Edouard Lalo
(geb. Lille, 27. Januar 1823 — gest. Paris, 22. April 1892)

»Le Roi d’Ys«
Légende bretonne
Opéra en trois actes et cinq tableaux (1875-78/86)

Ouverture p. 1
Acte I p. 53
Acte II Premier tableau p. 180
Deuxième tableau p. 250
Acte III Premier tableau p. 291
Deuxième tableau p. 382

Vorwort
Zwei Werke zumindest hat Edouard Lalo komponiert, die weltweit ins Konzertrepertoire eingegangen sind und seinen Namen unvergeßlich werden ließen: die für Pablo de Sarasate (1844-1908) geschriebene Symphonie espagnole op. 21 für Violine und Orchester von 1874 und das Cellokonzert in d-moll von 1877. Auch seine drei Klaviertrios tauchen immer wieder in Konzertprogrammen auf, wogegen die Violinsonate op. 12 (1863), die Cellosonate (1856) und das Streichquartett Es-Dur op. 19 (1859, revidiert 1880 als op. 45) kaum bekannt sind. Besonders für die Geige hat Lalo ein breites und unausgeschöpftes Œuvre hinterlassen. In Frankreich beruht sein Ruhm weitgehend auf der großen dreiaktigen Oper Le Roi d’Ys und der von Debussy vergötterten Ballettmusik Namouna (komp. 1881-82; UA Paris, 6. März 1882), aus welcher eine reizvolle Suite noch gelegentlich gespielt wird. Weitere wichtige Orchesterwerke Lalos sind u. a.: das Divertissement von 1872, das Violinkonzert F-Dur op. 20 von 1873 (das erste für Sarasate komponierte Konzert), die Fantaisie norvégienne für Violine und Orchester (1878) und die daraus abgeleitete Rapsodie norvégienne (1879, auch Rapsodie pour orchestre betitelt), das Concerto russe op. 29 für Violine und Orchester (1879), die Symphonie g-moll von 1886 (zwei Jugendsymphonien hat Lalo später selbst vernichtet) und das Klavierkonzert f-moll von 1888-89.
Nachdem er das Pariser Conservatoire verlassen hatte, widmete sich der ausgezeichnete Geiger Lalo weitestgehend der Kammermusik, die damals in Frankreich völlig unpopulär war. 1855 war er Gründungsmitglied des Armingaud-Quartetts, in welchem er (unter dem Primarius Jules Armingaud [1820-1900]) zunächst die Bratsche und dann die zweite Geige spielte. Am 5. Juli 1865 heiratete er seine Schülerin Victoire Besnier de Maligny. 1866-68 komponierte er seine erste, dreiaktige große Oper Fiesque auf ein Libretto von Charles Beauquier nach Friedrich Schillers Die Verschwörung des Fiesco zu Genua, mit welcher er an einem von der französischen Regierung finanzierten und von der Leitung des Pariser Théâtre Lyrique ausgerichteten Opernwettbewerb teilnahm. Unter 43 Bewerbern erhielt er den dritten Preis; der erste ging an Jules Philippot für den Einakter Magnifique, der zweite an Gustave Canoby für Coupe et les lèvres — diese beiden wurden wie vorgesehen aufgeführt, wogegen Lalos Fiesque vom Theater abgelehnt wurde mit der Begründung, das Libretto sei unbrauchbar. Lalos weitere Bemühungen, das Werk in Paris, Hamburg und Brüssel unterzubringen, scheiterten. Sein Fiesque ist bis heute unaufgeführt geblieben, was angesichts des gigantischen Erfolgs von Le Roi d’Ys, der bis heute immer wieder gespielt wird, kaum glaublich erscheint.

Le Roi d’Ys komponierte Lalo zwischen 1875 und 1878 auf ein an Richard Wagners Lohengrin orientiertes Libretto von Edouard Blau (dessen eigentlicher Name Stanislas Viateur war) über die bretonische Legende des Königs von Ys (Lalos Frau entstammte der Bretagne). Die Ouvertüre zu Le Roi d’Ys (bis heute die international bekannteste Nummer des Werks und mehrfach in Studien-partitur-Ausgaben erschienen) und einige Ausschnitte aus der Oper kamen in den folgenden Jahren im Konzertsaal zur Aufführung, doch ansonsten schien das Schicksal demjenigen von Fiesque zu gleichen. 1878 wurde Le Roi d’Ys vom Théâtre Lyrique, 1879 von der Pariser Opéra abgelehnt. 1886 nahm Lalo eine Überarbeitung vor. Am 7. Mai 1888 schließlich kam die Oper durch die Opéra-Comique in der Salle du Châtelet zu Paris mit Max Bouvet, Blanche Deschamps-Jehin, René Fournets und Jean-Alexandre Talazac unter der musikalischen Leitung von Jules Danbé (1840-1905) zur Uraufführung. Sie war eines der ersten Stücke, das nach dem Wiederaufbau des 1887 abgebrannten Gebäudes gegeben wurde, und die Proben verliefen schwierig. Umso größer war der Erfolg der Première, von dem Paul Dukas noch 1923 in einem Artikel zum 100. Geburtstages von Lalo schwärmen sollte, und Le Roi d’Ys erlebte 1889, nur wenig mehr als ein Jahr danach, bereits seine 100. Aufführung. Das Libretto wurde bald ins Holländische, Deutsche, Italienische, Tschechische, Russische und Rumänische übersetzt. Die englische Erstaufführung (auf französisch) fand am 17. Juli 1901 in Covent Garden (London), die amerikanische Première 1922 in New York statt.
Nach Le Roi d’ Ys schrieb Lalo noch 1891 die Pantomime Néron, die weitgehend aus wiederverwendeten Abschnitten von Fiesque bestand. Auch seine letzte Oper, La Jacquerie über den französischen Bauernaufstand von 1358, verwendete Material aus Fiesque. Doch konnte Lalo hier nur noch den ersten Akt vollenden. Zur Uraufführung kam La Jacquerie 1895 in Monte Carlo in der Ergänzung des César Franck-Schülers Arthur Coquard (1846-1910).
Christoph Schlüren, 2004.

