Friedrich Kuhlau
(geb. Uelzen, 11. September 1786 – gest. Kopenhagen, 12. März 1832)

Ouvertüre zu "Elverhøj"
("Elfenhügel") op. 100

 

Vorwort
Friedrich Daniel Rudolph Kuhlau wurde in Uelzen in der Nähe von Lüneburg geboren und erhielt seine musikalische Ausbildung bei Christian Friedrich Schwencke in Hamburg. 1810 floh er nach Kopenhagen, um dem Einzug in das französische Militär zu entgehen. Nach einer ersten Anstellung als Flötist wurde er nach den beachtlichen Erfolgen seiner Opern "Røverborgen"( "Die Räuberburg") und "Elisa" als Hofkomponist an den dänischen Hof berufen. Neben Bühnenwerken komponierte Kuhlau einen beträchtlichen Teil Flöten- und Klaviersonaten, die auch Eingang in den Kanon der Unterrichtswerke gefunden haben.

Ebenso zeigte Kuhlau starkes Interesse an der neu auflebenden Pflege der Volksliedtradition in Skandinavien. Um die Wende zum 19. Jahrhundert erwachte in den nordischen Ländern ein verstärktes Nationalgefühl, in Dänemark insbesondere in Abgrenzung zum jahrhundertelangen großen Einfluss der deutschen Politik und Kultur auf das Königreich. Identitätsstiftend wirkte insbesondere die Rückbesinnung auf ältere Traditionen und Gebräuche, die sich musikalisch in erster Linie in den Volksliedern wiederfand. Die zeitgenössische Wertschätzung dieses Kulturguts bemaß sich auch daran, dass Volkslieder systematisch gesammelt und aufgezeichnet wurden, um sie so der Nachwelt zugänglich zu machen und zu erhalten. Eine der wichtigsten Sammlungen in Dänemark stellten die "Udvalgte danske Viser fra Middelalderen" ("Ausgewählte dänische Mittelalterweisen") von W.H.F. Abrahamson, Rasmus Nyerup und Knud Lyhne Rahbek dar, die in fünf Bänden von 1812 bis 1814 in Kopenhagen erschien und für eine Reanimierung und weite Verbreitung dänischer Volkslieder sorgte.

Kuhlau traf also zu einer Zeit im dänischen Königreich ein, als die Suche nach einer dänischen Nationalmusik bereits begonnen hatte. Als der Komponist 1828 eine Konzertreise nach Schweden und Norwegen unternahm, konzertierte er häufig mit dem schwedischen Volkslied aus dem westlichen Gotland "Och Liten Karin tiente". Kuhlau hatte eine Bearbeitung für Klavier vorgenommen, in der das Volkslied als Variationswerk benutzt wurde.

Vermutlich trug dieses Verfahren und das Interesse an der Folklore dazu bei, dass Kuhlau nach seiner Rückkehr sein bedeutendstes Werke schaffen sollte. Das Singspiel "Elverhøj" entstand als Auftragsarbeit des dänischen Königs Frederik VI. für die Hochzeit seiner jüngsten Tochter Vilhemine Marie mit dem späteren König Frederik VII. Der dänische Dichter Johan Ludvig Heiberg (1791-1860) wurde beauftragt, das Libretto zu verfassen, während Friedrich Kuhlau dazu die Musik komponierte. Die Uraufführung fand am 6. November 1828 in Kopenhagen im Rahmen einer Festvorstellung statt. Die Premiere war ein voller Erfolg, "Elverhøj" wurde zum ersten dänischen Nationalschauspiel. Für ihre Leistung wurden Heiberg und Kuhlau fürstlich belohnt. Heiberg erhielt 665 dänische Reichstaler und eine Festanstellung als Dichter und Übersetzer am Königlichen Theater in Kopenhagen. Kuhlau bekam ein Honorar von 400 Reichstalern gezahlt und den Professorentitel verliehen.

