Vorwort der Herausgeberin

Musik zu hören und sie zu verstehen, stellt einen hohen Anspruch an den Hörer – darüber zu sprechen und zu schreiben, fordert Autoren wie Leser zusätzlich auf eine ganz besondere Art und Weise heraus. Denn wie kann und soll es gelingen, über etwas nachzudenken und dies an andere zu vermitteln, das so wenig greifbar ist? Dies trifft generell für Musik und speziell auf Stanisław Moniuszko und seine in Vergessenheit geratenen Werke zu.

Im Wintersemester 2011/2012 entstanden am Musikwissenschaftlichen Institut der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf in dem von mir geleiteten Projekt-Seminar „Schreiben über Musik“ fünf Vorworte zu Opern-Ouvertüren des polnischen Komponsiten: Halka, Flis, Jawnuta, Paria und Verbum Nobile. Die Relevanz solcher Praxiserfahrungen zeigte sich gleich daran, dass (erfreulicherweise) mehr Seminarteilnehmer als zu erarbeitende Vorworte vorhanden waren. So fanden sich Studierende aus geisteswissenschaftlichen wie künstlerischen Studiengängen in Autoren-Teams zusammen, um gemeinsam einen Text zu erarbeiten. Bereits durch diese Konstellation ergab sich eine Gemengelage unterschiedlichster fachlicher und auch persönlicher Voraussetzungen, die zu fruchtbaren Diskussionen führten. Innerhalb regelmäßiger Seminarsitzungen wurden die entstehenden und wachsenden Versionen sowohl in der Gruppe als auch in Einzelbesprechungen durch unterschiedliche Betrachtungs- und Lesemethoden diskutiert, korrigiert und optimiert.

Die ‚Schwierigkeit‘, aber zugleich auch Chance ergab sich in erster Linie aus der dünnen Literaturgrundlage der deutschsprachigen Moniuszko-Forschung. Die Ausgangssituation, mit wenig Vorgegebenem arbeiten zu müssen bzw. zu können, bot die Möglichkeit, die Werke Moniuszkos selbstständig und neu betrachten zu können. So zeigen alle Vorworte völlig unterschiedliche und originelle Ansätze, die überzeugend verdeutlichen, dass sich die Beschäftigung mit Musik jenseits des üblichen „Repertoire-Kanons“ stets lohnt.

Yvonne Wasserloos, Mai 2012

Entstehung des Vorwortes zur Ouvertüre Flis

Es ist schon immer so eine Sache, für das Studium Hausarbeiten, Referate etc. zu verfassen. Nun aber ein Vorwort zu schreiben, aus dem Nichts Text zu produzieren, stellte uns vor gewisse Anfangsschwierigkeiten. Wie schön ist es dann, wenn sich da zwei Geister treffen, die ähnlich ticken, oder zumindest mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Als praktizierende Musiker fanden wir zum Notentext sehr schnellen Zugang, aber die Musik als abstrakteste Kunstform mit den Mitteln des profanen Wortes bestenfalls zu umschreiben, ist wie die Quadratur des Kreises: Man kann sich ihrem Wesen zwar annähren, eine Rest-Unschärfe bleibt jedoch trozdem erhalten. Also mussten wir das Vorwort anders angehen. Es war interessant zu sehen, wie die einzelnen Kleingruppen die Themen unterschiedlich beleuchtet, Schwerpunkte gesetzt und letzten Endes ausformuliert haben. Gerade diese Vielfalt war es, die uns den Mut gegeben hat, eigene Ansätze zu finden. So haben wir uns in unserem Vorwort bemüht, dem Leser einen tieferen Einblick in die Thematik der Nationalmusik zu geben, Parallelen und Unterschiede zum „Fall“ Moniuszko zu finden um letztlich selbst urteilen zu können, wieviel Parameter vonnöten sind, um aus einem Komponisten einen Nationalhelden zu machen. Dies mag uns auch in Zukunft als Vorbild dienen, um Komponisten zu beurteilen, die in den Mühlrädern der Zeit hängen geblieben sind und heute nicht mehr dem allgemeinen Kulturkanon angehören. Durch die Arbeit mit dem Vorwort und Moniuszko im speziellen haben wir unsere Kurzsichtigkeit abgelegt, dass Werke abseits der Spielpläne großer Konzert- und Opernhäuser von minderer Qualität wären.

