Josef Suk
(geb. Křečovice, 4 January 1874,– gest. Benešov, 29 May 1935)

Streichquartett Nr.1 in B - Dur op.11

I. Allegro moderato
II. Intermezzo: Tempo di marcia
III. Adagio, ma non troppo
IV. Allegro giocoso

Josef Suk wurde in dem böhmischen Dorf Křečovice geboren, wo ihn sein Vater, Schulmeister und Chorleiter, Geige, Klavier und Orgel lehrte. Schon früh in seinem Leben zeigt er herausragende musikalische Fähigkeiten, sowohl als Geiger wie auch als Komponist, sodass er bereits mit elf Jahren am Prager Konservatorium eingeschrieben wurde und im Alter von achtzehn Jahren seine Studien abschloss. Hier geschah es auch, dass er eine enge Beziehung mit der Familie von Antonín Dvořák (1841 - 1904) einging, zunächst als "Star" - Schüler des älteren Komponisten, später als Ehemann von dessen Tochter Otylka. Die tragischen Tode von Suks Schwiegervater im Jahre 1904 und der vorzeitige Tod seiner Ehefrau nur ein Jahr später sollten einen schwerwiegenden Einfluss auf seine Musik haben. Seine berufliche Karriere gründete auf drei Standbeinen: als Professor und späterer Rektor des Prager Konservatoriums, als zweiter Violinist und Gründungsmitglied des Tschechischen Quartetts, mit dem er mehr als 4000 Aufführungen bestritt und als begabter Komponist. Vor allem wurde letztere Begabung schnell erkannt, und manche identifizierten ihn als den natürlichen Nachfolger seines Mentors als der tschechische Komponist. Dieses Talent erwies sich als recht anpassungsfähig, zeigten doch seine (meist instrumentalen) Schöpfungen im Kleinformat die gleiche verfeinerte Eleganz wie die in grossen Formen. Jedoch sind es seine Werke in der grossen Form, die ihm heute höchste Anerkennung verschaffen. Sein Meisterwerk ist die symphonische Tetralogie, die mit seiner zweiten Symphonie Asrael, Op.27 (1905-06) beginnt und sich fortsetzt in den drei Tongedichten von symphonischen Ausmassen: Pohádka léta op.29 (1907-09), Zráni op.34 (1912-17) und schliesslich Epilog, Op.37 (1920-29). Mit diesen Werken schuf er einen einzigartigen kosmopolitischen Stil, der sein böhmisch - deutsches Erbe, poliert durch den Einfluss von Dvořák und Johannes Brahms (1833 - 1897), verschmolz mit dem symphonischen Maximalismus von Gustav Mahler (1860-1911) und Richard Strauss (1864-1949) und den harmonischen und texturalen Innovationen von Claude Debussy (1862-1918) und den französischen Impressionisten.

Das Streichquartett Nr.2 in B - Dur op.11 ist der Schlusspunkt einer Welle von frühen, umfangreichen Kammermusikwerken, womit sich Suk als Meister des feingearbeiteten abstrakten musikalischen Diskurses etablierte. Diese Werke, allesamt in den 1890er Jahren vollendet, beinhalten Essays im Genre des Klavierquartets (Op.1, 1891), des Trios (Op.2, 1889-91) und Quintetts (Op.8, 1893) und vollenden sich in seinem Streichquartett (1896). Er widmete das Werk seinen Kollegen im Tschechischen Quartett, und so bestritt das Ensemble die Erstaufführung am 16. Oktober des gleichen Jahres in Riga. Unverzüglich darauf erschien es in Partitur in Prag und errang im folgenden Jahr den zweiten Preis von Kaiser Franz - Josefs Tschechischer Akademie für Wissenschaften, Literatur und Kunst. Angesichts der Rezeption des Werks und des Komponisten Karriere als professioneller Quartettmusiker ist es bedauerlich, dass er nicht mehr Werke in diesem seinen bevorzugten Medium schrieb. Wohl existieren ein jugendliches Quartet in d - Moll und einige kürzere Stücke, darunter die klagende Meditation über eine alte tschechische Hymne '"St. Wenceslas", Op.35 (1914). Aber Suk sollte in seiner Reifezeit nur noch ein weiteres Quartett komponieren: das grüblerische Streichquartet Nr.2 op.31 (1911), geschrieben nur 15 Jahre nach seinem ersten, aber getrennt durch eine Periode erheblicher stilistischer Wandlungen. So ist das hier vorgestellte frühe Werk in einem entschieden traditionellen Stil gehalten.

