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Moritz (Maurice) Moszkowski - Concerto pour le Violon avec accompagnement d’Orchestre op. 30
(geb. Breslau, 23. August 1854 – gest. Paris, 4. März 1925)
I Allegro commodo p. 3
II Andante p. 123
III Vivace p. 188
Vorwort
Moritz Moszkowski besitzt für einen Komponisten des späten 19. Jahrhunderts keine ungewöhnliche Vita: In seinen jüngeren Jahren trat er nach einer Ausbildung am Konservatorium als Klaviervirtuose mit klassisch-romantischem Repertoire in Erscheinung.1 Er konzertierte unter anderem zusammen mit Franz Liszt, dem europaweit gefeierten Klaviervirtuosen, der ihm große Bewunderung entgegenbrachte.2 Jedoch zwang ihn ein Armleiden, sich auf das Komponieren zu konzentrieren.3 Zu Lebzeiten wurden Moszkowski zahlreiche Ehrungen zu Teil, wie zum Beispiel die Ehrenmitgliedschaft in der Londoner Philharmonic Society und seine Aufnahme in die Berliner Akademie der Künste.4 Auch als Pädagoge war er später erfolgreich.5 Die Tatsache, dass Moszkowski recht schnell vergessen wurde, ist durch Veränderungen von ästhetischen Anschauungen nach seinem Tode zu erklären – ein Schicksal, das viele Komponisten ereilte, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts der klassisch-romantischen Tradition verpflichtet waren.6 Mit dem vorliegenden Nachdruck soll das Violinkonzert op.30 nun 140 Jahre nach seiner Uraufführung wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Moskowski hat entsprechend seiner frühen künstlerischen Sozialisation überwiegend Werke für Klavier komponiert.7 Wie die Komponisten und Pädagogen Felix Mendelssohn, Franz Liszt und Salomon Jadassohn schuf er insgesamt zwei Solokonzerte für Klavier.8 Die Solokonzertliteratur bereicherte Moszkowski durch das im vorliegenden Band enthaltene Violinkonzert.9 Während er sein Klavierkonzert h-Moll op. 3 seinem Mentor Franz Liszt und sein Klavierkonzert E-Dur op. 59 seinem Schüler Josef Hofmann widmete, trägt das Violinkonzert die Zueignung „A son ami Emile Sauret“.10 Émile Sauret gehörte als Schüler von Charles-Auguste de Bériot zu den führenden Violinisten der franko-belgischen Violinschule und übernahm auch den Solopart in der vom Komponisten geleiteten Uraufführung am 18. Januar 1883.11 Die Uraufführung fand im Rahmen des 15. Gewandhauskonzertes im Leipziger Gewandhaus statt, wo unter anderem auch die Ouvertüre zu der Oper Les Abencérages, ou L’étendard de Grenade von Luigi Cherubini, Robert Schumanns Sinfonie Nr. 4 in d-Moll op. 120, die Sérénade mélancholique in b-Moll op. 26 von Peter Tschaikowski, Introduction et Rondo Capriccioso op. 28 von Camille Saint-Saëns, Polonaise brillante Nr. 2 op. 21 von Henryk Wieniawski und darüber hinaus einige Gesangsstücke erklangen.12 In einer längeren Rezension in der Neuen Zeitschrift für Musik kam insbesondere dem Violinkonzert eine ausführlichere Würdigung zuteil: „Tritt […] das mit großem Geschick gehandhabte Orchester zuweilen, z. B. in dem etwas breit sich ergehenden ersten Satze, so dominirend in den Vordergrund, daß das Soloinstrument stellenweise in den Hintergrund gedrängt wird, so wird letzterem doch auch andererseits genug Gelegenheit zu glänzender virtuoser Entfaltung zum Theil auch in geistreich erfundenen neuen Passagen geboten, namentlich in dem in prickelnden Tanzrhythmen höchst animirt und leichtgeschürzt sich abwickelnden letzten Satze. Ueberhaupt herrscht, wie in anderen von diesem hochbegabten Tondichter bisher bekannt gewordenen Werken, das feinere pikante Salongenre im besten Sinne mit leicht und zwanglos fließenden gefunden, anmuthig melodiösen Gedanken vor, erhebt sich aber auch in manchen Momenten, namentlich in dem elegischen Andante, zu warm empfundener seelenvoller Melodik, welche noch weitere Vertiefung hoffen läßt.