Franz Schreker
(geb. Monaco, 23. März 1878 - gest. Berlin, 21. März 1934)

Ekkehard
Sinfonische Ouvertüre für großes Orchester op.12 (1902/03)

Vorwort
Im Jahre 1902 machte sich der 24jährige Franz Schreker, der kurz davor sein achtjähriges Studium am Wiener Konservatorium abgeschlossen hatte, auf den Weg, sich in der Welt der Wiener musikalischen Moderne zu etablieren. Sein Opernerstling Flammen (1902) wurde im Bösendorfer-Saal mit Klavierbegleitung des Komponisten wenig erfolgreich uraufgeführt; auch hatte er mit den Kompositionsarbeiten an seiner symbolistischen Oper Der ferne Klang (1901-10) bereits begonnen, die später zu seinem berühmtesten Werk überhaupt werden sollte. Abgesehen von seiner kompositorischen "Diplomarbeit" – einer angesehenen Vertonung des 116. Psalms für Frauenchor und Orchester – hatte er jedoch in seinem schmalen Werkverzeichnis noch kein großangelegtes Orchesterwerk vorzuweisen, und schon gar keine Komposition, die ihn aus den zahlreichen Wiener Brahmsepigonen seiner Zeit hätte hervorheben können. Gerade dieses Manko versuchte er nun zu beheben.

Zu diesem Zweck entschied sich Schreker zugunsten einer Tondichtung nach dem einst äußerst beliebten Roman Ekkehard (1857) von Viktor von Scheffel (1826-1886), dem Verfasser des weltberühmten Versepos Dem Trompeter von Säckingen, zu dem Gustav Mahler 1883 auch eine nun verlorengegangene Begleitmusik komponierte. Beim Roman Ekkehard, der zu einem Kult-Klassiker des Wilhelminischen Zeitalters wurde, handelt es sich um eine freie Nacherzählung des Lebens von Ekkehard II. (ca. 940-990), einem Mönch am Schweizer Benediktinerkloster St. Gallen, dessen farbenfroher Lebenslauf zwei Generationen später in der offiziellen Geschichte des Klosters Casus sancti Galli mit einigen Freiheiten festgehalten wurde. Bekannt war Ekkehard II. nicht nur als Gelehrter (drei seiner einst berühmten lateinischen Sequenzen sind erhalten geblieben), sondern auch als Tatmensch, der es zum Privatlehrer der verwitweten Herzogin Hadwig von Schwaben, zum Kaplan des Kaisers Otto des Großen und schließlich zum Domprobst in Mainz brachte. Der Roman Ekkehard zeichnet diesen Lebenslauf mit zahlreichen amüsanten, amourösen und militärischen Schnörkeln nach, wobei von Scheffel eine stürmische Liebesaffäre mit der Herzogin, etliche ruhmreiche Heldentaten in den Hunnenkriegen Ottos, eine Zarathustra-ähnliche Abkehr von der Welt sowie ein verklärtes Alter am Busen der Kirche dazudichtete. So groß war die Beliebtheit von Ekkehard, dass 1901 der Roman bereits seine 179. Auflage erlebte und 1990 sogar in eine sechsteilige Fernsehserie verwandelt wurde.

