Carl Goldmark
(geb. Keszthely, 18. Mai 1830 - gest. Wien 2. Januar 1915)

Der gefesselte Prometheus
Ouvertüre op. 38
(1889)

Heute ist Goldmark beinahe vergessen, nur sein Violinkonzert und die Symphonie "Ländliche Hochzeit" tauchen hin und wieder in Konzertprogrammen auf. Und doch war er einer der wichtigsten Musikerpersönlichkeiten Wiens zwischen 1860 und 1900 und damit ein Komponist von Weltruf. Goldmark wurde in seinem letzten Lebensabschnitt mit Auszeichnungen geradezu überhäuft: 1896 erhielt er das Ritterkreuz des Leopoldordens, 1910 ernannte ihn die Universität Budapest zum Ehrendoktor, und 1914 wurde er zusammen mit Richard Strauss Ehrenmitglied der Accademia Santa Cecilia in Rom. Bereits 1866 erhob die Wiener Gesellschaft der Musikfreunde ihn ebenfalls zum Ehrenmitglied. Diese Erfolge lassen nicht vermuten, wie beschwerlich die Karriere von Goldmark zunächst verlief.
Er wurde am 18. Mai 1830 in Keszthely geboren. Goldmarks Name ist reinste Ironie, stammte er doch aus ärmlichen Verhältnissen. Seine ungarisch-jüdischen Eltern (sein Vater war Kantor) hatten über 20 Kinder zur Welt gebracht, über die genaue Anzahl findet man unterschiedliche Angaben. Bei so vielen Kindern blieb nicht genug Geld für eine sorgfältige Schulbildung. An Instrumentalunterricht war dabei überhaupt nicht zu denken. Im Alter von vier Jahren zog Carl mit seinen Eltern nach Ödenburg (dem heutigen Sopron im Westen Ungarns). Hier bekam er auch im Alter von elf Jahren sein erstes Musikinstrument, eine Violine. Er machte auf der Violine so erstaunliche Fortschritte, dass er 1844 vorübergehend Unterricht in Wien erhielt, doch bereits nach anderthalb Jahren war den Goldmarks das Geld ausgegangen, und er musste zurück. Er bereitete sich selbstständig auf sein Schulexamen vor und lernte autodidaktisch auf der Violine weiter. Nachdem er diese Widrigkeiten überstanden hatte, begann er am Wiener Konservatorium zu studieren. Doch bereits kurze Zeit später, es war das Jahr 1848, wurde das Konservatorium wegen der Revolution geschlossen. Man hielt ihn sogar fälschlicherweise für einen Rebellen, diesen Irrtum hätte Goldmark beinahe mit seinem Leben zahlen müssen. Auf der Violine hatte er es aber bereits so weit gebracht, dass er für das Orchester des Ödenburger Theaters engagiert wurde. Später ging er als Orchestermusiker nach Wien. Hier begann er auch damit, sich das Klavierspielen selber beizubringen. Seinen Unterhalt verdiente er sich neben der Tätigkeit als Orchestermusiker mit dem Unterrichten auf dem Klavier. Trotzdem fand er Zeit zu ersten Kompositionen.
Mit seinem Streichquartett op.8 konnte er bereits einen Erfolg feiern. 1862 erhielt er ein Staatsstipendium und konnte sich mehr dem Komponieren widmen. Der erste Erfolg mit einem Orchesterwerk gelang ihm 1865 mit seiner "Sakuntala" Ouvertüre op.13, die auch bei der Kritik auf große Zustimmung traf. Seinen größten Triumph feierte er aber mit seiner Oper "Die Königin von Saba", die an der Wiener Hofoper 1875 uraufgeführt wurde. Sie trug ihm internationale Anerkennung ein. Im Wiener Musikleben war er eine feste Größe. Auch sein 1877 komponiertes Violinkonzert und die im gleichen Jahr entstandene Symphonie "Ländliche Hochzeit" hatten seinen Ruhm gefestigt.
Goldmark komponierte sechs Opern. Da er sich mit antiken Stoffen beschäftigte, nannte der berühmte Wiener Kritiker Eduard Hanslick ihn einen "Poeten des tragischen Untergangs". Neben der "Königin von Saba" komponierte er noch die Opern "Merlin" (1886), "Das Heimchen am Herd" (1896), "Die Kriegsgefangene" (1899), "Götz von Berlichingen" (1903) und "Ein Wintermärchen" (1907). Goldmark stirbt im Alter von 84 Jahren in Wien.

 

Goldmark war ein leidenschaftlicher Anhänger der Musik Richard Wagners und engagierte sich seit den 1860er Jahren sehr für ihn. Wagners Einfluss wird vor allem in Goldmarks acht Konzertouvertüren deutlich. Er nahm jedoch eine Reihe verschiedenster Einflüsse auf: So ist seine erfolgreichste Oper: "Die Königin von Saba" (1875) ein exotisches Stück im damals beliebten französischen Stil.

