Vorwort der Herausgeberin

Musik zu hören und sie zu verstehen, stellt einen hohen Anspruch an den Hörer – darüber zu sprechen und zu schreiben, fordert Autoren wie Leser zusätzlich auf eine ganz besondere Art und Weise heraus. Denn wie kann und soll es gelingen, über etwas nachzudenken und dies an andere zu vermitteln, das so wenig greifbar ist? Dies trifft generell für Musik und speziell auf Stanisław Moniuszko und seine in Vergessenheit geratenen Werke zu.

Im Wintersemester 2011/2012 entstanden am Musikwissenschaftlichen Institut der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf in dem von mir geleiteten Projekt-Seminar „Schreiben über Musik“ fünf Vorworte zu Opern-Ouvertüren des polnischen Komponsiten: Halka, Flis, Jawnuta, Paria und Verbum Nobile. Die Relevanz solcher Praxiserfahrungen zeigte sich gleich daran, dass (erfreulicherweise) mehr Seminarteilnehmer als zu erarbeitende Vorworte vorhanden waren. So fanden sich Studierende aus geisteswissenschaftlichen wie künstlerischen Studiengängen in Autoren-Teams zusammen, um gemeinsam einen Text zu erarbeiten. Bereits durch diese Konstellation ergab sich eine Gemengelage unterschiedlichster fachlicher und auch persönlicher Voraussetzungen, die zu fruchtbaren Diskussionen führten. Innerhalb regelmäßiger Seminarsitzungen wurden die entstehenden und wachsenden Versionen sowohl in der Gruppe als auch in Einzelbesprechungen durch unterschiedliche Betrachtungs- und Lesemethoden diskutiert, korrigiert und optimiert.

Die ‚Schwierigkeit‘, aber zugleich auch Chance ergab sich in erster Linie aus der dünnen Literaturgrundlage der deutschsprachigen Moniuszko-Forschung. Die Ausgangssituation, mit wenig Vorgegebenem arbeiten zu müssen bzw. zu können, bot die Möglichkeit, die Werke Moniuszkos selbstständig und neu betrachten zu können. So zeigen alle Vorworte völlig unterschiedliche und originelle Ansätze, die überzeugend verdeutlichen, dass sich die Beschäftigung mit Musik jenseits des üblichen „Repertoire-Kanons“ stets lohnt.

Yvonne Wasserloos, Mai 2012

Entstehung des Vorwortes zur Ouvertüre Halka

„Schreiben über Musik“ - auf den ersten Blick mutet ein solcher Kurs in einem Musikwissenschaftsstudium etwas seltsam an. Immerhin wird fast alles im Studium auf dem schriftlichen Wege gemacht und worüber schreibt man wohl als Student der Musikwissenschaft? Richtig, über Musik. Das Schreiben über Studienpartituren gehört jedoch nicht zum alltäglichen Repertoire und daher versprach der Kurs eine interessante Abwechslung zum Studienalltag. Außerdem werden ja nicht alle Tage die eigenen Texte publiziert. Dass nicht nur ich so dachte, zeigte sich an einem Freitagnachmittag, als sich neben mir etwa ein Dutzend Kommilitonen einfanden. Wie sich schnell herausstellen sollte, waren wir eine bunt gemischte, internationale Gruppe aus verschiedenen Fachrichtungen und hatten damit teilweise sehr unterschiedliche Sichtweisen auf die Herausforderungen, die sich uns stellten. Zwar waren wir uns sehr schnell einig, dass persönliche Wertungen nichts in einem Vorwort verloren hatten, dafür entbrannten teils lange Diskussionen um einzelne Begrifflichkeiten. Neben der Frage, ob man ein Instrument als „traurig“ bezeichnen kann, bleiben mir die Ausführungen eines Kommilitonen darüber, warum man Musik nicht mit einer nationalen Bezeichnung versehen darf, noch lange im Gedächtnis.

Aber nicht nur das Finden des richtigen Schreibstils war eine große Herausforderung, sondern auch der Komponist selbst. Zuvor hatte noch niemand was von Moniuszko (von dem wir bis heute nicht wissen, ob wir ihn richtig ausgesprochen haben) gehört und die Recherchearbeit gestaltete sich aufgrund der teils sehr dürftigen Quellenlage als schwierig.

