John Dowland
(geb. 1563 — gest. London, Februar 1626)
Komplette Musik für Instrumentalensemble
(transkribiert und herausgegeben von Edgar Hunt)
Vorwort
Zu Lebzeiten galt John Dowland als eines der größten musikalischen Genies der Epoche. Im Barockzeitalter allmählich in Vergessenheit geraten, kam es erst im 20. Jahrhundert zu einem Dowland-Revival, das in den zwanziger Jahren mit der von E.H. Fellowes herausgegebenen Liederausgabe begann. Heute gehören sowohl seine Consort Music als auch seine Vokalwerke und Lautenkompositionen zu den meistgespielten englischen Klassikern.
Der junge John Dowland ging 1580 als Begleiter des englischen Gesandten Sir Henry Cobham nach Paris und kehrte wahrscheinlich 1586 nach London zurück. Ab 1588 wirkte er an der Christ Church in Oxford und wurde im selben Jahr bereits in der Apologia Musices als einer der berühmtesten Musiker der Zeit erwähnt. Auch sein Ansehen als Komponist stieg kontinuierlich. 1594 bewarb er sich vergeblich als Nachfolger des königlichen Lautenisten John Johnson (ca. 1540-94) und unternahm daraufhin eine Reise, die ihn an die Höfe von Braunschweig-Wolfenbüttel und Kassel sowie bis nach Florenz führte. Dort erfuhr er von Attentatsplänen englischer Exilanten auf Queen Elizabeth I und reiste nach Nürnberg. 1596 war er wieder in England und musste erdulden, dass in Barleys New Book of Tabliture sieben seiner Kompositionen ohne seine Zustimmung im Druck erschienen. Wieder war eine Anstellung am Londoner Hof in Aussicht, die abermals nicht zustande kam, da sein Förderer Henry Noel vor der erwarteten Berufung verstarb. 1597 erschien Dowlands The First Booke of Songes im Druck, und im November 1598 trat er die ihm angetragene Stelle als Königlich Dänischer Hoflautenist unter König Christian IV. in Kopenhagen an. Im Juli 1600 erschien sein The Second Booke of Songes im Druck, im Februar 1603 folgte The Third and Last Booke of Songes. In den dänischen Jahren reiste Dowland viel und besuchte für längere Zeitabschnitte die englische Heimat. Im April 1604 kam sein nachhaltig berühmtestes Werk im Druck in die Öffentlichkeit: Lachrimae or Seaven Teares, eines der herausragenden Werke polyphoner Instrumentalmusik der elisabethanischen Epoche.
Im März 1606 wurde er, während einer England-Reise des dänischen Königs, am Kopenhagener Hof entlassen und bekleidete von nun an für einige Jahre eine Anstellung bei dem Londoner Höfling Theophilus Howard, Lord Walden. Seine Bookes of Songes waren äußerst beliebt und zumal das erste wurde innerhalb weniger Jahre vielfach neu aufgelegt. Andere Werke erschienen in gemischten Sammlungen wie 1610 der Varietie of Lute-Lessons oder A Musicall Banquet. Im Oktober 1611 erschien A Pilgrimes Solace im Druck.
Am 28. Oktober 1612 wurde John Dowland endlich als einer der Musicians for the lute am englischen Königshof verpflichtet. Daraufhin hat er bis zu seinem Tode (das Begräbnis ist im Register von St. Anne, Blackfriars, am 20. Februar 1626, unter dem Namen ‚John Dowland Doctor of Musicke' vermerkt) nur noch sehr wenig komponiert. Am beliebtesten war seinerzeit sein 1610 gedrucktes Lautenlied In darknesse let mee dwell.