Mircea Gogoncea und Martin Zimny

Stanisław Moniuszko

(geb. Ubiel bei Minsk, Weißrussland, 5. Mai 1819 - gest. Warschau, Polen, 4. Juni 1872)

Ouvertüre zur Oper

Flis

Besetzung: 1 Fl./Picc. - 2 Ob. - 2 Kl. - 2 Fg. - 4 Hr. - 2 Trp. - 3 Pos. - Tb.- Streicher -

Pauke -Schlagwerk

Aufführungsdauer: ca. 11 Minuten

Ihr, riesiges Grabmal vergangener Jahrhunderte! Ihr, dauerhafteste Denkmäler für kommende Jahrhunderte, in unerreichbare Höhen emporgehoben, eure Gipfel in die Wolken ragend, ihr! Ihr bewahrt den unvergänglichen Namen der Polen. Durch keine menschliche Gewalt erreichbar, bewahrt ihr dieses Zeichen und übergebt es den nachfolgenden Jahrhunderten als Beweis dafür, dass der erste, der auf diesen euren herausragenden Gipfeln stand, ein Pole war [...]“

(Stanisław Staszic aus: O Ziemiorództwie Karpatów i innych gór i równin Polski. Warschau 1815, übersetzt und zitiert in: Rüdiger Ritter: Musik für die Nation: Der Komponist Stanisław Moniuszko (1819-1872) in der polnischen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts. Frankfurt/M. 2005. )

Der polnische Schriftsteller und Priester Stanisław Staszic (1755-–1826) fand als einflussreicher Vertreter der polnischen Aufklärung 1815 große Worte für die „Bewahrer des Polentums“. Während Staszic sich verbal politisch äußerte, schrieb der polnische Nationalkomponist Stanisław Moniuszko mehrere Opern zu diesem Themenkomplex. Über das traditionsreiche Flößen, eine der wichtigsten Formen des Warentransports im präindustrialisierten Polen, komponierte Moniuszko die Oper Flis. Wie fast alle seiner Opern thematisiert sie neben einer verworrenen Liebesgeschichte (in Flis mit gutem Ausgang) auch das Verhältnis zwischen Städtern und Dorfbewohnern, einem Verhältnis, welches seit jeher in Polen wie auch in anderen von Agrarwirtschaft geprägten Ländern sehr spannungsgeladen war.

Jedoch muss man sich vor Augen halten, dass in der Zeit, in der er seine Opern, die die polnische Nation thematisieren, komponierte und die Handlungen der meisten seiner Werke auch spielen, ein souveräner polnischer Staat nicht existierte. Dieser wurde bereits vor Moniuszkos Geburt zum dritten Mal aufgeteilt, diesmal zwischen Preußen, Österreich und Russland, wodurch sich das polnische Volk mit einer ernst zu nehmenden Existenzkrise konfrontiert sah. Die daraus resultierende Ausbildung von nationalen Identitäten war ein Prozess, der seit Beginn des 19. Jahrhunderts Europa prägte und zu großen Umstrukturierungen des Kontinents führte. In Polen stellte sich der Identitätsfindungsprozess jedoch wesentlich komplizierter dar. Polen war im Laufe der Zeit mehrfach unter Fremdherrschaft verschiedenster geographischer und kultureller Herkunft gestellt worden. Bereits vor der Teilung Ende des 18. Jahrhunderts existierte es lediglich in einer multiethnischen Personalunion mit Litauen, wodurch eine starke Ausprägung nationaler Ideen behindert wurde. Mit der Auflösung des polnisch-litauischen Staates 1795 – etwa zeitgleich mit dem Aufkeimen von massenmotivierenden nationalistischen Ideen – verstärkte sich das Verständnis von einem genuin polnischen Volk. Infolge entwickelten sich auf musikalischem Gebiet nationale Schulen. Dieser Prozess, wie er sich auch in Polen ereignete, ähnelte der damaligen Situation im Königreich Böhmen als Teil der Habsburgermonarchie in Österreich-Ungarn (bis 1918). Der dortige Identitätsfindungsprozess als Volk einer Nation wurde unter anderem unterstützt durch Komponisten wie Bedřich Smetana (1824-1884) und Antonín Dvořák (1841-1904), die in ihren Werken Rhythmen und Lieder der tschechischen Volksmusik benutzten und somit große Popularität als Nationalkomponisten erlangten. In Polen war es Moniuszko, in dessen bisweilen folkloristischen Kompositionen diese Bewegung ihren Katalysator fand.