Synopsis

I. Akt
Ys ist eine sagenhafte Stadt an der Küste der Bretagne. Der König von Ys (Baß) kann einen erbitterten und langwierigen Krieg beenden, indem er seine ältere Tochter Margared (Mezzosopran) Karnac (Bariton), dem Anführer seiner Feinde, zur Frau verspricht. Margared ist bestürzt darüber und bekennt ihrer Schwester Rozenn (Sopran), daß sie einen andern liebt. Sie wissen nicht, daß sie beide denselben Mann lieben: den zur See verschollen geglaubten Helden Mylio (Tenor), der jetzt unerwartet zurückkehrt und die von ihm geliebte Rozenn aufsucht. Als der König seine Tochter Margared wie vereinbart Karnac zuführt, fällt ihr Blick auf Mylio, und sie lehnt die Heirat ab. Karnac wirft den Fehdehandschuh. Mylio ist siegessicher.

II. Akt
Margared ist bald gepackt von Eifersucht auf ihre glückliche Schwester, deren Liebe Mylio erwidert, und beginnt, beide zu hassen. Mylios Truppen siegen über diejenigen Karnacs im Felde. Margared trifft den Besiegten und stachelt ihn auf, die Schleusen, die die Stadt Ys vor der Flut schützen, zu öffnen und ihr ganzes Volk dem Meere preiszugeben. Da ertönt die mahnende Stimme des Schutzpatrons Saint Corentin (Baß-Bariton), der sie feierlich beschwört, von ihrem Ansinnen abzusehen. Doch in ihrer Verblendung verspottet sie sein Standbild und verrät Karnac alles, was er wissen muß, um das Vernichtungswerk zu vollbringen.

III. Akt
Die Hochzeit von Mylio und Rozenn ist im Gange. Mit einem Mal versucht Margared, Karnac von der Durchführung des teuflischen Plans abzuhalten, doch es ist zu spät. Als die Flut herannaht, die Hälfte der Menschen in der Stadt ertrunken ist und die anderen sich auf dem höchsten Hügel der Stadt zusammendrängen, erscheint Margared und bekennt ihre Schuld. Das Volk verlangt ihre Hinrichtung. Sie fleht zu Gott und stürzt sich in die Fluten. Das Volk kniet im Angesicht des Todes nieder. Der Schutzpatron nimmt das Sühneopfer an und läßt das Wasser auf seinen normalen Pegelstand zurücksinken.

Aufführungsmaterial ist erhältlich vom Verlag Heugel, Paris (www.alphonseleduc.com).

Edouard Lalo
(b. Lille, 27 January 1823 — d. Paris, 22 April 1892)

»Le Roi d’Ys«
Légende bretonne
Opéra en trois actes et cinq tableaux (1878-81/86)

Ouverture p. 1
Acte I p. 53
Acte II Premier tableau p. 180
Deuxième tableau p. 250
Acte III Premier tableau p. 291
Deuxième tableau p. 382