Umso erfreulicher ist es, dass alle Autoren am Ende nicht nur genügend Material zusammen hatten, sondern auch wirklich schöne Texte entstanden sind.

Sonja Markgraf

Stanisław Moniuszko

(geb. Ubiel bei Minsk, Weißrussland, 5. Mai 1819 - gest. Warschau, Polen, 4. Juni 1872)

Ouvertüre zur Oper

Halka

Besetzung: 1. Fl./Picc. - 2 Ob. - 2 Kl. - 2 Fg. - 4 Hr. - 2 Tr., 3 Pos. - Tb. – Streicher -

Pauke - Schlagwerk

Aufführungsdauer: ca. 9 Minuten

Vilnius 1846: Der polnische Komponist Stanisław Moniuszko formuliert in seinem Brief an den damals einflussreichen Warschauer Musikschriftsteller Józef Sikorski (1813–1896) eine Bitte: Er solle ihm bei der Suche nach einem geeigneten Librettisten in Warschau behilflich sein, denn Moniuszko hat schon lange mit dem Gedanken gespielt, eine Oper zu komponieren. Jedoch hat er in Vilnius niemanden gefunden, der ein Libretto verfassen konnte, das seinen Vorstellungen entsprach. Bald darauf reist Moniuszko nach Warschau und trifft auf Włodzimierz Wolski (1824-1882), der diesen Auftrag gerne annimmt. Daraufhin verfasst er ein Libretto basierend auf seinem früheren Poem Halka.

Die Geschichte, die das Schicksal der jungen Halka erzählt, beginnt mit einer Verlobungsfeier. Das junge adelige Paar, Janusz und Zofia, ist hoch angesehen und wohlhabend. Doch plötzlich stört ein Bauernmädchen die fröhliche Gesellschaft. Dieses Mädchen ist Halka, die in Janusz verliebt ist. Er versprach ihr die ewige Liebe, doch in Wirklichkeit war es für ihn nur ein kurzes, unbedeutendes Vergnügen. Jontek, der in Halka verliebt ist, will ihr deutlich machen, dass Janusz nicht ehrlich zu ihr ist. Sie erkennt diese Tatsache jedoch erst auf Janusz‘ und Zofias Hochzeit. Daraufhin sieht sie keinen Ausweg mehr und nimmt sich vor lauter Verzweiflung das Leben.

Das Libretto zeigt die sozialen Gegensätze und Probleme der damaligen Gesellschaft deutlich auf und übte somit eine erhebliche Sozialkritik aus. Umso erstaunlicher ist es, dass sich dieses Werk später zu einer so erfolgreichen und identitätsstiftenden Oper entwickelte. Was ist es also, was Halka so besonders macht und sie zum Mythos und zur Nationaloper Polens werden ließ?

Um dieses Phänomen betrachten zu können, muss man sich der Entstehungsgeschichte der Oper zuwenden. Stanisław Moniuszko wollte seine erste Oper bereits 1848 in Warschau zur Uraufführung bringen. Doch obwohl die Proben bereits begonnen hatten, kam es nicht zur Aufführung. Vermutlich geschah dies aufgrund der kritischen Darstellung des Adels. Schließlich fand die Uraufführung in einem kleineren Rahmen in Vilnius statt. Die Oper bestand aus zwei Akten und wurde ohne Bühnenbild und Kostüme, also weitgehend konzertant aufgeführt. Die Musik fand damals schon großen Anklang, doch das Libretto traf fast nur auf schlechte Kritiken. Der Erfolg der Oper blieb zunächst hinter den Erwartungen Moniuszkos zurück. Das lag auch an der stark ausgeprägten Sozialkritik. Vor allem aber wurden aufgrund der Inszenierung nicht die Emotionen geweckt, die durch eine prachtvolle Ausstattung hervorgerufen worden wären. Ein polnisch-nationaler Charakter wurde dem Werk noch nicht zugeschrieben, da Vilnius als litauische Stadt nicht Teil der originären polnischen Kultur war und somit die Identifizierung mit einer ,nationalen‘ Musik nicht stattfinden konnte. Dieser Rückschlag für Moniuszko sollte außerdem dafür sorgen, dass er sich erst viele Jahre später wieder mit der Komposition einer weiteren Oper befasste.