Die sinfonische Ouvertüre Schrekers lehnt sich locker am Aufbau und Grundtenor des Scheffelschen Romans an, wobei die Bandbreite von den archaisch wirkenden Quintparallelen des Eingangsmottos, dem diatonisch-kirchlichen Ambiente des ersten Abschnitts, den beiden aufgewühlten, mit Chromatik durchsetzten Durchführungsteilen (wohl zur Darstellung der stürmischen Liebesaffäre mit Hadwig), den feierlich daherschreitenden Marschrhythmen und einem stark ausgesetzten, archaisierend modalen Orgelsolo bis zur Parsifal anmutenden Erhabenheit des Codas reicht. Die dicht verwobene Satzweise und die Vielzahl an dramatischen Farbwechseln und Gefühlsausbrüchen verraten den späteren Schreker, der zu den angesehensten deutschsprachigen Opernkomponisten seiner Zeit werden sollte. Die sinfonische Ouvertüre Ekkehard erlebte am 1. März 1903 mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Josef Hellmesberger ihre Uraufführung und wurde im gleichen Jahr vom Wiener Verlag Josef Eberle als Partitur sowie als vom Komponisten selbst besorgte vierhändige Bearbeitung veröffentlicht. Später wurde die Partitur ins Verlagsprogramm der Universal-Edition aufgenommen, von der sie noch heute erhältlich ist, und in den Vereinigten Staaten bei Kalmus nachgedruckt. Eine beeindruckende Tonaufzeichnung mit den BBC-Philharmonikern under der Leitung von Vassily Sinaisky erschien 1991 auf dem Chandos-Label.

Bradford Robinson, 2010

 

Aufführungsmaterial ist von der Universal Edition, Wien zu beziehen.

Franz Schreker
(b. Monaco, 23 March 1878 - d. Berlin, 21 March 1934)

Ekkehard
Symphonic overture for large orchestra, op.12
(1902-03)

 

Preface
In 1902 Franz Schreker, then twenty-four years old and fresh from his eight years of study at Vienna Conservatory, set about establishing himself in the world of Viennese modernism. His opera Flammen (1902) had been performed with minimal success in Bösendorfer Hall, with Schreker himself playing the orchestral part at the piano, and he had just begun work on what was to become, in retrospect, his most famous composition, the symbolist opera Der ferne Klang (1901-10). But apart from his "term project," a well-received setting of Psalm 116 for women's chorus and orchestra, his slender catalogue still lacked a large orchestral piece and a composition that would set him apart from Vienna's many Brahms epigones. This is what he now set about to produce.

To this end he chose to write a tone poem on the once fabulously popular romantic novel Ekkehard (1857) by Viktor von Scheffel (1826-1886), the author of the world-famous ballad Der Trompeter von Säckingen, for which Mahler had supplied a now lost score in 1883. The novel, a cult classic of the Wilhelmine Era, is loosely based on the life of Ekkehard II (d. 990), a tenth-century monk at St. Gall Monastery in Switzerland whose colorful career was embroidered and set down two generations later in the abbey's official history, Casus Sancti Galli. Ekkehard II was famed not only as a savant (three of his many celebrated Latin sequences have survived), but also as a man of the world who eventually became the personal tutor of the widowed Duchess Hadwig of Swabia, the chaplain of Emperor Otto the Great, and finally cathedral provost in Mainz. Von Scheffel's novel retraces his life with many amusing, amorous, and martial touches, inventing a love affair with Duchess Hadwig, military exploits in Otto's wars against the Huns, a Zarathustra-like withdrawal from the world, and finally a serene old age in the bosom of the church. Such was its fame that by 1901 Ekkehard had reached its 179th edition, and in 1990 it was turned into a six-part television series.

Schreker's overture loosely follows the plan of von Scheffel's novel, from the archaic parallel fifths of its opening motto theme, the triadic ecclesiastical ambience of its first section, two chromatic agitato development sections (probably for the tumultuous love affair with Hadwig), a section of stately march rhythms, a conspicuous organ solo with archaizing modal harmonies, and a concluding section of sub-Parsifalian sublimity. The writing is dense, richly textured, and abounding in the sort of dramatic colors and contrasts that would later place Schrecker among the foremost German opera composers of his age. The work was premièred in Vienna on 1 March 1903, with Josef Hellmesberger conducting the Vienna Philharmonic, and published that same year, in full score and the composer's own arrangement for piano four-hands, by Josef Eberle in Vienna. Later the score entered the catalogue of Universal Edition, where it is still available today, and was reprinted by Kalmus in the United States. A notable recording was released by Chandos in 1991, with Vassily Sinaisky conducting the BBC Philharmonic Orchestra.

Bradford Robinson, 2010

For performance material please contact the publisher Universal Edition, Vienna.