Moniuszko wurde am 5. Mai 1819 in Ubiel bei Minsk geboren und entstammte einer Kleinadelsfamilie. Zur Zeit seiner Geburt war Minsk Teil des russischen Kaiserreichs. Erwähnenswert ist, dass Moniuszko nicht nur im heutigen Polen sondern auch teilweise in Weißrussland und Litauen als Nationalkomponist betrachtet wird, was höchstwahrscheinlich eine Folge dessen ist, dass ein großer Teil des heutigen Litauen, Weißrussland, Polen und der Ukraine vor 1795 von einem vereinigten polnisch-litauischen Reich regiert wurde.

Seine frühen Kompositionen, wie seine erste Operette Nocleg w Apeninach und seine einzigen beiden Streichquartette, entstanden während seines Unterrichts an der Berliner Singakademie in den Jahren 1837 bis 1840. Seine erste Anstellung fand er 1840 als Organist in Vilnius, er bemühte sich jedoch bereits 1842 in Petersburg um eine Anstellung am Zarenhof, um sein wirtschaftliches Auskommen zu verbessern. Auch Vilnius und Petersburg waren zu seiner Zeit lediglich zwei Städte des gleichen russischen Kaiserreichs.

Erst durch die Veröffentlichung des ersten seiner insgesamt zwölf Liederbücher Spiewniki domowe („Hauslieder“) 1843 erhöhte sich Moniuszkos Ansehen dergestalt, dass er in den Künstlerkreis Warschaus eingeführt wurde und Bekanntschaft mit dem jungen Dichter Wlodzimierz Wolski schloss, der letztlich das Libretto seiner ersten Oper Halka schrieb. Gleichwohl diese Oper Mitte 1847 fertiggestellt wurde und in Vilnius ohne zunächst großes Aufsehen zu erregen aufgeführt wurde, sollte es noch bis 1858 – immerhin elf Jahre, in denen die Oper weitere Umstrukturierungen erfahren hatte – zur Premiere in Warschau dauern, die Moniuszkos Leben von Grund auf veränderten. Erst als er nach Warschau kam – eine Stadt, die in seiner Zeit von Preußen verwaltet wurde – zog er erstmals aus dem russischen Kaiserreich aus. Dort begann sich seine Rolle als künftiger Nationalkomponist des polnisch-litauischen Staates und Polens im Besonderen zu entwickeln, da er direkt mit der polnischen Nationalbewegung – vor allem in Form von Poesie und Komposition – in Berührung kam und sich ihm die Möglichkeit bot, weitere seiner Werke in einer in Polen bedeutenden Stadt aufzuführen.

Durch seinen großen Erfolg mit Halka in Warschau erhielt Moniuszko den Posten des künstlerischen Leiters der Nationaloper. In dieser fruchtbaren Phase entstanden unter anderem seine Opern Flis, Hrabina, Verbum Nobile, und Paria. Für seine Zeitgenossen galt Moniuszko als bedeutendster polnischer Komponist seiner Zeit. Sein Erfolg, insbesondere der seiner Opern, fußte vor allem darauf, die Forderung der polnischen Nationalbewegung nach einer eigenständigen polnischen Nationalmusik eingelöst zu haben. Als Moniuszko am 4. Juni 1872 verstarb, nahmen mehrere Tausend Besucher an der Trauerfeier teil.

Moniuszkos Gesamtschaffen wurde Zeit seines Lebens jedoch durch den einzigartigen Erfolg von Halka überschattet. Die Reichweite der Oper ist zu erahnen, als die Neue Zeitschrift für Musik 1865 darüber informierte, dass die 100. Aufführung in Warschau stattgefunden habe, sieben Jahre nach der dortigen Premiere. Seinen übrigen Werken wie zum Beispiel Flis blieb diese überragende Publikumsresonanz versagt.