Der Hauptbestand der hier vorgelegten kompletten Werke für Instrumentalensemble (Consort Music) entstammt der 21 Stücke umfassenden Sammlung LACHRIMAE, OR SEVEN TEARES FIGURED IN SEVEN PASSIOnate Pauans, with diuers other Pauans, Galiards, and Almands, set forth for the Lute, Viols, or Violons, in fiue parts, die im April 1604 im Erstdruck erschienen ist, in einem ‚Partiturdruck', dessen Anordnung der der damals gebräuchlichen Chorbücher entspricht, das auf die Mitte eines flachen Tischs gelegt wurde, mit in vier Richtungen aufgedruckten Stimmen für die Musiker, die sich um den Tisch herum zum Spiel versammelten.
Die ersten sieben Stücke der Lachrimae sind jene Pavanen, denen die Sammlung ihren Titel verdankt, der von seinem berühmtesten Lied ‚Flow my teares fall from your springs' (2. Lied aus ‚The Second Booke of Songs or Ayres' von 1600) abgeleitet ist. Darauf folgen drei weitere Pavanen, neun Galliarden und zwei Allemanden.
Die Widmung der Lachrimae ging an Queen Anne, die Gemahlin von King James I und Schwester des Königs Christian von Dänemark (Dowland hatte am dänischen Hof als Lautenist gewirkt).
Zu den Quellen der weiteren sechs von ihm herausgegebenen und hier abgedruckten Instrumentalwerken Dowlands gibt Edgar Hunt in der dieser Ausgabe zugrunde liegenden Originalausgabe dieser Partitur, die 1985 bei Schott in Mainz erschienen ist, folgende Hinweise: "Zacharias Füllsack und Christian Hildebrand, Ausserlesener Paduanen und Galliarden (Hamburg 1607). Die ‚Jhon Dowland' zugeschriebene Galliarda a 5 ist eine Fassung von M. Buctons Galiard aus Lachrimae, aber sie ist gleichermaßen auch mit einem Lautensolo verwandt, das wegen einer gewissen Ähnlichkeit mit der Chanson Susanne un jour von Orlando di Lasso als Susanna Galliard bekannt ist.
Thomas Simpsons Opusculum Neuwer Pauanen, Galliarden, Couranten unnd Volten (Frankfurt a.M. 1610) enthält drei Pavanen a 5 von Dowland. Nr. 3 ist eine Fassung von Lachrimae Antiquae Novae und Nr. 21 ist eine Version von M. John Langton's Pavan einen Ton aufwärts transponiert, nur Nr. 11 kommt sonst nirgendwo vor.
Thomas Simpsons Taffel-Consort (1621) enthält fünf Stücke, die Dowland zugeschrieben werden: eine Pavane (Nr. 5), ein Stück ohne Titel im 3/2-Takt (Nr. 10), eine Aria (Nr. 19) und eine Volta (Nr. 39); das fünfte Stück in dieser Sammlung ist eine Fassung von Mistresse Nichols Almand. Alle Stücke aus dem Taffel-Consort sind vierstimmig mit einer zusätzlichen, bezifferten Bassstimme für den Continuo. Es ist schwierig zu entscheiden, inwieweit die Fassungen in Simpsons Opusculum und Taffel-Consort von Dowland sind, oder ob Simpson Dowlands Werke selbst bearbeitete, um sie den Erfordernissen seiner Veröffentlichungen anzupassen. British Library Add. MS 10444 enthält eine weitere Allmaine von Dowland, allerdings nur den Cantus und den Bass derselben.
Johannes Cellarius, Album Amicorum (B. L. Add. 27579). Unter den Autogrammen vieler Adliger und Literaten in diesem Band findet man auch John Dowlands Unterschrift und zwei Zeilen Musik. Diese unschuldig aussehende ‚Fuga' ist ein Kanon, der sich durch alle Molltonarten bewegt, wenn man ihn fortsetzt.
Edgar Hunt hat in seiner Ausgabe, die wir hier unverändert nachdrucken, neben der modernen Schlüsselung Taktstriche eingefügt und die Versetzungszeichen modernisiert.
Christoph Schlüren, Januar 2011
Wegen Aufführungsmaterial wenden Sie sich bitte an Musikproduktion Höflich (www.musikmph.de), München.
|