Foulds, John

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Foulds, John

Kashmiri Wedding Procession for small orchestra (First printed edition, engraved by Lucian Beschiu)

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Foulds, John

Kashmiri Wedding Procession for small orchestra (First printed edition, engraved by Lucian Beschiu) (1936)

(geb. Manchester, 2. November 1880 – gest. Kalkutta, 25. April 1939)

VORWORT

John Foulds ist meines Erachtens das vielleicht größte ignorierte kompositorische Genie des 20. Jahrhunderts, nicht nur in England, sondern überhaupt. Seine Musik atmet in vollkommener Originalität eine Freiheit, Leichtigkeit, Unmittelbarkeit und Entdeckerfreude, die den Hörer in einmaliger Weise berühren und mitreißen. Foulds war zugleich ein Pionier, ein wahrer Abenteurer, ein umfassender Meister der Form, ein lebenssprühender Musikant auch als Dirigent, Cellist und Pianist, ein unersättlicher Erkunder, ein Musterbeispiel an unbegrenzter stilistischer Vielseitigkeit, ein fortwährender Erneuerer, ein kritisch reflektierender Freigeist, und vor allem ein Mensch, der stets nach dem Höchsten strebte und sich dabei seiner menschlichen Unzulänglichkeit immerzu bewusst war, was ihm eine natürliche Demut verlieh und ihm ermöglichte, seinem eigentlichen Ziel, zu umfassender Freiheit zu gelangen, ein ‚Erleuchteter’ zu sein, immer näher brachte. Die entscheidenden Elemente herfür fand er in der östlichen Kultur, überliefert von den ‚Meistern der Weisheit’ in Zentralasien und in Indien, die er mit den konstruktiven Elementen der westlichen Kultur zu höherer Einheit zu verei- nigen trachtete. Nichts von den persönlichen Schicksalen und den tragischen Seiten seines Lebens drängte er den Hörern seiner Musik auf, die stets eine warmherzige, unsentimentale und authentische Sprache spricht.
John Herbert Foulds wurde am 2. November 1880 in Manchester als eines von vier Kindern eines Fagottisten geboren. Vorfahren waren jüdische Bankiers in Frankreich, worunter Achille Fould es zum Finanzminister Napoleons III. gebracht hatte. Doch in der Familie von John Foulds gab es nicht viel Geld, dafür umso mehr Musik, und früh zeigte John musi- kalische Begabung. Als Vierjähriger begann er mit dem Klavierspiel, dann mit Oboe, und schließlich wurde Cello sein Hauptinstrument. Schon mit sieben Jahren komponierte er. Wenig weiß man über diese Jahre, aber seine Kindheit scheint nicht sehr glücklich gewesen zu sein, und mit dreizehn Jahren lief er von zuhause weg. Er verdingte sich ab dem vier- zehnten Lebensjahr als professioneller Orchestermusiker und unternahm Reisen, von denen ihn eine nach Wien führte, wo er Anton Bruckner begegnete. 1900 wurde John Foulds Mitglied des Hallé Orchestra in der legendären Zeit unter Hans Richter.
Zu Foulds‘ frühen Kompositionen zählen einige Streichquartette. Eines davon entstand 1898, „mit kleineren Unterteilungen der Tonschritte als bei den Intervallen unserer Skala üblich, also mit Vierteltönen. Als sie in der Aufführung Ausführbarkeit bewiesen und die Fähigkeit, bestimmte psychologische Zustände in einer Weise auszudrücken, wie sie mit keinen an- deren uns Musikern bekannten Mitteln vermittelt werden konnten, übernahm ich sie ein für allemal als Mittel mei- ner Kompositionstechnik.“ Foulds, der demnach als erster europäischer Komponist Vierteltöne vorschrieb, hielt jedoch nichts von der institutionalisierten Verwendung einer Vierteltonskala, die nur eine weitere Unterteilung der künstlichen, temperierten Halbtonskala ist, und kritisierte freimütig wie stets solchen Missbrauch: „Die Wirkung ist eher, als ob ein Dichter die altbekannte Geschichte vom Aschenputtel in Worten erzählen sollte, die alle ein ‚th‘ enthalten.“ Immer wieder finden sich in langsamen Sätzen in Foulds‘ Musik gleitend vierteltönige Passagen, die ein seltsames Gefühl von Wildheit, von herrlicher Unregelmäßigkeit vermitteln können. Die 1910 entstandene Tondichtung ‚Mirage‘ ist ein frühes Beispiel.
‚Mirage‘ voran ging Foulds‘ erster großer Erfolg: Henry Wood hatte sein ‚Epithalamium‘ op. 10 bei den Queen‘s Hall Proms 1906 uraufgeführt. In ‚Mirage‘ sind streckenweise deutliche Einflüsse von Richard Strauss zu vernehmen, und nur Edward Elgar spielte für den jungen Foulds eine ähnlich offensichtlich stilprägende Rolle wie der Münchner Meister. Dabei ist der elaborierte Sinn für Klangfarben schon in den frühen Werken weit entwickelt und legt immer wieder Vergleiche mit französischer Orchestrationsfinesse nahe.