Zur Entstehung der Oper Flis („Der Flößer“) als dem Nachfolgewerk von Halka sind keine näheren Umstände bekannt. Moniuszko vollendet das Werk 1858 in Warschau, wo es im gleichen Jahr am 24. September noch seine Uraufführung feierte. Für das relativ kurze, einaktige Werk fand sich der Journalist und Schauspieler Stanisław Bogusławski (1804-1870) als Librettist. Die Oper handelt von Zosia, die Tochter von Antoni, einem wohlhabenden Fischer. Sie ist in Franek verliebt, einem tapferen, aber armen Flößer. Zosia wurde dem Warschauer Barbier Jakub versprochen und kann ihren Vater nicht davon überzeugen, die Verlobung aufzulösen. Franek entscheidet sich dafür, das Dorf zu verlassen, um seinen lang verschwundenen Bruder zu finden. Es stellt sich heraus, dass Jakub Franeks Bruder ist, welcher daraufhin Franek erlaubt, Zosia zu heiraten.

Die Ouvertüre beginnt mit einer ruhigen Einleitung, einem „Andantein B-Dur. Die Streicher breiten sanft diesen Akkord aus, bis über einem Sextakkord schließlich die erste Klarinette einsetzt (9 Takte nach Beginn). Vor prägnanten motivischen Einsätzen bedient sich Moniuszko einer vom Rest der Einleitung abweichenden Kadenzbildung wie zum Beispiel vor besagtem Klarinetteneinsatz, wo F-Dur durch eine Alteration der IV. Stufe von B-Dur (von c-Moll zu einem C-Dominantseptakkord) tonikalisiert aber sogleich durch eine Kleinterzverschiebung zurück nach B-Dur geführt wird. Die Rhythmik des Satzes wird durch Liegetöne, Triolen und Triller verschleiert. Gegen Ende des Andantes verdichtet sich kurzzeitig die Orchestration, flaut aber zum unmittelbaren Schluss in einem Piano-Pianissimo wieder ab. Moniuszko spannt dadurch den Bogen zum Inhalt der Oper, in der vom Ende eines Sturmes berichtet wird. De Orchestration wächst während des ebenfalls in pianissimo beginnenden, aber nun mit „Allegroüberschriebenen Hauptteils an, indem Hörner und später Oboen hinzukommen. Nicht unelegant gestaltet Moniuszko das Schlussmotiv der Einleitung in den Klarinetten von einer Leitstimme in eine Füllstimme um (3 Takte vor „Allegro“). Das Tutti (ohne Schlagwerk) wird jedoch erst bei Buchstabe B erreicht. Das „Allegro“ leitet bereits einen folkloristischen Rhythmus ein, der bei B letztlich in einem Polka ähnlichen Rhythmus kulminiert. Einfache Kadenzharmonik unterstützt diesen Effekt. Durch Wiederholungen, Variationen (vor allem des Hauptmotives der Violinen 2 Takte nach „Allegro“, ein B-Dur Arpeggio mit einer Wechsel- und einer Durchgangsnote, und Intensivierungen der Kadenzen erzeugt Moniuszko eine Spannung, die die Ouvertüre von einer bloßen Operneinleitung zu einer eigenständigen Konzertouvertüre mit fulminantem Tutti-Schluss wachsen lässt.

Die Aufführung der Oper fand in der Neuen Berliner Musikzeitung von 1860 (14. Ausgabe) positive Resonanz: „Lemberg. Am 14.März sahen wir im hiesigen polnischen Theater ein Werk des in Warschau so beliebten Moniuszko, nämlich seine einactige Oper‘Flis‘ (Der Flösser), Text von Boguslavski. Die Musik, grösstentheils aus nationalen Weisen bestehend, ist melodiös und mit vielem Geschick instrumentiert. Die Oper gefiel und wird sich auf dem Repertoire halten.“

Jedoch beschränkte sich bei Flis die Rezeption in der Presse auf solch wenige Schlaglichter, die die Oper zwar lobten, jedoch nicht die positive Resonanz wie Halka hervorriefen. Sicherlich fänden sich in den zeitgenössischen polnischen Medien noch weitere Details vor allem zur Uraufführung, jedoch ist nicht außer Acht zu lassen, dass Warschau – dem Ort der Uraufführung – damals zu Preußen gehörte und somit das geringe Interesse der Presse auch als Faktor zu Rate gezogen werden muss, um abzuschätzen, wie die Oper Flis aufgenommen wurde. Vielleicht trug der Umstand, dass die Oper in polnischer Sprache aufgeführt wurde, dazu bei, dass sie in der deutschen Berichterstattung wenig Niederschlag fand. Vielleicht war es auch das Libretto von Stanisław Bogusławski, das dem Publikum in Sachen Thematik, Handlungsverlauf oder Ständekritik nicht zusagte und somit eventuell bald wieder vom Spielplan der Warschauer Oper verschwand. Bedauerlicherweise lässt sich darüber nur spekulieren, denn nähere Umstände über die weitere Rezeptionsgeschichte von Flis sind in den übrigen zeitgenössischen, deutschsprachigen Medien (wie zum Beispiel Deutsche Musik-Zeitung, Monatshefte für Musik-Geschichte oder Musikalisches Wochenblatt) nicht zu finden. Dies ließe sich mit der zuvor geschilderten politischen Situation Warschaus unter preußischer Herrschaft zu diesem Zeitpunkt erklären. Interessant bezüglich der Rezeption Moniuszkos sind auch jene Meldungen, die rückblickend auf das Werk Moniuszkos schreiben:

