Paul Juon
(geb. Moskau, 6. März 1872
- gest. Vevey, 21. August 1940)

Fünf Stücke op. 16 für Streichorchester

Dauer: 15 min
Erstveröffentlichung: Schlesinger (Berlin) 1901

Paul Juon wurde in Moskau geboren und studierte am Königlichen Konservatorium, wo er Schüler sowohl von Hřímaly (Violine) als auch Tanejev und Arensky (Komposition) wurde. Ebenso studierte er in Berlin, wohin er wahrscheinlich 1897 übersiedelte. Er wurde Professor an der Berliner Hochschule und war dort viele Jahre als ausgezeichneter Lehrer und Mentor beschäftigt. Seine Studenten waren u.a. Stefan Wolpe, Phillip Jarnach und viele andere. Als Komponist wurde er unter der Bezeichnung "der russische Brahms" bekannt, weil zahlreiche seiner Kammermusikwerke, viele mit Klavier, den straffen klassischen Formen nach konstruiert sind, jedoch oft thematisches Material enthalten, das als "russicher Geschmack" wahrgenommen wird. Seine Orchesterwerke sind oft Reminiszenzen an Dvořák und Brahms, jedoch mit deutlichen slawischen Einflüssen; dazu gehören eine Sinfonie, drei Violinkonzerte und zahlreiche weitere Werke. Juon war ein vielseitiger Komponist, der beides schrieb, bedeutende große Werke und kleiner bemessene salonartige Stücke wie etwa die Werke für Violine und Klavier. Er starb 1940 in Vevey (Schweiz).

Juon´s Fünf Stücke für Streichorchester beinhalten eine einheitliche Gruppe kurzer Stücke, die perfekt aufeinander abgestimmt sind. Zusammen bilden sie ein geschlossenes Werk. Obwohl nur für Streicher geschrieben, enthält der letzte Satz Stimmen für Triangel und Tambourin ad libitum.

Der erste Satz, mit "Kleine Ballade" übertitelt ist ein Allegro maestoso. Er steht in d-Moll und ist als risoluto charakterisiert. Wie bwi den anderen Stücken dieses Werkes ist auch hier die Vertonung dicht und enthält viele divisi- Passagen. Das Hauptthema, welches unmittelbar eintritt, weicht einem marsch-ähnlichen zweiten Thema (Probenbuchstabe B), wo eine Triolenfigur eingeführt wird. Einer der effektivsten Bausteine Juons ist ein Orgelpunkt, den er beim erneuten Einsatz des Hauptthemas (Probenbuchstabe G) einsetzt, und der unvermindert bis zum Ende andauert. Die Musik baut sich unbarmherzig bis zum Fortissimo in d-Moll bei Probenbuchstabe I auf, nach dem sie abklingt, um schließlich in der Parallele D-Dur zu enden.

Der zweite Satz, "Schlummerlied" ist ein Andante non troppo in E-Dur und Dreivierteltakt. Der fünftaktigen Einleitung folgt die Hauptmelodie in den Violinen. Es wird, teilweise in verschiedenen Registern der Violinen, als "Frage-Antwort"-Modell fortgesponnen. Juons favorisierter Orgelpunkt E betont den gesamten ersten Teil, indem ein verträumter Effekt geschaffen wird, der durch die ausdrucksstarke tonale Kadenz andauert bis zum Ganzschluss im Takt vor dem Probenbuchstaben B. Der mittlere Abschnitt (von Probenbuchstabe B an) besitzt einen ausgesprochen schmerzgeplagten Charakter in den Celli, die das thematische Material tragen und von den zunehmend erregten Figuren in den höheren Instrumenten begleitet werden. Das erste Thema kehrt (wie zu Beginn des Satzes) acht Takte nach Probenbuchstabe E wieder, erneut von den Violinen gespielt. Dieses Mal ist es verkürzt und wird von einer Coda (Probenbuchstabe G) gefolgt, die aus Fragmenten des mittleren Abschnitts besteht.

Der dritte Satz "Terzen-Intermezzo" steht in D-Dur und ist als Moderato bezeichnet. Dieser kurze Satz ist in uneinheitlichem Metrum von drei oder vier Viertel-Schlägen pro Takt notiert. Die Musik wird durch lyrische Themen charakterisiert, die von verschiedenen Instrumenten-Paaren gespielt werden und anmutig zwischen den einzelnen Sektionen hin - und hergereicht werden. Die Bässe spielen durchgehend Viertelnoten durchsetzt mit Viertelpausen, einen strengen Rhythmus und das harmonische Fundament unterstützend, während zugleich die Unsicherheit des Metrums verstärkt wird.

Der vierte Satz, "Elegie", ist ein Andante in dreiteiliger Form ähnlich dem "Schlummerlied". Er steht in fis-Moll und besitzt einen völlig ernsten, fast tragischen Charakter. Das erste und grundlegende Thema, mit mezzoforte bezeichnet, dauert nur acht Takte, bevor es durch ein dicht notiertes appassionato abgelöst wird, das durch sämtliche Instrumente hindurch nach Überlegenheit wetteifert. Die Auflösung zur Tonika tritt mit dem Orgelpunkt Fis im Bass ein. Dieser leitet direkt in einen etwas schnelleren Abschnitt über, der vier Takte vor Probenbuchstabe B beginnt. Dieser Teil, der auch chromatischer ist, wird aufgewühlter, mit einem langen accelerando, das sich zu einem Höhepunkt im Fortissimo bei Probenbuchstabe D entwickelt. Acht Takte später notiert der Komponist Tempo primo und kehrt zum Anfangsmaterial zurück. Eine kurze Coda, doloroso, endet in optimistischem Fis-Dur.

