Gustav Holst
(geb. 21.09. 1878 in Cheltenham – gest. 25. Mai 1934 in London)

First Suite in Es op. 28/1

Chaconne
Intermezzo
March

Gustavus Theodore von Holst wurde in Cheltenham geboren (er änderte seinen Namen während des Ersten Weltkriegs). Sein Urgroßvater war deutscher, russischer, schwedischer und lettischer Abstammung und emigrierte 1802 nach England. In der Familie gab es zahlreiche professionelle Musiker, und Holst selbst war Posaunist an der Carl Rosa Opera und dem Scottish Orchestra. Auch war er die meiste Zeit seines Lebens Musiklehrer an der St. Paul’s School für Mädchen in Hammersmith und als unbezahlter Lektor am Morley College in London.

Er schrieb diese Suite für Militär- (d.h. Blas)orchester, aber man weiss nicht, warum er dies tat oder ob sie bereits vor 1920 gespielt wurde. Es scheint, dass sie für das Orchester der Royal Military School of Music in Keller Hall, Twickenham, bestimmt war, was jedoch nicht verifiziert werden kann. Mit Sicherheit allerdings wurde sie direkt nach der Veröffentlichung 1922 von den Orchestern ins Repertoire übernommen, und es ist das erste weitläufig beachtete Werk für diese Besetzung, die bis dahin von sogenannten „seriösen“ Komponisten ignoriert worden war. Holst’s praktische Kenntnis des Musizierens in Theaterorchestern und anderen kleinen Besetzungen half ihm womöglich; seine lebenslange soziale Einstellung hat womöglich auch dazu beigetragen, zwei weitere Werke nicht nur für Blasorchester zu komponieren, sondern auch eines für Brass Band (A Moorside Suite), das richtige Vehikel für volkstümliches Musizieren in der Arbeiterschicht der Kohleminen und Fabriken des industrialisierten Englands. Es war, als ob Holst die Arbeiterschicht mit qualitativ hochwertiger Musik versorgen wollte.

Der erste Satz, Chaconne, ist eine Reihe von fünfzehn Variationen über einer Bassmelodie, die zu Anfang vorgestellt wird. Diese Melodie erscheint in verschiedenen Positionen, in Inversion, in Dur- und Moll-Tonarten und einem eindrucksvollen Klimax am Ende. Die Melodie stammt von Holst, jedoch hat sie eine Ähnlichkeit mit The Agincourt Song aus dem Jahr 1415. Holst war auch ein großer Bewunderer von Purcell, und dieser Satz ist eine Hommage des 20. Jahrhunderts an einen Meister des 17. Jahrhunderts. Er ist eines der frühesten Beispiele für die Inspirationssuche eines Komponisten bei den vorklassischen Ahnen und ein frühes Zeichen für die Erstarkung des Interesses an Purcell. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Holst’s Schüler 1911 am Morley College die erste Aufführung von The Faerie Queen seit Purcell’s Zeit gaben.

Der Komponist lässt wissen, dass die Sätze ohne Pause nacheinander folgen sollen, obwohl keine attacca – Nennungen in der Partitur stehen. Der zweite Satz Intermezzo ist licht und schnell, mit einer kontrastierenden mittleren Passage, die eine ausgedehnte Melodie im Folk-Stil bringt. Eine Coda kombiniert diese Melodie mit einer früheren, zweiten Figur, während wir mit einem flüchtigen Blick in die Welt des Mercury aus The Planets zurückgelassen werden.

Der abschließende March ist fröhlich, mit einer „Open-Air“-Atmosphäre. Ein kontrastierendes Trio baut über einem der favorisierten Mittel Holst’s, dem „Walking- Bass“, eine diatonische Melodie auf. Diese weite Melodie ist ein Beispiel für Holst’s lange musikalische Bögen – die Melodie wird von den erwarteten 32 Takten auf 48 ausgedehnt. Nach einer rhythmischen Entwicklung, die in einen vom Schlagwerk geführten Höhepunkt mündet, kehrt das weite Thema in D wieder, dieses Mal jedoch als Kontrapunkt zum ersten Thema des Marsches. Hier sollten wir uns daran erinnern, dass Holst und Vaughan Williams lebenslang Freunde waren, die gegenseitig ihre Werke während der Komposition diskutierten. So ist es von besonderem Interesse, dass die Ouvertüre zu Vaughan Williams’ The Wasps, ebenfalls 1909 datiert, auf ähnliche Weise mit der Kombination zweier Hauptthemen endet.

Das Ende ist von Interesse, da es ein eindeutiger Vorläufer der letzten Takte von Jupiter aus The Planets ist. Bei beiden Werken steht ein wiederholtes rhythmisches Pattern gegen eine Fanfare im Blech, die keinen Zweifel am finalen Charakter lässt.

 

Für viele indes besteht die größte Überraschung der Suite darin, dass nahezu jedes benutzte Thema aus der eröffnenden Bassmelodie abgeleitet ist. Angefügt ist eine Aufstellung der wichtigen Punkte bez. der Ähnlichkeit – vier thematische Formen sind hervorgehoben (B und C überschneiden sich), die in jedem Hauptthema auftauchen. Wenn dies zu den kontrapunktischen Finessen, die Holst in der Suite benutzt, hinzugefügt wird, können wir wahrlich würdigen, dass dieses Werk von grossem Einfallsreichtum ist und dass es verdient hat, einem breiteren Publikum erschlossen zu werden.

Die First Suite in Es galt lange Zeit als ein bevorzugtes Werk für Blasorchester, doch existieren auch Orchesterfassungen von Gordon Jacob (großes Orchester) und Phillip Brookes (kleines Orchester).

