Peter Iljitsch Tschaikowsky (geb. Votkinsk, 7. Mai 1840 - gest. St. Petersburg, 6. November 1893)

Souvenir de Florence op. 70 für Streichsextett

Tschaikowsky schrieb wenig Kammermusik, und einer seiner letzten Beiträge zur Gattung, nur einige Jahre vor seinem Tod entstanden, war für die ungewöhnliche Be-setzung eines Streichsextetts komponiert (je 2 Violinen, Bratschen und Cellos). Souvenir de Florence schuf er in Russland im Auftrag der St. Petersburger Gesellschaft für Kammermusik, kurz nach seiner Rückkehr von seiner letzten Italienreise, während der er an seiner Oper Pique Dame arbeitete. Das Sextett wurde 1890 vollendet und im November des gleichen Jahres im Haus des Komponisten uraufgeführt. Tschaikowsky war mit vielen Details des Werkes nicht glücklich, und so überarbeitete er es im Jahr 1892, in welchem es dann auch von Jürgenson veröffentlicht wurde.

Abgesehen vom Titel hat die Komposition wenig typisch “Florentinisches” oder gar “Italienisches” zu bieten. Was dieses Stück zeigt, ist, dass ein Komponist von einem Ort oder einer Kultur inspiriert sein kann, ohne deshalb offenkundig “heimatliche” Elemente in sein Werk einfliessen zu lassen. Sein Capriccio Italien verbreitet eine ausgesprochen italienische Atmosphäre, was dem Souvenir gänzlich fehlt. Es ist tatsächlich ein sehr russisches Werk, gesättigt mit allen Charakteristika des reifen Tschaikowsky.

Kritiker waren geteilter Auffassung über die Qualität des Stückes, wie sie es im übrigen im Bezug auf Tschaikowkys gesamtes Oeuvre waren, aber dennoch behielt die Komposition einen sicheren Platz im Repertoire und ist beliebt bei Musikern wie beim Publikum gleichermassen. Angeblich hatte Tschaikowsky Schwierigkeiten bei der Arbeit an der Musik, und in der Tat vermeiden die meisten Komponisten, für ein Sextett zu schreiben. Aber das Ergebnis seiner Anstrengungen war ein Stück, dass sowohl von dauerhafter Qualität wie auch sehr vielseitig ist; es wurde aufgeführt (und aufgenommen) als Sextett, mit sechs gleichwertigen Stimmen, und in vielen unterschiedlichen Adaptionen für grösseres Streichorchester mit veränderlicher Anzahl an Musikern für jede Stimme. Obwohl sich die Geister darin scheiden, ob Souvenir eher kammermusikalisch oder orchestral sei, erwies sich das Stück in beiden Formaten als beliebt und erfolgreich.

Das Werk ist grossformatig angelegt und dauert ungefähr 35 Minuten. Der erste Satz in d - Moll ist ein ausgedehnter und abgewandelter Sonatensatz mit einer lebhaften Coda, die sich in Abstufungen beschleunigt. Der zweite Satz (D-Dur) ist der einzige Abschnitt der Komposition, der den Zuhörer an Italien erinnern könnte, mit einem lyrischen Thema der Violine und pizzicato - Begleitung. Aber er erinnert ebenso an Tschaikowskys Fünfte Symphonie. Der dritte Satz (a - Moll) ist ein Scherzo im 2/4 - Takt im mittleren Tempo, mit einem Trio, das ricochet - Bogentechniken verwendet. Das Finale (D - Dur / d - Moll) ist ein Sonatenrondo im russischen Stil, für das Tschaikowsky berühmt ist und das er mit grosser Wirkung einzusetzen wusste. Das zweite lyrische Thema (ursprünglich in C - Dur) ist eines seiner singbarsten und liebenswürdigsten Melodien. In der Mitte findet man eine Doppelfuge, die eine wilde, kontrapunktische Steigerung aufbaut, bevor sie sich prächtig in die Wiederholung des zweiten Themas ergisst, nun in der Tonika D - Dur. Wahrhaftig bringt dieses Finale das gesamte Werk zu einem aufregenden Abschluss.

M.J. Sunny Zank, Professor of Music, Ohio Northern University, 2010

Aufführungsmaterial ist von Kalmus, Boca Raton zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars aus der Sammlung Kurt Schinnerl, Bad Pirawarth.

Peter Iljitsch Tschaikowsky
(b. Votkinsky, 7 May 1840 - d. St. Petersburg, 6 November 1893)

Souvenir de Florence op. 70 for string sextet

Preface
Tchaikovsky’s chamber music compositions were few, and the last of them, dating from a few years before his death, was for the unusual combination of string sextet (2 each of violins, violas, and cellos.) His Souvenir de Florence was written in Russia as a commission from the St. Petersburg Chamber Music Society. It was composed after returning from his last trip to Italy, where he had worked on his opera The Queen of Spades. It was completed in 1890 and performed in November of that year in the composer’s home. Tchaikovsky was unhappy with many of the details and revised the work in 1892. It was published that same year in its final form by Jurgenson.

Except for the title, there is little about the Souvenir that is distinctly “Florentine” or even “Italian.” What this piece shows us is that a composer can be inspired by a geographical locale and culture without injecting overtly “native” elements into his work. His Capriccio Italien has a distinctly Italian feel, but the Souvenir does not. It is in fact a very Russian work, and replete with all the characteristics of the mature composer.

Critics have been divided about this work’s quality, as they have about all of Tchaikovsky’s music, but it has always held a secure place in the repertory and remains popular with performers and audiences alike. Tchaikovsky allegedly had difficulty writing the Souvenir, and indeed most composers eschew this combination of instruments. But the result of his effort was a work which is both enduring and versatile; it has been performed (and recorded) both as a sextet, with six equal parts, and in many different adaptations for larger string orchestra with varying numbers of players on each part. Although opinions vary as to whether the writing is “chamber-like” or “orchestral-like” the fact remains that the piece has proven successful and popular in both formats.

The work is large in scale, running some 35 minutes. The first movement, in D minor, is an extensive and modified sonata movement with a brisk coda that gets faster in several increments. The second movement (D major) is the only part of the piece that could be considered reminiscent of Italy, with its lyrical violin theme and pizzicato accompaniment. But it is also reminiscent of the Fifth Symphony. The third movement (A minor) is a scherzo in 2/4 meter which is assigned a moderate tempo and has a trio in A major which utilizes “ricochet” bowings. The finale (D minor/major) is a sonata-rondo in the “Russian” style that Tchaikovsky used both famously and to great effect. The second lyrical theme (initially in C major) is one of his most “singable” and endearing tunes. In the middle is a double fugue, which builds to a frenzied contrapuntal climax before spilling gloriously into the return of the second theme, now in the tonic D major. This finale truly brings the entire work together to a thrilling conclusion.

M.J. Sunny Zank, Professor of Music, Ohio Northern University, 2010

For performance material please contact the publisher Kalmus, Boca Raton. Reprint of a copy from the collection Kurt Schinnerl, Bad Pirawarth.