Peter Iljitsch Tschaikowsky
(geb. Votkinsk, 7. Mai 1840 -
gest. St. Petersburg, 6. November 1893)

Der Woywode
Symphonische Ballade, op.78

Für Polen war Adam Mickiewicz ebenso bedeutsam wie Byron für England und Puschkin für Russland. Tatsächlich war es auch Puschkin, der half, Mickiewiczs Ruf zu verbreiten, indem er dessen Gedichte in russische Verse übertrug. Eines davon war Czaty (Die Uhr), eine Ballade aus der Ukraine, die Puschkin unter dem Titel Der Woywode übersetzte und die in dieser und anderen Übersetzungen in Russland sehr populär wurde. Der starke Realismus des Textes und sein ironisches Ende gefielen Tschaikowsky als Ausgangsmaterial für ein Orchesterstück, das in einer Reihe mit seinen Werken illustrativen Charakters wie Romeo und Julia, Francesca da Rimini und Manfred stehen sollte. Geschrieben wurde es 1890 - 91, spät in seiner Karriere, zwischen der Fünften und Sechsten Symphonie. Nach der Uraufführung in Moskau am 18. November 1891 erlitt Tschaikowsky einen Anfall von Selbstzweifel, weit stärker als üblich, und er vernichtete die Partitur seines Werks. Glücklicherweise überlebten die Orchesterstimmen, denn es handelte sich um ein Werk voll vitaler dramatischer Kraft.

Der alte Wywode, ein ukrainischer Edelmann, eilt atemlos zum Zimmer seiner jungen Ehefrau, um es nur noch verlassen vorzufinden. Er ruft seinen Kosaken Naum herbei. Die Bassklarinette gibt seine drängenden, zornigen Worte wieder: “Wo sind die Wachen? Keine Hunde? Hol zwei Gewehre.” Sie gehen hinaus und gelangen an eine grasbedeckte Laube (Harfe und Celesta ahnen hier ihre berühmte Wirkung im Nussknacker - Ballett voraus), in der die Frau des Woywoden, ganz in Weiss gekleidet, vergeblich versucht, ihren liebestrunkenen ritterlichen Liebhaber zurückzuweisen. Für diese leidenschaftliche Szene lehnt sich die Musik an Rimsky - Korsakows farbsatten Stil an; ihre Proteste können in den Blechbläsern gehört werden, während er espressivo cantabile con passione in den Bratschen und Fagotten antwortet, später verstärkt durch die Celli. Unvermittelt werden wir an die Anwesenheit des Woywoden erinnert. Die Bassklarinette stösst seine Befehle an den Kosaken heraus: “Du zielst auf sie. Den Liebhaber lass mir. Ich schiesse zuerst.” Plötzlich ertönt ein Schuss. Der nervöse Kosake konnte dem Befehl nicht gehorchen; anstelle des Liebhabers erschoss er seinen Herrn.

Hugh Macdonald, 2011

Aufführungsmaterial ist von der Muzyka, Moskau zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.

Peter Ilyich Tchaikovsky
(b. Votkinsk, 7 May 1840 - d. St. Petersburg, 6 November 1893)

The Voyevode
Symphonic Ballad, op. 78

 

Adam Mickiewicz occupied much the same position in Poland as Byron in England or Pushkin in Russia. In fact it was Pushkin who contributed to Mickiewicz‘s fame by translating some of his poems into Russian verse. One of these was Czaty (‘The Watch’), a Ukrainian ballad which Pushkin rendered as ‘The Voyevode’, a poem widely popular in Russia in this and other translations. Its stark realism and ironic ending appealed to Tchaikovsky as material for an orchestral piece following the series of illustrative works such as Romeo and Juliet, Francesca da Rimini and Manfred. It was composed late in his career, in 1890-1891, between the Fifth and Sixth Symphonies. After the first performance in Moscow on 18 November 1891 Tchaikovsky suffered a more than usually severe fit of self-loathing and destroyed the score. Happily the orchestral parts survived, for it is a work of vivid dramatic force.

The old Voyevode, a Ukrainian nobleman, hurries breath-less to his young wife’s room only to find it deserted. He summons his Cossack, Naum. The bass clarinet gives his urgent, furious words: ‘Why are there no guards? No dogs? Fetch two rifles.’ They go out and come to a grassy bower (harp and celeste – anticipating its famous use in the Nutcracker ballet) where the Voyevode’s wife, dressed in white, attempts in vain to repulse her ardent knightly lover. The music borrows Rimsky-Korsakov’s luscious style for this passionate love scene; her protestations are heard in the wind, while he responds espressivo cantabile con passione in the violas and bassoons, later joined by the cellos. Suddenly we are reminded of the Voyevode watching. The bass clarinet splutters out his orders to his Cossack: ‘You take aim at her. Leave her lover to me. I’ll shoot first.’ Suddenly a shot rings out. The nervous Cossack could not obey his orders; he has shot his master instead.

Hugh Macdonald, 2011

 

 

For performance material please contact the publisher Muzyka, Moscow. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.