Wie im Fall der Second Suite in F ist die Partitur nicht genau so, wie Holst sie notiert hat. In den fast vierzig Jahren zwischen der Komposition der Suite und der Veröffentlichung der ersten Partitur 1948, die hier vorliegt, hat sich die Standardbesetzung eines Blasorchesters – insbesondere in den USA – geändert und verlangt nach einer Hinzufügung neuer Stimmen. Außerdem sind einige Stimmen, die Holst eingesetzt hat, entfallen. Die größten Veränderungen waren die Hinzufügung der Stimmen für Flöte und Piccolo in C (Holst’s schrieb für Instrumente in Des), Kontrabass-Klarinette, Bariton- und Bass-Saxophon sowie Flügelhorn.

Übersetzung: Anke Westermann

Aufführungsmaterial: Die Blasorchester-Fassung kann bei Boosey & Hawkes erworben werden. Gordon Jacob’s Arrangement (Suite in Es genannt) ist Leihmaterial bei Boosey & Hawkes. Phillip Brookes’s Arrangement ist bei MPH (www.musikmph.de) erhältlich.
Nachdruck eines Exemplars aus der Philipp Brookes Collection, Roxas City, Philippinen.

Gustav Holst
(b. Cheltenham, 21st September 1878 – d. London 25th May, 1934)

First Suite in E flat, Op. 28/1
Chaconne
Intermezzo
March

Gustavus Theodore von Holst was born in Cheltenham (he altered his name during the First World War). His great-great grandfather was of German, Russian, Swedish and Latvian origin, who emigrated to England in 1802. The family had produced a long line of professional musicians, and Holst himself became a trombonist with the Carl Rosa Opera and the Scottish Orchestra. But he spent most of his life as music master at St Paul’s School for girls, in Hammersmith, and as an unpaid lecturer at Morley College, London.

He wrote this suite for military (ie: wind) band in 1909, but it is not known why he did so or for certain whether it was even played before 1920. It seems that it may have been intended for the band of the Royal Military School of Music at Kneller Hall, Twickenham, but even that cannot be verified. What is certain, though, is that it was taken up by wind bands as soon as it was published in 1922 and is widely considered to be the first masterpiece written for a combination that has largely been ignored by ‘serious’ composers. Holst’s practical knowledge of playing in theatre bands and other small groups probably helped him, but his lifelong socialism may also have contributed, for not only did he write two more works for wind band, he also wrote one for brass band (A Moorside Suite), the true vehicle for popular music-making among the working people of the coal mines and factories of industrial Britain. It was as if Holst were providing working people with quality music to play.

The first movement, Chaconne, is a series of fifteen variations on a ground bass that is announced at the outset. The ground appears in different positions, in inversion, and in major and minor modes and leads to and impressive final climax. The tune of the ground is Holst’s own but has a resemblance to The Agincourt Song, which dates from 1415. Holst was a great admirer of Purcell, too, and this movement is very much a 20th Century homage the 17th Century master. It is one of the earliest examples of a composer looking for inspiration to pre-classical forebears, and an early sign of revival in interest in Purcell. It is perhaps no coincidence that in 1911 Holst’s pupils at Morley College gave the first performance since Purcell’s time of The Faerie Queen.

The composer let it be known that the movements should follow without a break, although there are no attacca markings in the score. The second movement Intermezzo is light and fast, with a contrasting central section that features a broad melody in folk style. A coda combines this melody with an earlier, secondary figure, whilst the whole leaves us with a glimpse of world of Mercury from The Planets.

The concluding March is bright, with an open-air feel to it. A contrasting trio builds a diatonic melody over one of Holst’s favourite devices, a tramping bass line. This broad tune has another Holst fingerprint, a seemingly continuous span, with the melody extended from the expected 32 bars to 48. After a rhythmic development that culminates in a percussion-led climax, the broad tune returns (at D), but this time in clever counterpoint with the first theme of the March. Here we might recall that Holst and Vaughan Williams were lifelong friends, regularly discussing each other’s compositions as they were being written. So it is of particular interest that the Overture to Vaughan Williams’ The Wasps, dating also from 1909, ends by combining its two main themes in a similar way.

The ending is of interest since it is a clear precursor of the last bars of Jupiter from The Planets. Both set a repeated rhythmic pattern, against which the brass declaims a strong figure in a flourish that leaves no doubt about its finality.

For many, however, the suite’s biggest surprise is that almost every theme used derives from the opening ground bass. Here is a summary of the main points of similarity – four thematic shapes are highlighted (B and C overlap) that appear in every main theme. When this is added to the contrapuntal tricks Holst plays throughout the suite, we can truly appreciate that this is a work of real ingenuity that deserves to be much better known than it is among the general musical public.

 

The First Suite in Eb has long been staple fare for wind bands, but it also exists in orchestrations by Gordon Jacob (large orchestra) and Phillip Brookes (small orchestra).

As is the case with the Second Suite in F, the full score is not exactly as Holst wrote it. In nearly forty years between the suite’s composition and the publication of the first full score in 1948 (reproduced here) the standard instrumentation of the wind band had changed, particularly in the USA, requiring the addition of several new parts. Likewise, a few that Holst used had dropped out of use. The main changes were the addition of parts for flute and piccolo in C (Holst’s originals were for Db instruments), contrabass clarinet, baritone and bass saxophones, and flügelhorn.

Philipp Brookes, 2011
Performance material: The military band version can be purchased from Boosey & Hawkes. Gordon Jacob’s arrangement (called Suite in Eb) is for hire from Boosey & Hawkes. Phillip Brookes’s arrangement will be available later in 2011 from MPH (www.musikmph.de).
Reprint of a copy from the Philipp Brookes Collection, Roxas City,Philippines