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Carl Reinecke - Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur op. 144

(geb. Altona bei Hamburg, 23. Juni 1824 – gest. Leipzig, 10. März 1910)


(1877)

Allegro p.1
Largo p.81
Finale. Molto vivace e grazioso p.111

Vorwort
Obwohl Carl Reinecke zu seiner Zeit als einer der einflussreichsten Musiker der europäischen Musikwelt galt, äußerte er sich selbst bescheiden und gleichzeitig weitblickend über sein Schaffen: "Daneben gebe ich mich aber nicht der trügerischen Hoffnung hin, dass meinen Werken eine längere Dauer beschieden sein wird." Mit dieser Einschätzung sollte Reinecke recht behalten: in die Konzertprogramme von heute verirrt sich nur selten eines seiner Werke, und erst in den 1970er Jahren hat man begonnen, seine Kompositionen durch Tonaufnahmen wiederzubeleben.

Geboren wurde Reinecke 1824, zu Lebzeiten von Schubert und Beethoven. Er war befreundet mit seinen Förderern Mendelsohn und Schumann, und als er 1910 mit 85 Jahren starb, waren Messiaen und Carter bereits geboren. Obwohl er Zeuge großer kultureller Veränderungen wurde, - von der Klassik über die Romantik zur Moderne – und selbst als prägende Persönlichkeit diese Epochen mitgestaltete, blieb Reinecke zeitlebens konservativen Vorstellungen treu und vertrat seine ästhetischen Überzeugungen als virtuoser Pianist, Geiger, Dirigent, Komponist, Arrangeur und Lehrer: "Beethoven, Mozart, Haydn, Mozart, Beethoven. So ging es im Kreis, mit mehr oder weniger leichten Abweichungen, von Jahr zu Jahr. Die Aufführungen waren jedoch bewundernswert, sein Orchester gehörte zu den führenden der Welt." In der Musik seiner großen Vorbilder fühlte er sich so beheimatet, dass man ihn allzu oft als Epigone seiner musikalischen Freunde verunglimpfte: »Reineckes Klaviermusik in den Formen des Konzerts ist meist nur Fortsetzung des von Schumann und Mendelssohn Geschaffenen. « Doch "war sein Stil verfeinert, seine Beherrschung von Kontrapunkt und Form absolut, und er schrieb mit eigentümlicher Klarheit und Richtigkeit." Auch war sein künstlerisches Urteilsvermögen reif, unabhängig und aufgeklärt, und trotz seiner kritischen Haltung gegenüber den harmonischen und programmatischen Umbrüchen der Neudeutschen Schule von Liszt, Berlioz und Wagner brachte er zahlreiche Werke von Zeitgenossen in seinen Programmen auf die Bühne. Sein Konservatismus, der nicht ideologisch war, orientierte sich an Werten, "sein Geist war viel mehr der phantasievolleren Seite der Romantik" zugeneigt, und er war "weit davon entfernt, reaktionär zu sein. Seine Werke zeichnen sich durch perfekte Form und Klarheit, große kontrapunktische Geschicklichkeit und viel melodische und harmonische Schönheit aus."

Drittes Klavierkonzert
Auch Reineckes Instrumentalkonzerte blieben von Vorbehalten gegenüber seiner unerschütterlich konservativen Musiksprache nicht verschont. "Kopfschüttelnd steht man da vor den immer wiederholten Vorurteilen, dass dieser Komponist akademisch und zu ‚trocken' sei. lm Gegenteil: Reinecke ist in diesen Konzerten ein Stimmungsmaler par excellence."