Der gefesselte Prometheus ist die vierte Konzertouvertüre Goldmarks. Im vollen Titel lautet das Werk: "Ouvertüre zum Gefesselten Prometheus des Aeschylos. Für Orchester op.38". Er vollendete die Ouvertüre am 26. Juli 1889 in Gmunden, die Uraufführung fand noch im selben Jahr in Berlin statt.
In diesem Werk wird der Einfluss, den Richard Wagner auf Goldmark hatte, besonders evident. Dies wird bereits vor allem in der Orchesterbehandlung deutlich. Die Komposition orientiert sich ebenfalls an den Symphonischen Dichtungen Franz Liszts (der auch eine Symphonische Dichtung "Prometheus" schuf) und ist weniger als eine traditionell einleitende Ouvertüre zu verstehen.
Der klassische griechische Tragödiendichter Aeschylos (525-456 v. Chr.) hat im ersten Teil seiner Prometheustrilogie den "Gefesselten Prometheus" als Titanen der griechischen Mythologie, den großen Wohltäter der Menschheit und als den Märtyrer der Kultur dargestellt, der die Bevölkerung gegen Zeus in Schutz nahm und ihr das vom Himmel gestohlene Feuer als Quelle jeder Erfindung und Kultur übergab. Deshalb musste Prometheus an den Felsen des Kaukasus, an die Zeus ihn gefesselt hatte, büßen. Hier wurde seine täglich nachwachsende Leber von Adlern gefressen, bis ihn der Held Herakles befreite.
Die Ouvertüre ist in Sonatenform komponiert. Sie beginnt mit einer langsamen Einleitung (feierlich still und ruhig). Diese düstere Einleitung zeigt bereits, dass Goldmark ins Zentrum des Werkes die schrecklichen Qualen, die Prometheus erdulden muss, stellt.
Es folgt die Exposition im schnellen Tempo (Allegro con brio, kurz nach Ziffer 8). Das heroische Hauptthema erklingt zunächst in den Hörner und Violinen ab Ziffer 9. Das achttaktige Seitenthema wird bei poco meno kurz nach Ziffer 17 von der Oboe in der Dominanttonart G-Dur eingeführt. Die Coda ab Ziffer 52 führt das Werk immer ruhiger werdend zu einem sanften C-Dur Schlussakkord des gesamten Orchesters und steht damit im Kontrast zu Liszts Werk, der seinen "Prometheus" strahlend und heroisch enden lässt.

Spieldauer ca. 17. Minuten

Marcus Prieser 2010

Wegen Orchestermaterial wenden Sie sich bitte an Kalmus, Boca Raton. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München

Orchestral material available from Kalmus, Boca Raton. Reprint of a copy from the Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.

Károly (Karl) Goldmark
(b. Keszthely, 18 May 1830 —
d. Vienna, 2 January 1915)

Im Frühling
Concert Overture op. 36

Hungarian composer Karl Goldmark was one of twenty children born to a Jewish cantor in Deutschkreutz. His talent was recognized at an early age but his family, lacking resources, could not provide him with an adequate education, musical or otherwise. His younger life consisted of a series of upsets; he received some violin training at a local music school and became proficient enough to get accepted at the Vienna Conservatory, but the 1848 revolution put an end to this. His teacher, Leopold Jansa, fled the country and the young Goldmark was mistakenly arrested and nearly executed by the Imperial forces. The rest of his training came about through his own autodidactic efforts and with the help of fellow musicians. He managed to return to Vienna by age 30 and remained there for the rest of his life. As a composer he wrote operas, the most famous of which is Die Königin von Saba (The Queen of Sheba), two symphonies, Ländliche Hochzeit (the Symphony Rustic Wedding), violin concerto, two symphonic poems, and several concert overtures. He was a very successful and versatile musician who counted among his close friends many of the famous composers of his day, including Brahms, at whose funeral he was a pallbearer. Goldmark died in 1915 at the age of 84.

Im Frühling (In Springtime) was first performed in Vienna on December 1, 1889, under Hans Richter. It is one of several concert overtures or occasional pieces of Goldmark which became popular with orchestras. Both Im Frühling and Sakuntala op. 13 (1865) were championed by the late Arthur Fiedler and became well known to American audiences through his efforts. The overture is a fast-paced, exuberant work in A major. The opening, in a fast three with its triplet figures, has sometimes been said to be reminiscent of Mendelssohn's Italian Symphony, but Goldmark's writing is far more adventurous. The primary unifying element in this 10-minute piece is the key of A itself. There are a half dozen or so themes and motives which are literally tossed around the orchestra in a bewildering array of keys, and in a sometimes dizzying order; but Goldmark's skill is such that all of this activity actually ends up sounding logical and even inevitable, rather than confusing. His primary thematic ideas always appear in various places in the tonic A major, especially the vigorous opening theme. This theme in A occurs three times, creating major tonal 'pillars' and it is only these statements in the key of A that have the timpani reinforcing the orchestral texture. The third of these occurrences (Rehearsal 37) is particularly brilliant, with ingenious canonic passages for the brass, and particularly for the horns. In the section that follows this (after Rehearsal 39) Goldmark compresses the tempo into a brisk six-eight, which remains the meter through the end of the piece. There are several quieter passages providing a respite from the festival mood, the last of which occurs after Rehearsal 45, and they all contain 'bird chirping' figures in the flute and clarinet parts. The return to the fast six-eight meter, marked Allegro assai, happens next before 46, but this time even faster, with dotted quarter = 160. A cascading chromatic coda, piu mosso, drives the music back to A major and a dynamic conclusion.

M. J. Sunny Zank, Professor of Music,
Ohio Northern University

Orchestral material available from Kalmus, Boca Raton. Reprint of a copy from the Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.