Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
(geb. Wotkinski, 7. Mai 1840 –
gest. St. Petersburg, 6. November 1893)
"Souvenir d´un lieu cher" op.42
Orchestriert von Alexander Glasunow
(1878/96 )
Vorwort
Die Bedeutung Tschaikowskys wird entstellt durch die Tatsache, dass im heutigen Konzertleben und in der Rezeptionsgeschichte Werke, wie etwa das Klavierkonzert Nr.1, die Symphonien Nr. 4-6 oder die drei berühmten Ballette Schwanensee, Dornröschen und Der Nussknacker seine zahlreichen weiteren Kompositionen verdecken. Auch die bei Tschaikowsky durchaus vorhandenen, modernen Kompositionselemente wurden zunächst verspottet; so schrieb der einflussreiche Wiener Kritiker Eduard Hanslick: "Ein Autor äußerte sich einmal über ein Gemälde, daß es so abstoßend realistisch sei, daß es einen Gestank von sich gebe; als ich der Musik von Herrn Tschaikowsky zuhörte, da ging mir auf, daß es auch stinkende Musik geben kann". Später galt seine Musik jedoch als übertrieben emotional. Um Tschaikowskys Schaffen würdigen zu können, ist es daher notwendig, sich mit den Kompositionen auseinander zu setzen, die im heutigen Konzertleben vernachlässigt werden, und dazu zählen unter anderem auch die Souvenir d´un lieu cher op.42.
Nadeshda von Meck und Tschaikowsky verband eine besondere Beziehung. Sie war eine Witwe, die über ein beträchtliches Vermögen verfügte und verehrte ihn so sehr, dass sie ihm eine großzügige Unterstützung zukommen ließ. Dabei war es ihr wichtig, es nie zu einer persönlichen Zusammenkunft kommen zu lassen. Daher existieren über eintausend Briefe, die wie keine anderen Dokumente Einblick in das Leben und Schaffen Tschaikowskys geben. Doch Frau von Meck unterstützte ihn nicht nur finanziell, sondern gewährte ihm auch Zuflucht auf ihrem luxuriösen Landsitz in Brailovo in der Ukraine. Tschaikowsky unternahm nach seiner fatalen Hochzeit mit Antonia Ivanova Miljikova, die nur dazu diente, seine Homosexualität zu verbergen, einen Selbstmordversuch und erlitt im Folgenden einen Nervenzusammenbruch. Auf ärztliches Anraten reiste er zur Erholung nach Clarens in die Schweiz. Am 16. Mai 1878 zurück in Russland wollte er seine Frau nicht treffen, und so bot Frau von Meck ihm das Landhaus an. Hier blieb er für zwei Wochen. Tschaikowsky zeigte seine Dankbarkeit, indem er ihr die Souvenir d´un lieu cher (Erinnerungen an einen liebgewonnenen Ort) widmete. Bei seiner Abreise aus Brailovo übergab er das Manuskript einem Diener und teilte ihr in einem Brief mit: "Ich habe Marcel meine Stücke (dem Anwesen Brailovo gewidmet) für Sie übergeben
Als ich Marcel diese Stücke gab, fühlte ich eine unbeschreibliche Melancholie, die bis zum Schreiben dieser Zeilen fortdauerte; bis ich den Flieder sah, der noch in voller Blüte steht, das ungemähte Gras und die Rosen, die gerade beginnen zu blühen!".
Der erste Satz des Zyklus mit dem Titel Méditation war ursprünglich als langsamer Satz des zur gleichen Zeit im Entstehen begriffenen Violinkonzertes geplant, er entstand am 23.-25. März 1878 noch im schweizerischen Clarens. Tschaikowskys Bruder Modest und der befreundete Geiger Kotek waren mit diesem langsamen Satz jedoch unzufrieden, und Tschaikowsky komponierte für sein Violinkonzert daraufhin einen völlig neuen. Doch er wollte den ursprünglichen Satz nicht verwerfen, und so überarbeitete er ihn und verwendete ihn als ersten Teil der Souvenir d´un lieu cher. Insbesondere dieser Satz der Sammlung erfreute sich schnell großer Beliebtheit. Er ist in einer Rondoform komponiert, dem die Abfolge A-B-A-C-A-B-A zugrunde liegt. Dabei wird der A-Teil von einem elegischen Hauptgedanken geprägt. Das folgende dreiteilige Scherzo ähnelt in den beiden Rahmenteilen mit seiner durchgehenden Bewegung an ein Perpetuum mobile, wobei der ruhige, gesangliche Mittelteil dazu einen schönen Kontrast bietet. Der Titel der abschließenden Melodie ist ein Verweis auf die in der Romantik so beliebten Charakterstücke, wie zum Beispiel Mendelssohns Lieder ohne Worte. Dieses kurze, anmutige Stück im Dreivierteltakt beendet ruhig den Zyklus.
