Carl Nielsen
(geb. Nørre-Lyndelse bei Odense, 9. Juni 1865 - gest. Kopenhagen, 3. Oktober 1931)

Konzert für Klarinette und Orchester

Vorwort
Carl Nielsen wurde als siebtes von sechzehn Kindern in eine arme Familie hineingeboren, die südlich der dänischen Stadt Odense in einer Gemeinschaft von Bauern lebte. Sein Vater arbeitete als Anstreicher und Arbeiter auf benachbarten Farmen. Auch war er Amateurmusiker, er spielte Geige und Kornet zu den verschiedensten Anlässen in seiner Nachbarschaft. In seinen Memoiren "Meine Kindheit auf Fryn" (1927) kommt in seiner frühesten musikalischen Erinnerung seine Mutter vor, die ihm eine Dreiviertelvioline gibt, auf der er sich selbst einige Melodien beibrachte, bevor er eine formale Musikerziehung erhielt. Schon vor seinem zehnten Lebenjahr spielte Nielsen regelmässig mit seinem Vater zum Tanz und anderen Veranstaltungen auf. Auch begann er, kleine Melodien zu komponieren. Um das magere Budget seiner Familie aufzubessern, war es notwendig, die verschiedensten niederen Arbeiten zu übernehmen, darunter auch die eines Gänsehirten. Nach Abschluss seiner Schule machte er eine Lehre als Kaufmann. Zum Glück für seine Zukunft als grosser Komponist ging jedoch das Geschäft bankrott, und so kehrte der junge Nielsen wieder nach Hause zurück. Kurz darauf erfuhr sein Vater von einer freien Stelle für einen Militärmusiker in Odense, und so stimmte er zu, das Nielsen sich intensiv dem Studium der Trompete widmete, um sich für ein Vorspiel zu bewerben. Er gewann die Ausschreibung, gab aber die Violine nicht auf, sondern nahm Unterricht, während er gleichzeitig für das Militär arbeitete. Während dieser Zeit schrieb er einige Trios und Quartette für Bläser, von denen jedoch alle verschollen sind. Nach dem Militärdienst wurde er am Konservatorium in Kopenhagen (später die Königlich dänische Akademie für Musik) angenommen, wo er Geige studierte und sporadisch Kompositionsunterricht nahm. Nach seinem Abschluss stellte eine berufliche Laufbahn als Komponist keine realistische Perspektive dar, und so nahm er eine Stellung als Geiger im Orchester des Tivoli an und unterrichtete nebenher einige Schüler. Während er auf dem Papier als voll ausgebildeter Musiker galt, war sich Nielsen darüber im Klaren, dass er als Komponist über zu wenig Wissen und Kompetenz verfügte. Deshalb setzte er seinen Unterrichtet privat mit der anerkannten Musikpädagogin Orla Rosenhoff fort. Langsam machte er als Komponist Fortschritte, bis er schliesslich in der Lage war, seine Stellung im Orchester aufzugeben.

Seine musikalische Karriere spielte sich um Kopenhagen herum ab, wo er im Anschluss an seine Orchestertätigkeit als Dirigent, Lehrer und schliesslich Leiter des Königlichen Konservatoriums arbeitete. Heute werden seine Werke auf der ganzen gespielt und umfassen sechs Symphonien, drei Konzerte, fünf Streichquartette, zwei Opern und zahlreiche Chorwerke und Kammermusik. Aber selbst als bekannter Komponist blieben finanzielle Sicherheit und umfassende Anerkennung immer eine Illusion. Wie er in einem Zeitungsinterview anlässlich seines 60. Geburtstags bemerkt: " Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich alle Gedanken an Kunst aus meinem Kopf verbannen und mir eine Stellung als Kaufmann suchen oder irgendeine Art von nützlichem Handel treiben, der schliesslich zu einem greifbaren Ergebnis führt ... welchen Nutzen hat es für mich, das mich die ganze Welt anerkennt, aber sich davonmacht und mich mit all meiner Ware allein lässt, bis alles zusammengebrochen ist und ich zu meiner Schande erkennen muss, dass ich als dummer Träumer gelebt habe, der sich einbildete, je mehr er arbeite und sich um der Kunst Willen anstrenge, umso besser sei die Position, die er erreiche. Wir sind abhängig von den Launen des Publikums, aber selbst wenn dessen Geschmack uns sympathisch ist ... welchen Unterschied macht das schon? Wir hören Applaus und Bravorufe, aber das macht die Sache eher schlimmer. Und unsere Verleger - nun, am liebsten würden sie uns von hinten sehen."