Warum ist John Foulds so unbekannt geblieben? Die Gründe sind vielfältig. Er war eine nicht unbeträchtliche Stimme im englischen Musikleben und pflegte mit seiner Kritik kein Blatt vor den Mund zu nehmen, ungeachtet der Prominenz der betreffenden Person. Viel schwerer aber wog, dass er bald eine Familie zu versorgen hatte und dies nicht mit dem Ertrag aus ‚seriös‘-musikalischer Betätigung bestreiten konnte. So verlegte er sich zur Finanzierung des Lebensunterhalts zusätzlich auf das Verfertigen von ‚leichter Musik‘, schrieb sehr erfolgreiche Stücke in diesem Genre und hatte eine zeit- weise erhebliche Produktion von Nebensächlichem, die die essentiellen Werke überschattete. Bald spielte man fast nur noch seine Unterhaltungsmusik, die übrigens durchaus zum Besten und Geschmackvollsten der Branche gehört – am er- folgreichsten war das in unzähligen Arrangements vorliegende ‚Keltic Lament‘ – und noch vor wenigen Jahren war John Foulds bei der BBC als ‚Light-music-composer‘ abgestempelt. Das wiedererwachende Interesse an Foulds‘ Musik ist vor allem der unermüdlichen Arbeit des schottischen Musikschriftstellers Malcolm MacDonald zu verdanken, auf dessen vorzüglicher Biographie ‚John Foulds and His Music‘ (Kahn & Averill, London, 1989) auch diese Einführung basiert.
1915 lernte John Foulds in London Maud MacCarthy (1882-1967), die Frau seines Lebens, kennen. Maud war als gei- gendes Wunderkind großgeworden, konnte jedoch aufgrund eines Nervenleidens ihre Laufbahn nicht fortsetzen und hatte brennendes Interesse an indischer Musik und Geisteswelt, an esoterischen und okkulten Praktiken entwickelt. 1909 war
sie durch Indien gereist, hatte Volksmelodien gesammelt und studierte zwei Jahre lang indische Kunstmusik. Sie lernte einige Instrumente beherrschen und sang mühelos die traditionellen mikrointervallischen Skalen. 1915 brachte sie John Foulds die Grundlagen des Tablaspiels bei, in der Folge lernte John die Vina spielen, und sein Interesse an exotischen Tonordnungen wurde in systematische Bahnen gelenkt. Er erstellte eine Tabelle von 90 Modi, die er alle als gleichwertig mit den enthaltenen zwei in der westlichen Musik gebräuchlichsten Leitern, der Dur- und der Moll-Skala, erachtete. Nach dem Vorbild von Bachs ‚Wohltemperiertem Klavier‘ beabsichtigte er, in mehreren Zyklen Studien in sämtlichen Modi anzufertigen. Doch vollendete er nur die ersten sieben ‚Essays in the modes‘, ein achter Essay wuchs zum ersten Satz des Klavierkonzerts ‚Dynamic Triptych‘ heran, ‚Dynamic Mode‘ betitelt. Foulds legte größten Wert auf die reine, unver- mischte Verwendung des Modus und war überzeugt, dass dieser seine maximale Wirkung nur unalteriert, ohne jegliche Eintrübungen entfalten könne. Er wandte sich scharf gegen die zeitübliche, chromatisierende Harmonisierung modalen Melodienguts, die den essentiellen, eigentlichen Charakter und Charme des spezifischen Melos neutralisiert und suchte nach puren, reinen Lösungen – elaborierte Einfachheit, synthetische Simplizität, die das Stadium der nicht notwendigen Komplexität hinter sich gelassen hat. Im Gegensatz zu späteren Erkundern modaler Welten wie Messiaen waren für Foulds nicht alle Skalen formal brauchbar, ja sie waren für ihn nicht einmal ‚Modi‘: dazu gehörten die Totalchromatik der Zwölftonreihe ebenso wie alle Skalen ohne reine Quint, also auch die Ganztonleiter: „Man kann sehen, dass jeder dieser Modi eine invariable Dominante bezüglich der Tonika enthält. Modi existieren aufgrund der Beziehung der ein- zelnen Töne zu einer Tonika, und in nur ein wenig geringerem Grade – für meine Ohren – aufgrund des stabilisierenden Einflusses der Dominante. Ist Letztere ausgenommen oder verfälscht (also erniedrigt oder erhöht), so zerfällt der Modus als solcher völlig. In eben dieser Qualität der Konzentration besteht der Wert der Modi.“ Hier erweist sich Foulds bei aller Entdeckerfreude als unbestechlicher Bekenner zur naturgegebenen Tonalität, zum lebensspendenden Schwer und Leicht in der Artikulation der Harmonik, zu hierarchischen Tonbeziehungen um ein tonales Zentrum, zur modalen Charakteristik als spezifischer Tönekonstellation um eine Tonsonne, einen harmonischen Dreh- und Angelpunkt. Atonalität sah Foulds als wichtige Errungenschaft im Arsenal des modernen Tonsetzers an, lehnte jedoch ihre systematische Verwendung ab und verwies auf den völligen Verlust persönlicher Merkmale im Schaffen der meisten Anhänger der dodekaphonischen Schule:
„Und wenn der beharrliche Atonalist geltend macht, sein System sei das angemessene Ausdrucksmittel aller Höhen und
Tiefen, die sein Bewusstsein zu erfassen imstande ist, so kann ich nur erwidern, dass er kein großer Reisender ist.“   ….
Christoph Schlüren, Oktober 2014
Aufführungsmaterial ist von Musikproduktion Höflich (www.musikmph.de), München, zu beziehen.

