Saint-Saëns, Camille

Alle

Saint-Saëns, Camille

Ascanio (full opera score in two volumes with French libretto)

Art.-Nr.: 2031 Kategorie:

72,00 

Camille Saint-Saëns – Ascanio (1887/88)

(geb. Paris, 9. Oktober 1835 – d. Algier, 16. Dezember 1921

Oper in fünf Akten und sieben Bildern

nach einem Libretto von Louis Gallet

Vorwort

In 1886 verfasste Camille Saint-Saëns, der bis dahin als Wunderkind, Klaviervirtuose und seit der umjubelten Aufführung seiner Dritten Symphonie („Orgel-Symphonie“) auch als Instrumentalkomponist Triumphe gefeiert hatte, eine frei erfundene „Autobiographie“ eines etwa 50jährigen Komponisten, der mit ansehen musste, wie musikalische Kleingeister auf der Opernbühne reüssierten, während er nur Vernachlässigung und Ablehnung erdulden musste. Der Name dieses Komponisten wurde zwar als Rameau angegeben, der tatsächlich erst mit 50 kompositorisch zur Opernbühne gelangte, jedoch war der eigentliche Gegenstand dieser fiktiven Selbstdarstellung wohl Saint-Saëns selbst. Sein Opernmeisterwerk Samson et Dalila, das bereits 1867 begonnen, 1873 vollendet und 1877 in Weimar durch Franz Liszt erfolgreich unaufgeführt worden war, harrte immer noch einer Erstaufführung auf französischem Boden, und es herrschte in höheren Kreisen die Meinung, dass einem Komponisten mit dem beruflichen Werdegang eines Saint-Saëns’ ein sensibler Umgang mit der menschlichen Stimme, geschweige denn ein Erfolgswerk für die Opernbühne nicht zuzutrauen sei. Saint-Saëns machte sich prompt daran, diese Meinung Lügen zu strafen, indem er mit gewohnter Behändigkeit zwei Opernpartituren innerhalb von zwei Jahren und weitere fünf in regelmäßigen Abständen zustandebrachte. Der zweite Beitrag zu dieser beachtlichen Reihe seines Spätwerks – und zugleich die siebte seiner insgesamt zwölf Opern – war das vorliegende Werk Ascanio.

Die Anfänge von Ascanio waren überaus vielversprechend: Das Werk wurde von der Pariser Opéra angeregt in der Absicht, es anlässlich der Pariser Weltausstellung 1889 vor den großen Leuchten der internationalen Musikwelt uraufführen zu lassen. Am 26. September 1887 einigten sich die Direktoren der Opéra, Saint-Saëns mit einem neuen Werk zum Thema des Renaissancebildhauers und – goldschmieds Benvenuto Cellini zu beauftragen, und zwar nach dem gleichnamigen Theaterstück von Paul Meurice (1818-1905), das 1852 erfolgreich über die Pariser Bretter ging und wiederum auf einem ebenso erfolgreichen, 1843 von Meurice gemeinsam mit Alexandre Dumas dem Älteren verfassten Roman Ascanio fußte. Auch diese Wahl erwies sich als durchaus glückverheißend, denn Saint-Saëns war mit dem Dramatiker Meurice bereits befreundet, und eine Einigung über die Umarbeitung des Stücks in ein Opernlibretto war daher umso leichter zu erreichen. Diese Aufgabe wurde dem theaterversierten Vielschreiber Louis Gallet (1835-1898) anvertraut, der bereits Opernlibretti für Bizet, Gounod, Massenet und sogar Saint-Saëns selber (La princesse jaune, 1871; Étienne Marcel, 1878; Proserpine, 1886) geschrieben hatte. Im November 1857 bekam Gallets Operntext von Meurice das notwendige Gütesiegel, worauf Saint-Saëns sofort über das Mittelmeer nach Algier losfuhr, um die Partitur in Ruhe komponieren zu können. Nach einer kurzen Schreibblockade fand er den Kompositionsvorgang „eine leichte Sache“, und die Vertonung floss recht zügig aus seiner Feder: Der Kompositionsentwurf der ersten beiden Akte lag bereits im Februar 1888 vor, der des dritten Akts am 18. des darauffolgenden Monats, und bis August war das ganze Werk mit Ausnahme des Ballet-Divertissements fertiggestellt. Letztgenannter Abschnitt – der wohl bemerkenswerteste und sicherlich berühmteste Teil der ganzen Oper – wurde bald nach der Rückkehr des Komponisten in sein Heimatland fertig. Mithilfe von Themen und Kompositionstechniken aus der früheren französischen Operngeschichte schuf Saint-Saëns nach Episoden aus der mythologischen Antike (reichlich ausgestattet mit Najaden, Dryaden und Bacchanten) ein ansprechendes Renaissance-Hoffest, bei dem er sogar eine Melodie aus der 1588 veröffentlichten Tanzabhandlung Orchésographie des Thoinot Arbeau zitierte. (Tatsächlich liegt die Vermutung nahe, dass es vorwiegend die Gelegenheit war, die Atmosphäre am französischen Königshofes im 16. Jahrhundert musikalisch wieder hervorzurufen, die Saint-Saëns zu der Vertonung des etwas grausigen, melodramatisch überspitzten Operntextes bewog.) Die fertige Partitur, nunmehr mit dem Titel Ascanio versehen, um Vergleiche mit der 1838 aufgeführten Oper Benvenuto Cellini von Hector Berlioz’ zu vermeiden, wurde pünktlich an die Opéra abgeschickt, um eine Inszenierung anlässlich der bevorstehenden Weltausstellung zu ermöglichen.