„Stanislaus Moniuszko, der fruchtbarste und fleißígste der hier lebenden Componisten. Sein Meisterwerk ist und bleibt die Nationaloper „Halka“, welche circa 130 Mal abgegeben wurde. (Welch Geschäft in Paris, wo es Tantiemen giebt!) Moniuszko hat noch folgende Opern aufgeführt: „Hrabina“ (Die Gräfin), „Flis“, „Verbum Nobile“, „Jawnutz“, „Straszny Dwor“ (Der Geisterhof) und „Rokiczana“ (letztere des Textes wegen verboten). [...] Moniuszko ist immer originell, seine Harmonien sind frappant und doch fein. Seine Instrumentation, in seinem Erstlingswerke schwerfällig, hat sich in den letzten Werken sehr verfeinert. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist bei Moniuszko das Compositionstalent hervorragender als dessen Kunst, ein Orchester zu leiten.“ (Signale für die musikalische Welt, 1867)

Bemerkenswert ist jedoch, dass trotz des geringen Interesses außerhalb Polens der Komponist Moniuszko nicht unter die ,Mühlräder‘ der Zeit geriet. Immer wieder tauchen Aufnahmen auf den gängigen Medienplattformen – von Laien- wie Profiorchestern – auf, die sich seinem Werk zuwenden. Für den interessierten Hörer findet sich auch die komplette Oper Flis eingespielt vom Chór i orkiestra opery na zamku unter Leitung des Dirigenten Warcisław Kunc. Vor allem die Arie des Franek Plyna tratwy po Wisle genießt größere Bekanntheit und wird mitunter gerne bei Arien-Abenden gegeben. Darüber hinaus existiert eine Aufnahme der Filharmonia Pomorska mit den wichtigsten Ouvertüren seiner Oper, die sich zum Ziel gemacht hat, das Werk Moniuszkos wiederzubeleben und weiter zu etablieren. Das Musikmagazin Fanfare (USA) lobte 1993 Moniuszkos Werk: „Gewandte, melodiöse, höchst genußvolle Musik. Die Interpretationen erscheinen mir definitiv. Die zwei Ouvertüren, mit denen ich schon bisher vertraut war, habe ich so überzeugend noch nicht gehört.“

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass vermutlich wegen der äußerlichen geopolitischen Umstände Stanisław Moniuszko nie Eingang in die erste Riege einflussreicher europäischer Lied- und Opernkomponisten fand und außerhalb Polens weitestgehend unbekannt blieb. Doch gerade in Zeiten, in denen die großen Bühnen vor allem von Standardrepertoire dominiert werden, ist der Anreiz umso größer, sich Werken abseits des etablierten Kanons zu widmen. So ist neben den anderen, unbekannteren Opern Moniuszkos auch sein umfangreiches Liedschaffen mit mehr als 300 Kompositionen zu nennen, welches bisher lediglich Liebhabern polnischer Musik ein Begriff ist und das es – ebenso wie Flis – lohnt, entdeckt zu werden.

Mircea-Stefan Gogoncea / Martin Zimny, März 2012

Aufführungsmaterial ist von PWM, Krakau zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.

Editor’s Preface

If listening to and understanding music places high demands on the listener, speaking and writing about it poses further quite special challenges to writers and readers alike. How is it possible or feasible to think about something so intangible and to convey it to other people? This question applies not only to music in general, but especially to Stanislaw Moniuszko and his forgotten works.