Es ist leicht verständlich, dass in Suks Frühwerken Bruchstücke von Dvořáks Stil allüberall zu finden sind - auch das Quartett macht hier keine Ausnahme. Dennoch: obwohl man das Werk als abgeleitet verstehen könnte, ist es in keinem Falle imitativ. Folkloristisches Idiom, gewisse harmonische Wendungen und ein allgemeiner sanguinischer Zug erinnern an den älteren Komponisten, insbesondere an seine späteren Quartette. Jedoch verfügt jeder einzelne der vier Sätze über einen Kern an Individualität, der Ausblicke auf den nach innen gerichteten Blick des Komponisten gewährt, der in seinem zweiten Quartett offensichtlicher wird. Aber es handelt sich hier im Grossen und Ganzen um extrovertierte Musik. In der scheuen Eröffnung des ersten Satzes vernimmt man kaum ominösen Andeutungen auf irgendein zu erwartendes Drama. Gelegentliche Ausflüge in B - Tonarten (eines solcher "Ausblicke") erschaffen Wolken am Horizont, aber diese Stürme materialisieren sich nicht, abgesehen von einigen kurzen Momenten in der Durchführung, und der Satz endet so unkompliziert, wie er begann. Ein auffälliges Merkmal ist die fast komplette Gleichwertigkeit der beiden Geigenstimmen. Dies ist nicht überraschend, berücksichtigt man Suks Perspektive aus der Sicht eines zweiten Violinisten, der diesen Mikrokosmos so lange bewohnte.

Für den zweiten Satz gestaltet Suk statt eines tatsächlichen Scherzo ein Intermezzo, und das ästhetische Ergebnis erklingt eher verspielt denn hektisch. Dieser scherzhafte Marsch entwickelt sich in der Trio - Sektion in noch leichtere Gefilde hinein; über eine wuselnde Begleitung in den tiefen Stimmen jagen einander im Kanon die Violinen. Figuren in B - Tonarten dominieren wieder einmal in diesem Satz, aber die Gefahr von zu ausufernder Modulation wird hier leicht abgeschüttelt, als das Intermezzo ungeduldig auf die Schlusslinie zurast. Der emotionale Schwerpunkt des Werks konzentriert sich im dritten Satz. Eine pulsierende Quartolenfigur erzeugt einen stabilen Hintergrund zum kräftigen, chromatischen Satz.

Über den vierten Satz gibt es nichts auffällig problematisches festzustellen, ein jovilales, überschäumendes Finale voller hoquentierender Gesten (kurze Motive, die zwischen den Stimmen wechseln). Aber Suk war weniger als völlig zufrieden damit, denn Jahre später in 1915 schrieb er den ganzen Satz neu. Angesichts der Veränderungen in seiner musikalischen Sprache innerhalb dieses Zeitraums erwies sich der umgeschriebene Satz als wenig kompatibel mit den restlichen Sätzen. Entsprechend erhielt das alternative Finale seine eigene Identität als ein getrennt veröffentlichtes Werk (Prag: Panton, 1976). Um ein berühmtes Gegenbeispiel zu erwähnen: Beethovens Grosse Fuge op.133 war ursprünglich gedacht war als Finale seines Streichquarttest Nr.13 in B - Dur op.130, schliesslich aber als zu radikal für zeitgenössische Ohren erkannt und vom Komponisten zum Gefallen seines Verlegers durch einen weniger abenteuerlichen Satz ersetzt. In diesem Fall war der Ersatz passend genug zum Werk, obwohl die Grosse Fuge gelegentlich bei Aufführungen ergänzt wird. Aber in Suks Fall sind die beiden Versionen des Finales trotz all ihrer kontrastierenden Qualitäten schliesslich zu ähnlich, um nacheinander aufgeführt zu werden.

Immerhin bieten die Komposition das seltene Beispiel für einen Komponisten, der identisches melodisches Material in eine so drastisch unterschiedene harmonische Sprache bettet. So gibt es an der Originalversion überhaupt nichts auszusetzen, ein ansprechendes Werk für Musiker und Zuhörer, das ganz sicher mehr Aufführungen verdient.

Casey A. Mullin, 2001

Stimmen werhalten Sie bei Musikproduktion Höflich, München. (www.musikmph.de). Nachdruck einer Partitur aus der Musikbibliothek der Stadtbibliothek München, München.

Josef Suk
(b. Křečovice, 4 January 1874,– d. Benešov, 29 May 1935,)

String Quartet No.1 in B-flat Major, Op.11

I. Allegro moderato
II. Intermezzo: Tempo di marcia
III. Adagio, ma non troppo
IV. Allegro giocoso

Josef Suk was born in the Bohemian village of Křečovice, where his father, schoolmaster and choirmaster, taught him violin, piano and organ. He showed precocious musical ability early in his life, both as a violinist and a composer, entering the Prague Conservatory at age 11 and concluding his studies at age 18. It was there that he entered into a close association with the family of Antonín Dvořák (1841-1904), first as the star pupil of the elder composer, then later as the husband to his daughter Otylka. The tragic deaths of Suk's father-in-law in 1904 and, quite prematurely, his wife only a year later would have a profound effect on his music. His career was of threefold prominence: as professor and later rector of the Prague Conservatory, as second violinist and founding member of the Czech Quartet, giving over 4000 performances with them, and as a gifted composer. To wit, Suk's composing prowess was quickly recognized, and some identified him as the natural successor to his mentor as the pre-eminent Czech composer. This prowess also proved to be quite scalable, as his (mostly instrumental) works in miniature exhibit the same refined elegance as his larger symphonic compositions. It is for his output in the latter medium, however, that he is most highly regarded today. His masterwork was the symphonic tetralogy that begins with his second symphony, Asrael, Op.27 (1905-06) and extends through his three symphony-length tone poems: Pohádka léta (A Summer's Tale), Op.29 (1907-09), Zrání (Ripening), Op.34 (1912-17) and finally the Epilog, Op.37 (1920-29). Through these works he developed a unique cosmopolitan style that fused his Bohemian-Germanic musical heritage, as polished through the tutelage of Dvořák and the influence of Johannes Brahms (1833-1897), with the symphonic maximalism of Gustav Mahler (1860-1911) and Richard Strauss (1864-1949) and the harmonic and textural innovations of Claude Debussy (1862-1918) and French impressionism.