Ausgangspunkt für Heiberg wie für Kuhlau war die Nutzung von traditionellem Volksgut als Grundlage des Fünfakters, das zum erfolgreichsten Werk der dänischen Nationalromantik auf dem Gebiet der Bühne aufsteigen sollte. Zeitlich spielt das Singspiel in der Regierungsära König Christian IV. (1588-1648) und beschreibt das Leben des Königs in und mit seinem Volk. Schauplatz ist ein Gut, auf dem der Legende nach der "Elfenhügel" steht, vom Elfenkönig beherrscht. So wie Heiberg im Libretto alte dänische Sagen verwendete, benutzte Kuhlau als Grundlage für seine Musik folkloristische Modelle. Der Klang von älteren dänischen und schwedischen Volksliedern lassen das Singspiel daher zu einem besonderen Moment werden. Kuhlau nutzt sie entweder als Originalvorlage oder imitiert ihre Wesensart, wie einen modalen und einfachen Melodieverlauf. Dieses Prinzip wendet Kuhlau bereits in der Ouvertüre an, die darüber hinaus als Potpourri zu verstehen ist, indem weitere Themen und Motive aus dem gesamten Singspiel auftauchen. Eine besondere Steigerung erfährt die Ouvertüre am Schluss. Hier – wie auch im Finale der gesamten Komposition - wird das nationale Element weiter verdichtet, indem die Hymne des dänischen Königshauses "Kong Christian stod ved højen mast" erklingt. Ein ähnlich gelagertes Vorbild findet sich in der "Jubel-Ouvertüre" von Carl Maria von Weber von 1818, in die zum Beschluss die englische Hymne "God save the King" auf die Melodie von "Heil Dir im Siegerkranz" integriert wurde.

Durch ihren spezifisch folkloristischen Klang stieg "Elverhøj" zum dänischen Nationalepos auf. Bis in die Gegenwart ist Singspiel fester Bestandteil des dänischen Kultur- und Musiklebens geblieben, wovon über 1.000 Aufführungen im Königlichen Theater seit der Uraufführung 1828 zeugen. Die rund zehnminütige Ouvertüre wird mittlerweile als eigenständiges Werk betrachtet und häufig als Konzertouvertüre gespielt.

Mit "Elverhøj" gelang Kuhlau der doppelte Durchbruch. Einerseits stellte das Werk den künstlerischen Höhepunkt für den Komponisten dar. Andererseits eröffnete er damit gleichzeitig völlig neue Perspektiven im Prozess der Suche nach dem Wesen einer dänischen Nationalmusik. Bemerkenswert ist, dass ein Komponist mit deutschen Wurzeln einen derartigen Status als Wegbereiter einer dänischen Nationalmusik einnehmen konnte und ebenso als "dänischer" Komponist wahrgenommen wurde.

In die Nachfolge Kuhlaus als Vertreter einer national-dänischen Musik traten im Verlauf des 19. Jahrhunderts Niels W. Gade (1817-1890) und Johan Peter Emilius Hartmann (1805-1900) hervor. Sie repräsentierten erstmals eine Komponistengeneration, die, anders als beispielsweise noch Friedrich Kuhlau, in Dänemark geboren und ausgebildet wurden und sich somit als "Eingeborene" mit der Musik und Kultur ihres Landes auseinandersetzten und darüber ihre eigene Identität zu stärken versuchten. Kuhlau übernahm aber auch hier eine Vorbildfunktion, indem das Prinzip, Volkslieder in Formen der Kunstmusik zu integrieren, durch Gade und Hartmann nicht nur ihre Fortsetzung, sondern auch ihre Weiterentwicklung bis zur hohen künstlerischen Reife mit nicht nur nationaler, sondern internationaler Ausstrahlung erfuhr.

Yvonne Wasserloos, 2011

Wegen Aufführungsmaterial wenden Sie sich bitte an Fleisher Library, Philadelphia.


Friedrich Kuhlau
(b. Uelzen, Lower Saxony, 11 September 1786 – d. Copenhagen, 12 March 1832)

Overture to
"Elverhøj"
(The Elf's Hill), op. 100

 

Preface
Friedrich Daniel Rudolph Kuhlau was born in Uelzen (near the German town of Lüneburg) and received his musical training from Christian Friedrich Schwencke in Hamburg. In 1810 he fled to Copenhagen to avoid conscription into the French army. After initially working as a flutist, he achieved noteworthy successes with his operas Røverborgen (The Robbers' Castle) and Elisa, which led to his appointment as court composer at the Danish court. Besides stage works, he also composed an impressive number of flute and piano sonatas that have found their way into the established canon of teaching materials.

