Lyadov, Anatoly

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Lyadov, Anatoly

Polonaises Opp. 49 & 55 for orchestra

Art.-Nr.: 746 Kategorie:

16,00 

Anatolij Konstantinowitsch Ljadov

Zwei Orchesterpolonaises op. 49 und op. 55

(geb. St. Petersburg, 11. Mai 1855 – gest. Polynowska, Gouv. Nowgorod, 28. August 1914)

Vorwort
Eines Tages gegen Ende seines Lebens befand sich Anatolij Ljadov im Gespräch mit Freunden über die vermeintliche Kürze seiner Orchesterwerke. Warum – so seine Gesprächspartner – komponiere er keine großangelegten Symphonien? Als Antwort schilderte er seine Reaktion auf eine Symphonie, die er kürzlich hörte: „Es kam der erste Teil – nichts. Nach ihm folgte der zweite – die Aufmerksamkeit begann zu erlahmen. Nach dem dritten Teil – große Erschöpfung. Oh, mein Gott, noch ein vierter Teil – wie lang! – Das ist es, was ich vermeiden möchte.“

Bei Anatolij Ljadov handelt es sich um den unbekanntesten der drei russischen Komponisten, die Ende des 19. Jahrhundert mit dem großen Musikmäzenen und – verleger Mitrofan Belajev eng verbunden waren (die beiden anderen waren sein Lehrer Nikolai Rimsky-Korsakow sowie sein ehemaliger Kommilitone Alexander Glazunov). Seit der Veröffent-lichung der Lebenserinnerungen Rimsky-Korsakows im Jahre 1909 gilt er außerdem gemeinhin als „faul“: Seine Werke – so die allgemeine Kritik – seien zu kurz, zu gering an Zahl, zu kleingliedrig in der formalen Anlage. Außerdem habe er es trotz eindringlichen Anratens nie fertig gebracht, eine Symphonie oder Oper zu komponieren. Erst in letzter Zeit ändert sich allmählich das Bild des Komponisten, welches Ljadov als verhätschelten Landadeligern mit der verschlafenen Lässigkeit eines Oblomow beschreibt: 67 gedruckte Werke mit Opuszahl, weitere ohne Opuszahl, rund 150 Volksliedbear-beitungen, Orchesterfassungen fremder Werke u.a. von Tschaikowsky, Mussorgsky, Schumann und Borodin – alles in allem vermittelt sein Oeuvre nicht gerade den Eindruck von Faulheit. Als brillanter und hochgeschätzter Pianist konnte Ljadov seine Freunde stundenlang am Klavier mit Improvisationen oder Auszügen aus seinen neuesten Werken unterhalten, von denen viele – wie bei Brahms – als Opfer seiner unerbittlichen Selbstkritik ein vorzeitiges Ende fanden. Dennoch setzt sich langsam die Erkenntnis durch, daß Ljadov – wie sein Vorbild Chopin – ein geborener Miniaturist war, der sich bewußt von seinen russisch-nationalen Kollegen Rimsky-Korsakow und Mussorgsky abzusetzen versuchte, indem er drei Zzele anstrebte: Kürze, Linearität und Lakonismus.

