Franz Adolf Berwald
(geb. Stockholm, 23. Juli 1796 - gest. Stockholm, 3. April 1868)

Konzert für zwei Violinen und Orchester A-Dur (1817)

I Adagio – Rondo. Allegro – (p. 1)
II Tempo di Marcia – (p. 20)
III Allegro (p. 43)

Vorwort

Franz Berwald, Sohn eines Geigers im Königlichen Hofopern-Orchester zu Stockholm, der ihn von frühester Jugend an im Violinspiel unterwies, war ab 1812 Mitglied der von König Karl XIII. nach seinem Amtsantritt 1811 wieder aufgestellten Königlichen Kapelle. Er spielte außerdem im Hoforchester und in der Oper, erhielt Geigenunterricht bei Edouard du Puy und begann zu komponieren. Natürlich lag es nahe, dass er konzertante Werke für sein Instrument schrieb. So entstand zunächst 1816 Thema mit Variationen für Violine und Orchester, und im Jahr darauf folgte das hier erstmals in Studienpartitur vorliegende Konzert für zwei Violinen und Orchester. Den Höhepunkt dieser frühen Werkfolge bildet dann das Violinkonzert in cis-moll, das 1821 durch seinen Bruder August Berwald zur Uraufführung gebracht wurde. Freilich wurde diese Musik seinerzeit kaum verstanden, und manche Zuhörer ergingen sich während des langsamen Satzes in lautem Gelächter. Danach hat Berwald kein weiteres Werk mehr für Solovioline und Orchester geschrieben.

Franz Berwald war ein äußerst vielseitig begabter Mensch. 1818 gründete er in Stockholm das ‚Musikalisk journal’, das später in ‚Journal de musique’ umgenannt wurde. Nach dem Tod seines Vaters 1825 geriet die Familie in seriöse materielle Schwierigkeiten. Franz Berwald ersuchte um unterschiedliche Stipendien, um schließlich vom König selbst ein Studium in Berlin ermöglicht zu bekommen, wo er sich – ohne Aussichten auf irgendeine Aufführung – intensiv in die Komposition von Opern vertiefte.

Um überleben zu können, eröffnete er in Berlin 1835 eine orthopädische und physiotherapeutische Klinik, die sehr erfolgreich wurde. Manche der orthopädischen Erfindungen, die Berwald gemacht hat, waren noch Jahrzehnte nach seinem Tod in allgemeinem Gebrauch. Während jener Jahre komponierte er nicht. Erst als er 1841 nach Wien übersiedelte und Mathilde Scherer heiratete, widmete er sich wieder dem musikalischen Schaffen. 1842 kamen einige Tondichtungen Berwalds im Redoutensaal der Wiener Hofburg zur Aufführung und zogen begeisterte Kritiken nach sich. Im Lauf der nächsten drei Jahre schrieb Berwald daraufhin seine vier Symphonien, die heute als seine außergewöhnlichsten Werke gelten dürfen und ihm im Laufe des 20. Jahrhunderts postum jenen Rang in der Musikgeschichte zusichern sollten, der ihm als bedeutendstem schwedischen Tonschöpfer seiner Epoche zu Lebzeiten gebührt hätte. Doch im musikalisch provinziellen Schweden war man damals weit entfernt davon, Berwalds kompositorisches Genie auch nur ansatzweise zu erkennen. Sein 1855 entstandenes Klavierkonzert beispielsweise (das einzige Solokonzert seiner Reifezeit) blieb bis 1904 unaufgeführt. Eine der wenigen Ehrungen, die Berwald – natürlich außerhalb seiner Heimat – erfuhr, sollte 1847 die Ehrenmitgliedschaft des Salzburger Mozarteums sein. Nach seiner Rückkehr nach Schweden 1849 arbeitete er als Geschäftsführer einer Glaserei in Sandö (Ångermanland), die dem Ama-teurgeiger Ludvig Petré gehörte. Nun lag der Fokus von Berwalds Schaffen auf der Kammermusik. 1862 kam im Stockholmer Königlichen Theater seine Oper Estrella de Soria zur Uraufführung, worauf er die Oper Drottningen av Golconda (Die Königin von Golconda) komponierte, deren vorgesehene Première 1864 aufgrund Intendanzwechsels nicht zustande kam. Erst ab 1866 begann man in Schweden zögerlich, Berwald als Künstler von nationalem Rang anzuerkennen. Ein Skandal folgte bald, als ihn 1867 das Stockholmer Konservatorium zum Kompositionsprofessor ernannte, um wenige Tage später die Ernennung zurückzuziehen und einen Konkurrenten zu engagieren, was eine Intervention des Königshauses nach sich zog, worauf der 71jährige Komponist die Professur doch zugeschlagen bekam, um freilich im Jahr darauf zu sterben.