“13 Auch das Publikum nahm nach Angaben des Rezensenten das Werk positiv auf: „Das Concert fand einen für den Componisten wie für den dasselbe Vortragenden gleich ehrenvolle höchst beifällige Aufnahme.“14 Somit lässt sich anhand des bedeutsamen Aufführungsortes, dem renommierten Solisten und dessen eingehender Würdigung in der medialen Öffentlichkeit die hervorgehobene Bedeutung von Moszkowskis Violinkonzert ablesen. Bereits im selben Jahr wurde das Werk als Klavierauszug beim Berliner Verlag Bote & Bock veröffentlicht.15
Ein prägendes Merkmal des Konzerts ist das aus der Kopfsatzanlage stammende thematische Material mit seinen häufigen Wiederholungen kleiner Motive, das stete Zurückkehren zu einzelnen Tönen und das sich in das Orchester harmonisch einfügende Soloinstrument sowie der nachfolgende langsame, ausgesprochen kantabel geprägte und ebenfalls mit Wiederholungen nicht sparende zweite Satz. Angesichts dieser Charakteristika könnte man annehmen, dass dem Komponisten für sein Solokonzert der Gesang von Singvögeln vorgeschwebt sein könnte. Diese Deutung stützt sich auf eine Beschreibung von Alexander Moszkowski, dem Fin de Siècle-Schriftsteller und Bruder von Moritz Moszkowski, der in einer Kindheitserinnerung von der Verbundenheit seines Bruders zu Vögeln berichtet: „Meine Leidenschaft für die beschwingten Kreaturen wurde von den Eltern und von meinem jüngeren Bruder Moritz – der sich später als Tonkünstler einen bedeutenden Namen gemacht hat – vollauf geteilt, ja, dieser übertraf mich sogar noch in der praktischen Auswirkung, da seine Liebe von den lebendigen Objekten offensichtlich erwidert wurde. Er verstand sich auf zärtliche Lockrufe, und es ereignete sich gar nicht selten, daß ihm im Wald und auf der Wiese Vögel auf die Hand flogen.“16 Inwiefern dem Komponisten für sein vorliegendes Werk tatsächliche Vogelgesänge Pate gestanden haben könnten, soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Letztendlich mag der Musikliebhaber durch diesen biografischen Ansatz eine zusätzliche Anregung für eine tiefergehende Beschäftigung mit Moszkowskis Violinkonzert finden.
Christina Schnauß, 2023
1 Vgl. Fabian Kolb: Art. Moritz (Maurice) Moszkowski, in: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil Bd. 12, Kassel [u. a.] 2004, Sp. 541.
2 Vgl. ebd.
3 Vgl. ebd.
4 Vgl. ebd., Sp. 541 f.
5 Vgl. ebd.
6 Auch das Werk Salomon Jadassohns (1931-1902) geriet nach dessen Tod in Vergessenheit. Er hielt in seinen Kompositionen und Lehrwerken an der klassisch-romantischen Tradition fest. Zudem ist seine Vita mit Moszkowskis Werdegang aufgrund ähnlicher Stationen und Entwicklungen vergleichbar: Jadassohn war zunächst Pianist und stand mit Liszt in Kontakt. Aufgrund eines Armleidens wurde er Klavierlehrer und später Lehrer für Klavier, Harmonielehre, Kontrapunkt, Komposition und Instrumentation am Leipziger Konservatorium; vgl. Beate Hiltner-Hennenberg (Georg Feder): Art. Salomon Jadassohn, in: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil Bd. 9, Kassel [u. a.] 2003, Sp. 836-838; vgl. H. Felix: Professor S.[alomon] Jadassohn, in: Der Klavier-Lehrer. Musik-paedagogische Zeitschrift. Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine und der Tonkünstler-Vereine zu Berlin, Köln, Dresden, Hamburg und Stuttgart 23 (1900), Nr. 19 (Oktober), S. 271.