Aus Reineckes Feder stammen vier Klavierkonzerte, das Klavierkonzert Nr. 1 fis-Moll op. 72 aus dem Jahr 1862, das Klavierkonzert Nr. 2 e-Moll op. 120 von1872, das Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur op. 144 von 1877 und schließlich das Klavierkonzert Nr. 4 h-Moll op. 254 von 1900. Selbst für einen Komponisten mit einem üppigen Werkkatalog von 288 Opusnummern war das eine beachtliche Leistung. Reinecke, den man als einen der großen Mozartpianisten seiner Zeit rühmte, bestritt die Premieren der ersten drei seiner Konzerte als Solist und Dirigent am Leipziger Gewandhaus selbst; das vierte Konzert, bei dessen Entstehung musikpädagogische Aspekte eine Rolle spielten, überließ er seiner Studentin Charlotte Bresch, die es 1902 zur Abschlussprüfung am Leipziger Konservatorium spielte. Alle Klavierkonzerte, die zu seinen Lebzeiten zwischen 1860 und 1910 häufig aufgeführt wurden, bieten berückend poetische Musik, herausfordernd für den Solisten und streng klassisch in der Form, die "aber mit hochromantischem Inhalt den Vergleich mit Chopin nicht zu scheuen brauchen."
Reineckes Klavierkonzert Nr.1, in das noch die Trauer über den Tod seiner ersten Frau hineinwirkte, war das erfolgreichste seiner vier Beiträge zum Genre. Der Komponist selbst jedoch hielt seine Nr.3 für die gelungenste Arbeit, wenngleich sie weit weniger aufgeführt wurde, als er sich gewünscht hätte. So liest man in seiner Autobiographie, die er im Wesentlichen zwischen 1902 und 1904 schrieb: »Das dritte Klavierkonzert gehört auch zu meinen Schmerzenskindern, denn obgleich ich glaube, es zu meinen besten Schöpfungen zählen zu dürfen, so hat es doch nur geringe Verbreitung gefunden." Wenig tröstlich mag für ihn gewesen sein, dass zumindest in der Fachwelt das Werk für eines der bedeutendsten Werke der Gattung gehalten wurde.

Das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 C-Dur op. 144 erlebte seine Uraufführung am 10. November 1877 im Leipziger Gewandhaus, ein Jahr später erschien es erstmals im Druck. Das dreisätzige Werk von etwa 35 Minuten Spieldauer ist "Seiner Majestät dem König Albert von Sachsen (1829-1902) ehrfurchtsvoll gewidmet". Besetzt ist es neben dem solistischen Klavier mit 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, Pauken und Streichern. In satztechnischer Hinsicht erkennt man – wie in vielen seiner späten Werke - eine Nähe zu Chopin und Brahms. Anders als die meisten Klavierkonzerte wird das Konzert nicht vom Orchester eröffnet, sondern es spielt das Soloklavier. Für den letzten Satz hält Reinecke eine Überraschung bereit: Hier finden wir zwei mögliche Fassungen für den Schluss, die traditionelle mit einem Tutti und einer Kadenz aus vier Akkorden im Fortissimo, und die unkonventionelle, bezeichnet mit "Più lento" und "Piano–Diminuendo–Pianissimo" – "ein ruhiger Abschluss, der jeglichem Applaus des Publikums zuvorkommt".

Reineckes Konzerte für Piano und Orchester sind bei cpo unter dem Titel Carl Heinrich Reinecke: Klavierkonzerte Nr. 1-4 als CD erschienen. Die Nordwestdeutsche Philharmonie spielt unter der Leitung von Alun Francis, Solist ist Klaus Hellwig.

PD, 2025

Aufführungsmaterial ist von Kistner & Siegel, Brühl, zu beziehen.



 

Carl Reinecke - Piano Concerto No. 3 in C major op. 144

(b. Altona near Hamburg, June 23, 1824 – d. Leipzig, March 10, 1910)


(1877)

