Henri Duparc
(geb. Paris, 12. Januar 1848, gest. Mont-de-Marsan, 12. Februar 1933)

Aux étoiles
(“Den Sternen nah”)

Obwohl Henri Duparc ein langes Leben hatte - er wurde kurz vor seinem Tod 85 Jahre alt -, beendete er seine musikalische Karriere im Grunde schon Mitte der 1880er Jahre. Sein psychischer Zustand hinderte ihn an der Fortsetzung seiner Kompositionstätigkeit. Und während sein Ruhm heute auf gerade einmal 13 Liedern beruht, die über einen Zeitraum von 17 Jahren entstanden sind, hatte er in der ersten Hälfte der 1870er Jahre eine Reihe von bemerkenswerten Instrumentalwerken komponiert. Dazu gehören der Instrumentalsatz „Aux étoiles“ und seine bekanntere symphonische Dichtung „Lenore“. Es gibt weiterhin eine Cello-Sonate und ein paar Klavierstücke, alle aus den 1860er Jahren; eine Motette von ungefähr 1882 und ein Duett für Sopran und Tenor, „La fuite“, aus dem Jahr 1871. Darüber hinaus arbeitete Duparc viele Jahre an einer Oper, „Roussalka“, bevor er das Projekt schließlich aufgab. Nur ein kurzes Stück, die „Danse lente“ für Orchester, hat überlebt.

„Aux étoiles“ ist ebenfalls das einzig Erhaltene von dem, was ursprünglich als größeres Werk geplant war. Es war als der erste Satz eines „Poème nocturne“ konzipiert. Alle drei Sätze des kompletten Werkes wurden im April 1874 in der Salle Pleyel in Paris bei einem Konzert der „Société Nationale de Musique“ aufgeführt. Duparc war einer der Gründer dieser Gesellschaft. Laut Jean Poueigh, der unter seinem Pseudonym Octave Séré veröffentlichte, erstellte Duparc das „Poème nocturne“ als eine Art Übung im Orchestersatz, in Vorbereitung auf ein größeres dramatisches Werk, das aber nie fertig wurde. Die beiden anderen Sätze mit dem Titel „Lutins et follets“ [Kobolde und Irrlichter, vielleicht eine Art Scherzo] und „L‘Aurore“ [Die Morgenröte] existieren nicht mehr.

Die Premiere in Paris im Jahr 1874 war vermutlich das einzige Mal, dass „Aux étoiles“ in seiner ursprünglichen Fassung und in seinem ursprünglichen Kontext als Teil eines Triptychons vorgestellt wurde. Duparc überarbeitete es im Jahre 1910, und die nächste dokumentierte Aufführung fand in Paris im Februar des folgenden Jahres unter der Leitung von Camille Chevillard statt. „Aux étoiles“ wurde auch erstmals 1911 veröffentlicht, sowohl in Duparcs Orchesterfassung, mit einer Widmung an den Dirigenten Francisco de Lacerda, und in einer Transkription für Klavier von Gustave Samazeuilh. Wir erfahren einiges über Duparcs Arbeit an der Revision des Werkes aus dem veröffentlichten Briefwechsel zwischen ihm und dem Komponisten Jean Cras. Duparc schrieb Cras bereits im Februar 1910 über die Revision. Er berichtete ihm auch, dass das Stück in Montreux unter der Leitung von Lacerda aufgeführt werden sollte (tatsächlich hat diese Aufführung wahrscheinlich nie stattgefunden). Er befürchtete, dass er die Änderungen nicht rechtzeitig beendet haben würde, und es ist wahrscheinlich, dass er noch im Dezember 1910 damit beschäftigt war. Die überarbeitete Fassung wurde offenbar vor Februar 1911 veröffentlicht, da Duparc in einem weiteren Schreiben aus dieser Zeit Cras von der kommenden Aufführung Chevillards berichtet und dabei erwähnt, dass er das Manuskript an Cras schicken wolle, sobald er die gestochene Partitur berichtigt habe. Eine weitere Aufführung der „Aux étoiles“ fand in Nancy vor Anfang April 1911 statt; die Leitung hatte Guy Ropartz.

