Basel: Schwabe, 2009), has thoroughly examined Weingartner’s tragically embroidered interpretation of Schubert in light of the Sixth Symphony, particularly in interaction with Carl Spitteler, a Swiss poet whom Weingartner was the first to discover. Stollberg’s discussion served as a valuable starting point for the present essay. To begin with, Weingartner preceded his Sixth Symphony with the words “La Tragica: in memory of the 19th of November, 1828.” We do not know whether he was inspired to complete Schubert’s scherzo by the announcement of the Schubert Centennial Committee or on his own initiative. Whatever the case, by the end of 1927 he had drafted the scherzo and the finale of his Sixth, and it is conceivable that they were meant to be preceded by the two movements of the “Unfinished” that Schubert managed to complete. Consequently, it may well be that he joined the committee in November 1927 only after it had become clear that the completion of the sketches was no longer the object of the main prize and his participation may no longer have seemed so attractive. Yet what would have prevented him from taking part, given that the symphony was an independent work in its own right (despite the direct references to Schubert in the scherzo), and what work could have better embodied Schubert’s romantic spirit? There are no answers to these questions, and Weingartner later distanced himself from any such insinuations. This is implicit in an interview he gave in 1928 to the Basel National-Zeitung regarding his Sixth Symphony. Speaking “in anger at the Vienna Schubert Festival,” he said: “For heaven’s sake, don’t imagine that I received any musical inspiration from that quarter, even if only of an ironic sort: a triple fugue on reminiscences from Das Dreimäderlhaus, for example, with roulades on the tourist industry and concluding fanfares. I most certainly did not! But I saw the solitary Schubert striding there and looking down upon his beloved native city with a pained expression: Have I poured all my riches upon you to be celebrated like this? Then something began to vibrate inside me. At first I didn’t know what it would become. Then it gradually took shape until it became a four-movement symphony.”

Whether this was indeed the point of departure for Weingartner’s Sixth is a matter of conjecture. Later he summed up the situation in the unpublished third volume of his memoirs:

“The world of music girt its loins to celebrate the hundredth anniversary of Schubert’s death. Vienna struck coins with his bust; cosmetics, cigarettes, and pastries were garnished with his name; and for weeks his music was played, sung, and danced. A mere fraction of the money spent for this purpose would have saved this genius from his privations, and perhaps even from his early death! […] But my creative spirit felt a need to celebrate Schubert in my own fashion – Schubert, a composer closer to my being than any other. I could not do it any other way than with a work dedicated to his memory. A symphony arose. The image of a funeral procession bearing the dead master to the cemetery gave me the first movement. The sketch that Schubert left behind for a third movement to his B-minor Symphony served me for the scherzo. […] It is followed by a brief, lyrical adagio religioso, and the work comes to a close with a tempestuous finale in the minor mode. Not a triumphant ending in the major. Since Schubert was a tragic figure, my compositional homage had to bear this same character and be called La Tragica.“

Arne Stollberg, to whom we owe this gathering of information on La Tragica, discovered that Weingartner most likely started work by drafting the finale (begun on 20 September 1927) and then completing and orchestrating Schubert’s sketches for the scherzo (the short score is dated 22 November 1927). The slow movement was finished in short score on 15 September 1928, and in a fair full score on 2 November 1928. The opening movement, Stollberg informs us, “is undated both in the short score and in the fair copy of the full score. It presumably originated after the scherzo and the finale, but before the slow movement. (In the aforementioned interview Weingartner tells his interlocutor that ‘the finished draft’ of the entire work was completed ‘on 15 September’ 1928.).” Stollberg then goes on to describe the elaboration of the scherzo: “For his adaptation of the scherzo, Weingartner made use of the facsimile of Schubert’s autograph (including all sketches in short score) published by Drei-Masken-Verlag of Munich in 1923. Apart from the second page of the score (mm. 10-20), which was only discovered in the archive of the Vienna Men’s Choral Society in 1968, he found that it contained everything Schubert had left behind for the projected third movement when he abandoned the symphony: the opening, fully orchestrated with nine complete bars and eleven with instrument cues, and the virtually complete short score, though with only a rudimentary sketch of the trio (sixteen bars of single-line melody). His draft shows that he first transferred Schubert’s sketch note by note in india ink into a short score laid out in three staves. Then he penciled in his own additions, especially middle and bass voices, and indicated the orchestration with appropriate abbreviations. When writing out the final score, he constantly altered minor rhythmic details in the voices set down by Schubert, but otherwise adhered strictly to the predefined course of the music. Judging from the surviving material, what we hear and read in his symphony in fact represents a reconstruction, to the best of his knowledge and belief, of what Schubert himself might have composed, particularly as the orchestration, consistently laid out in the first nine bars, retains the work’s ‘authentic’ timbral universe. This was a point on which Weingartner placed such a high premium that, by his own admission, he ‘treated the horns and trumpets as valveless instruments throughout the entire work.’”

The only extension Weingartner made, separately penciled into the draft, involves the obvious gap in Schubert’s short score, namely, the repeat of the second section of the scherzo (mm. 98b ff.), whose final version is only hinted at, and which presumably would have begun at bar 41 (with preceding upbeat). Instead of calling for a recapitulation here, Weingartner wrote seven bars of transition leading to a cadence in D major (mm. 99-105), thereby allowing the last fifteen bars of Schubert’s scherzo to follow seamlessly. In other words, this addition served the purpose of establishing formal coherence, as Schubert himself doubtless intended. It bears no comparison with the liberties that Weingartner took later, in 1934, when he completed Schubert’s draft short score of the fragmentary E-major Symphony, D 729 (see Repertoire Explorer Study Score 210). There he handled the material so liberally that, as Paul-Gilbert Langevin put it in 1978, “his score no longer deserves to be called a ‘Symphony by Schubert, completed by Weingartner,’ but almost a ‘Symphony by Weingartner on themes by Schubert.’”