Aufgrund politischer Liberalisierungsprozesse nach dem Thronwechsel 1855 wurde Halka am 1. Januar 1858 schließlich in Warschau aufgeführt. Das Libretto wurde zwar weiterhin stark kritisiert, doch rückte diese Kritik aufgrund der Begeisterung über die Musik in den Hintergrund. Der damals populäre polnische Feuilletonist, Józef Kenig (1821-1900), schrieb am 2. Januar 1858 in der Gazeta Warszawska: „Diese so dramatische, überall so kunstvolle, so durchdachte Musik schmeichelte sich […] sofort ins Herz; […].“ Die Aufführung in Warschau traf also auf weit mehr Begeisterung als jene in Vilnius.

Das lag vermutlich unter anderem daran, dass Moniuszko die Oper überarbeitet und erweitert hatte. Sie bestand nun aus vier Akten und beinhaltete mehr Nummern mit ,polnischem‘ Charakter. So wurde zum Beispiel im 1. Akt mit der Mazurka ein polnischer Volkstanz integriert. Abgesehen von den Góralentänzen, deren Ursprung in einem gleichnamigen westslawischen Volk liegt, spielt vor allem eine Szene am Anfang des 4. Aktes eine wichtige Rolle. In dieser Szene erscheint ein Musikant aus dem Volk mit einer Kobza, einem lautenartigen Volksmusikinstrument, und stimmt eine Arie an. Diese Arie hebt durch den Klang der Kobza den originär ‚polnischen‘ Charakter ganz besonders hervor. Józef Kenig schrieb: „Diese paar Takte […] haben auf so wundervolle Weise unseren Charakter, […] und sind so bestimmt von Originalität, dass wir ausführlicher auf sie eingehen müssen.“ Durch dieses Zitat wird deutlich, wie wichtig es für die Polen war, etwas Nationales in der Oper zu vernehmen. Die nationale Musik ermöglichte so etwas wie ein „Wir-Gefühl“. Die Bedeutung dieses Gefühls begründet sich aus der Tatsache heraus, dass Polen zu diesem Zeitpunkt als souveräner Staat nicht existierte.

Der Erfolg von Halka blieb bis heute in Polen beispiellos. Keine andere Oper weder von Moniuszko noch von anderen Komponisten erlangte eine solche Bedeutsamkeit. Die Oper wurde allein in Warschau im Laufe des ersten Jahres nach der Uraufführung vierzig Mal aufgeführt. Die Begeisterung für das Werk war für die Kritiker schon Legitimation genug, um die Genialität der Oper zu beweisen. Moniuszko wurde zum künstlerischen Leiter der Warschauer Oper ernannt. Das führte dazu, dass er in Zukunft mehr Möglichkeiten hatte, seine Werke aufzuführen. Halka blieb jedoch mit Abstand sein erfolgreichstes Werk. Zu den Aufführungsjubiläen wurde Halka am Ende des 19. Jahrhunderts mit viel Pomp gespielt. Moniuszko wurde in Osteuropa sogar in einem Atemzug mit einem ‚eingeborenen‘, international erfolgreichen Komponisten wie Frédéric Chopin genannt. Dennoch blieb Moniuszkos Bekanntheit lediglich auf Osteuropa beschränkt – in den westeuropäischen Nationen wurde er mehr als Geheimtipp unter Musikliebhabern gehandelt.

Aus diesem unglaublichen Erfolg erwuchs die Interpretation von Halka als die der polnischen Nationaloper schlechthin. Deshalb wurde sie idealisiert dargestellt. Die Handlung wurde entweder in der Kritik gar nicht erst bedacht oder einfach umgedeutet. Das unehrliche Verhalten von Janusz wurde als völlig legitim eingeordnet. Es wurde behauptet, dass er sich so verhalten müsse und gar keine andere Wahl habe, als Halka zu verlassen. Halka wurde als naives Bauernmädchen eingeschätzt, das einfach nicht verstehen könne, wie die Realität aussehe. Abgesehen von der Handlung gab es noch ein anderes Problem, denn die Tatsache, dass die Oper erst nach zehn Jahren auf diese Art und Weise anerkannt wurde, wirkte wie ein „Schandfleck“ in ihrer Rezeptionsgeschichte. Also wurde auch die Entstehungsgenese in gewisser Weise neu erfunden.