Duparc scheint keine Einwände gegen die Partitur gehabt zu haben, so wie sie Rouart veröffentlichte. Anders war es allerdings, als es um Samazeuilhs vierhändige Klavier-Transkription ging. Er erzählte Cras im November 1911, dass er den Klavierauszug an einigen Stellen sehr mangelhaft gefunden habe. Duparc beklagte, dass es sein Verleger gewesen sei, der Samazeuilh für diese Arbeit ausgewählt habe, und dass er selbst keine Gelegenheit gehabt habe, über die Vergabe zu bestimmen, dass er sogar den Probeabzug nicht gesehen habe. Duparc behauptet auch in demselben Schreiben, dass er sich Cras als Arrangeur gewünscht habe und dass er über dessen Ratschläge glücklich gewesen sei, was mögliche Änderungen an bestimmten Stellen angeht. Am Ende wurde Samazeuilhs Arbeit doch anerkannt, abgesehen von einigen wenigen Korrekturen. Interessant ist auch noch Folgendes: Obwohl Samazeuilh bei mehreren französischen Musikverlagen - darunter Durand, Enoch, Eschig, Hamelle und Jobert - ein gefragter Arrangeur war, wurde er nur selten von Rouart beauftragt, der vielleicht wegen Duparcs Kritiken anlässlich „Aux étoiles“ vorgewarnt war, Kritiken, die laut dem Komponisten selbst seinem Verleger deutlich, aber in aller Höflichkeit mitgeteilt wurden.

Am 17. Oktober 1912 widmete das Casino Orchester in Montreux Duparcs Musik ein ganzes Konzert, eingeschlossen „Aux étoiles“. Es wurde nicht von Lacerda, sondern von Ernest Ansermet geleitet, der seit dieser Zeit Nachfolger von Lacerda (seinem Lehrer) geworden war. In einem weiteren Schreiben an Cras vom September 1912 erzählt Duparc seinem Freund, dass er für das Konzert an einer „Valse lente“ arbeite, die ursprünglich für Roussalka bestimmt war. Ebenso teilt er mit, dass sie aus der gleichen Zeit wie „Aux étoiles“ stamme, sehr kurz sei und in der gleichen Tonart stehe. Es scheint sehr wahrscheinlich, dass sich Martin Cooper in der zweiten Ausgabe von „The New Grove“ auf dieses Werk als „Danse lente“ bezieht, da es in der Tat in der gleichen Tonart wie „Aux étoiles“ (C-Dur) steht und die überlieferte Abschrift von Ansermet hergestellt wurde. Gemäß Cooper stammt „Danse lente“ jedoch von etwa 1892, was angesichts von Duparcs Kommentar über deren Zusammenhang mit „Aux étoiles“ viel zu spät zu sein scheint. Im gleichen Brief äußert Duparc den Wunsch, dass die zwei Stücke zusammen in einem einzigen Band veröffentlicht werden, und er schlägt eine Änderung des Titels vor, nämlich zu „Deux petites pièces d‘orchestre extraites d‘un drame inédit“ [Zwei kleine Stücke für Orchester aus einem unveröffentlichten Drama]. Er schreibt sogar, dass er die Angelegenheit mit Rouart durchführen werde. Als das Konzert heranrückte, war die „Valse lente“ eindeutig noch nicht fertig gestellt, und Rouart muss entschieden haben, aus welchem ​​Grund auch immer, „Aux étoiles“ ohne das zweite Werk zu veröffentlichen. Er respektierte jedoch Duparcs Wunsch nach einem Untertitel, und die Partitur wurde veröffentlicht als „Aux étoiles: entracte pour un drame inédit“. Die „Danse lente“ und „Aux étoiles“ wurden in Kombination in Genf am 24. März 1917 unter der Leitung von Ansermet aufgeführt, angekündigt als „erstmals zu Gehör gebracht“.

Das Zitat zu Beginn von „Aux étoiles“ wird „S. Gratry“ zugeschrieben. Aber es ist angesichts Duparcs strengen Katholizismus möglich, dass es sich tatsächlich auf einen Text von Auguste-Joseph-Alphonse Gratry, einem bekannten katholischen Theologen, bezieht. Das Zitat kann übersetzt werden als: „Das sternenreiche Licht der Nächte! Wer kann die geheimen Tugenden dieses Lichtes kennen, so bescheiden und doch von einer Unendlichkeit wie seine Quelle?“ Duparc erzeugt am Anfang des Stückes eine heitere Gelassenheit, indem er Sordino-Streicher mit Oktaven der Hörner kombiniert, und durch ein sehr langsames Tempo. Das melodische Material ist sehr sparsam eingesetzt - die 80 Takte des Stückes sind auf wenigen wiederkehrenden Motiven aufgebaut, darunter eine absteigende Arpeggio-Figur (eingeführt in Takt 19 und bekräftigt durch die Holzbläser). Diese Figur kehrt kurz vor Beginn der Reprise wieder (in Takt 67, mit einem vorangestellten Hornsignal). Die Anfangs- und Schluss-Abschnitte umrahmen eine zentrale Passage, die nur von Streichern im hohen Register gespielt wird. Der Schriftsteller Sydney Northcote, der sich in seinem Buch* sonst Duparcs Liedern widmet, nennt „Aux étoiles“ „ein bewegendes kleines Nocturne, nostalgisch, einfallsreich und anmutig geschrieben“. Er listet auch einige Fehler der ursprünglichen Partitur von Rouart & Lerolle auf.