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PREFACE

John Foulds is, to my mind, perhaps the greatest twentieth-century composer of genius to be entirely ignored, not only in England, but altogether. His wholly original music exudes freedom, lightness, immediacy, and a joy of discovery capable of touching and thrilling the listener in a unique way. Foulds was at once a pioneer, a true adventurer, a comprehensive master of form, a vivacious practicing musician as a conductor, cellist, and pianist, an insatiable explorer, a prime example of unlimited stylistic versatility, a tireless innovator, and the possessor of a critical and free-thinking mind. Above all he was a man who always strove for the utmost while remaining ever cognizant of his human inadequacy. This lent him a natural modesty and enabled him to come closer and closer to his actual goal of reaching absolute freedom, of being an “enlightened one.” He found the crucial elements for his quest in Eastern culture, as handed down by the “masters of wisdom” in Central Asia and India, and sought to combine them with constructive elements of Western culture to fashion a higher unity. None of the personal setbacks and the tragic sides of his life are imposed on the listeners of his music, which invariably speaks a warm-hearted, unsentimental, and authentic language.
John Herbert Foulds was born in Manchester on 2 November 1880 as one of four children of a professional bassoon player. His ancestors were French-based Jewish bankers, one of whom, Achille Fould, rose to become Minister of Finance under Napoleon III. Foulds’s own family had little money, but indulged all the more in music, for which John revealed an early gift. He began to take piano lessons at the age of four, after which he switched to the oboe before making the cello his main instrument. His earliest compositions were produced at the tender age of seven. Little is known about him in these years except that his childhood was not very happy. He ran away from home at the age of thirteen, becoming a professional orchestral musician and undertaking journeys that took him as far afield as Vienna, where he met Bruckner. In 1900 he joined the Hallé Orchestra during it legendary period under Hans Richter.
Among Foulds’s early compositions are several string quartets, one of which, written in 1898, “tentatively experimented