Das Klarinettenkonzert sollte Nielsens letztes Orchesterwerk sein und wurde im Jahre 1928 vollendet. 1921 hatte der Komponist das Kopenhagener Bläserquintett gehört und war vom Ensemble wie von der Musikalität der einzelnen Interpreten beeindruckt. Für diese Formation schuf er sein Quintett für Bläser, das heute zum Standardrepertoire gehört. Während dieser Zeit freundete er sich mit den Musikern an, und so beschreibt der letzte Satz dieser Komposition die Persönlichkeiten der einzelnen Mitglieder des Ensembles. Nielsen hatte im Sinn, ein Konzert für jedes Instrument des Quintetts zu schreiben, aber er konnte nur die Werke für Klarinette und Flöte vollenden. Das Klarinettenkonzert war Aage Oxenvad zugedacht, dem damals führenden dänischen Klarinettisten seiner Generation. Im Bewusstsein des internationalen Publikums tauchte dieser Musiker kurz auf, als Willem Mengelberg ihn einlud, sich dem Concertgebouw Orchestra in Amsterdam anzuschliessen, was er allerdings ablehnte. Auch als Strawinsky sein L'histoire du soldat nach Kopenhagen brachte, war Oxenvad der Klarinettist und Strawinsky saß am Klavier. Das Klarinettenkonzert macht Oxenvad, der als jähzornig galt und manisch - depressiv war, unsterblich. Der Musik mit ihren zahlreichen Stimmungsschwankungen und aggressiven Attacken wird nachgesagt, sie sei ein Kommentar auf den Charakter des Musikers. Nielsen schrieb dieses Werk mit 63 Jahren während einer der schwierigsten Phasen seines Lebens. Obwohl er in Dänemark und dem restlichen Skandinawien grossen Respekt genoss, war er auf der internationalen Bühne ein Unbekannter geblieben. Auch war er ernsthaft beunruhigt über den Zustand der Welt. Diese Elemente finden in der Musik mit ihren Auseinandersetzungen zwischen den Tonarten F - Dur und E - Dur und der Verwendung einer Snaredrum mit ihren quasi - militärischen Rufen nach Aktion ihren Widerhall. Nielsen umgeht die klassische Konzertform und giesst das Klarinettenkonzert in einen durchgängigen Satz, der in vier deutlich unterschiedene Sektionen geteilt ist. Allein das abschliessende Adagio bringt Ruhe und eine gewisse Ehrerbietung mit der Vorherrschaft von F - Dur ins Spiel.

Die Komposition wurde anlässlich eines Privatkonzerts am 14. September 1928 uraufgeführt, die öffentliche Premiere folgte in Kopenhagen am 11 Oktober des gleichen Jahres.

Die unmittelbaren Reaktionen auf das Konzert waren überwiegend positiv. Wie ein scharfsinniger Kritiker der führenden Zeitschrift "Politiken" schrieb, " ... befreit er die Seele der Klarinette, nicht nur den Aspekt des wilden Tieres, sondern auch ihre ganz eigene Note unbarmherziger Poesie ... Dieses Werk hätte wohl kaum eine homogenere Interpretation erleben können. Oxenvads Klangfülle ist gleichgestimmt mit den Trollen und Riesen, und er hat Seele, eine stämmige, ursprüngliche Kraft, gemischt mit naiver dänischer Milde. Carl Nielsen muss diesen speziellen Klarinettenklang im Ohr gehabt haben, als er das Konzert komponierte." Seit dieser Zeit gehört das Werk zum Standardrepertoire für Klarinette. Der Orchestersatz ist für eine kammermusikalische Gruppe geschrieben, darunter Streicher, zwei Fagotte, zwei Hörner und eine Snaredrum. Wegen der besonderen Bedeutung des letzten Instruments kommt es auch zum Einsatz, wenn das Werk nur als Klavierauszug gespielt wird.

Karl Hinterbichler, University of New Mexico, 2010

Aufführungsmaterial ist von Hansen, Kopenhagen zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.

Carl Nielsen
(b. Nørre-Lyndelse near Odense, 9 June 1865 - d. Copenhagen, 3 October 1931)