String Quartet No.1 in B-flat Major, Op.11 is the capstone of a spate of early full-length chamber works wherein Suk established himself as a craftsman of finely-wrought abstract musical discourse. These works, all completed in the 1890s, include essays in the genres of the piano quartet (Op.1, 1891), trio (Op.2, 1889-91) and quintet (Op.8, 1893), and culminate in this string quartet (1896). He dedicated it to his colleagues in the Czech Quartet, and the ensemble premiered it on 16 October of that year in Riga. It was published promptly thereafter in Prague, and awarded second prize the following year by the Emperor Franz Joseph's Czech Academy for Sciences, Literature and Art. Given the reception of this work, and given the composer's career as a professional quartet player for four decades, it is unfortunate he did not produce more works for this most elevated medium. There is a juvenile quartet in d minor and a few shorter pieces, including the doleful Meditation on an Old Czech Hymn '"St. Wenceslas", Op.35 (1914). But Suk would pen only one other string quartet in his maturity: the brooding, single-movement String Quartet No.2, Op.31 (1911), written only fifteen years later than his first but separated by a period of significant stylistic development. To be sure, the earlier exemplar presented here is cast in a decidedly traditional 19th-century mold.

Understandably, snatches of his mentor Dvořák's style are present throughout Suk's early works, and this quartet is no exception. Still, though the work could be considered somewhat derivative, it is hardly imitative. Folk-like idioms, certain harmonic turns of phrase, and a generally sanguine mood recall the elder composer, and his later quartets in particular. However, each of the four movements possesses kernels of individuality which offer previews of the inwardly-focused style more apparent in Suk's second quartet. But by and large, this is extroverted and highly accessible music. In the coy opening of the first movement, there are no ominous premonitions of any particular drama to come. Frequent forays into flat keys (one such "preview") imply clouds on the horizon, but these storms do not materialize, save for a few brief moments in the development section, and the movement ends as uncomplicatedly as it began. A striking feature here is the near complete parity of the two violin parts. This is not altogether surprising, considering the composer's perspective as a second violinist who inhabited this microcosm for so long.

For the second movement, Suk furnished an intermezzo in lieu of a true scherzo, and the aesthetic result is more playful than frenetic. This frolic of a march becomes even lighter on its feet in the trio section, as the violins chase each other in canon over a scurrying accompaniment in the lower voices. Flat keys figure prominently once again in this movement, though threats of extensive modulation are easily shaken off as the intermezzo races impatiently to the finish line. The emotional gravitas of the work is concentrated in the third movement. A pulsating quadruplet figure provides a constant backdrop to the sinewy, chromatic part writing. A particular mark of the composer's individuality, and indeed a powerfully expressive effect, comes near the end of the movement, where two harmonically-distant chords (namely, G major and E-flat minor) appear in alternation.

There is nothing conspicuously problematic about the fourth movement, a jovial, effervescent finale peppered with hocket-like gestures (short motives traded between voices). However, Suk was less than completely satisfied with it, as he rewrote the entire movement years later in 1915. Given his idiomatic changes during this time span, however, the refashioned movement proved to be lacking in compatibility with the other three movements. Accordingly, the alternate finale maintains its identity as a separately published work (Prague: Panton, 1976). To illustrate a famous counterexample, Beethoven's Grosse Fuge, Op.133, which was originally conceived as the final movement to his String Quartet No.13 in B-flat, Op.130, was ultimately deemed too radical for contemporary audiences, and so to oblige his publisher the composer replaced it with a less adventurous movement. In this case, the substitution is suitable enough as the bona fide finale to the work, though the Grosse Fuge is occasionally amended to it in performance. In Suk's case, on the other hand, the two versions of the finale, with all of their contrasting qualities, are perhaps too similar to present back-to-back in this fashion. Even so, they offer a rare example of a composer setting essentially the same melodic material in two drastically different harmonic languages. As it happens, Suk's first quartet does not suffer in its original iteration, and is a compelling work for performers and audiences alike, certainly deserving of more frequent performances.

Casey A. Mullin, 2001

For performance material please contact Musikproduktion Höflich, München. (www.musikmph.de). Reprint of a copy from the music library of Stadtbibliothek München, München.