The Dictator (Der Diktator)
Krenek, Ernst
31,00 €
Preface
Ernst Krenek
«Der Diktator»
Tragische Oper in einem Akt, op.4p
(geb. Wien, 23. August 1900 — gest. Palm Springs, California, 22. Dezember 1991)
Vorwort
1926 war ein arbeitsreiches Jahr für Ernst Krenek: zusätzlich zur Erstellung der endgültigen Fassung seiner berühmten Jazzoper Jonny spielt auf begann er auch die Arbeit an seiner Trilogie von Opern-Einaktern und vollendete den ersten der drei, Der Diktator, im August dieses Jahres. Das Werk zeigt eine Episode aus dem Leben eines nicht benannten Diktators, machte aber weniger Schlagzeilen als seine berüchtigte Jazzoper Jonny; Krenek nannte die Trilogie der Einakter (Der Diktator, Schwergewicht, oder Die Ehre der Nation und Das geheime Königreich (beide 1927), deren Aufführungen an einem Abend intendiert war) «eine Art elaborierter Randbemerkungen» zu Jonny 1. Die Werke verarbeiten erneut einige der Ideen, die bereits in Jonny gefunden werden können: obwohl, zum Beispiel, eine Künstlerfigur in keinem der drei Einaktern vorkommt (wie sie durch Jonny und Max gleich zweifach verkörpert wird), ähneln Der Diktator und Schwergewicht beide der früheren Oper in der Art, wie sie den Platz des Individuums im modernen Leben untersuchen und wie sie Merkmale des Genre Zeitoper aufweisen – eine Gattung, zu der Jonny zweifellos hinzugezählt werden kann. Musikalisch gesehen ähneln beide Werke Jonny, obwohl sie nicht mit den berühmten «Jazz»-Zitaten aufwarten.
Krenek wurde 1900 in Wien geboren, zog in den 20er Jahren nach Deutschland, wo er in Berlin studierte und dann als Assistant des Intendanten Paul Bekker an den Opernhäusern in Kassel und Wiesbaden arbeitete. Er emigrierte 1936 in die USA und starb 1991 in Palm Springs, Kalifornien. Im Laufe seines Lebens vollendete er über 240 Werke, von denen mehrere Musiktheater-Kompositionen sind, und er verwendte eine Vielzahl verschiedener Stile. Man könnte sogar sagen, dass seine Art, zwischen verschiedenen musikalischen Idiomen zu wechseln, einer der Gründe ist, warum er als Komponist relativ unbeachtet bleibt: er paßt in keine der gängigen Schubladen. Während er seine Karriere mit frei atonalen Werken begann, z.B. seine frühen Symphonien, faszinierte ihn Mitte der 20er Jahre Jazz und zeitgenössische französische Musik wie beispielsweise von Les Six. Sein Wunsch, in einem ähnlich zugänglichem Stil zu schreiben, fand einen expressiven Höhepunkt in Jonny spielt auf. An diesem Punkt seiner Karriere glaubte Krenek, dass die Idee, «daß der Künstler schafft, weil er muß, und sich nicht darum zu kümmern hat, ob er ein Ohr findet, das ihm hören will, so töricht und billig ist, daß es sie zu widerlegen gar nicht lohnt.» 2 Musik, sagte er, müsse vereinfacht sei, so dass sie ihr Publikum erreichen könne; der Komponist müsse «nach einer möglichst weitgehenden Verständlichkeit der musikalischen Substanz»3 suchen. Obwohl – im Gegensatz zu Jonny – die Einakter keine populäre Musik benutzen, um dieses Ziel zu erreichen, haben die drei Werke mit der früheren Oper den tonalen und zugänglichen musikalischen Stil gemeinsam, was sie als ein Ausdruck einer gemeinsamen Ästhetik erscheinen läßt – einer Ästhetik, die stark von Kreneks Mentor Bekker beeinflußt war, besonders von dessen Konzept der «gesellschaftbildenden Macht» der Musik. 4
Der enorme Erfolg von Jonny spielt auf scheint ein Schock für Krenek gewesen zu sein; trotz der finanziellen Vorteile, welche die Oper ihm brachte, war er von dem daraus resultierenden Verdächtigungen seiner Komponistenkollegen geplagt. In den späten 20er und frühen 30er Jahren richtete er seine Musik «neo-tonal» aus; obwohl viele Aspekte des musikalischen Stils des Diktator an Jonny erinnern, sind die offensichtlich populistischen «Jazzelemente» zugunsten von eher verhalten tonalen, besonders italieni-sierende Einflüssen aufgegeben und können als Teil dieser Zielrichtung angesehen werden. In den frühen 30er Jahren entschied sich Krenek, mit Schönbergs Zwölftontechnik zu komponieren, deren Strenge und Logik ihm interessant erschienen; seine Oper Karl V. wird von vielen als sein erstes, signifikantes Werk angesehen, das diesen Ansatz verwendet. Kreneks stilistische Abenteuer endeten aber nicht hier: nach dem Zweiten Weltkrieg schlug er eine andere Richtung ein. Diesmal begab er sich auf den Weg des strengen Serialismus, zusätzlich experimentierte er mit elektronischer Musik; der seriellen Technik blieb er bis zu seinem Lebensende treu.