7 Vgl. Bojan Assenov: Moritz Moszkowski – eine Werkmonographie, Berlin: Techn. Univ., Diss. 2009, S. 502-504.
8 Vgl. ebd., S. 502 f.
9 Vgl. ebd., S. 502.
10 Vgl. ebd., S. 361 und 370; ebd., S. 368.
11 Vgl. ebd., S. 369.
12 Vgl. Z. [?]: Correspondenzen. Leipzig. Fünfzehntes Gewandhausconcert, in: Neue Zeitschrift für Musik 15 (1883), Nr. 6 (Februar) S. 65.
13 Ebd.
14 Ebd.
15 Vgl. Anonymus: Musik für Pianoforte mit Begleitung, in: Musikalisch-literarischer Monatsbericht über neue Musikalien, musikalische Schriften und Abbildungen für das Jahr 1883. Als Fortsetzung des Handbuchs der musikalischen Literatur 55 (1883), S. 88.
16 Alexander Moszkowski: Das Panorama meines Lebens, Berlin 1925, S. 16.
Aufführungsmaterial ist von Boosey & Hawkes, Berlin, zu beziehen.
Moritz (Maurice) Moszkowski - Concerto pour le Violon avec accompagnement d’Orchestre op. 30
(b. Breslau, 23 August 1854 – d. Paris, 4 March 1925)
I Allegro commodo p. 3
II Andante p. 123
III Vivace p. 188
Preface
For a composer of the late 19th century, Moritz Moszkowski does not have an unusual course of life: in his younger years, after training at the conservatoire, he appeared as a piano virtuoso with classical-romantic repertoire.1 Among others, he gave concerts together with Franz Liszt, the piano virtuoso celebrated throughout Europe, who had great admiration for him.2 However, an arm complaint forced him to concentrate more on composing.3 During his lifetime, Moszkowski received numerous honors, such as honorary membership for his work as a conductor in the London Philharmonic Society and his admission to the Berlin Akademie der Künste.4 Later he was also successful as a teacher.5 Changes in aesthetic views can explain Moskowski’s rather rapid oblivion after his death - a fate that befell many composers who were committed to the classical-romantic tradition at the beginning of the 20th century.6 The present reprint is intended to make the Violin Concerto op. 30 accessible to a wider public again, 140 years after its premiere.
In keeping with his early artistic socialisation, Moskowski composed predominantly works for piano.7 Like the composers and pedagogues Felix Mendelssohn, Franz Liszt and Salomon Jadassohn, he created a total of two solo concertos for piano.8 Moszkowski enriched the solo concerto literature with the violin concerto included in the present volume.9 While he dedicated his Piano Concerto in B minor op. 3 to his mentor Franz Liszt and his Piano Concerto in E major op. 59 to his pupil Josef Hofmann, the violin concerto bears the dedication “A son ami Emile Sauret”.10 As a pupil of Charles-Auguste de Bériot, Émile Sauret was one of the leading violinists of the Franco-Belgian violin school and also took the solo part in the premiere conducted by the composer on 18 January 1883.11 The premiere took place as part of the 15th Gewandhaus concert in Leipzig, where, among other works, the overture to the opera Les Abencérages, ou L’étendard de Grenade by Luigi Cherubini, Robert Schumann’s Symphony No. 4 in D minor op. 120, the Sérénade mélancholique in B flat minor op. 26 by Peter Tchaikovsky, Introduction et Rondo Capriccioso op. 28 by Camille Saint-Saëns, Polonaise brillante no. 2 op. 21 by Henryk Wieniawski and, in addition, some vocal pieces.12 In a longer review in the Neue Zeitschrift für Musik, the violin concerto in particular received a more detailed appreciation: “Although [...] the orchestra, which is handled with great skill, sometimes comes so dominantly to the fore, e.g. in the somewhat broad first movement, that the solo instrument is pushed into the background in places, the latter is on the other hand also given enough opportunity for brilliant virtuoso development, partly also in wittily invented new passages, especially in the last movement, which unfolds in sparkling dance rhythms in a highly animated and lightly abbreviated manner. In general, as in other works by this highly gifted composer, the finer, spicy salon genre prevails in the best sense of the word, with light and casually flowing, charmingly