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Frank Martin - Passacaille pour Orchestre à Cordes
(b. Geneva, 15 September 1890 — d. Naarden, 21 November 1974)
Preface
Frank Martin stood slightly aloof from the main compositional movements of his time. He listened to Schoenberg and adopted some aspects of serial technique, but without abandoning tonality. His music is much more rhythmically vital than that of the Second Viennese School, perhaps as a consequence of working as a young man with Émile Jaques-Dalcroze, the founder of the Dalcroze technique of learning music through movement. His music also has something of the pungency of Stravinsky and his lean textures, but always has his own distinctive personality and often a certain wistfulness or melancholy even in his most energetic works. Perhaps this reflects his position as a Swiss national, aware of but also somewhat outside the European conflicts of his times.
The Passacaille exists in three version. The original version was a commission from the organist Karl Wolfgang Senn for an organ work, and he premiered it on 26 September 1944 in Berne. In 1952 Martin transcribed it for string orchestra. In this form it was performed by Karl Mūnchinger and the Stuttgart Chamber Orchestra on 16 October 1953 in Frankfurt. Finally, when Martin was invited to conduct the Berlin Philharmonic Orchestra, he transcribed the work again, this time for full orchestra, and he conducted this version in Berlin on 30 May 1963. The present score is of the second version, the one for string orchestra. Martin later said that he preferred either of the two orchestral versions to the organ original.
Martin described the work in his own words in this way: ‘The work faithfully adheres to the classic scheme of the passacaglia form. An eight-bar melodic line in three-four time is initially presented in pianissimo; over this recurring bass the upper parts then develop numerous variations, one harmonic, others polyphonic, and yet others in three-part counterpoint. One characteristic of the bass melody is the way it ends a semitone higher in the odd-numbered variations than in the even-numbered ones. This peculiarity enabled me, from the fourteenth variation onwards, to transpose each repetition one semitone up. That results in an extremely slow rise in pitch, accompanied by a gradual crescendo, returning after twelve variations to the original key. Then the first idea, the first variation, of harmonic character, returns in fortissimo. Things calm down in a coda in a serene, clear atmosphere.’1
To this we can add that the strings are frequently divided into ten or more parts, and that the work gradually rises in tension to an agonized climax before finally subsiding. The technical ingenuity of the writing in no way detracts from its expressive power. One cannot help noting that it was written in war time, and indeed it has something in common with two other wartime works for strings, Honegger’s second symphony and Richard Strauss’s Metamorphosen, to both of which it is a worthy companion.
Stephen Barber, 2024
1 A propos de . . .Commentaires de Frank Martin sur ses oeuvres, Maria Martin, Neuchâtel, 1984. English translation by J. & M. Berridge from MDG recording 901 1539-6.
For performance material please contact Universal Edition, Vienna.
Frank Martin - Passacaille pour Orchestre à Cordes
(geb. Genf, 15. September 1890 - gest. Naarden, 21. November 1974)
Vorwort
Frank Martin stand etwas abseits der großen kompositorischen Strömungen seiner Zeit. Er beschäftigte sich mit Schönberg und übernahm einige Aspekte der seriellen Technik, gab die Tonalität aber nicht auf. Seine Musik ist rhythmisch viel vitaler als die der Zweiten Wiener Schule. Das mag daran liegen, dass er als junger Mann mit Émile Jaques-Dalcroze, dem Begründer der Dalcroze-Technik zum Erlernen von Musik durch Bewegung, zusammen arbeitete. Seine Musik hat etwas von der Schärfe Strawinskys und seiner schlanken Texturen, aber sie behält immer ihre eigene, unverwechselbare Handschrift und spiegelt oft eine gewisse Wehmut oder Melancholie wider, selbst in den dynamischsten seiner Werke. Vielleicht deutet dies auf seine Situation Schweizer zu sein, der sich der europäischen Konflikte seiner Zeit bewusst war und zugleich ein wenig abseits stand.
Die Passacaille existiert in drei Fassungen. Die ursprüngliche Version war ein Auftrag des Organisten Karl Wolfgang Senn für ein Orgelwerk, das er am 26. September 1944 in Bern uraufführte. Im Jahr 1952 transkribierte Martin die Passacaille für Streichorchester, und in dieser Form wurde es von Karl Mūnchinger und dem Stuttgarter Kammerorchester am 16. Oktober 1953 in Frankfurt aufgeführt. Als Martin schließlich eingeladen wurde, die Berliner Philharmoniker zu dirigieren, schrieb er es erneut um, diesmal für großes Orchester, und dirigierte diese Fassung am 30. Mai 1963 in Berlin. Bei der vorliegenden Partitur handelt es sich um die zweite Fassung, die für Streichorchester. Martin sagte später, dass er eine der beiden Orchesterfassungen dem Orgeloriginal vorziehe.
Martin beschrieb das Stück mit eigenen Worten: „Das Werk hält sich getreu an das klassische Schema der Passacaglia-Form. Eine achttaktige melodische Linie im Dreivierteltakt wird zunächst im pianissimo vorgestellt. Über diesem wiederkehrenden Bass entwickeln die Oberstimmen dann zahlreiche Variationen, mal harmonisch, mal mehrstimmig, mal im dreistimmigen Kontrapunkt. Eine Besonderheit der Bassmelodie ist, dass sie in den ungeraden Variationen einen Halbton höher endet als in den geraden. Diese Besonderheit ermöglichte es mir, ab der vierzehnten Variation jede Wiederholung um einen Halbton nach oben zu transponieren. Das Ergebnis ist ein extrem langsamer Anstieg der Tonhöhe, der von einem allmählichen Crescendo begleitet wird und nach zwölf Variationen in die ursprüngliche Tonart zurückkehrt. Dann erklingt ein weiteres Mal die erste Idee im Fortissimo, die erste Variation, die harmonischen Charakter hat. Alles beruhigt sich in einer Coda in heiterer und klarer Atmosphäre.“1
Hinzu kommt, dass die Streicher häufig in zehn oder mehr Stimmen aufgeteilt sind und das Werk sich allmählich bis zu einem beklemmenden Höhepunkt steigert, bevor es schließlich ruhiger wird. Die technische Raffinesse der Komposition schmälert in keiner Weise ihre Ausdruckskraft. Man kann nicht umhin zu bemerken, dass die Passacaille in Kriegszeiten geschrieben wurde, und in der Tat hat sie etwas mit zwei anderen Kriegswerken für Streicher gemeinsam, nämlich Honeggers zweiter Symphonie und Richard Strauss‘ Metamorphosen, für die Martin Komposition es ein würdiger Begleiter ist.
Stephen Barber, 2024
1 A propos de ... Commentaires de Frank Martin sur ses oeuvres, Maria Martin, Neuchâtel, 1984. Englische Übersetzung von J. & M. Berridge aus der MDG-Aufnahme 901 1539-6.
Für Aufführungsmaterial wenden Sie sich bitte an die Universal Edition, Wien.
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