Der Diktator wurde, zeitgleich mit Schwergewicht und Das geheime Königreich, während der Maifest-Tage in Wiesbaden im Jahre 1928 unter der Regie des Intendanten Bekker uraufgeführt.5 Krenek berichtete darüber wie folgt: «Meine eigenen Opern kamen gut an, obwohl der Erfolg natürlich nicht sensationell war».6 Die Oper zeigt eine Episode aus dem Leben der Hauptfigur, und das Libretto war von Krenek selbst geschrieben worden: er nannte es, «eine blutige Mordgeschichte aus dem Privatleben eines zeitgenössischen Diktators».7 Der Diktator verliebt sich in Maria, deren Mann (der Offizier) in dem vom Diktator begonnen Krieg geblendet wurde. Maria will ihren Mann rächen und den Diktator töten. Als sie zu ihm geht, um die Tat auszuführen, ändert sie jedoch ihre Meinung – als sie bemerkt, dass der Diktator sie liebt, ist sie wie «hypnotisiert» und singt, dass sie jetzt anfange, ihn zu verstehen. Die Frau des Diktators, Charlotte, hat das Gespräch der beiden belauscht und will nun – von Eifersucht gepackt – ihren Mann erschiessen. Maria wirft sich jedoch schützend vor ihn und stirbt an seiner Stelle. Die Oper endet damit, dass Marias Mann auf die Bühne kommt, um sie zu suchen. Obwohl Krenek zugibt, dass seine dramatischen «Bemühungen unter einer gewissen Einfachheit und Naivität» leiden, war es ihm möglich «die beschriebenen Schwächen in Vorteile um[zu]kehren, denn der Mangel an poetischer Dichte erlaubt eine gesunde Direktheit».8
Obwohl Der Diktator aus heutiger Sicht wie ein Vorausahnen des Nationalsozialismus erscheinen mag, nahm Krenek den 1922 in Italien zur Macht gelangten Mussolini als das Vorbild für die Hauptfigur seiner Oper.9 Ein weiteres weltpolitisches Ereignis der Ära kann auch in der Oper wiedergefunden werden: der Erste Weltkrieg. Dies wird besonders deutlich, wenn die Verwundung des Offiziers beschrieben wird, ab Takt 295.10 Die Überzeichnung der Stärke und des starken Mannes, die in Der Diktator zu finden ist, erinnert an die künstlerische und philosophische Bewegung des Futurismus in Italien, der eine ähnliche Anschauung hatte: die Futuristen sahen Stärke, Gewalt und Energie als etwas Positives, und für sie war es nicht nur wichtig, das moderne Leben und besonders die Technologie euphorisch zu vereinnahmen, sondern auch damit Krieg zu führen und Gewalt anzuwenden. Diese Anspielung auf den Futurismus scheint in mancher Hinsicht der Oper stärker einen italienische Akzent zu geben als die Andeutung auf Mussolini…
Übersetzung: Clemens Gresser
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Score Data
Edition | Opera Explorer |
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Format | 160 x 240 mm |
Druck | Reprint |
Genre | Oper |
Seiten | 120 |