Der letzte Satz, "Tanz" ist ein Moderato. Es ist ein lebendiger russischer Tanz in ABA-Form und im Halbem Takt notiert. Der mittlere Abschnitt in D-Dur steht im Dreivierteltakt mit gleichbleibenden Viertelnoten. Eine Besonderheit dieses mittleren Abschnittes in der Art eines Walzers sind die durchgehenden Bezeichnungen piu mosso, poco ritard und a tempo, die fortwährend drohen, den Fluß der Musik zu unterbrechen, nur um dann plötzlich nach vorne zu drängen. Die Rückkehr von Abschnitt A vor Probenbuchstabe E bringt den lang erwarteten Tanz mit dem kräftigen und energischen Rhythmus, der die Suite zu einem lebhaften Abschluss trägt.
Im letzten Satz gibt es Stimmen für Triangel und Tamburin, die mit ad libitum gekennzeichnet sind, aber die Musik um eine reizvolle Dimension bereichern und mit einbezogen werden sollten.

Übersetzung: Anke Westermann

Wegen Orchestermaterial wenden Sie sich bitte an Kalmus, Boca Raton

Paul Juon
(b. Moscow, 6. March 1872
- d. Vevey, 21. August 1940)

Five Pieces op.16 for String Orchestra
(Fünf Stücke)

Duration: 15 minutes
First published Schlesinger (Berlin) 1901

Paul Juon was born in Moscow and studied at the Imperial Conservatory where he worked with Hrimaly (violin) as well as Taneyev and Arensky (composition). He also studied in Berlin where he eventually settled in 1897. He became a professor at the Berlin Hochschule and served for many years as a distinguished teacher and mentor. His students included Stefan Wolpe, Phillip Jarnach, and many others. As a composer he became known as "the Russian Brahms" because of his numerous chamber works, many with piano, which followed tightly constructed classical forms but often had thematic material that was perceived to have a "Russian" flavor. His orchestral works are often reminiscent of Dvorak and Brahms, but with marked Slavic influences; they include a Symphony, three violin concertos, and numerous other works. Juon was a versatile composer who successfully wrote both major works and smaller-scale salon-type pieces such as his works for violin and piano. He died in Vevey, Switzerland in 1940.

Juon's Five Pieces for String Orchestra consist of a unified group of short pieces which are perfectly balanced. Together they comprise a single, cohesive concert work. Although written for strings only, there are ad lib parts in the final movement for triangle and tambourine.

The first movement is titled "Kleine Ballade" and marked Allegro maestoso. It is in D minor and has a risoluto character to it. Like the other pieces in this set, the scoring is thick and includes much divisi writing. The main theme, which is stated immediately, gives way to a march-like second theme (Rehearsal B) where a turgid triplet figure is also introduced. One of Juon's most effectively employed devices is a pedal tone, which he uses at the return of the main theme (Rehearsal G) and which continues almost unabated to the end. The music builds relentlessly to double forte in D minor at Rehearsal I, after which it subsides and finally concludes pianissimo in the parallel D major.

The second movement, titled "Schlummerlied" is marked Andante non troppo and is in the key of E major in three-four time. Following a five-measure introduction, the main melody is stated in the violins. It is then spun out with a "question and answer" format, sometimes in different registers, but always by the violins. Juon's favorite pedal tone E underscores this entire first part, creating a dreamy effect which lasts through the strong tonic cadence the measure before Rehearsal B. The middle section (from Rehearsal B onward) has a decidedly anguished feel to it, with the cellos carrying the main thematic material, accompanied by progressively more agitated figures in the upper instruments. The writing becomes much more chromatic, with movement in and out of other tonal centers. The first theme returns (as at the beginning of the movement) eight measures after Rehearsal E, played again by the violins. It is truncated this time, and is followed by a coda (Rehearsal G) which is made up of fragments from the middle section.

The third movement "Terzen-Intermezzo" is in D major and marked simply Moderato. This short movement is in uneven meter with alternating measures of three and four quarter note beats. The music is characterized by lyrical themes played by various pairs of instruments which are gracefully handed back and forth among the sections. Throughout, the basses play quarter notes interspersed with quarter rests, providing a strong rhythmic and harmonic foundation, while at the same time reinforcing the uncertainty of the meter.

The fourth movement "Elegie" is an Andante in a three-part form like the "Schlummerlied" but the key is F sharp minor, and the mood is entirely serious, even tragic. The first and primary theme, marked mezzo forte, lasts only 8 measures before being displaced by a densely-scored appassionato in which all the instrumental lines seem to be vying for supremacy. A tonic resolution finally occurs, with a pedal tone (F sharp) in the bass. This leads directly into a slightly faster section which begins four measures before Rehearsal B. This section, which is also more chromatic, becomes agitated, with a long accelerando building to a double forte climax at Rehearsal D. Eight measures later the composer gives a Tempo primo, and returns to the beginning material. A short coda, marked doloroso, finally ends optimistically in F sharp major.

The last movement is titled "Tanz" and is marked Moderato. It is a lively Russian dance in cut time, in ABA form. The middle section, in D major, is in three-quarter time, with the quarter note remaining constant. A feature of this middle section, in a sort of waltz tempo, is its persistent piu mosso, poco ritard, and a tempo designations, which constantly threaten to interrupt the flow of the music, only to suddenly surge forward again. The return of the A section, before Rehearsal E, brings the much-awaited cut-time dance with its robust and driving rhythm, carrying the suite to a vigorous conclusion. The final movement also has parts for triangle and tambourine which are marked ad libitum, but which add a delightful dimension to the music and should surely be included.

M.J. Sunny Zank, Professor of Music,
Ohio Northern University, 2010

 

Orchestral Material available from Kalmus, Boca Raton.