Janacek, Leos

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Janacek, Leos

Na Soláni Čarták (Die Schänke in den Bergen)

Art.-Nr.: 1916 Kategorie:

21,00 

Leoš Janáček
(geb. Hukvaldy, Mähren, 3. Juli 1854 — gest. Ostrava, Tschechoslowakei, 12. August 1928)

Die Schänke in den Bergen
Für Männerchor und Orchester (1911, rediviert 1920)

Vorwort
Leoš Janáček verbrachte nahezu sein ganzes Leben in Mähren, einer Region, die heute den östlichen Teil der tschechischen Republik bildet. Er studierte Klavier, Orgel und Komposition in Prag, Leipzig und Wien. Seine frühesten professionellen Tätigkeiten waren die eines Musiklehrers in Brno und eines Musikforschers über die Volksmusik Mährens und des benachbarten Schlesiens. Obgleich er bereits in jungen Jahren Musik schrieb, wurde das Komponieren erst wesentlich später zu seiner Vollzeitbeschäftigung.

Der Stil seiner Musik kann als ein Herauswachsen aus der nationalistischen Bewegung angesehen werden, die in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zahlreiche Werke europäischer Kunst prägte. Wie seinen Landsleuten Bedřich Smetana (1824-1884) und Antonín Dvořák (1841-1904) gelang es auch Janáček, viel von der Volksmusik seines Heimatlandes mit ihren Melodien, Harmonien und Rhythmen zusammenzutragen. Doch nach und nach entwickelte er eigenen, einzigartigen Kompositionsstil, der leicht als sein ureigener zu identifizieren war und sich in seiner Instrumental- und Vokalmusik niederschlägt. Viele Musikwissenschaftler gehen davon aus, dass Janáček seinen unverwechselbaren, reifen Stil nicht vor dem Jahr 1900 entwickelte, um zum folgerichtigen Schluss zu gelangen, dass er stilistisch als Komponist des zwanzigsten Jahrhunderts angesehen werden kann.

Lange Zeit seines Lebens war Janáčeks Musik kaum außerhalb seiner Heimat bekannt; zu jener Zeit wurde sie selten ausserhalb dieser Region aufgeführt. Erst als seine Oper Jenůfa 1916 in Prag produziert wurde, begann die Bekanntheit seiner Werke national und international zu wachsen. Heute beruht seine internationale Reputation hauptsächlich auf seinen späten Kompositionen. Einige seiner Opern wie Katja Kabanowa (1921), Das schlaue Füchslein (1924) und Die Sache Makropulos (1926) werden regelmäßig aufgeführt. Seine Glagolitische Messe (1928) ist ebenso bekannt wie seine späte Instrumentalmusik für Klavier und Kammerensembles.

Dasselbe kann über Janáčeks Chormusik nicht gesagt werden. Er schrieb eine große Menge an weltlicher und geistlicher Musik für verschiedenartige Besetzungen begleiteter und unbegleiteter Chöre, wobei sich eine Vorliebe für Männerchöre abzeichnet. Unglücklicherweise wird dieser Teil seines kreativen Schaffens nicht annähernd so oft aufgeführt wie seine Opern oder seine Instrumentalmusik. Grund dafür könnte am ehesten könnte die Sprache der Texte sein, die fast ausschließlich in Tschechisch geschrieben sind. Moderne Chorensembles sind es gewöhnt, in Latein, Französisch, Deutsch, vielleicht auch auf Italienisch, Spanisch oder in ihrer Muttersprache zu singen, selten jedoch in Tschechisch. Selbst Janáčeks Opern werden aufgrund der Unvertrautheit der Sänger mit der Sprache gelegentlich in anderen Sprachen produziert.

Das vorliegende Werk ist keine Ausnahme. Der originale Titel lautet Na Soláni Čarták. Es wurde unter vielen anderen Bezeichnungen aufgeführt, veröffentlicht und aufgenommen, so unter anderem als Čarták sur Soláň, Droben auf der Höhe, Die Schenke in den Bergen und There Upon the Mountain. Čarták ist der Name einer Gaststätte, die an den Abhängen von Soláň liegt, einem Berg in den Beskiden, welche wiederum einen Teil der karpatischen Bergkette bilden. Es ist eine kurze weltliche Kantate für Männerchor und Orchester mit einem ausgedehnten Tenor-Solo. Das Werk wurde aus Anlass des fünfzigsten Geburtstages von Orlice in Auftrag gegeben, einem Männerchor aus dem mährischen Prostějov; es wurde 1911 fertig gestellt und 1912 uraufgeführt.