Allegro p.1
Largo p.81
Finale. Molto vivace e grazioso p.111

Preface
Although Carl Reinecke was considered one of the most influential musicians of the European music world during his time, he spoke of his work with both modesty and foresight: "However, I do not indulge in the deceptive hope that my works will have a long-lasting impact." This assessment proved to be right for Reinecke, only rarely does one of his works make it into concert programs, and it was not until the 1970s that recordings began to revive interest in his compositions.
Reinecke was born in 1824, during the lifetimes of Schubert and Beethoven. He was friends with his patrons Mendelssohn and Schumann, and when he died in 1910 at the age of 85, Messiaen and Carter had already been born. Although he witnessed great cultural changes – from Classicism through Romanticism to Modernism – and played a key role in shaping these eras, Reinecke remained loyal to conservative ideals throughout his life, advocating his aesthetic convictions as a virtuoso pianist, violinist, conductor, composer, arranger, and teacher: "Beethoven, Mozart, Haydn, Mozart, Beethoven. So it went in cycles, with more or less minor deviations, year after year. However, the performances were admirable, and his orchestra was among the best in the world." In the music of his great predecessors, he felt so at home that he was often unjustly criticized as an epigone of his musical friends: "Reinecke's piano music in concerto form is mostly just a continuation of what Schumann and Mendelssohn created." Yet, "his style was refined, his mastery of counterpoint and form absolute, and he wrote with unique clarity and correctness." His artistic judgment was mature, independent, and enlightened, and despite his critical stance towards the harmonic and programmatic upheavals of Liszt, Berlioz, and Wagner's New German School, he regularly included works by contemporary composers in his programs. His conservatism was not ideological, but oriented towards values, "his spirit was much more inclined towards the imaginative side of Romanticism," and he was "far from being reactionary. His works are characterized by perfect form and clarity, great contrapuntal skill, and much melodic and harmonic beauty.

Third Piano Concerto
Reinecke's instrumental concertos were not spared criticism regarding his unwaveringly conservative musical language. "One stands there shaking one's head at the repeatedly heard prejudices that this composer is academic and too 'dry.' On the contrary: Reinecke is in these concertos a master painter of moods par excellence."
Four piano concertos were composed by Reinecke: Piano Concerto No. 1 in F-sharp minor, Op. 72 from 1862, Piano Concerto No. 2 in E minor, Op. 120 from 1872, Piano Concerto No. 3 in C major, Op. 144 from 1877, and finally Piano Concerto No. 4 in B minor, Op. 254 from 1900. Even for a composer with an extensive catalog of 288 opus numbers, this was an impressive achievement. Reinecke, who was praised as one of the great Mozart pianists of his time, performed the premieres of the first three concertos as both soloist and conductor at the Leipzig Gewandhaus; the fourth concerto, in which the creation of it, pedagogical aspects played a role, he left to his student Charlotte Bresch, who played it in 1902 for her final examination at the Leipzig Conservatory. All the piano concertos, frequently performed between 1860 and 1910 during his lifetime, offer enchantingly poetic music, challenging for the soloist and strictly classical in form, but "with a highly romantic content that can stand comparison with Chopin."

Reinecke's Piano Concerto No. 1, still influenced by the grief over the death of his first wife, was the most successful of his four contributions to the genre. The composer himself, however, regarded his No. 3 as his most accomplished work, although it was performed far less often than he would have liked. Thus, we read in his autobiography, which he mainly wrote between 1902 and 1904: "The third piano concerto also belongs to my child of sorrows, for although I believe I may count it among my best creations, it has found only limited distribution." It might have been little comfort to him that the work was at least considered one of the most significant pieces in its category within expert circles.
The Piano Concerto No. 3 in C Major, Op. 144 premiered on November 10, 1877, at the Leipzig Gewandhaus, and it was first published in print a year later. The three-movement work, lasting approximately 35 minutes, is "respectfully dedicated to His Majesty King Albert of Saxony." Besides the solo piano, the instrumentation includes two flutes, two oboes, two clarinets, two bassoons, four horns, two trumpets, timpani, and strings. In terms of compositional technique — as in many of his late works — one can recognize similarities to Chopin and Brahms. Unlike most piano concertos, this one does not begin with the orchestra, but with the solo piano. For the final movement, Reinecke offers a surprise: Here, we find two possible versions for the conclusion, the traditional one with a tutti and a cadenza consisting of four fortissimo chords, and the unconventional one marked with "Più lento" and "Piano–Diminuendo–Pianissimo" — "a peaceful ending that preempts any applause from the audience."

Reinecke's piano concertos are available as CD under the title Carl Heinrich Reinecke: Piano Concertos Nos. 1-4 on cpo. The Nordwestdeutsche Philharmonie performs under the direction of Alun Francis, with Klaus Hellwig as the soloist.
translation: E.J., 2025

Performance materials can be obtained from Kistner & Siegel, Brühl.

 

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