Antonín Dvořák
(geb. Nelahozeves, 8. September 1841 – gest. Prag, 1. Mai 1904)

Messe in D op. 86
(1887/1892)

Vorwort

Der böhmische Komponist Antonín Dvořák gehört zu den bedeutendsten und beliebtesten Gestalten der musikalischen Romantik. In seinem umfangreichen Œuvre finden sich eine ganze Reihe von kirchenmusikalischen Werken, beispielsweise das Stabat Mater, das Requiem oder das Te Deum. Diesen groß besetzten Vokalwerken steht die (ursprünglich) kleiner besetzte Messe in D gegenüber. Dvořák schrieb sie im Jahre 1887 auf Wunsch des Architekten Josef Hlávka, dessen Gattin eine große Verehrerin der Musik des Komponisten war. Am 17. Juni, dem Tag der Fertigstellung des Werkes, schrieb Dvořák an seinen Auftraggeber: "Sehr geehrter Herr Rat und lieber Freund! Ich habe die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dass ich die Arbeit (die Messe D-Dur) glücklich beendet habe und dass ich große Freude daran habe. Ich denke, es ist ein Werk, das seinen Zweck erfüllen wird. Es könnte heißen: Glaube, Hoffnung und Liebe zu Gott dem Allmächtigen und Dank für die große Gabe, die mir gestattete, dieses Werk zum Preis des Allerhöchsten und zur Ehre unserer Kunst glücklich zu beenden. [...] Bisher schrieb ich Werke dieser Art nur in großem Ausmaße und mit großen Mitteln. Diesmal aber schrieb ich nur mit bescheidenen Hilfsmitteln, und doch wage ich zu behaupten, dass mir die Arbeit gelungen ist." Diese Worte des Komponisten beziehen sich auf die Besetzung des Stückes: Vier Solostimmen und ein vierstimmiger Chor (jeweils Sopran, Alt, Tenor und Bass) werden von der Orgel begleitet, wobei die Solopartien alternativ auch von einem kleineren Chor übernommen werden können.

Die Uraufführung der Messe erfolgte am 11. November 1887 während der Einweihung der Schlosskapelle von Lužany. Das Werk war eigens zu diesem Anlass komponiert und konzipiert worden, Dvořák selbst leitete die Aufführung. Die Solopartien wurden unter anderem von der Frau des Komponisten sowie Hlávkas Ehefrau ausgeführt. Erst zwei Jahre später kam die Messe in Plzeň zur öffentlichen Erstaufführung.

Nachdem Dvořák seinem Verleger Simrock die Partitur offeriert hatte, dieser aber zögerte, bot er dem Londoner Verlagshaus Novello an, sie herauszubringen. Der Verlag willigte schließlich ein und ermunterte den Komponisten dazu, eine Orchestrierung des Werkes vorzunehmen. Dvořák schrieb das Werk noch vor seiner ersten Amerikareise für Orchester um (zwischen März und Juni 1892), dabei wurden der Vokalsatz und die musikalische Substanz der Begleitung unverändert beibehalten. Das zweitaktige Vorspiel des Kyrie ist die gegenüber der Orgelfassung einzige Hinzufügung des Komponisten. Das von Dvořák verlangte Orchester umfasst zwei Oboen, zwei Fagotte, drei Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen, Pauken, Streicher und Orgel. Eine längere Solopassage erhält die Orgel im Vorspiel zum Benedictus, sonst tritt sie nur begleitend in Erscheinung.

Einen Klavierauszug der Orchesterfassung brachte Novello 1893 mit lateinischem und englischem Text heraus. Dabei wurde dem Werk die Opuszahl 86 zugewiesen, obwohl es – dem Autograph der Orgelfassung nach – "Opus 76" hätte sein müssen. Zur Uraufführung gelangte die Orchesterfassung am 11. März 1893 im Londoner Crystal Palace; die Leitung des Orchesters hatte August Manns inne. Dvořáks Messe in D erfreute sich nach ihrer Uraufführung großer Beliebtheit. Der Komponist selbst berichtet während seiner Zeit in Amerika von Aufführungen in New York, Saint Paul, Minneapolis und New Orleans.