Bei den vorliegenden Konzertpolonaises handelt es sich um Spätwerke, die zu offiziellen Anlässen komponiert wurden. Die erste – Polonaise à la mémoire de Poushkine (so der französischen Titel der Erstausgabe) – entstand 1899 als Beitrag zum hundertjährigen Jubiläum des größten aller russischen Dichter Alexander Pushkin (1799-1837). Das Ereignis wurde naturgemäß in ganz Rußland mit viel Musik gefeiert: Die Oper Zar Saltan von Rimsky-Korsakow wurde eigens dafür in beauftragt, ebenfalls der Operneinakter Das Gelage während der Pest von César Cui, und selbst der studentische Opernerstling Aleko von Rachmaninov wurde mit Schaljapin in der Titelrolle neuinszeniert. Der bescheidenere, jedoch ergreifende Beitrag Ljadovs zu diesem Anlaß war eine Konzertpolonaise in der Tradition von Osip Kozlowski (1757-1831), dessen 70 Orchesterpolonaises ebenso einflußreich zu ihrer Zeit waren, wie sie außerhalb Rußlands unbekannt geblieben sind (eine davon – Grom pobedy razdawajsja oder „Laßt der Siegesdonner ertönen!“ – diente bis 1833 als russische Nationalhymne und wird heute noch bei Staatsanlässen gespielt). Ljadovs Polonaise op. 49 hält zwar an der Rondo-Anlage der herkömmliche Polonaiseform fest, verrät jedoch in ihrem ausgedehnten periodischen Phrasenbau und der Hinauszögerung des Tonikaschlusses eindeutig den Einfluß der Neuen Deutschen Schule im allgemeinen und der Meistersinger-Ouvertüre Wagners im Besonderen. Das Werk wurde 1900 mit der Opuszahl 49 beim Leipziger Verlagshaus Beljaev als Partitur und in einer Bearbeitung für Klavier zu vier Händen veröffentlicht und gewann im Laufe der Zeit eine Beliebtheit, die Neuausgaben der Partitur 1958 und 1980 rechtfertigte.

Die Polonaise pour l’inauguration de la statue de Antoine Rubinstein le 14 novembre 1902 – so der vollständige französische Titel der Erstausgabe – fußt ebenfalls auf der Kozlowski-Tradition der Orchesterpolonaise, von der sie sich jedoch im berückend schönen, gesanglichen Mittelteil bewußt abhebt. Wie die meisten russischen Musiker seiner Zeit hegte Ljadov einen großen Respekt vor den Klavierkünsten und den Organisationsfähigkeiten Anton Rubinsteins, ohne jedoch seine kompositorischen Leistungen besonders zu schätzen. Als er 1900 beauftragt wurde, die Rubinstein-Oper Deti stepej (“Die Kinder der Heide”) neu zu orchestrieren, beschwerte er sich bei Beljaev, daß ihn allein die erste Szene zwei Wochen Arbeit gekostet habe und der Gesamtauftrag der „Umarbeitungen dieser dilettantischen Oper“ viereinhalb Monate kosten würde: „Mein Gott, welche Stimmführung!! … In der Oper sind schöne Stellen. Aber die Technik, die Technik – wie bei seinem Bruder Musorgskij!“ Nichts von alledem beeinträchtigte jedoch seine Freundschaft mit Rubinstein, dem er seine Klavierballade Pro starinu op. 21 und die Bagatelle op. 30 für Klavier widmete und dem er 1891 bei einer Aufführung von dessen Zweiten Klavierkonzert zur Seite stand. Die Polonaise op. 55 wurde 1903 – ein Jahr nach ihrer Entstehung – als Partitur sowie in einer Bearbeitung für Klavier zu vier Händen bei Beljaev in Leipzig veröffentlicht, gleichzeitig mit der Hymne op. 54 für Chor, die Ljadov ebenfalls zur Enthüllung des Rubinstein-Denkmals beisteuerte. Wie das Schwesterwerk op. 49 hat auch die Polonaise op. 55 einen bescheidenen Platz im Konzertrepertoire behalten können und erklingt zu Recht noch heute auf mancher CD-Anthologie russischer Orchestermusik.

Bradford Robinson, 2007

Aufführungsmaterial ist von Kalmus, Boca Raton zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.


 

Anatolij Konstantinowitsch Ljadov

Two Orchestral Polonaises opp. 49 and 55

(May 1855 – d. Polinovka, Novgorod district, 28 August 1914)

Preface
One day, toward the end of his life, Anatol Lyadov found himself in conversation with friends about the alleged brevity of his orchestral works. Why didn’t he write full-length symphonies, they asked. He answered by describing his reaction to a recent symphony he had heard: “The first section came – nothing. It was followed by the second – attention begins to sag. Then the third – great exhaustion. Oh my God, a fourth section – how long! – That’s what I wish to avoid.”