Die Souvenir d´un lieu cher sind das einzige Werk Tschaikowskys für Violine und Klavier. Er vollendete es am 31. Mai 1878. Sein Verleger Jürgensen veröffentlichte das Werk bereits ein Jahr später. Die Sammlung wurde 1896 von Alexander Glasunow, der ein großer Bewunderer Tschaikowskys war, instrumentiert und wird heute meistens in dieser Form aufgeführt.
Spieldauer: ca. 11/4/4 Minuten
Marcus Prieser, 2011
Aufführungsmaterial erhalten Sie bei Kalmus, Boca Raton. Nachdrucks eines Exemplars aus der Sammlung Marcus
Prieser, Wittmund.
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Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
(b. Wotkinski, 7 May 1840 –
d. St. Petersburg, 6 November 1893)
"Souvenir d'un lieu cher" op. 42
Orchestrated by Alexander Glasunow
(1878 / 96)
Introduction
Tschaikowsky's significance is distorted by the fact, that in today's concert programs and in their reception, works such as the Piano Concerto No.1, the symphonies No.4–6 or the three famous ballets Swan Lake, Sleeping Beauty and The Nutcracker obscure his many other compositions. Indeed, many of the modern elements of composition, present in Tschaikowsky's work were initially the subject of scorn; the influential Viennese critic Eduard Hanslick wrote: "An author once wrote about a painting, that it was so disgustingly realistic, that it stank; as I listened to the music of Mister Tschaikowsky, I realised that it is also possible for music to emit an odour". Later however, his music was regarded as excessively emotional. In order to appreciate Tschaikowsky's work it is therefore necessary to engage with the compositions which have been neglected in today's concerts. Amongst theses are the Souvenir d'un lieu cher op. 42.
Nadesha von Meck and Tschaikowsky shared a special relationship. She was a widow of considerable means, who admired him so much, that she provided him with generous support. At the same time she took great care, that they should never personally meet. There exist therefore over a thousand letters, which more than any other documents provide an insight into Tschaikowsky's life and work. However, Frau von Meck did not only support him financially, but provided him with a refuge at her luxurious country house in Brailovo in the Ukraine. After his fatal marriage to Antonia Ivanova Miljikova, which only served to hide his homosexuality, Tschaikowsky attempted to commit suicide. Subsequently, he suffered a nervous breakdown. Following medical advice, he travelled to Clarens in Switzerland in order to recover. Back in Russia on the 16th of May 1878, he did not wish to meet his wife and so Frau von Meck offered him the country house. Here he stayed for two weeks. Tschaikowsky expressed his thanks by dedicating the Souvenir d'un lieu cher (Memories of a dear place) to her. On leaving Brailovo, he gave the manuscript to a servant, and told her in a letter: "I have handed Marcel my pieces (dedicated to the Estate at Brailovo) for you... As I gave Marcel these pieces, I felt an indescribable melancholy, which has persisted until I write these lines; until I saw the elder, that is still in full blossom, the un-mown grass and the roses which are just beginning to bloom!".
The first movement of the cycle with the title Méditation was originally planed as a slow movement for the violin concerto, which was being written at the same time, and was written from the 23rd -25th of March 1878, while he was still in Swiss Clarens. Tschaikowsky's brother Modest and his friend the violinist Kotek were however dissatisfied with this slow movement, and Tschaikowsky composed a new movement for his violin concerto. But he did not want to waste the original movement and so revised it and used it as the first part of the Souvenir d'un lieu cher. Particularly this movement of the collection rapidly gained great acclaim. It is composed in a rondo form, which consists of the sequence A-B-A-C-A-B-A. The A-section is characterised by a melancholy main theme. The following three part scherzo in the two framing sections with its continuous movement resembles a perpetuum mobile to which the quiet lyrical central section forms a pleasant contrast. The title of the final Melodie is a reference to the character pieces, so popular in the romantic period, as for example Mendelssohn's Songs without Words. This short, graceful piece in ¾ beat quietly concludes the cycle.
The Souvenir d'un lieu cher is the only work by Tschaikowsky for violin and piano. He completed it on the 31st of May 1878. His publisher Jürgensen published the work just one year later. The collection was orchestrated in 1896 by Alexander Glasunow, a great devotee of Tschaikowsky, and is today usually performed in this version.
Duration of performance: about 11/4/4 minutes
Translation: John Conrad
For performance material please contact Kalmus, Boca Raton. reprint of a copy from the collection Marcus Prieser, Wittmund.
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