Berwalds Erste Symphonie, die Symphonie sérieuse, war die einzige, die er je (1843 in Stockholm) von einem Orchester zu hören bekommen sollte. 1878 wurde die Vierte, die Symphonie naïve, uraufgeführt, und erst 1905 und 1914 folgten die Dritte, die Symphonie singulière (sein heute populärstes Werk von wahrhaft schlagender Originalität), und die Zweite Symphonie in D-Dur.Franz Berwalds reifes Schaffen zeichnet sich nicht nur durch einen unverkennbaren Personalstil aus, der mit eigentümlichen harmonischen Wendungen und dramatischen Brüchen besticht, sondern auch durch revolutionäre formale Neuerungen wie die Integration des Scherzos als scharfem Kontrast inmitten des Adagios, was er (nicht zum ersten Mal) in der ‚Sinfonie singulière’ in frappierender Weise verwirklichte.

Die frühen Werke tragen bereits Vorboten dieser Eigentümlichkeiten in sich, und so ist auch die einsätzig-dreiteilige (oder vierteilige) Form des Konzerts für zwei Violinen und Orchester in der Satzabfolge durchaus ungewöhnlich, wie auch die Tonart und der harmonische Beginn der langsamen Einleitung zum Kopfsatz. Die Uraufführung dieses Doppelkonzerts am 10. Januar 1818 im großen Börssalen in Stockholm durch seine Geschwister August und Caroline Berwald war ein beachtlicher Erfolg. Eine weitere Aufführung, mit Franz und August Berwald als Solisten, fand am 5. November 1818 statt (dies war Franz’ letzter Auftritt als Geigensolist). Zwei weitere Aufführungen, beide Male unter Mitwirkung August Berwalds, sind 1822 und 1829 dokumentiert, dann wird es still um das reizvolle Werk, das heute – bei dem allgemeinen Mangel an substanziellen Violindoppelkonzerten – umso mehr verdient, hier und dort aufgeführt zu werden. Erstmals im Druck erschien das Violin-Doppelkonzert 1984 im Rahmen der Franz-Berwald-Gesamtausgabe in Band 7 (Konzertante Werke) bei Bärenreiter. Vorliegende Ausgabe ist ein unveränderter Nachdruck des Erstdrucks. 2002 erschein bei Sterling (CDS-1051-2) die Ersteinspielung des Werkes durch Johannes Lörstad und Andreas Hagman, begleitet vom Opernorchester Malmö unter der Leitung von Niklas Willén. Möge diese Studienausgabe der weiteren Verbreitung des charmanten und geigerisch anspruchsvollen Werkes dienen.

Christoph Schlüren, September 2010.

Aufführungsmaterial ist vom Verlag Bärenreiter, Kassel (www.baerenreiter.com) zu beziehen.

Franz Adolf Berwald
(b. Stockholm, 23 July 1796 –
d. Stockholm, 3 April 1868)

Concerto in A major for Two Violins and Orchestra (1817)

I Adagio – Rondo. Allegro – (p. 1)
II Tempo di Marcia – (p. 20)
III Allegro (p. 43)