Dann passierte ein großes Unglück: Am 18. Dezember 1888 starb unerwartet die Mutter Saint-Saëns’, was eine verheerende Wirkung auf den Komponisten nach sich zog. An einer tiefen Depression und Schlaflosigkeit leidend tauchte er unter, indem er im März 1889 unter falschem Namen zunächst wieder nach Algier reiste und schließlich inkognito auf den Kanarischen Inseln landete, wo er unerkannt seine Zeit damit vertrieb, Gedichte zu schreiben, und vergeblich versuchte, an einer Aufführung von Rigoletto mitzuwirken (als gänzlich Unbekannter wurden seine Dienste freundlich, aber bestimmt abgewiesen). Der französische Blätterwald spekulierte über sein Schicksal und seinen Verbleib: Sein Ableben wurde als gesichert bekanntgegeben (was prompt Erbschaftsjäger auf den Plan rief), andere glaubten ihn auf der entfernten Insel Java gesichtet zu haben. Was jedoch die Oper Ascanio anbelangt, war das unmittelbare Ergebnis seiner Flucht die Tatsache, dass er die Vorbereitungen für die Uraufführung nicht selbst in die Hand nehmen konnte, sondern dem Librettist Gallet überlassen musste. Es folgten Verspätungen und Verschiebungen: Das Bühnendekor ließ auf sich warten; die Rolle der Scozzone, ursprünglich für Altstimme vorgesehen, wurde anders besetzt und musste für eine Sopranstimme umgearbeitet werden; die Pariser Weltausstellung ging zu Ende, ohne dass die neue Oper auch nur einmal erklungen wäre. Als die Uraufführung nach weiteren Verschiebungen am 21. März 1890 endlich an der Pariser Opéra stattfand, befand sich der Komponist immer noch unter falschem Namen in Las Palmas. Auch der berauschend erfolgreichen französischen Erstauführung von Samson et Dalila, die zwei Wochen früher in der Provinzhauptstadt Rouen stattfand (davor wurde die Oper nur in Deutschland und nur in deutscher Sprache inszeniert), konnte Saint-Saëns nicht beiwohnen.