Die Ablehnung der Oper in Warschau im Jahre 1848 wurde nicht erwähnt und stattdessen die Rezeption in Vilnius als verfehlt kritisiert. Angeblich habe die Oper keinen Erfolg gehabt, da das Publikum in Vilnius sie nicht ausreichend zu würdigen wusste. Dafür stellte sich Warschau in ein besseres Licht: So wurde behauptet, dass der Warschauer Regisseur Leopold Matuszyński (1820-1893) hauptsächlich dafür verantwortlich gewesen sei, dass die Oper überhaupt dort aufgeführt werden konnte. Der Mythos um Halka entstand deshalb gewollt: Die anfänglich wenig schmeichelhafte Rezeptionsgeschichte wurde umgeschrieben, die Kritik am Adel abgemildert und so stand der Mythenbildung um die Oper nichts mehr im Wege. Dieses Phänomen wird durch die folgenden Worte von Claude Lévi-Strauss besonders deutlich: „Mythen haben keinen Autor: sobald sie als Mythen wahrgenommen werden was immer ihr Ursprung sein mag, gibt es sie nur in einer Tradition verkörpert.“

Nach 1945 kam es zu einer fundamentalen Umdeutung. Was nach 1858 absichtlich verschwiegen wurde, führte im sozialistischen Polen dazu, Moniuszko als Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit zu betrachten. Moniuszko wurde unterstellt mit der Oper zur Revolution aufrufen zu wollen. Diese Deutung ist jedoch höchst umstritten. Das liegt vor allem daran, dass über die Intention des Komponisten kaum Quellen erhalten sind. Dennoch ist es möglich sich aufgrund einiger Indizien ein vages Bild zu machen. Es ist bekannt, dass der Librettist Wolski zu einer Künstlergruppe namens Cyganeria Warszawska gehörte. Bestehend vor allem aus Literaten, behandelten sie in ihren Werken die damaligen sozialen Probleme, insbesondere die der Bauern. Trotz aller Kritik an der Gesellschaft riefen sie jedoch nicht zum Aufstand auf. Solche Fragen waren zuvor kaum gestellt worden, daher war es zu erwarten, dass eben solche Werke Interesse hervorrufen würden. Es handelte sich folglich auch um eine Art ,Modeerscheinung‘ sich mit solchen Stoffen zu beschäftigen. Wolskis Libretto stellte eine scharfe Sozialkritik dar, jedoch kann man es nicht als revolutionären Aufruf deuten.

Die Haltung Moniuszkos ist ähnlich einzuordnen, da sein Verständnis als Musiker den absoluten Gegensatz zum politischen Aktivisten bildete. Es ist zu vermuten, dass er das Thema wählte, um etwas anzusprechen, das der Realität sehr nahe kam. Denn dies erhöhte die Wahrscheinlichkeit beim Publikum starke Emotionen hervorzurufen: „Stell Dir vor, dass es einige Augenblicke gab, in denen das Publikum wirklich von Grauen ergriffen war […]. Die Leute erzählen, dass der ganze zweite Akt sehr vollkommen sein soll – aber das Gefühl nach dem Hören des Ganzen soll keineswegs angenehm sein, nur irgendwie furchtbar.“

Moniuszko war sich der Sozialkritik seines Werkes zwar bewusst, sah dies aber nicht als Grund für die Abweisung Halkas in Warschau 1848 an. Aus dieser Tatsache, entstanden zwei verschiedene Deutungen. Zum einen wurde daraus geschlossen, dass Moniuszko der Sozialkritik nicht allzu viel Bedeutung beimaß. Zum anderen wurde ihm unterstellt, dass er zu gutmütig gewesen sei, um zu glauben, dass seine Oper aufgrund der Sozialkritik abgelehnt würde. Wolski und Moniuszko befanden sich in einer ambivalenten Situation. Sie wollten zwar die sozialen Missstände darstellen, hatten aber offensichtlich nicht die Absicht, aktiv an einem politischen Aufstand beteiligt zu sein. Von daher ist der These, dass Halka als Aufruf für revolutionäre Handlungen zu verstehen sei, zumindest mit einer gewissen Skepsis zu begegnen.