„Aux étoiles“ ist vom Orchestre du Capitole de Toulouse aufgenommen worden, mit Michel Plasson als Dirigent, EMI France, 1996 / Musical Heritage Society, New Jersey, 1997; CD no. 514461H.
Wegen des Aufführungsmaterials wende man sich an den Verlag Salabert, Paris.

Deutsche Übersetzung von Helmut Jäger

 

 

 

*The Songs Of Henri Duparc, Dobson, London 1949

Wegen Aufführungsmaterial wenden Sie sich bitte an Salabert, Paris.

Henri Duparc
(b. Paris, 12 January 1848 – d. Mont-de-Marsan, 12 February 1933)

Aux étoiles

Although Henri Duparc had a long life, reaching the age of 85 before his death in 1933, his musical career was effectively over by the mid-1880s, curtailed by a psychological condition that left him practically unable to compose. And while his fame today rests on just 13 songs, composed over a 17-year period, he also produced, during the first half of the 1870s, a number of noteworthy instrumental works that include the instrumental movement Aux étoiles and his better-known symphonic poem Lénore. There is also a cello sonata and a few piano pieces, all from the 1860s; a motet from around 1882, and a duet for soprano and tenor, “La fuite”, from 1871. Moreover, Duparc worked on an opera, Roussalka, for many years before finally abandoning it. Only one short piece, the Danse lente for orchestra, survives from this project.

Aux étoiles is likewise the sole survivor of what was originally intended as a larger work. It was conceived as the first movement of a work entitled Poème nocturne, all three movements of which were performed at the Salle Pleyel in Paris in April 1874 at a concert of the Société Nationale de Musique. Duparc was one of the founders of this society. According to Jean Poueigh, writing under his pseudonym of Octave Séré, Duparc created the Poème nocturne as a sort of exercise in orchestral writing, in preparation for the composition of a larger dramatic work that was never finished. The two other movements, entitled “Lutins et follets” [Imps and Will o’the wisp, perhaps some sort of scherzo movement] and L’aurore [The dawn], no longer exist.

The 1874 Paris premiere was probably the only time that Aux étoiles was presented in its original version and in its original context as part of a triptych. Duparc revised it in 1910, and its next documented performance occurred in Paris in February of the following year, conducted by Camille Chevillard. It was also first published in 1911, both in Duparc’s orchestral version, which bears a dedication to conductor Francisco de Lacerda, and in a transcription for piano made by Gustave Samazeuilh. We learn quite a lot about Duparc’s efforts to revise the work from the surviving published correspondence between him and composer Jean Cras. Duparc wrote to Cras about the revision as early as February 1910, reporting also that the piece was to be performed in Montreux under Lacerda’s baton (in fact, this performance probably never took place). He expresses concern that he will not have the revisions ready in time for the new season, and it seems likely that he was still working on them in December 1910. The revised version was apparently published before February 1911, since in a further letter from around that time Duparc tells Cras of Chevillard’s upcoming performance, and mentions that he intends to send the manuscript of the work to Cras once he has amended it based on the engraved score. A further performance of Aux étoiles occurred in Nancy sometime before early April 1911, under the direction of Guy Ropartz.

Duparc seems to have had no objections to the full score as published by Rouart. When it came to Samazeuilh’s 4-hand piano transcription, however, the story was entirely different. He told Cras in November 1911 that he found the piano arrangement very defective in several places, complaining that it was his publisher who had selected Samazeuilh for the arranging work and that he himself had not had been given any opportunity to approve it, even at proof stage. Duparc also claims, in the same letter, to have wanted Cras himself to make the arrangement, and to be happy to receive his advice about possible changes to certain passages, even though, in the end, it appears that Samazeuilh’s work was allowed to stand with only a couple of corrections. Interestingly enough, although Samazeuilh was in demand as an arranger by several French music publishing houses -- among them Durand, Enoch, Eschig, Hamelle, and Jobert – he was only rarely used by Rouart, who was perhaps warned off following Duparc’s protests over Aux étoiles, protests that according to the composer himself were presented to his publisher clearly but unaggressively.