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Das dreiteilige, mit Andante con moto überschriebene Kyrie eröffnet die Messe. Der eingängige melodische Hauptgedanke setzt sich aus einer Linie von jeweils abwärts gerichteten Zweitonmotiven zusammen. Die melodische Linie des "Christe eleison" ist durch eine spannungsaufbauende Anfangspause, punktierten Rhythmus, kleinere Notenwerte und ein prägnantes Dreiklangsmotiv gekennzeichnet, bevor im folgenden Takt wieder die aus dem ersten Teil bekannten Zweitonmotive auftreten. Kontinuierlich wird nun Spannung aufgebaut, die schließlich im Fortissimo des unbegleiteten Chores (ab Takt 85) kulminiert. Ein kurzer Instrumentalteil leitet zum dritten Teil des Kyrie über, der auf einem strahlenden Fortissimo-Akkord endet.

Auch das Gloria weist eine Dreiteilung auf. Der erste Teil beginnt mit einem stürmischen Allegro vivo, die anfänglichen Dreiklangsfanfaren des Chores werden dabei von gehaltenen Akkorden des Orchesters begleitet. Auf den innigen Wunsch nach Frieden auf Erden ("et in terra pax") folgen die rhythmisch aufgelockerten und satztechnisch verschränkten Anrufungen Gottes und ein Fugato ("adoramus te"). Der zweite, lyrischere Teil des Gloria (Andante) ist anfangs durch den kontrastierenden Einsatz von Frauen- und Männerstimmen gekennzeichnet. Solistische Passagen treten hier genauso wie im Kyrie wieder auf. Dem expressiven Abschnitt "qui tollis peccata mundi" folgt schließlich der dritte Teil (Allegro vivo) als Reprise des Satzes. In diesem Teil tauchen zwei musikalische Gedanken aus dem ersten Teil wieder auf – die Anrufungen und das leicht veränderte Fugato ("cum sancto spiritu"). Beendet wird das Gloria vom zehnmaligen Ausruf des Chores, dem "Amen".

Das Credo (Allegro moderato) beginnt mit einem achttaktigen, eingängigen und fast volksliedhaften Thema, das im Verlauf variiert wird. Dabei werden die Textteile zuerst von der Altstimme und danach von den anderen Stimmen des Chores vorgetragen. Die Abschnitte, die sich der Menschwerdung, der Passion, der Auferstehung und Himmelfahrt Christi widmen, lassen die lyrischen und dramatischen Qualitäten des Komponisten zu Tage treten. Darauf folgen das Fugato "Et iterum venturus est" und das abschließende "Credo in spiritum sanctum", bei dem das Thema des ersten Abschnittes wiederkehrt.

Das feierliche und majestätische Sanctus geht unmittelbar in das Benedictus über (Lento). Ein zwanzig Takte langes Orgelvorspiel bereitet auf den Einsatz des Chores vor. Hier treten große melodische und dynamische Bögen, sowie immer neue harmonische Schattierungen zu Tage. Das finale "Osanna" (Vivace) greift auf das musikalische Material des Sanctus zurück, wenngleich mit leichten Abweichungen.
Beim Agnus Dei handelt es sich um den letzten Satz der Messe. Die ersten Takte werden durch ein achttaktiges, lyrisches Thema bestimmt, welches nacheinander durch alle Stimmen des Chores geführt wird. Das dreimalige, eindringliche "miserere nobis" wird jeweils von einer Chorgruppe vorgetragen. Das Ende des Satzes verbreitet schließlich eine ruhige und friedliche Atmosphäre. Es handelt sich dabei um den Frieden, der von Gott im Text erbeten wird ("Dona nobis pacem").

Konstantin Galluhn, 2010

Aufführungsmaterial ist bei der Alkor-Edition, Kassel erhältlich. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.

Antonín Dvořák
(b. Nelahozeves, 8 September 1841 – d. Prague, 1 May 1904)

Mass in D major, op. 86
(1887, orchd. 1892)

Preface
The Bohemian composer Antonín Dvořák is one of the most significant and popular figures of Romantic music. His voluminous oeuvre includes a large number of works for use in church, notably the Stabat Mater, the Requiem, and the Te Deum. Offsetting these large-scale vocal works is the Mass in D major, which was originally written for smaller forces. It was composed in 1887 at the request of the architect Josef Hlávka, whose wife was a great admirer of Dvořák's music. On 17 June, the day on which the work was finished, Dvořák wrote to Hlávka:

"Dear Counselor and Friend! I have the honor of informing you that I have satisfactorily completed my work (the Mass in D major) and look on it with great pleasure. I feel it is a work that will meet its purpose. It could be entitled: Faith, Hope, and Love for God the Almighty and Thanks for the Great Gift of Allowing Me to Finish this Work in Praise of the Supreme Being and in Honor of Our Art. [...] Until now I have written works of this sort only on a large scale and with large resources. This time I wrote with modest means, but I venture to say that my efforts have been successful."