Nach der ausführlichen Besprechung der Rezeptionsgeschichte und der Hintergründe, sollte jedoch nicht die Musik selbst vernachlässigt werden. Neben der Frage, welche nationalen Elemente nun tatsächlich in der Ouvertüre vorkommen, ist es auch interessant zu beobachten, welche Teile der Handlung schon in der Ouvertüre vorweggenommen werden.

Ein Beispiel für das Nationale ist das zweite Thema der Einleitung, das ab der Ziffer 1 beginnt. Der punktierte Rhythmus ist typisch für die Mazurka. Dieses Thema, sowie ein weiteres, lebhaftes Thema in d-Moll ab Ziffer 5 sind die einzigen Themen, die in der gesamten Ouvertüre länger entwickelt werden und im Verlauf der Oper nicht mehr in Erscheinung treten. Die anderen drei von den insgesamt fünf Themen werden teilweise nur angerissen, spielen dafür aber in der späteren Oper während einiger Schlüsselszenen eine besondere Rolle. Besonders erwähnenswert sind das allererste Thema und die Fanfarenstöße vier Takte vor Ziffer 2. Beides ist im vierten und letzten Akt zu hören, in dem sich Halka vor Verzweiflung in einem nahen Fluss ertränkt. Nach einem marschartig klingenden Tutti des Orchesters, acht Takte vor Ziffer 8, stellen Flöte, Klarinette und Oboe einen neuen Einfall vor. Obwohl diese lyrische Melodie aufgrund der weniger prominenten Platzierung und den auffälligen Einwürfen des restlichen Orchesters so wirkt, als spiele dieses neue Thema lediglich eine Nebenrolle, so erhält es in der Oper eine ganz neue Bedeutung. Im zweiten Akt tritt nämlich Jontek auf, der versucht Halka davon zu überzeugen, dass Janusz ein falsches Spiel mit ihr treibt. Die Weigerung Halkas, dies zu glauben, wird an dieser Stelle durch die Auseinandersetzung Jonteks mit Halka zwischen den Soloinstrumenten und dem Orchester widergespiegelt.

Ein weiterer Vorgriff auf die Handlung wird im Staccato der Bässe auf dem Ton a vier Takte nach Ziffer 14 deutlich. In der Ouvertüre markiert dies das Ende der Durchführung und im ersten Akt taucht dieser belebte harmonische Orgelpunkt fast unverändert während eines Duetts von Janusz und Halka wieder auf. Janusz, der gar nicht glücklich ist, seine frühere Affäre wieder zu sehen, lügt ihr genau an dieser Stelle vor, er würde sie immer noch lieben. Das tiefe ,a‘ fügt ein spannungsgeladenes Moment hinzu und diese Diskrepanz zwischen dem lyrischen Gesang und dem tiefen Staccato zeigt dem Hörer an, dass Janusz nicht ehrlich ist. Durch diese Analyse wird deutlich, dass die Schlüsselszenen, die schon in der Ouvertüre musikalisch angekündigt werden, auch gleichzeitig die kritische Sicht auf den Adel beleuchten. Die sozialkritischen Momente sind folglich handlungstragend für das Werk. Obwohl sie eindeutig als Potpourri-Ouvertüre einzuordnen ist, behält sie den Charakter eines eigenständigen Werks, ohne die Verbindung zur darauf folgenden Oper aufzugeben.

Die Oper Halka gab den Polen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Obwohl Moniuszko sich selbst nicht als ‚musikalischen Politiker‘ verstand, deuteten nachfolgende Generationen sein Leben und sein Werk in diese Richtung. Stanisław Moniuszko stieg zum Nationalkomponisten auf - sein großes Werk Halka ist unbestritten eines der einflussreichsten Werke für das Polen des 19. Jahrhunderts zur Stiftung polnischer Identität für eine Nation ohne Staat.

Sonja Markgraf , Tanja Schultze, März 2012

Aufführungsmaterial ist von PWM, Krakau zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.