On 17 October 1912 the casino orchestra at Montreux devoted an entire concert, including Aux étoiles, to Duparc’s music. It was conducted not by Lacerda but by Ernest Ansermet, who had by then succeeded Lacerda (his teacher) there. In a further letter to Cras from September 1912, Duparc tells his friend that he is working, for the concert, on a “Valse lente” that was originally destined for Roussalka, informing him that it dates from the same time as Aux étoiles, is very short, and in the same key. It seems very likely that this is the work referred to by Martin Cooper in the second edition of The New Grove as “Danse lente”, since it is indeed in the same key as Aux étoiles (C major), and the surviving manuscript copy was made by Ansermet. Cooper, however, dates the work to ca. 1892, which in view of Duparc’s comment about its links with Aux étoiles now appears to be far too late. In the same letter, Duparc expresses the wish that the two pieces be published together in a single volume, and suggests a change of title to Deux petites pièces d’orchestre extraites d’un drame inédit [Two small pieces for orchestra extracted from an unpublished drama]. He even writes that he is going to raise the matter with Rouart. In the event, the “Valse lente” was clearly not ready in time for the concert, and Rouart must have decided, for whatever reason, to publish Aux étoiles without it. He did, however, respect Duparc’s wish for a subtitle, and the score was published as Aux étoiles: entracte pour un drame inédit. The “Danse lente” and Aux étoiles were performed as a pair under Ansermet’s direction in Geneva on 24 March 1917, this performance being announced as “en première audition”.

The quotation at the head of Aux étoiles is attributed to “S. Gratry”, but it is possible, given Duparc’s strong Catholic faith, that this may in fact refer to a text by Auguste-Joseph-Alphonse Gratry, a well-known Catholic theologian. The quotation may be translated as: “The starry illumination of the nights! Who can know the secret virtues of this light, so humble yet with the immensity as its source?” Duparc manages to convey a sense of serenity at the opening of the piece by the use of muted strings punctuated by octaves in the horns, and a very slow tempo. The melodic material is used very economically – the 80 bars of the piece are built on just a few recurring motives, including a descending arpeggio figure introduced at bar 19 and reinforced by the winds. This figure returns just before the start of the recapitulation (at bar 67, preceded by a horn call two bars earlier). The opening and closing sections frame a central episode that features the strings alone, in high register. Writer Sydney Northcote, in his book* otherwise devoted to Duparc’s songs, calls Aux étoiles “a haunting little nocturne, nostalgic, imaginative and graciously wrought”, and also lists several errors present in the original full score of 1911 published by Rouart & Lerolle.

Aux étoiles has been recorded by the Orchestre du Capitole de Toulouse, conducted by Michel Plasson, EMI France, 1996/Musical Heritage Society, New Jersey, 1997; CD no. 514461H.

John Wagstaff, 2011

*The Songs Of Henri Duparc, Dobson, London 1949

For performance materials contact Salabert, Paris.

Henri Duparc
(geb. Paris, 21. Januar 1848 — gest. Mont-de-Marsan, 12. Februar 1933)

»Lénore«
Poème Symphonique
D’après la ballade de G. A. Bürger (1874-75)

Préface
Henri Duparc fut l’un des plus éminents compositeurs de mélodies (lieder) en France, et son style a fait école. Il avait étudié auprès de César Franck (1822-90), qui voyait en lui le plus doué de ses élèves. Parvenu à l’âge mûr, il dut abandonner la composition en raison d’une maladie nerveuse et se retira en Suisse. Duparc a détruit bon nombre de ses œuvres instrumentales. Parmi les rares titres conservés, les deux poèmes symphoniques Aux étoiles (créé à Paris le 11 avril 1874) et Lénore sont particulièrement remarquables. Duparc écrivit Lénore dans les années 1874-75 en s’inspirant de la ballade d’épouvante éponyme de Gottfried August Bürger (1747-94), qui jouissait à l’époque d’une extrême popularité. Lénore fut créé le 15 mai 1875 à Paris à la Société Nationale de Musique sous la direction d’Édouard Colonne (1838-1910). Au cours de la même année, Camille Saint-Saëns réalisa une réduction pour piano à quatre mains, qu’il joua pour la première fois en public avec Marie Jaëll (1846-1925) à la Société Nationale de Musique le 20 avril 1876. Les parties séparées de Lénore, l’œuvre instrumentale la plus jouée d’Henri Duparc, parurent en 1897 chez Leuckart à Leipzig; le même éditeur fit suivre en 1908 le conducteur.
Trad. fr.: Patrick Lang

Le matériel d’exécution (éditions F.E.C. Leuckart) est disponible auprès de l’éditeur Thomi-Berg, Planegg près de Munich (www.thomi-berg.de).