Lyadov, the least well-known of the trio of late nineteenth-century Russian composers closely associated with the great publisher and music patron Mitrofan Belaieff (the other two were his teacher Nikolai Rimsky-Korsakov and his fellow-pupil Alexander Glazunov), has been faulted for being lazy ever since the appearance of Rimsky-Korsakov’s memoirs in 1909. His works – so the critique runs – are too short, too few in number, too beholden to small forms. Besides, despite the earnest entreaties of his friends, he never managed to write a symphony or an opera. Only recently has this picture of the composer as a pampered aristocrat of Oblomov-like indolence begun to change: sixty-seven published works with opus numbers, still others without opus number, some 150 folk-song arrangements, and orchestral versions of works by other composers (including Tchaikovsky, Mussorgsky, Schumann, and Borodin) are, all in all, not exactly symptomatic of laziness. Lyadov was a brilliant and much sought-after pianist who could regale his friends for hours at the piano with improvisations or excerpts from his works in progress, many of which, as with Brahms, were destined to fall victim to his severe self-criticism. Yet there is every indication that Lyadov, like his admired forebear Chopin, was a born miniaturist who deliberately set himself apart from Rimsky-Korsakov and Mussorgsky, among the Russian nationalist school, by aspiring to what he designated as his three cardinal virtues: brevity, linearity, and laconicism.

Both of the concert polonaises in our volume were written late in Liadov’s career for official occasions. The first, Polonaise à la mémoire de Poushkine (to quote the French title of the first edition), was composed in 1899 to mark the centenary of the birth the greatest of all Russian poets, Alexander Pushkin (1799-1837). The event was the scene of national celebrations accompanied by a good deal of music: Rimsky-Korsakov’s opera The Tale of Tsar Saltan was commissioned for the occasion, as was César Cui’s one-act A Feast in Time of Plague, and Rakhmaninov’s student opera Aleko was specially revived with Chalyapin in the title role. Liadov’s more modest yet stirring contribution was an orchestral polonaise in the tradition of Osip Kozlovsky (1757-1831), whose seventy contributions to the genre were as influential in their time as they are little known outside Russia today (one of them, Grom pobedy razdavaysya, or “Let the Thunder of Victory Resound,” was the Russian national anthem until 1833 and can still be heard at state occasions). While adhering to the rondo form of the standard polonaise, Liadov’s op. 49 clearly shows the influence of the New German School in general and Wagner’s Meistersinger Overture in particular in its delayed tonic cadences and expanded periodic phrase structure. It was published in full score and an arrangement for piano four-hands as op. 49 by Belaieff of Leipzig (1900) and proved popular enough to warrant republication in full score in 1958 and 1980.

Polonaise pour l’inauguration de la statue de Antoine Rubinstein le 14 novembre 1902, again to quote the title of the first edition, likewise follows in the Kozlovsky tradition, from which however it departs in the very lovely and lyrical B section. Like most Russian musicians of the time, Liadov stood in awe of Rubinstein’s abilities as a pianist and institutional administrator, but less so of his achievements as a composer. Asked in 1900 to reorchestrate Rubinstein’s opera Deti stepey (“The Children of the Steppe”), he complained to Belaieff that the first scene alone had cost him two weeks and the entire task of “reworking this dilettantish opera” would take four and a half months. (“My God,” he exclaimed, “what part writing! … The opera has beautiful passages, but the technique, the technique … just like his brother Mussorgsky!”) None of this was allowed to damage his friendship with Rubinstein, to whom he dedicated his piano ballad Pro starinu (op. 21) and the Bagatelle for piano (op. 30) and whom he assisted in a performance of Rubinstein’s Second Piano Concerto in 1891. Liadov’s op. 55 appeared in full score and an arrangement for piano four-hands in 1903, a year after its date of composition, when it was issued by Bellaieff in Leipzig, along with a choral Hymne (op. 54) that Liadov composed for the same occasion. Like its companion piece op. 49, it has retained a foothold in the repertoire and is still to be found, justly, in CD anthologies of Russian orchestral music.

Bradford Robinson, 2007

For performance material please contact the publisher Kalmus, Boca Raton. Reprint of a copy from the Musikabteilung der Leipziger Städtische Bibliotheken, Leipzig.

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