Als Textgrundlage diente Janáček ein Gedicht von Martin Kurt, ein Pseudonym, das Dr. Maximilián Kunert für seine künstlerischen Arbeiten wählte. Es ist aus einer Gedichtsammlung entnommen, die 1908 in Ostrava herausgegeben wurde. Erzählt wird in der ersten Person aus der Perspektive eines Mannes, der seine Liebste vermisst. Im Lauf des Gedichts stößt er auf eine Hütte am Abhang eines Berges (daher der Titel Na Soláni Čarták). Dort begegnet er einer Bauerstochter und wird mit ihr intim, was ihm dazu verhilft, vom Schmachten nach seiner früheren Freundin abzulassen. Janáček gibt dem Männerchor die beschreibenden Passagen dieser Verse, während der Solo-Tenor die emotionalen Teile singt.

Obgleich die Kantate nur sieben bis acht Minuten dauert, finden sich hier einige von Janáčeks stärksten Themen einschließlich einer lebendigen Darstellung der Natur und einem erstaunlichen Gespür für sehnsuchtsvolle Gefühlswelten; diese beiden Aspekte kehren auch in seiner reifen Musik wieder. Das häufig wechselnde Metrum und der ausführliche Gebrauch von Polyrhythmik verleiht der Musik einen fliessenden Charakter und hält sie durchgängig instabil. Die Vokallinien sind so geformt, dass sie die Sprachmuster reflektieren; dieser Faktor und ein unaufgelöstes modalharmonisches Schema tragen zu dem unruhigen Gefühl bei, welches die Musik durchdringt.

Janáček unterzog das Werk 1920 für eine geplante Aufführung weitreichenden Revisionen, und es gibt einige Anzeichen, dass er 1923 weitere Änderungen gemacht haben könnte, wobei es keine Hinweise existieren, worauf sie sich bezogen. Die 1920er-Version gestaltete den Dreiertakt zu einem geraden Takt um, mit umfangreichen Änderungen in der Taktstruktur. Bezüglich der Orchestration wurden ein paar Änderungen vorgenommen und einige Instrumentalpassagen gelichtet, um eine grössere Spannung zu erzeugen.

Na Soláni Čarták wurde zunächst 1958 in Prag von Státní nakladatelstvi krásné literatury, hudby a umĕné sowohl als Orchesterpartitur als auch als Klavierauszug herausgegeben. Die hier wiederveröffentlichte kritische Ausgabe erschien 1981 in Zusammenarbeit von Supraphon und Bärenreiter. Aufführungsmaterialien sind leihweise von Bärenreiter Prag erhältlich. Eine Aufnahme der Kantate wurde 1965 vom Prager Philharmonischen Chor und dem Prager Symphonieorchester gemacht, das Solo singt Beno Blachut, und Jiří Pinkas dirigiert. Diese Einspielung wurde mehrfach wiederaufgelegt.

Jaroslav Vogel bietet in seiner Biographie des Komponisten einen historischen Hintergrund und eine kurze Analyse des Werks1. Im ersten Band2 einer neueren ausführlichen chronologischen Erkundung von Janáčeks Leben präsentiert John Tyrrell zusätzliche geschichtliche Informationen über Na Soláni Čarták. Für Janáčeks reife Vokalmusik ist dies ein charakteristisches Werk, welches das Erforschen unbedingt wert ist.

Übersetzung: Oliver Fraenzke

1 Vogel, Jaroslav. Leoš Janáček: A biography. (New York: W.W. Norton, 1981), 201-204.
2 Tyrrell, John. Janáček: Years of a life. (London: Faber and Faber, 2006), v. 1, 770-773.

Aufführungsmaterial ist von Bärenreiter, Prag, zu beziehen. Nachdruck eines Exemplars der Musikbibliothek der Münchner Stadtbibliothek, München.

 

Partitur Nr.

1916

Edition

Repertoire Explorer

Genre

Chor/Stimme & Orchestra

Format

Druck

Reprint

Seiten

66

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