Kuhlau displayed an equally keen interest in the burgeoning cultivation of Scandinavia's traditional folk songs. At the turn of the nineteen century, a heightened nationalist spirit arose in the northern countries of Europe, especially in Denmark, which sought to put an end to the centuries-old dominance of German politics and culture in the Danish kingdom. Particularly important in establishing this new identity was the recourse to earlier traditions and customs which, in the case of music, were rediscovered mainly in folk songs. The contemporary attitude toward this cultural heritage is also evident in the fact that folk songs were systematically collected and written down so as to preserve them and make them accessible to posterity. One of the major collections in Denmark was Udvalgte danske Viser fra Middelalderen (Selected Danish Airs of the Middle Ages), compiled in five volumes by W. H.F. Abrahamson, Rasmus Nyerup, and Knud Lyhne and published in Copenhagen between 1812 and 1814. This anthology ensured that Danish folk songs would enjoy a revival and wide dissemination.

In short, Kuhlau arrived in the Danish kingdom at a time when the search for a Danish national music was in full swing. When he undertook a concert tour of Sweden and Norway in 1828, he frequently played the Swedish folk song Och Liten Karin tiente from western Gotland. Kuhlau had prepared a piano arrangement in which the song served as the theme for a set of variations.

It was presumably this technique and his interest in folk culture that prompted Kuhlau, after his return, to write his most significant work, the singspiel Elverhøj (The Elf's Hill). It arose to satisfy a commission from the Danish King Frederik VI for the marriage of his youngest daughter, Vilhemine Marie, to the future King Frederik VII. The Danish poet Johan Ludvig Heiberg (1791-1860) was commissioned to write the libretto and Kuhlau the music. The première, a festive production given in Copenhagen on 6 November 1828, was a complete success, and Elverhøj became the first Danish national play. Heiberg and Kuhlau were rewarded magnificently for their efforts: Heiberg received 665 Danish reichstaler and a permanent appointment as poet and translator at the Royal Theater in Copenhagen, while Kuhlau was awarded a fee of 400 reichstaler and the title of professor.

As their starting point, both Heiberg and Kuhlau used traditional folk culture as the basis of their five-act play, which would become the most successful stage work of Denmark's national romantic movement. The plot of the singspiel is set during the reign of King Christian IV (1588-1648) and describes the king's life among and with his people. The setting is a country estate on which, as legend has it, the "Elf's Hill" stands, ruled by the King of the Elves. Just as Heiberg made use of ancient Danish myths in fashioning the libretto, Kuhlau employed folk-music models as the basis of his score. The sound of early Danish and Swedish folk melodies gives the piece its distinctive atmosphere. Kuhlau either used them in their original form or imitated their substance, for example by employing modal or simple melodic progressions. This principle can already be heard in the Overture, which was conceived as a medley in which other themes and motifs from the singspiel crop up. The Overture undergoes a special escalation at the end, where, as in the finale to the entire work, the national element is further intensified by incorporating the anthem of the Danish royal house, Kong Christian stod ved højen mast. A similarly layered model can be found in Carl Maria von Weber's Jubel-Ouvertüre of 1818, which incorporates the English anthem God save the King in its German incarnation, Heil Dir im Siegerkranz.

Owing to its specifically folk-like atmosphere, Elverhøj rose to become the Danish national epic. It has retained a lasting hold on Danish cultural and music life to the present day, as is testified by more than one-thousand performances given at the Royal Theater since its première in 1828. The roughly ten-minute Overture is now regarded as a work in its own right and is frequently performed as a concert overture.

With Elverhøj Kuhlau achieved a breakthrough in a dual sense: first, it represents the artistic zenith of his career; second it opened up completely new perspectives in the search for the essence of Danish national music. It is remarkable that a composer of German extraction should achieve such status as a trailblazer of Danish national music and be perceived equally as a "Danish" composer.

As the nineteenth century progressed, Kuhlau was succeeded as a representative of Denmark's national music by Niels W. Gade (1817-1890) and Johan Peter Emilius Hartmann (1805-1900). They represent the first generation of composers who, unlike Kuhlau himself, were born and educated in Denmark and could thus engage with their country's music and culture as "natives" and use it to consolidate their own identities. Here, too, Kuhlau functioned as a model: not only did the principle of integrating folk music into art music continue in the hands of Gade and Hartmann, they developed it to a high degree of artistic maturity with not only national but international drawing power.

Translation: Bradford Robinson

 

For parts please contact Fleisher Library, Philadelphia.