Concerto for Clarinet and Orchestra

Preface
Carl Nielsen was born into a poor family living in a farming community south of the city of Odense, Denmark, the seventh of twelve children. His father worked as a laborer on the neighboring farms and as a house painter. He was also an amateur musician, playing violin and cornet at various functions in the area. According to Nielsen's published boyhood memoirs, "Min fynske Barndom" (My Childhood on Funen, 1927) his earliest musical memory was his mother handing him a three-quarter size violin on which he taught himself a few tunes before receiving any formal tuition. Before his teenage years Carl regularly played along with his father at dances and other functions. He also started composing little melodies. To help with the family income it was also necessary for him to take on various odd jobs, including one as a goose-herder. Upon completing his schooling he was apprenticed to a shopkeeper. Perhaps fortunate for his future career as a great composer, the shop went bankrupt and the young Nielsen returned home. Soon thereafter his father heard that there was an opening for a military musician in Odense, and they agreed that Carl should practice the trumpet intensively and apply for the audition. He won the job as a trumpeter but did not give up the violin, taking lessons in Odense while in the military. During this time he wrote some trios and quartets for brass instruments, all of which are lost. After his military service he was accepted into the Conservatory of Music in Copenhagen (later the Royal Danish Academy of Music) where he studied violin with only occasional composition lessons. After graduation, making a living as a composer was not a realistic option, so he took a position in the violin section of the Tivoli Concert Hall Orchestra in addition to taking on some private pupils. Although on paper he was fully trained as a musician, Nielsen knew that as a composer he needed to acquire more knowledge and expertise so he continued his training by taking private lessons with Orla Rosenhoff, a noted teacher. Slowly he made headway as a composer and was eventually able to quit his orchestral position.

His subsequent musical career centered around Copenhagen, where after working as an orchestra musician, he served as a conductor, teacher, and finally as Director of the Royal Conservatory. His compositions are now in the repertoire all around the world and include six symphonies, three concertos, five string quartets, two operas, and numerous choral and chamber works.
But even as a renowned composer, total financial security and universal recognition were always an illusion. As he stated in a newspaper interview on the occasion of his 60th birthday in 1925: "If I could live my life again, I would chase any thoughts of art out of my head and be apprenticed to a merchant or pursue some other useful trade the results of which could be visible in the end. ... What use is it to me that the whole world acknowledges me, but hurries away and leaves me alone with my wares until everything breaks down and I discover to my disgrace that I have lived as a foolish dreamer and believed that the more I worked and exerted myself in my art, the better position I would achieve. No, it is no enviable fate to be an artist. We are dependent upon the most capricious fluctuations in the public's taste, and even if their taste is sympathetic to us ... what difference does it make? We hear applause and shouts of bravo, but that almost makes matters worse. And our publishers - well, they would rather see the back of us."

The Clarinet Concerto was to be Nielsen's last orchestral work and was completed in 1928. In 1921, Nielsen heard the Copenhagen Wind Quintet and was very impressed both by the ensemble and the musicianship of the individual members. He wrote his Wind Quintet, which is now a standard repertoire piece, for this ensemble. In the process, he became good friends with the members and the last movement of the Quintet actually depicts in music the personalities of the various members of the ensemble. Nielsen had planned to write a concerto for each of the instruments of the quintet but was only able to complete the works for flute and clarinet. The Clarinet Concerto was composed for Aage Oxenvad who was recognized as the premier Danish clarinetist of his generation. He also achieved some international notice when Willem Mengelberg invited him to join the Concertgebouw Orchestra of Amsterdam, which he declined. Also when Stravinsky brought his trio arrangement of L'histoire du soldat to Copenhagen, Oxenvad was the clarinetist, and Stravinsky the pianist. The Clarinet Concerto immortalizes Oxenvad who was known for being irascible, and also had a bi -polar disorder. The music with its many mood swings and aggressive pronouncements is said to be a commentary on Oxenvad's personality. Written at the age of 63, the Concerto was conceived during one of the most difficult periods in the composer's life. He had achieved great respect as a composer in Denmark and the rest of Scandinavia; but international success had still largely eluded him. He was also gravely affected by the unsettled state of world affairs. These elements are reflected in the music with its struggles between the keys of F major and E major and the use of the snare drum in quasi-militaristic calls to action. Eschewing the large classical concerto form, Nielsen cast the Clarinet Concerto in one continuous movement, which is divided into four distinct sections. Only the final Adagio brings a calm and reverence to the work with the key of F major in ascendancy.
The Concerto was premiered in a private concert on September 14, 1928 with the public premiere following in Copenhagen on October 11 of that same year.
The initial reactions to this work were largely positive. As one perceptive critic wrote in the leading newspaper, Politiken, "... he has liberated the soul of the clarinet, not only the wild animal aspect but also its special brand of ruthless poetry.... This work could hardly have found a more homogeneous interpretation. Oxenvad's sonority is in tune with the trolls and the giants, and he has soul, a rough and stocky primordial force mixed with naive Danish mildness. Certainly Carl Nielsen must have had his particular clarinet sound in mind while composing this Concerto."
It has since that time become standard fare in the clarinet repertoire. The orchestral scoring is for a chamber-sized group, including strings, two bassoons, two horns, and snare drum. Because of the prominent part for the latter instrument, it is also required when the Concerto is performed in the piano reduction.
Karl Hinterbichler, University of New Mexico, 2010

For performance materials please contact Hansen, Copenhagen. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.