In the 2011-12 winter semester, I held a seminar on “Writing about Music” at the Musicological Institute of Robert Schumann University in Düsseldorf. The result was five prefaces to opera overtures by Moniuszko: Halka, Flis, Jawnuta, Paria, and Verbum Nobile. The relevance of such practical experience became immediately apparent in that, happily, there were more seminar members than prefaces to be written. As a result, students from the arts and humanities formed teams to write joint essays. The combinations produced a very broad and varied array of intellectual and personal prerequisites, which led to productive discussions. During the regular seminar sessions, the emerging and expanding versions were debated, altered, and optimized both within the group and in individual discussions using various approaches and methods of reading.

One primary “difficulty,” and at the same time an opportunity, was the paucity of scholarly writings on Moniuszko in German. The ability and necessity of proceeding more or less from scratch made it possible to view his works with a fresh and independent eye. As a result, all the prefaces represent wholly different and original approaches, convincingly demonstrating that the study of music outside the standard “canon” is always worth the effort.

Yvonne Wasserloos, May 2012

Writing the Preface to the Flis Overture

Writing papers, presentations, and such things at university is always a tricky business, but producing a scholarly preface completely from scratch poses difficulties all its own. So it’s nice when two people are involved who think alike, or at least have to grapple with the same problems. As performing musicians, we quickly found our way into the musical text. But trying at best to paraphrase that most abstract of art forms, music, with the profane resources of language is like trying to square the circle: one can come close to its essence, but a residual blurriness will always remain. So we had to approach our preface from a different angle. It was interesting to see how the groups in the seminar illuminated their topics in different ways, setting their own points of emphasis and ultimately committing them to paper. This variety gave us the courage to find approaches of our own. We therefore tried in our preface to give the reader a deeper insight into the topic of national music, to unearth parallels and differences in the “case example” of Moniuszko so as to judge for ourselves how many parameters are needed to turn a composer into a national hero. This may also serve in the future as a guideline for assessing composers stranded in the millwheels of history and missing in today’s cultural canon. Our work on this preface, and on Moniuszko in particular, caused us to set aside our shortsighted view that works outside the repertoires of the great concert halls and opera houses are necessarily inferior.

Mircea Gogoncea and Martin Zimny

Stanisław Moniuszko

(b. Ubiel nr. Minsk, 5 May 1819 – d. Warsaw, 4 June 1872)

Overture to the Opera

Flis

Instrumentation: 1 fl(pic), 2 ob, 2 cl, 2 bn, 4 hn, 2 tpt, 3 tbn, tuba, strs, timp, perc

Duration: ca. 11 min.

“Ye gigantic sepulcher of bygone centuries! Ye lasting monuments for centuries to come, raised to unattainable heights, your peaks thrusting into the clouds! You preserve the imperishable name of the Polish people. Unreachable by human force, you preserve this symbol and pass it on to the centuries that follow as proof that the first man to stand on these, your towering peaks, was a Pole [...]” Stanisław Staszic: O Ziemiorództwie Karpatów i innych gór i równin Polski (Warsaw, 1815).

The Polish writer and priest Stanisław Staszic (1755–1826), an influential figure in the Polish Enlightenment, found these stirring words for the “preservers of Polish identity” in 1815. If Staszic expressed himself verbally in the language of politics, Poland’s national composer, Stanisław Moniuszko, composed operas on the same themes. His opera Flis centers on the rafts that traditionally served as a major form of commercial transportation in pre-industrial Poland. Like almost all his operas, it not only tells a convoluted love story (in this case with a happy outcome), it also treats of the relations between townsfolk and villagers – relations eternally fraught with tension in Poland, as in other countries with primarily agrarian economies.

Yet it must be borne in mind that during the age in which Moniuszko wrote his operas on the Polish nation, and in which most of his plots are set, there was no sovereign Polish state at all. Before he was born, Poland had already suffered its third partition, this time between Prussia, Austria, and Russia, confronting its people with a grave existential crisis. The resultant formation of national identities was a process that dominated Europe from the early nineteenth century on and led to great restructurings of power on the Continent. But the process of finding a national identity was considerably more complex in Poland, which over the centuries had been subjected to many forms of foreign domination, both geographical and cultural. Even before the partition of the country in the late eighteenth century it had existed solely in a multi-ethnic personal union with Lithuania, which hindered the emergence of fully-formed national ideas. Only with the dissolution of the Polish-Lithuanian state in 1795, roughly at the same time as the burgeoning of nationalist ideas capable of moving the masses, did the sense of a genuine Polish nation begin to take hold. The result, in music, was the formation of nationalist schools. This process, as it took place in Poland, resembled the then current situation in the Kingdom of Bohemia, which formed part of the Habsburg monarchy in the Austro-Hungarian Empire until 1918. There the discovery of a national identity was supported by, among others, composers such as Bedřich Smetana (1824-1884) and Antonín Dvořák (1841-1904), who attained great popularity by incorporating rhythms and tunes from Czech folk music into their scores. In Poland this movement found a vehicle in the often folk-based compositions of Moniuszko.