melodic thoughts, but it also rises in some moments, especially in the elegiac Andante, to warmly felt, soulful melodicism, which gives rise to hopes of further deepening.”13 According to the reviewer, the audience also received the work positively: “The concert was received with equal honour and approval by both the composer and the performer.”14 Thus, the significance of Moszkowski’s Violin Concerto can be seen from the important performance venue, the renowned soloist and his detailed appreciation in the media. Already in the same year, the work was published as a piano reduction by the Berlin publishing house Bote & Bock.15
A characteristic feature of the concerto is the thematic material from the first movement with its frequent repetitions of small motifs, the constant return to single notes and the solo instrument harmoniously integrated into the orchestra, as well as the following slow, decidedly cantabile second movement, which also does not spare repetitions. In view of these characteristics, one could assume that the composer might have had the song of songbirds in mind for his solo concerto. This interpretation is based on a description by Alexander Moszkowski, the fin de siècle writer and brother of Moritz Moszkowski, who in a childhood memoir recounts his brother’s attachment to birds: “My passion for the lilting creatures was fully shared by my parents and by my younger brother Moritz - who later made a significant name for himself as a sound artist - indeed, the latter surpassed me even in practical effect, since his love was obviously reciprocated by the living objects. He knew how to make tender calls, and it was not uncommon for birds to fly at his hand in the woods and meadows. “16
The extent to which actual bird songs may have been the composer’s inspiration for his present work will not be explored further at this point. Ultimately, music lovers may find this biographical approach an additional stimulus for a deeper engagement with Moszkowski’s Violin Concerto.
Christina Schnauß, 2023
1 Cf. Fabian Kolb: Art. Moritz (Maurice) Moszkowski, in: Ludwig Finscher (ed.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil Bd. 12, Kassel [et al.] 2004, Sp. 541.
2 Cf. ibid.
3 Cf. ibid.
4 Cf. ibid., sp. 541 f.
5 Cf. ibid.
6 The work of Salomon Jadassohn (1931-1902) also fell into oblivion after Jadassohn’s death. He adhered to the classical-romantic tradition in his compositions and teaching works. Moreover, his vita is comparable to Moszkowski’s career due to similar stations and developments: Jadassohn was initially a pianist and was in contact with Liszt. Due to an arm ailment, he became a piano teacher and later a teacher of piano, harmony, counterpoint, composition and instrumentation at the Leipzig Conservatory; cf. Beate Hiltner-Hennenberg (Georg Feder): Art. Salomon Jadassohn, in: Ludwig Finscher (ed.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil Bd. 9, Kassel [u. a.] 2003, Sp. 836-838; cf. H. Felix: Professor S.[alomon] Jadassohn, in: Der Klavier-Lehrer. Musik-paedagogische Zeitschrift. Organ der Deutschen Musiklehrer-Vereine und der Tonkünstler-Vereine zu Berlin, Köln, Dresden, Hamburg und Stuttgart 23 (1900), No. 19 (October), p. 271.
7 Cf. Bojan Assenov: Moritz Moszkowski - eine Werkmonographie, Berlin: Techn. Univ., Diss. 2009, pp. 502-504.
8 Cf. ibid., p. 502 f.
9 Cf. ibid., p. 502.
10 Cf. ibid., pp. 361 and 370; ibid., p. 368.
11 Cf. ibid., p. 369.
12 Cf. Z. [?] Correspondences. Leipzig. Correspondenzen. Leipzig. Fünfzehntes Gewandhausconcert, in: Neue Zeitschrift für Musik 15 (1883), no. 6 (February) p. 65.
13 Ibid.
14 Ibid.
15 Cf. Anonymus: Musik für Pianoforte mit Begleitung, in: Musikalisch-literarischer Monatsbericht über neue Musikalien, musikalische Schriften und Abbildungen für das Jahr 1883. Als Fortsetzung des Handbuchs der musikalischen Literatur 55 (1883), p. 88.
16 Alexander Moszkowski: Das Panorama meines Lebens, Berlin 1925, p. 16.
For performance material please contact Boosey & Hawkes, Berlin
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