Still more important, however, is the fact that Weingartner derived the structure of the entire symphony (or more precisely its final and opening movements and not the “lyrical adagio religioso,” which is more beholden to Bruckner and stands out oddly with its chromatic idiom) from Schubert’s scherzo by making one of its predefined ideas the cornerstone of the formal edifice: the conflict, or at least the methodically developed juxtaposition, between B minor and G major as the piece progresses. In Schubert, the relation between these two keys is already defined in the opening movement of the “Unfinished,” by the fact that they not only constitute the tonal areas of the principal theme and secondary theme, but clash with maximum violence (mm. 38-42). Weingartner’s finale quotes the terse transition from the B-minor cadence that ends the first section of the exposition to the G major of the famous secondary theme – the famous four-bar “bridge” in bassoons and horns, slightly altered but clearly perceptible in bars 107 to 111. This is only one of many subtle allusions that distinguish the score of La Tragica as a whole.

Stollberg also noticed that the principal theme of La Tragica’s first movement is strikingly similar to the secondary theme of the same movement in Schubert’s “Unfinished,” the only difference being that the first two notes are inverted! This is surely no coincidence. Yet listeners may find the effect no less striking, an effect completely different in kind that dominates the magnificently refined funeral cortège of Weingartner’s opening movement.

Here is Stollberg’s summary of the overall harmonic design: “The triangular constellation of B minor, G major, and E major, as set down in Schubert’s ‘Unfinished,’ forms the center of gravity for every formal process in La Tragica (though the slow movement, with its straightforward design of two themes alternating between D major and D minor, and later entirely in D major, forms an enclave in its own right rather than partaking of the methodically constructed web of relations among the other three movements). This constellation also functions as the mainstay of a dramatic key scheme that lends shape to the idea of the ‘tragic’ in an entirely musical manner. […] If we accept Weingartner’s description of Schubert’s character as ‘tragic,’ then the idea that he lived and worked ‘in two worlds’ – an earthly world below and a ‘heavenly’ world above – but never felt truly at home in either one, seems to govern the structural fabric of the Sixth, not in the sense of a specific program, but as a semanticization of absolute musical processes […].

“The semantic quality of the Sixth Symphony will not manifest itself at all until we retrace the way in which Weingartner prolonged certain structural elements and thematic ideas from the Schubert scores he took as his starting point and reflected them in the medium of a self-referential language of musical form – in the medium of ‘absolute music,’ which, however, rather than remaining a game conducted in notes, generates meaning without having to relate to a ‘program.’ In this sense, the composer is indeed impossible to separate from the conductor who took Schubert’s symphonies especially to heart, and his La Tragica is ‘Kapellmeistermusik’ in the best sense of the term.”

It is truly impossible to overstate how much skillful empathy (or empathetic skill) Felix Weingartner invested in his dealings with Schubert’s sketches, and indeed with Schubert’s essence altogether. Not only can his words of advice on performing the symphonies of Beethoven, Schubert, and Mozart still be read by every conductor with great profit and translated into reality with subtlety and moderation, his orchestration of Beethoven’s “Hammerklavier” Sonata (op. 106), published by Breitkopf & Härtel in 1926, bears eloquent witness to his ability to create arrangements of maximum idiomatic fidelity. This is true even when the compositional fabric of the original, as in the finale of the “Hammerklavier,” is extremely clumsy to orchestrate and resists translation from the piano writing, and even if the magnificent slow movement can never sound as if Beethoven had composed it for orchestra (he would, simply put, have written it differently). In any event, La Tragica is unaffected by these sorts of problems. It is a wholly successful work of self-contained poise that emerged naturally from the sound of the orchestra. In this sense, it is not an invocation of the spirit of Schubert, but, as Weingartner claimed, an “homage” and, quite simply, vintage Weingartner – apart from the scherzo, of course.

Weingartner’s Sixth Symphony (“La Tragica”), op. 74, received its première in Basel on 30 November 1929, with the Basle Symphony Orchestra conducted by the composer. On 3 December 1933 he conducted the Austrian première in Vienna with the Vienna Philharmonic. As usual, the response of the critics, whom he not unjustifiably called “reminiscence hunters,” ranged “incomprehensibly” (as Eckhard van den Hoogen so aptly put it) from sneers to rejection. And thus this excellent, high-minded masterpiece fell almost completely into oblivion until 29 May to 2 June 2007, when Marko Letonja and the Basel Symphony Orchestra gave the work its premier recording in Basel Casino as part of their complete set of Weingartner’s symphonies for the Osnabrück label cpo (released as cpo 777102-2 in 2009). This symphony deserves to be presented far more often at the very highest level. It is hoped that our study score, a faithful reproduction of the first edition issued by the Berlin publisher Richard Birnbach in 1929, will lastingly contribute to the wider dissemination of La Tragica.

Translation: Bradford Robinson

For performance materials please contact the publisher, Richard Birnbach (www.birnbach-musikverlag.de), Lochham near Munich.