Editor’s Preface

If listening to and understanding music places high demands on the listener, speaking and writing about it poses further quite special challenges to writers and readers alike. How is it possible or feasible to think about something so intangible and to convey it to other people? This question applies not only to music in general, but especially to Stanislaw Moniuszko and his forgotten works.

In the 2011-12 winter semester, I held a seminar on “Writing about Music” at the Musicological Institute of Robert Schumann University in Düsseldorf. The result was five prefaces to opera overtures by Moniuszko: Halka, Flis, Jawnuta, Paria, and Verbum Nobile. The relevance of such practical experience became immediately apparent in that, happily, there were more seminar members than prefaces to be written. As a result, students from the arts and humanities formed teams to write joint essays. The combinations produced a very broad and varied array of intellectual and personal prerequisites, which led to productive discussions. During the regular seminar sessions, the emerging and expanding versions were debated, altered, and optimized both within the group and in individual discussions using various approaches and methods of reading.

One primary “difficulty,” and at the same time an opportunity, was the paucity of scholarly writings on Moniuszko in German. The ability and necessity of proceeding more or less from scratch made it possible to view his works with a fresh and independent eye. As a result, all the prefaces represent wholly different and original approaches, convincingly demonstrating that the study of music outside the standard “canon” is always worth the effort.

Yvonne Wasserloos, May 2012

Writing the Preface to the Halka Overture

“Writing about Music”: at first glance a course like this looks a bit odd for a degree program in musicology. After all, practically everything at university is conducted in writing, and what is a student of musicology likely to write about if not music? But writing about study sores is not an everyday matter, and the course thus promised to be an interesting diversion from our normal studies. Besides, it’s not every day that one’s own texts are published. That I was not alone in my way of thinking became apparent one Friday afternoon when I found roughly a dozen fellow students sitting at my side. It quickly transpired that we were a widely varying international group from various disciplines, and thus had very different views of the challenges we faced. True, we very soon reached an agreement that personal opinions had no place in a scholarly preface; but in compensation there were debates, sometimes quite lengthy, on the definition of terms. Besides the question of whether an instrument can justifiably be called “sad,” one student’s thoughts on why music must not be assigned a national tag reverberated in my memory for a long time.

Not only did finding the proper writing style prove a great challenge, so did the composer himself. None of us had ever heard of Moniuszko (we ytill don’t know whether we pronounced his name correctly), and in some cases the research was difficult to manage owing to the paucity of sources.

It is thus all the more satisfying that, in the end, all the authors not only gathered together sufficient material, but produced truly readable texts.

Sonja Markgraf

Stanisław Moniuszko

(b. Ubiel nr. Minsk, 5 May 1819 – d. Warsaw, 4 June 1872)

Overture to the Opera

Halka

Instrumentation: 1 flute (pic), 2 ob, 2 cl, 2 bn, 4 hn, 2 tpt, 3 tbn, tuba, strs, timp, perc

Duration: ca. 9 min.

Vilnius, 1846. The Polish composer Stanisław Moniuszko, writing to the influential Warsaw musicographer Józef Sikorski (1813–1896), had a special request to make: he wanted Sikorski to help him find a suitable librettist in Warsaw. Moniuszko had long toyed with the thought of writing an opera, but he never found anyone in Vilnius capable of producing a libretto that matched his ideas. Soon thereafter he set out for Warsaw and met Włodzimierz Wolski (1824-1882), who gladly accepted the assignment and turned out a libretto based on his earlier poem, Halka.

The story relates the fate of the young Halka (Helen). It opens with celebrations for the engagement of Janusz and Zofia, a young, highly regarded, well-to-do aristocratic couple. Suddenly a peasant girl bursts into the merry company. It is Halka, who is in love with Janusz. He once promised to love her forever, but in reality she was no more to him than a brief and insignificant fling. Jontek, who is in love with Halka, tries to convince her of Janusz’s faithlessness. But only with Janusz und Zofia’s wedding does she realize the truth. Seeing no escape, she takes her life in abject despair.

By clearly underlining the contradictions and problems inherent to society at that time, Wolski’s libretto wields a sharp social critique. All the more surprising, then, that it was later developed into such a successful and seminal opera. What is it that makes Halka so special, that raised it to the level of myth and made it the Polish national opera?