Preface
Edouard Lalo composed at least two works that have entered the international concert repertoire and made his name unforgettable: the Symphonie espagnole for violin and orchestra, op. 21, written in 1874 for Pablo de Sarasate (1844-1908), and the D-minor Cello Concerto of 1877. His three piano trios also crop up in recitals from time to time, whereas the Violin Sonata, op. 12 (1863), the Cello Sonata (1856), and the String Quartet in E-flat major, op. 19 (1859, rev. as op. 45 in 1880) are virtually unknown. Lalo left behind a broad and still untapped body of music, particularly for the violin. In France, his fame largely rests on his great three-act opera Le Roi d’Ys (1875-88) and the ballet music Namouna (1881-2), premièred in Paris on 6 March 1882 and idolized by Debussy. A suite drawn from the latter is occasionally heard today. Other important orchestral works include his Divertissement of 1872, the Violin Concerto in F major, op. 20, of 1873 (this was the first concerto he composed for Sarasate), the Fantaisie norvégienne for violin and orchestra (1878) along with the Rapsodie norvégienne drawn from it in 1879 (also known as Rapsodie pour orchestre), the Concerto russe for violin and orchestra, op. 29, the Symphony in G minor of 1886 (Lalo himself later destroyed two juvenile symphonies), and the Piano Concerto in F minor (1888-9).
A distinguished violinist, Lalo devoted himself primarily to chamber music after leaving the Paris Conservatoire. At that time there was no audience for chamber music in France. In 1855 he became a founding member of the Armingaud Quartet, first playing the viola and later the second violin alongside the first violinist Jules Armingaud (1820-1900). On 5 July 1865 he married his pupil Victoire Besnier de Maligny. His first opera, Fiesque, was written in 1866-8 in three acts on a libretto by Charles Beauquier based on Friedrich Schiller’s Die Verschwörung des Fiesco zu Genua ("The Conspiracy of Fiesco in Genova"). He then submitted it to an opera competition funded by the French government and organized by the directors of the Théâtre Lyrique in Paris. Of the forty-three contestants, Lalo received the third prize; the first went to Jules Philippot for his one-act Magnifique and the second to Gustave Canoby for Coupe et les lèvres. The latter two operas were both performed as promised, but the theater rejected Fiesque on the grounds that the libretto was unusable. Lalo’s further efforts to have the work mounted in Paris, Hamburg, and Brussels came to nought, and it remains unperformed to the present day — an almost incredible state of affairs considering the huge success of Le Roi d’Ys which is still played today.
Translation: Bradford Robinson, 2003.

Lalo composed Le Roi d’Ys between 1875 and 1878 to a libretto by Edouard Blau, the nom de plume of Stanislas Viateur. The libretto recounts the Breton legend of the King of Ys, but also betrays an orientation toward Wagner’s Lohengrin. (The family of Lalo’s wife was also of Breton origin.) The overture to Le Roi d’Ys -- even today the best-known part of the work the world over; it has appeared several times in study score editions -- and a few excerpts from the opera received concert performances in the following years, but otherwise its fate seemed to be the same that befell Fiesque. In 1878 it was rejected by the Théâtre Lyrique; in 1879, by the Opéra de Paris as well. Lalo undertook a revision of the work in 1886. It was finally premiered by the Opéra-Comique in the Salle du Châtelet, Paris, on 7 May 1888. The lead roles were sung by Max Bouvet, Blanche Deschamps-Jehin, René Fournets, and Jean-Alexandre Talazac; Jules Danbé (1840-1905) conducted. It was one of the first works to be performed in the reconstructed Salle du Châtelet, which had burned down the previous year, and the rehearsals went off with difficulty. All the greater was the success of the premiere -- Paul Dukas would write rapturously about it many years later, in a 1923 article honoring Lalo’s hundredth birthday -- and it took little more than a year for Le Roi d’Ys to attain its hundredth performance. The libretto was soon translated into Dutch, German, Italian, Czech, Russian, and Romanian. The first performance in England, which was sung in French, took place at Covent Garden in London on 17 July 1901; the American premiere took place in New York City in 1922.
After Le Roi d’Ys Lalo completed one more stage work, the pantomime Néron, in 1891; it consisted to a large degree of music taken from Fiesque. The same is true of his last opera, La Jacquerie, about the French Peasants’ Revolt of 1358, but Lalo was able to complete only its first act. La Jacquerie was completed by Arthur Coquard (1846-1910), a pupil of César Franck’s, and first performed in Monte Carlo in 1895.

Synopsis

Act I
Ys is a mythical city on the coast of Brittany. The King of Ys (bass) succeeds in ending a lengthy and bitter war by promising the hand of his daughter Margared (mezzo-soprano) in marriage to Karnac (baritone), the leader of his enemies. Margared is alarmed by this and confesses to her sister Rozenn (soprano) that she loves another man. They do not know that they both love the same man: the hero Mylio (tenor), who was thought to have been lost at sea, and who now returns unexpectedly and seeks out his beloved Rozenn. When the King brings his daughter Margared to Karnac as arranged, her glance falls upon Mylio, and she rejects the marriage. Karnac throws down the gauntlet. Mylio is confident of victory.

Act II
Margared is quickly seized by jealousy of her happy sister and her requited love of Mylio, and she begins to hate both of them. Mylio’s troops rout Karnac’s on the battlefield. Margared meets the defeated enemy and incites him to open the floodgates protecting the city of Ys, thus abandoning her people to the sea. All of a sudden they hear the warning voice of the patron Saint Corentin (bass-baritone), who solemnly beseeches her to renounce her request. But in her delusion she mocks the saint’s statue and reveals to Karnac everything he needs to know in order to accomplish the plan of annihilation.

Act III
The wedding of Mylio and Rozenn has begun. Suddenly Margared attempts to dissuade Karnac from the execution of the devilish plan, but it is too late. The flood approaches; half of the city’s population drowns, and the other half crowds together upon the highest hill in the city. Margared appears and confesses her guilt. The crowd demands her execution. With a plea to the Almighty she casts herself into the sea. The crowd falls to its knees, awed by her death. The patron saint appears, accepting her sacrifice as atonement and allowing the water to return to its normal level.
Translation: Stephen Luttmann, 2004.

For performance materials please contact the publisher Heugel, Paris (www.alphonseleduc.com).