Moniuszko was born on 5 May 1819 into the lesser aristocracy in Ubiel near the Byelorussian city of Minsk, then part of the Russian Empire. It is worth mentioning that he is regarded as a national composer not only in present-day Poland, but to a certain extent in Belarus and Lithuania as well, most probably because prior to 1795 large parts of present-day Lithuania, Belarus, Poland, and Ukraine were ruled by a “Polish-Lithuanian Union.” His early compositions, including his first operetta Nocleg w Apeninach (“A Night in the Appenines”) and both of his only string quartets, arose during his studies at the Berlin Singakademie between 1837 and 1840. His first appointment took him to Vilnius as an organist in 1840, but by 1842 he was already making efforts to obtain a post in the imperial court in St. Petersburg to improve his financial situation. At that time Vilnius and St. Petersburg were merely two cities in the Russian Empire.

In 1843, with the publication of the first of his twelve songbooks, Spiewniki domowe (“Domestic Songs”), Moniuszko’s reputation grew to such an extent that he was introduced to Warsaw’s artistic community. Here he made the acquaintance of the young poet Wlodzimierz Wolski, who ultimately wrote the libretto to his first opera, Halka (“Helen”). Although the opera was completed in mid-1847 and mounted with indifferent success in Vilnius, it had to wait eleven years, and undergo further revision, before its Warsaw première could take place in 1858. The event fundamentally changed Moniuszko’s life. It was not until he arrived in Warsaw, then under Prussian administration, that he first set foot outside the Russian Empire. There his role as the future national composer of the Polish-Lithuanian state, and especially Poland, began to take shape, for he came into direct contact with the Polish national movement, especially in poetry and music. This gave him an opportunity to have other works from his pen performed in a major Polish city.

The triumph of Halka in Warsaw led to Moniuszko’s appointment as artistic director of the National Opera, initiating a productive period that witnessed the creation of his operas Flis, Hrabina, Verbum Nobile, and Paria. To his contemporaries, he became the leading Polish composer of the era. His success, especially that of his operas, resulted primarily from meeting the movement’s demand for an independent Polish national music. When he died on 4 June 1872, several thousand mourners attended his funeral.

Yet Moniuszko’s musical output was overshadowed to the end of his days by the unique success of Halka. The opera’s impact can be seen in the fact that in 1865, a mere seven years after the Warsaw première, the Neue Zeitschrift für Musik could report that it had been performed one-hundred times in the city. None of his other works, including Flis, achieved this same resounding response from the public.

Flis (“The Raftsman”) was Moniuszko’s next opera after Halka. Nothing is known about its genesis. He completed the work in 1858 in Warsaw, where it received its première that same year on 24 September. The libretto of this relatively short one-act opera, provided by the journalist and actor Stanisław Bogusławski (1804-1870), centers on Zosia, the daughter of a wealthy fisherman named Antoni. Zosia is in love with the courageous but poor raftsman Franek, but is unable to persuade her father to release her from an arranged engagement to the Warsaw barber Jakub. Franek resolves to leave the village in search of his long-lost brother. It transpires the brother is this same Jakub, who then allows Franek to marry Zosia.