To examine this phenomenon, we must turn to the opera’s genesis. Moniuszko wanted his first opera to be premièred in Warsaw as early as 1848. Yet although it had already entered rehearsal, the performance never materialized, presumably because of the critical depiction of the aristocracy. In the end, the première took place on a smaller scale in Vilnius. The opera, consisting of two acts, was heard for the most part in a concert performance without sets or costumes. The music was given a rousing reception, but the libretto was almost uniformly reviled. In short, at first the opera failed to meet Moniuszko’s expectations of success. This, too, had to do with its strong critique of society. But most of all, the staging failed to kindle the emotions that would have arisen from a lavish mise en scène. Nor was the work seen as particularly Polish: Vilnius, being a city in Lithuania, was not part of Poland’s native culture, and the audience saw no connection with “nationalist” music. This setback ensured that many years had to pass before Moniuszko composed another opera.

With the political liberalization that set in with the royal succession in 1855, Halka finally received its Warsaw première on 1 January 1858. The libretto was again heavily criticized, but the criticism was far outweighed by enthusiasm for the music. To quote a popular Polish columnist of the time, Józef Kenig (1821-1900), “This dramatic, ever-artful, and well-conceived music immediately ingratiated itself into our heart” (Gazeta Warszawska, 2 January 1858). In short, the Warsaw performance was far more warmly received than the one in Vilnius.

Another reason for this was presumably that Moniuszko had revised and expanded his opera. It now consisted of four acts and contained nine numbers that were “Polish” in character. For example, a Polish folk dance, a mazurka, was incorporated into Act 1. Besides the Góral dances, which originated among the like-named western Slavic people, an important role was played by a scene at the beginning of Act 4. Here a musician from the people appears with a kobza (a lute-like folk instrument) and strikes up an aria. The sound of the kobza considerably heightens the original “Polish” character of this aria. Again to quote Józef Kenig, “These few bars […] so marvelously capture our character, […] and are so imbued with originality, that we must delve into them at greater length.” His words make clear how important it was for the Poles to hear national elements in the opera. The national music made it possible for them to feel something akin to solidarity – a feeling all the more important in that Poland did not exist as a sovereign state at the time.

The success of Halka has remained unparalleled in Poland to the present day. No other opera, either by Moniuszko or anyone else, has achieved similar significance. In Warsaw alone it was given forty times in the first year after its première. The critics found the enthusiasm for the opera reason enough to proclaim it a work of genius. Moniuszko was made the artistic director of the Warsaw Opera, which gave him greater opportunities to have his works performed. But Halka remained far and away the most successful work ever to proceed from his pen. Its late nineteenth-century anniversary performances were events of great pomp and circumstance. In eastern Europe, Moniuszko was even mentioned in the same breath with a “native” composer of international stature, Frédéric Chopin. Yet his popularity was limited to eastern Europe; in western Europe he was, at best, an insider’s tip among musical connoisseurs.

It was because of this incredible success that Halka came to be viewed as the Polish national opera par excellence. It was discussed in idealized terms: the plot was either ignored or simply reinterpreted by the critics. Janusz’s dishonorable behavior was classified as wholly legitimate. It was claimed that he had to behave that way and had no alternative but to abandon Halka. Halka herself was construed as a naïve peasant girl with no grasp of reality. Besides the plot, there was another problem: the fact that it took ten years for the opera to receive proper recognition seemed like a “blot” on the history of its reception. So its genesis was to a certain extent reinvented.

Warsaw’s rejection of Halka in 1848 was left unmentioned; instead its reception in Vilnius was criticized as wrong-headed. The opera, it was said, had failed there because audiences were unable to appreciate it. In compensation, Warsaw was placed in a more flattering light: the Warsaw stage director Leopold Matuszyński (1820-1893), it was claimed, was chiefly responsible for the fact that the work could be performed there at all. The myth of Halka was thus deliberately contrived; its originally less than flattering reception history was rewritten, its critique of the aristocracy blunted, the obstacles to its mythification removed. The phenomenon is captured especially well in the words of Claude Lévi-Strauss: “Myths have no author; once they are perceived as myths, whatever their origins might have been, they exist only as incarnated in a tradition.”