Die Uraufführung von Ascanio war ein brillantes künstlerisches, gesellschaftliches und bühnentechnisches Ereignis, das vor einem jubelnden Publikum von ebenso brillanten Gesangssolisten kreiert wurde (die Rolle der Colombe sang beispielsweise der damals 24jährige künftige Weltstar Emma Eames). Auch wenn die Kritiker über die Gesamtqualität des Werks geteilter Meinung waren, konnte Ascanio nach gewissen Straffungen durch den Komponisten eine beachtliche Reihe von 33 Aufführungen im Jahre 1890 sowie drei weitere im Jahre 1891 erzielen. Danach wurde jedoch die Oper abgesetzt, und als die ganze Bühnenausstattung am 6. Januar 1894 in einem Lagerhausbrand den Flammen zum Opfer fiel, waren weitere Aufführungen von Ascanio vorläufig undenkbar. Mehr noch: Bis dahin hatte Samson et Dalila die Ochsentour durch die provinziellen Opernhäusern Frankreichs hinter sich und wurde 1892 – fast 20 Jahre nach der Entstehung – endlich in Paris inszeniert. Der durchschlagende, noch heute anhaltende Erfolg dieser Oper verurteilte Ascanio zu einem Schattendasein, von dem das Werk sich bis heute nicht erholte. Eine Neuinszenierung fand 1911 in Bordeaux statt, und das 1921 verlorengegangene Bühnendekor wurde für eine Wiederaufnahme an der Pariser Opéra sorgfältig rekonstruiert. Diese Produktion unter der Leitung des Komponisten und Dirigenten Reynaldo Hahn verschwand jedoch nach nur sechs Aufführungen und war zugleich die letzte, die zu Lebzeiten der Komponisten ertönen sollte. Seitdem ist es still um Ascanio geworden: Es gibt bis heute keine Gesamteinspielung; lediglich einige verstreute Auszüge sind auf Platte erschienen, wie etwa eine Live-Aufnahme der Fiorentinelle der Scozzone durch Régine Crespin (1969) oder als Kuriosität eine historische Aufnahme der gleichen Arie durch Meyrianne Héglon mit Saint-Saëns selber am Klavier (1904). Anders verhält es sich mit dem mythologischen Ballet-Divertissement, das mittlerweile ein eigenes Leben führt und beispielsweise als Airs de ballet d‘Ascanio für Flöte und Orchester (oder Klavier) zum gern gespielten Repertoirestück für ambitionierte Flötisten geworden ist. Bei dem erfrischend-funkelnden Divertissement handelt es sich um ein frühes Beispiel für den musikalischen Historismus, das – in den treffenden Worten des Saint-Saëns-Schülers und Ascanio-Verfechters Reynaldo Hahn – „ein überragender Triumph von Geschmack und Eleganz darstellt und die ganze Renaissance innerhalb von nur einigen Seiten umschließt“.

Handelnde Personen

Benvenuto Cellini – Bariton

Ascanio – Tenor

François I. – Bariton

Ein Bettler – Bariton

Charles V. – Bass

Pagolo – Bass

d‘Estourville – Tenor

d‘Orbec – Tenor

Die Herzogin von Etampes – Dramatischer Sopran

Scozzone – Alt

Colombe d‘Estourville – Sopran

Eine Ursulinin – Sopran

Dame Perine – Stumme Rolle

Chor, Statisterie

Arbeiter, Gesellen, Lehrlinge Benvenutos, Damen und Herren

am Hofe von of François I., Wachen, Volk

Ballett

Tanzmeister, Nymphen, Vénus, Junon, Pallas, Diane, Dryaden,

Najaden, Bacchus, Bacchantinnen, Phoebus-Apollo, neun Musen,

L‘Amour, Psyché, Erigone, Nicœa, ein Page als Drache der Hesperiden mit dem goldenen Apfel

Zeit und Ort der Handlung

1539, Paris

Zusammenfassung der Handlung

I. Akt, 1. Bild, Cellinis Atelier: König François I. hat den berühmten Bildhauer und Goldschmied Cellini aus Florenz nach Paris geholt, um als Förderer der Künste seinen Rivalen Charles V. zu übertreffen. Mit Cellini sind auch seine Geliebte Scozzone und sein Lieblingsschüler und Adoptivsohn Ascanio gekommen. Dieser liebt Colombe, die Tochter des Vogts von Paris, in die sich insgeheim auch Cellini verliebt hat, der in ihr das lange gesuchte Modell für eine Statue der Hebe gefunden hat. Scozzone erkennt in ihr die Rivalin, weiß aber noch nicht deren Namen. Ascanio hat einen anonymen Liebesbrief erhalten; die Absenderin ist jedoch nicht Colombe, sondern die Herzogin von Etampes, Milchschwester und Vertraute Scozzones und derzeitige Favoritin des Königs. Scozzone begreift die Gefahr für den jungen, naiven Ascanio, der zum Rivalen des Königs werden könnte. Der König und sein Hof besuchen Cellinis Atelier, in dem an einem Reliquienschrein für das Ursulinerinnenkloster und an einer goldenen Jupiterstatue gearbeitet wird, die der König so schnell wie möglich in seinem Besitz haben möchte. Um Cellini den nötigen Arbeitsraum zu verschaffen, stellt er kurzerhand Estourvilles Palast für die Künstler zur Verfügung und beauftragt Estourville zugleich mit der Ausrichtung eines Fests zu Ehren von Charles, der als Gast in Fontainebleau erwartet wird. Cellini zieht sich so ungewollt die Feindschaft des Pariser Adels zu. 2. Bild, Platz vor dem Augustinerkloster und den Palästen Grand und Petit Nesle: Ascanio begegnet zum erstenmal der heimlich angebeteten Colombe, deren Vater Estourville sich zunächst noch dem königlichen Befehl widersetzt, seinen Palast zu räumen. Die Herzogin nähert sich Ascanio in einer Maske, die Cellini durchschaut. Der sich erkannt sehenden Herzogin erklärt er einen „Krieg ohne Gnade“. Und bei einem Zweikampf mit Estourville kann nur das Dazwischentreten von Colombe ihren Vater vor Cellinis Degen retten. Die Goldschmiede ziehen in ihr neues Atelier ein.