Dvořák's words refer to the scoring of the piece: four solo voices and four-part chorus (both SATB), accompanied by an organ, where the solo parts may also be taken by a smaller chorus.

The Mass received its first performance on 11 November 1887 during the consecration of the palace chapel at Lužany. It was specially composed and conceived for this occasion, and Dvořák himself stood at the conductor's desk. Two of the solo parts were taken by Dvořák's wife and by Hlávka's wife. It was not until two years later that the Mass received its first public performance in Plzeň.

At first Dvořák offered the score to his publisher Simrock, but as Simrock vacillated he then turned to Novello in London. In the end, the London firm agreed to publish the work and encouraged the composer to provide an orchestration. Dvořák then rewrote the piece for orchestra before setting out on his first trip to America (between March and June 1892). The vocal writing and the musical substance of the accompaniment were left unchanged. His only addition to the organ version was two bars of introduction to the Kyrie. The orchestration calls for two oboes, two bassoons, three horns, two trumpets, three trombones, timpani, strings, and organ. Apart from a lengthy solo passage in the prelude to the Benedictus, the organ is limited entirely to the accompaniment.

In 1893 Novello issued a vocal score of the orchestral version with words in Latin and English. It was then that the work received its opus number 86, although, judging from the autograph, it should by rights have read "opus 76." The orchestral version received its première at London's Crystal palace on 11 March 1893 under the baton of August Mann. Ever since the première the Mass in D major has enjoyed great popularity. The composer himself reported performances in New York, Saint Paul, Minneapolis, and New Orleans during his years in America.

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The Mass opens with a tripartite Kyrie marked Andante con moto. Its tuneful melodic idea consists of a series of descending two-note motifs. The melodic line of the "Christe eleison" opens with a rest (to build up tension) and its characterized by dotted rhythms, smaller note values, and a trenchant triadic motif before returning to the initial two-note motifs in the bar that follows. The tension constantly rises, culminating in a fortissimo for unaccompanied chorus (mm. 85 ff.). A short instrumental passage leads to the third section of the Kyrie, ending in a radiant fortissimo chord.
The Gloria likewise falls into three sections. The first begins with a stormy Allegro vivo in which the opening triadic fanfares of the chorus are accompanied by sustained chords in the orchestra. An intimate request for peace on Earth ("et in terra pax") is followed by rhythmically relaxed, contrapuntally staggered invocations of God and a fugato on the words "adoramus te." The lyrical second section (Andante) begins with contrasting entrances for the women's and men's voices, interspersed with solo passages, as in the Kyrie. The expressive "qui tollis peccata mundi" is followed by the third section, a recapitulation of the Allegro vivo. Here two musical ideas from the first section recur – the invocations and the slightly altered fugato ("cum sancto spiritu"). The Gloria ends with a tenfold "Amen" from the chorus.

The Credo (Allegro moderato) opens with an ingratiating, almost folk-like eight-bar theme that is varied as the music progresses, with the words sung first by the alto and then by the other voices of the chorus. The sections dealing with Christ's Incarnation, Passion, Resurrection, and Ascension show Dvořák's lyrical and dramatic qualities to good advantage. They are followed by a fugato on "Et iterum venturus est" and the concluding "Credo in spiritum sanctum," in which the theme of the first section recurs.

The solemn and majestic Sanctus leads directly into the Benedictus (Lento). A twenty-bar organ prelude prepares the entrances of the chorus, where we hear large melodic and dynamic arches and ever-changing shades of harmony. The final "Osanna" (Vivace) returns, with slight departures, to the musical material of the Sanctus.

The Agnus Dei is the final movement of the Mass. Its opening is dominated by a lyrical eight-bar theme carried successively through every voice in the chorus. The urgent threefold "miserere nobis" is stated each time by a different group of choral voices. The end of the movement is calm and tranquil, as befits a prayer to God for peace ("Dona nobis pacem").

Konstantin Galluhn, 2010

 

For performance materials please contact the publisher Alkor-Edition, Kassel. Reprint of a copy from the Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.