The overture opens with a quiet introductory Andante in B-flat major. The strings gently elaborate this chord until finally, nine bars later, the clarinet enters on a first-inversion triad. Among the trenchant motivic material, Moniuszko makes use of a cadential formula that stands out from the rest of the introduction, as in the aforementioned entrance of the clarinet, where F major is tonicized by altering the fourth scalar degree of B-flat major (from a C-minor chord to a C-major dominant 7th) and quickly leads back to B-flat major through a shift of a minor 3rd. The rhythm of the movement is blurred by suspensions, triplets, and trills. Toward the end of the Andante the orchestration is briefly compressed only to immediately ebb away piano-pianissimo in a cadence. In this way Moniuszko relates the piece to the plot of the opera, which mentions the end of a storm. The main section, headed Allegro, likewise opens pianissimo, but the orchestration expands with the addition of horns and later of oboes. The introduction’s concluding motif is elegantly recast in the clarinets from a principal melody into a filler part (3 mm. before Allegro). But it is only at letter B that the orchestration reaches a full tutti (without percussion). The Allegro introduces a folk rhythm that ultimately culminates at B into a rhythm resembling a polka, an effect supported by simple cadential harmonies. Repetitions, variations (especially of the main motif in the violins two bars after Allegro), a B-flat major arpeggio with a cambiata and a passing note, and an intensification of the cadences allow Moniuszko to generate a tension that turns the overture from a mere introduction to an opera into a self-contained concert piece with a rousing tutti conclusion.

A performance of the opera in 1860 was warmly noted in the fourteenth issue of the Neue Berliner Musikzeitung: “Lvov. On May 14th we saw, in the local Polish Theater, a one-act opera Flis (The Raftsman) by Moniuszko, who is very popular in Warsaw, to a libretto by Boguslavski [sic]. The music, consisting largely of national airs, is melodious and very expertly orchestrated. The opera found favor and will maintain a place in the repertoire.”

But the critical reception of Flis was limited to a few similar highlights that praised the work while failing to evoke the response given to Halka. Surely further details can be found in contemporary Polish sources, especially regarding the première. But it should not be forgotten that Warsaw, where the première took place, belonged to Prussia at the time, and the low interest of the press must be factored into our assessment of the opera’s reception. Perhaps the fact that it was performed in Polish partly accounts for its lukewarm coverage in the German press. Perhaps the subject, plot structure, and social critique of Bogusławski’s libretto did not appeal to the audience, causing the work soon to vanish from the Warsaw Opera’s repertoire. Unfortunately we can only speculate about these matters, for other contemporary German-language periodicals (e.g. Deutsche Musik-Zeitung, Monatshefte für Musik-Geschichte or Musikalisches Wochenblatt) tell us nothing about the opera’s subsequent history. This can be accounted for by Warsaw’s above-mentioned subjugation to Prussian rule at this time. Equally interesting with respect to Moniuszko’s reception are the retrospective accounts of his music, such as this one published in Signale für die musikalische Welt in 1867:

“Stanislaus [sic] Moniuszko is the most productive and industrious of the local composers. His masterpiece is and remains the national opera Halka, which has been given some 130 times. (What a gold mine this would be in Paris, where there are royalties!) Moniuszko has also turned out the following operas: Hrabina (The Countess), Flis, Verbum Nobile, Jawnuta, Straszny Dwor (The Haunted Manor), and Rokiczana, the latter banned owing to its libretto. [...] Moniuszko is always original, his harmonies striking yet subtle. His orchestration, though ponderous in his fledgling efforts, has become much more refined in his recent works. Unlike his predecessor, his compositional talent is more outstanding than his skill in heading an orchestra.”

Remarkably, despite the slight interest shown outside of Poland, Moniuszko did not vanish into the “dust heap” of history. Recordings of his music by both amateur and professional orchestras crop up time and again on standard labels. Interested listeners can even find a complete recording of Flis by the Chór i orkiestra opery na zamku, conducted by Warcisław Kunc. In particular Franek’s aria Plyna tratwy po Wisle has become fairly well-known and occasionally features on aria albums. There is also a recording of his major opera overtures by the Filharmonia Pomorska, which has taken it upon itself to revive and disseminate his music. The American trade journal Fanfare praised Moniuszko’s work in 1993: “Deft, melodious, highly enjoyable music. The performances seem definitive to me. The two overtures I was already familiar with have never sounded so convincing.”

In sum, it was presumably owing to extraneous geopolitical considerations that Moniuszko has never found his way into the front rank of Europe’s influential song and opera composers and has remained largely unknown outside Poland. But particularly in an age when the major theaters are dominated by the standard repertoire, works outside the established canon are all the more attractive. Besides Moniuszko’s other unknown operas, we should also mention his more than three-hundred songs, which up to now have been familiar only to aficionados of Polish music, but which are no less deserving of rediscovery than Flis.

Translation: Bradford Robinson

For performance material please contact the publisher PWM, Krakow. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtischen Bibliotheken, Leipzig.