This interpretation changed fundamentally in the aftermath of World War II. In Communist Poland, the things that were deliberately concealed after 1858 caused Moniuszko to be cast as a fighter for social justice. His opera, it was alleged, was designed to foment revolution. This interpretation is highly controversial, especially because the sources shed practically no light on the composer’s intentions. Still, there is enough slender evidence to convey a vague picture. It is known, for example, that the librettist Wolski belonged to an artists’ collective named Cyganeria Warszawska that consisted mainly of littérateurs whose writings dealt with current social problems, especially those of the peasantry. However, for all their critique of society, they did not call for a revolt. As such questions had hardly been posed before, their writings could be expected to attract attention. In short, dealing with material of this sort was a passing “fad.” Wolski’s libretto, for all its critique of society, was not a revolutionary pronunciamento.

Moniuszko’s attitude must be placed in the same category, for his self-image as a musician was the diametrical opposite of a political activist. He most likely chose the subject in order to address something very close to reality, for it raised the probability of a highly emotional response from the audience: “Just imagine, there were a few moments when the audience was truly seized with horror […]. People say the entire second act is well-nigh perfect, yet the feeling after listening to the whole opera is not pleasant at all, but somehow frightful.”

Moniuszko, though aware of the social criticism in Halka, did not see it as the reason for the work’s rejection in Warsaw in 1848. This fact has spawned two different interpretations. First, it was concluded that he did not attach much importance to social criticism. Second, it was alleged that he was too gullible to believe that his opera was rejected because of its critique of society. Wolski and Moniuszko found themselves in an ambivalent predicament: they wanted to depict social injustices, but evidently did not intend to take an active part in a political uprising. Thus, the thesis that Halka should be viewed as a call for revolution can at best be taken with a pinch of salt.

Having dealt in detail with the work’s reception history and background, it is time to turn to the music. Besides the question of what national elements actually occur in the overture, it is interesting to note which parts of the plot it anticipates. One national element, for instance, is the second theme of the introduction, beginning at rehearsal number 1. The dotted rhythm is typical of a mazurka. This theme, as well as another lively theme in D minor beginning at rehearsal number 5, are the only ones developed at length throughout the overture but missing in the opera itself. The other three of the overture’s five themes, though merely touched on, play a special role in several key scenes later in the opera. Particularly noteworthy is the very first theme and the fanfare outbursts heard four bars before rehearsal number 2, both of which recur in the fourth and final act when the distraught Halka drowns herself in a nearby river. Following a march-like orchestral tutti eight bars before rehearsal number 8, the flute, clarinet, and oboe present a new idea, a lyrical melody whose inconspicuous placement and brash interjections from the rest of the orchestra make it seem secondary in importance. Yet it receives entirely fresh significance in the opera, namely, in the second act, when Jontek tries to convince Halka that Janusz is playing fast and loose with her. Halka’s refusal to believe him is mirrored in the to and fro among solo instruments and orchestra during Jontek’s remonstrations.

Another anticipation of the plot can be heard in the bass staccatos on the pitch A four bars after rehearsal number 14. This lively harmonic pedal point, which marks the end of the development section in the overture, recurs almost unchanged in Act I during a duet between Janusz and Halka. At precisely this point Janusz, by no means happy to be reminded of his earlier affair, feigns that he still loves her. The low A adds a level of tension, and the discrepancy between the lyrical vocal part and the low staccatos betrays his dishonesty to the listener. This brief analysis shows that the key scenes announced musically in the overture also cast the aristocracy in a critical light. In sum, the work’s social-critical elements sustain the plot. Although the piece is clearly a medley overture, it retains the character of a self-contained work without abandoning its ties to the opera that follows.

Halka gave the Poles a sense of solidarity. Although Moniuszko did not view himself as a “musical politician,” later generations put precisely this construction on his life and music. He rose to become Poland’s national composer, and his magnum opus, Halka, is unquestionably one of the most influential pieces of music in nineteenth-century Poland: it established a Polish identity for a nation without a state.

Translation: Bradford Robinson

For performance material please contact the publisher PWM, Krakow. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.