II. Akt, 1. Bild, Cellinis Atelier im Grand Nesle: Ascanio erkennt in der Hebestatue die Züge seiner Geliebten wieder, schweigt aber, um Cellini nicht zu kränken. Die Herzogin hat mittlerweile Colombes Verlobung mit Orbec veranlasst, und in einem von ihr eingefädelten Schreiben erfährt Cellini, dass er beim König in Ungnade gefallen ist, aber dennoch die Jupiterstatue ausliefern muss. Cellini wendet sich daraufhin Charles zu, der ebenfalls seine Dienste für sich in Anspruch nehmen will. 2. Bild, Saal im Louvre: Hier regiert die Herzogin, deren Plan es ist, Charles bei seinem Besuch gefangenzunehmen und so François die Herrschaft in Europa zu sichern. Ascanio überbringt der Herzogin nichtsahnend eine von ihr bestellte diamantene Lilie. Ermuntert durch ihre Freundlichkeit gesteht er ihr seine Liebe zu Colombe. Die Herzogin schwört fürchterlich Rache.

III. Akt, Buchbaumgarten von Fontainebleau: Cellini nutzt die Anwesenheit der rivalisierenden Herrscher. Er verspricht François die Statue innerhalb von drei Tagen, wenn es dem König gelänge, seinen einzigen Wunsch zu erfüllen: Colombes Heirat mit Orbec zu verhindern. Die Herzogin verkündet indessen Colombes Hochzeit schon für den nächsten Tag. Eine prunkvolle Ballettaufführung mit mythologischen Szenen krönt das Fest.

IV. Akt, wie I/1: Der intrigante Geselle Pagolo hat die Herzogin und Scozzone ins Atelier gebracht, wo die Frauen Zeugen des Plans werden, Colombe im fertiggestellten Reliquienschrein für die Ursulinerinnen zu entführen. Die eifersüchtige Scozzone stimmt dem Versuch zu, den Schrein zunächst zur Herzogin zu bringen, wo er erst nach drei Tagen geöffnet werden soll; so wäre ihre Rivalin auf grausame Weise beseitigt. Cellini erkennt, dass Colombes Liebe Ascanio gehört, und erklärt seinen Verzicht. Scozzone sinnt verzweifelt, wie das drohende Unheil abzuwenden sei. Zwei Frauen, die eine im Schrein, die andere als Begleiterin, verlassen ungestört von den vom Verschwinden Colombes bereits alarmierten Hofleuten das Atelier.

V. Akt, Betplatz vor einem riesigen Saal im Louvre: Die Herzogin feiert einen stillen Triumph vor dem zu ihr gebrachten Schrein. Mit einem Festzug und dem vollendeten Jupiter betritt Cellini den Palast. Seiner Bitte, einer Verbindung Ascanios mit Colombe nicht entgegenzustehen, verschließe sich weder König noch Herzogin. Groß ist ihr Entsetzen, als Colombe von Ursulinerinnen in den Saal geleitet wird. Im Schrein ist Scozzone gestorben; verzweifelt erkennt Cellini die Größe ihrer Liebe.

Bradford Robinson, 2014

Partitur Nr.

2031

Edition

Opera Explorer

Genre

Oper

Seiten

452

Format

Druck

Reprint

Nach oben