Preface

Franz Berwald was the son of a violinist who played in the orchestra of the Royal Opera in Stockholm and gave the lad violin lessons from early childhood. From 1812 on the boy was a member of the Royal Chapel, which had been reconstituted by King Charles XIII after his ascent to the throne in 1811. He also played in the court orchestra and the opera, received violin lessons from Edouard du Puy, and began to compose. As might be expected, he wrote music for his own instrument and orchestra. The first result was Theme and Variations for Violin and Orchestra (1816), followed a year later by the Concerto for Two Violins and Orchestra, which appears here for the first time in a study score. The climax of these early works was the Violin Concerto in C-sharp minor, premièred by his brother August Berwald in 1821. The music was barely intelligible and provoked peals of laughter from many listeners during the slow movement. Thereafter Berwald never wrote another work for violin and orchestra.
Berwald was a man of very many talents. In 1818 he founded the Musikalisk journal in Stockholm, later to be renamed Journal de musique. Following the death of his father in 1825, the family fell onto hard times, and Berwald applied for various stipends. Eventually the king himself underwrote a period of study in Berlin, where the young musician immersed himself in the composition of operas – with no prospect of performance. In order to survive, he opened an orthopedic and physiotherapeutic clinic in Berlin in 1835. It became highly successful; many of Berwald’s orthopedic inventions were still in widespread use decades after his death. He ceased to compose in these years. It was not until he moved to Vienna in 1841 and married Mathilde Scherer that he returned to the creation of music. In 1842 several of his symphonic poems were performed to rousing reviews in the Redoutensaal of Vienna’s Court Palace. Over the next three years he then composed his four symphonies, which are now considered perhaps his most extraordinary creations. In the course of the twentieth century, these symphonies posthumously secured him that place in music history which he deserved by rights during his lifetime as the leading Swedish composer of his era. But in the musical backwaters of Sweden his genius was little likely to receive even the slightest recognition. To choose an example, the only instrumental concerto he wrote during his maturity – the Piano Concerto of 1855 – had to wait until 1904 for its first performance. One of the few honors he received – and this outside his native country, of course – was an honorary membership in the Salzburg Mozarteum (1847).

After returning to Sweden in 1849, Berwald worked as the managing director of a glazier’s workshop in Sandö (Ångermanland) that belonged to an amateur violinist named Ludvig Petré. His focus now shifted to chamber music. In 1862 his opera Estrella de Soria was premièred in Stockholm’s Royal Theater. This led him to compose another opera, Drottningen av Golconda (The Queen of Golconda), whose première, scheduled for 1864, never materialized owing to a change in the theater’s management. It was not until 1866 that he slowly began to achieve recognition in Sweden as an artist of national stature. A scandal soon ensued: in 1867 he was appointed professor of composition at Stockholm Conservatory, only to have the appointment retracted a few days later and given to a competitor. This brought about the intervention of the royal house, after which the seventy-one-year-old composer was given the professorship after all, only to die the following year.

Berwald’s first symphony, the Symphonie sérieuse, was the only one he ever heard played by an orchestra (Stockholm, 1843). His fourth, the Symphonie naïve, was premièred in 1878, but the third (“Symphonie singulière”) had to wait until 1905 for its première, and the Second (in D major) was not heard until 1914. His mature style is noteworthy not only for its distinctive personal idiom, with its odd harmonic progressions and dramatic fractures, but also for such revolutionary formal innovations as the integration of the scherzo into the slow movement to create a sharp contrast – an astonishing effect that he employed (not for the first time) in the Sinfonie singulière. His early music already contains harbingers of these idiosyncrasies. Thus, the form of the Concerto for Two Violins and Orchestra, which is laid out in a single movement with three (or four) sections, is highly unusual not only in its sequence of movements, but also in its key scheme and the opening harmonies of its slow introduction. The première, given by his siblings August and Caroline Berwald in Stockholm’s Great Börssalen on 10 January 1818, was a considerable success. Another performance, with Franz and August Berwald in the solo parts, took place on 5 November 1818 (this was Franz’s final appearance as a solo violinist). Two further performances, both involving August Berwald, are known to have taken place in 1822 and 1829. Thereafter a mantle of silence fell on this charming work, which today, given the general shortage of double violin concertos, is all the more deserving of being performed every now and again. The Double Concerto appeared in print for the first time in 1984, when it was published by Bärenreiter in volume 7 of their complete edition of Berwald’s works. Our volume contains a faithful reproduction of this first edition. A premier recording of the work, with Johannes Lörstad and Andreas Hagman accompanied by the Malmö Opera Orchestra under the baton of Niklas Willén, was released on the Sterling label in 2002 (CDS-1051-2). It is our hope that the present study score will help this charming and technically demanding work to achieve the more widespread dissemination it deserves

Christoph Schlüren, September 2011

 

For performance materials please contact the publisher, Bärenreiter, Kassel (www.baerenreiter.com).