[…] with smaller divisions than usual of the intervals of our scale, i.e. quarter-tones. Having proved in performance their practicability and their capability of expressing certain psychological states in a manner incommunicable by other means known to musicians, I definitely adopted them as an item in my composition technique.” Foulds thus became the first European composer to call for quarter-tones. However, he showed no interest in the institutionalized use of a quarter-tone scale (it is nothing but a further subdivision of the artificial well-tempered semitonic scale) and always openly criticized its misuse: “The effect therefore is somewhat as if a poet should retell the old, old story of Cinderella in words every one of which should contain a ‘th’.” Time and again we find, in Foulds’s slow movements, polished quarter-tone passages conveying a strange sensation of wildness and splendid irregularity. His tone-poem Mirage of 1910 is an early example of such music. It was preceded by Foulds’s first major success, when Henry Wood premièred his Epithalamium (op. 10) at the Queen’s Hall Proms in 1906. Several long passages of Mirage clearly reveal the influence of Richard Strauss, who is equaled only by Edward Elgar as the obviously formative figure in Foulds’s early style. His elaborate sense of timbre is already well- developed in these early works, which constantly invite comparison with the subtleties of French orchestration.
Why did John Foulds remain so unknown? The reasons are many and varied. A not inconsiderable voice on the English music scene, he refused to mince words in his criticism, regardless of the stature of the figures he criticized. More seriously, he soon had to support a family and needed more than the meager proceeds he obtained from his activities in
“art music.” Thus, to make ends meet, he also turned out “light music,” writing highly successful pieces in this genre. At times this led to a considerable output of peripheral music that eclipsed his essential works. Soon practically the only music of his that reached performance was his light music, which, be it said, was among the best and most polished in the trade (the most successful piece was Celtic Lament, which exists in myriad arrangements). Until a few years ago Foulds was still categorized as a “light-music composer” at the BBC. The resurgent interest in his music is due mainly to the tireless efforts of the Scottish musicologist Malcolm MacDonald, on whose superb biography John Foulds and His Music (London: Kahn & Averill, 1989) the present preface is based.
In 1915 Foulds met the woman of his life in London: Maud MacCarthy (1882-1967). She had grown up as a violin prodigy, but was prevented by a nervous disorder from continuing her career. Instead, she had developed a consuming interest in Indian music and the world of spiritualism, in esoteric and occult practices. She traveled in 1909 to India, where she collected folk melodies and spent two years studying Indian art music. She also learned to play several instruments and effortlessly sang the traditional micro-intervallic scales. In 1915 she taught Foulds the rudiments of playing the tabla; later he would learn to play the vina, and his interest in exotic tonal systems was directed into systematic channels. He created a table of ninety modes, all of which he considered equal in value to the surviving two modes favored in Western music, major and minor. Inspired by the example of Bach’s Well-Tempered Clavier, he planned to produce several sets of studies in all the modes, but was only able to produce the first seven of these Essays in the Modes. An eighth, entitled Dynamic Mode, became the opening movement of his piano concerto Dynamic Triptych. Foulds placed great store in the pure and unalloyed use of modes, being convinced that they could only attain maximum effect if left unaltered and devoid of alien elements. He sharply criticized that then customary chromatic harmonization of modal melodies, which neutralize the essential, idiomatic character and charm of the melodic writing, and instead sought pure solutions, an elaborate and synthetic simplicity surpassing the stage of needless complexity. Unlike later explorers of modality, such as Messiaen, Foulds did not consider all scales formally viable; indeed, to him they were not even “modes” at all. Among them were the total chromaticism of the twelve-tone row and any scale without a pure fifth, including the whole-tone scale: “It will be observed that every mode in this table contains an invariable dominant in addition to the tonic. Modes exist by reason of the relation of their component notes to a tonic, and in only slightly lesser degree (to my ear) by the stabilizing influence of the dominant. Once this latter is withdrawn or tampered with (i.e. either flattened or sharpened), the mode, as such, completely disintegrates. It is in just this quality of concentration that the value of the modes inheres.” Here, for all his joy of discovery, Foulds proves to be an incorruptible advocate of natural tonality – of the life-imparting oscillation between tension and release in the articulation of harmony, of hierarchic tonal relations surrounding a central pitch, and of the character of modes as specific combinations of pitches surrounding a tonic epicenter, which serves as a harmonic fulcrum and pivot. Though he viewed atonality as an important achievement in the modern composer’s arsenal, he rejected its systematic application and referred to the complete absence of personality in the music of most adherents of the dodecaphonic school: “And if the persistent atonalist assert that this system is the appropriate expression of all the heights and depths his consciousness is able to contact, I can only make the rejoinder that he is no great traveller.” …

Translation: Bradford Robinson, 2014
For performance material please contact Musikproduktion Höflich (www.musikmph.de), Munich.

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